Protokoll der Sitzung vom 21.07.2006

Ich bitte darum, dass Sie dem Änderungsantrag der Koalition Ihre Zustimmung geben. Dem Antrag der Linksfraktion.PDS können wir, so wie er vorliegt, leider nicht unsere Zustimmung geben.

Schönen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall bei der CDU)

Ich rufe die NPDFraktion auf; Herr Abg. Gansel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder fehlen Ausbildungsplätze im Land der ökonomischen Abrissbirne. Wer hätte das gedacht? Jedes Jahr diskutiert die etablierte Politik aufs Neue, mit welchen kosmetischen Maßnahmen ein paar jungen Deutschen ein Ausbildungsplatz und damit zumindest ein theoretischer Einstieg in das Berufsleben verschafft werden könnte. Schließlich braucht die junge Generation wenigstens einen Berufseinstieg, wenn sie nach den Plänen etablierter Rentenpolitiker schon bis zum 67. Lebensjahr arbeiten soll, um dann großzügigerweise eine staatliche Rente auf Sozialhilfeniveau zu bekommen.

Dass die Diskussion über den Ausbildungsplatzmangel im Sächsischen Landtag wie in jedem anderen Parlament ebenso beharrlich wie folgenlos geführt wird, zeigt doch, dass das Problem bislang in seinen Ursachen nicht erkannt wurde. Es werden vielmehr nur die Symptome, nicht aber die Ursachen der raumgreifenden Ausbildungs- und Arbeitsplatzmisere bekämpft.

Der Ausbildungsplatzmangel ist nur das Symptom einer umfassenden Krise, die den Charakter eines sozioökono

mischen Teufelskreises hat. Im Zuge der von allen etablierten Parteien gewollten Osterweiterung der Europäischen Union sowie der Globalisierung wird Arbeit systematisch ins Ausland verlagert. Der aus Arbeitslosigkeit resultierende Kaufkraftverlust lässt örtliche Betriebe in den Konkurs gehen, wodurch die Gewerbesteuereinnahmen sinken. Die sich deshalb leerenden Kassen der Kommunen führen zum Abbau von Sozial-, Bildungs- und Förderangeboten. Wegen fehlender Bildungs- und Berufsperspektiven kehren potenzielle Leistungsträger ihrer Heimat den Rücken, weshalb die so genannten Standorte für Investoren noch unattraktiver werden. Sodann dreht sich die Spirale des sozioökonomischen Niedergangs unbarmherzig weiter und weiter:

Noch weniger Arbeit, noch weniger Kaufkraft, noch weniger existenzfähige Betriebe, noch weniger Gewerbesteuereinnahmen, noch weniger soziale Bildungsangebote, noch weniger Perspektiven für die Jugend, noch mehr Abwanderung, Endstation Bundesrepublik. Die EUOsterweiterung und Globalisierung führen zu planvollem Export unserer Arbeitsplätze in Niedriglohnländer bei gleichzeitigem Import ausländischer Arbeitsplatzkonkurrenten und Lohndrücker. Wie sollen da noch Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Deutsche neu geschaffen werden können?

Ein weiterer, zunächst rein betriebswirtschaftlicher Aspekt ist im Zusammenhang mit der Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzmisere zu benennen. Ein betrieblicher Ausbildungsplatz kostet viel Geld und die berufliche Ausbildung findet überwiegend in den kleinen und mittleren Betrieben statt. Aber gerade diese Unternehmen haben mit sinkenden Gewinnen und unsicheren Zukunftsaussichten zu kämpfen. Die lahmende Binnenkonjunktur durch den schon geschilderten sozioökonomischen Teufelskreis, verstärkt durch die konjunkturpolitisch destruktive Mehrwertsteuererhöhung der großen Koalition, setzt diese Unternehmen wirtschaftlich genauso unter Druck wie der EU- und globalisierungsgeschuldete Wettbewerb um den niedrigsten Preis von Ware und menschlicher Arbeitskraft.

Es bestehen also strukturelle Gründe für den schon seit Jahren akuten Ausbildungsplatzmangel. Deshalb ist der Anspruch der PDS-Fraktion, den sie in der Überschrift ihres Antrages formuliert hat, unter den gegebenen gesellschaftspolitischen Verhältnissen völlig unrealistisch. Auch mit neuen und weiter gefassten Initiativen, wie sie in dem Antrag genannt werden, wird man den Strukturdefiziten im Ausbildungsbereich nicht beikommen können.

Es gibt ja bereits ein förderpolitisches Instrumentarium des Freistaates Sachsen, das auf vielfältige Weise die Berufsausbildung unterstützen soll. Trotzdem gibt es einen eklatanten Mangel an Ausbildungsplätzen. So genannte – so steht es im PDS-Antrag – „Aufrufe des Ministerpräsidenten an die Wirtschaft“, „Briefe der Staatsminister“ und „Telefonaktionen der Staatsministerien“ – Maßnahmen, die die Antragsteller allen Ernstes vorschlagen – können nicht verkehrt sein, aber sie offen

baren ein erschreckendes Maß an Hilf- und Ratlosigkeit eben auch der PDS-Fraktion.

Eine politische Klasse, die der Ausbildungsplatzmisere mit ministeriellen Aufrufen, Briefen und Telefonaktionen begegnen will, ist mit ihrem politischen Latein nun wirklich am Ende.

Wer jungen deutschen Menschen einen Ausbildungsplatz und damit auch ein Stück Zukunft garantieren will, muss grundsätzlich andere politische Weichenstellungen vornehmen, Weichenstellungen, die von den Blockparteien aber gemieden werden wie das Weihwasser vom Teufel.

Selbstverständlich hält es die NPD-Fraktion für richtig, nach allen Strohhalmen zu greifen, die die Folgen der etablierten Politik auch nur abmildern könnten. Insofern können die von der PDS-Fraktion vorgeschlagenen Maßnahmen nicht schädlich sein, auch wenn sie unter den schon genannten gesellschaftspolitischen Verhältnissen kaum große Wirkung entfalten werden. Aber dieser Antrag kann uns nicht von der Verpflichtung entbinden, die wirklichen Ursachen für die Schieflage in unserem Land zu erkennen. Ursache und Wirkung müssen endlich einmal sauber unterschieden werden, um daraus die richtigen Rückschlüsse für politisches Handeln zu ziehen.

Ursache der Strukturkrise ist die politisch gewollte Öffnung der Märkte und auch des Arbeitsmarktes durch die EU-Osterweiterung und Globalisierung. Ein eklatanter Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen ist die traurige Wirkung.

Das etablierte Parteienkartell moderiert und verwaltet diese Probleme nur noch, aber es löst kein einziges mehr. Die NPD-Fraktion befürchtet, dass uns der Mangel an Ausbildungsplätzen wegen des Versagens der etablierten Politik auch in den nächsten Jahren immer und immer wieder beschäftigen wird. Da ist es doch ziemlich entlarvend, wenn selbst der Freistaat sein Lehrstellenangebot deutlich zurückfährt. Wie die „Sächsische Zeitung“ am 13. Juli 2006 berichtete, bietet der Freistaat Sachsen in diesem Jahr nur noch 615 Ausbildungsplätze an. Das sind 172 weniger als im Vorjahr. Das ist wahrlich kein ermutigendes Signal an die Ausbildungsplatz suchende Jugend und dies hat auch keinen Vorbildcharakter für die Wirtschaft, die mehr ausbilden soll. Vor diesem Hintergrund ist es von einer geradezu frechen Scheinheiligkeit, wenn die Koalitionsfraktionen ihre eigene Staatsregierung auffordern, dass die Behörden des Freistaates Sachsen, „ihr Ausbildungsplatzangebot weitestgehend verstetigen sollen“. Was soll denn „Verstetigung“ heißen, wenn – wie genannt – der Freistaat sein Lehrstellenangebot in diesem Jahr deutlich verringert hat?

Dann wird im Änderungsantrag der Koalition auch noch von „gezielten Maßnahmen“ zur Ausbildungsplatzbeschaffung schwadroniert, ohne dass auch nur eine einzige dieser gezielten Maßnahmen genannt wird. Schließlich wird – so wie in der afrikanischen Sahelzone Schamanen die Regengötter anrufen – wieder einmal das Bündnis für Ausbildung rituell beschworen.

Meine Damen und Herren von den etablierten Parteien! Sie haben keine Problemlösung für die Ausbildungs- und Arbeitsplatzmisere in diesem Land. Sie sind mit Ihrer Politik das Problem.

Weil aber der Antrag der Koalitionsfraktionen wenigstens eine richtige Zielvision anzeigt, werden wir diesem Antrag genauso zustimmen wie dem PDS-Antrag, obwohl wir nach der Folgenlosigkeit dieser beiden Anträge unsere Uhr stellen können.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP, Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, wir haben jedes Jahr wieder das Thema hier im Hohen Hause: „Ausbildungsplätze – Ausbildungsplatzsituation“. Allerdings muss ich mich ein bisschen über die Anträge wundern, die zu diesem Thema vorgelegt werden.

Dem Antrag der Linksfraktion.PDS kann man, auch wenn man politisch nicht alles mittragen kann, eine gewisse Substanz nicht absprechen. Aber das, was Sie als Koalitionsfraktionen vorgelegt haben, zeugt von einer sehr, sehr großen Schlichtheit. Wenn man diesen Antrag mit den Anträgen vergleicht, die Sie in dieser Plenartagung zu anderen Themen vorgelegt haben, kann man von einer Kontinuität der Schlichtheit sprechen.

(Beifall bei der FDP)

Ein bisschen mehr Befassung mit den Themen wäre schon wünschenswert.

Ausbildung und Ausbildungsfähigkeit waren nicht nur der Gegenstand der Debatten hier im Plenum, sondern wir haben im Ausschuss für Wirtschaft mehrere Male intensiv über dieses Problem diskutiert. Wir haben das Problem dort weiter gefasst, weil es im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung zu sehen ist, denn bereits in vier Jahren werden hier in Sachsen die Schulabgänger nicht mehr in der Lage sein, die Altersabgänge aus der Wirtschaft zu kompensieren.

In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Altbewerber eine wichtige zu lösende Frage. Nur es einfach so zu benennen, wie Sie es von der Linksfraktion.PDS tun, Frau Klinger, und dann zu polemisieren, hilft uns nicht weiter. Wir müssen uns fragen: Warum haben wir das Altbewerberproblem? Wir haben es auch deswegen, weil tatsächlich bis zu 25 % eines Jahrganges von der Wirtschaft als nicht ausbildungsfähig eingeschätzt werden. Diese beiden Probleme gehören zusammen. Man muss die Sache im Zusammenhang sehen, wenn man zu Lösungen kommen möchte.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Der Kollege Rasch hat es schon zu Recht angesprochen: Wir müssen im Bereich der Schule die Voraussetzungen schaffen, weil das eben schon zu Beginn der Schulzeit eine Rolle spielt. Wir müssen aber noch viel früher einsteigen. Ich denke, die Ursachen liegen im Elternhaus. Wir können nicht alles auf den Staat abschieben. Auch die Eltern haben eine Verantwortung dafür, dass ihre Kinder in der Lage sind, ausbildungsfähig zu sein.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Schafft das Lehrstellen?)

Dieser Sachverhalt ist in Ihrem Antrag leider nicht berücksichtigt.

Zu den Zahlen: Wir haben weniger Ausbildungsverträge im Jahr 2006 als im Jahr 2005, aber wir haben im gleichen Maße auch einen Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Morlok?

Ja, gern.

Herr Prof. Porsch.

Kollege Morlok, Sie haben darauf hingewiesen, dass man die Dinge im Zusammenhang sehen muss und dass diese Probleme auch daraus resultieren, dass immer wieder Überhang entsteht, weil junge Leute keinen Ausbildungsplatz bekommen. Nun frage ich Sie: Haben wir diesen Überhang, zum Beispiel 25 %, von Schulabgängern ohne Ausbildungsplatz, weil die Leute nicht ausbildungsfähig sind, obwohl die Ausbildungsplätze vorhanden sind, oder haben wir den Überhang zuvörderst deshalb, weil die Ausbildungsplätze fehlen? Wenn das Zweite richtig wäre: Was helfen dann Ihre Appelle an die jungen Leute und ihre Eltern?

Herr Kollege Porsch! Mein Vorredner – ich denke, es war Herr Rasch – hat darauf hingewiesen, wir haben tatsächlich ein Problem, dass für viele Unternehmer, die ausbilden möchten, in den Ausbildungsberufen, in denen sie die Ausbildungsplätze anbieten, tatsächlich keine Bewerber vorhanden sind. Das ist ja das Problem: dass wir inzwischen eine Situation haben, dass eine erhebliche Anzahl von jungen Leuten keinen Ausbildungsplatz findet, aber auch eine – zugegebenermaßen – geringere Anzahl von Unternehmen Ausbildungsplätze nicht besetzen kann. Diese Entwicklung ist in den letzten Jahren entstanden. Das verändert die Situation, wie wir sie vielleicht vor vier oder fünf Jahren hatten. Diese Entwicklung wird sich verschärfen: dass wir immer mehr Unternehmer haben, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können.

Angesichts des demografischen Wandels – ich habe es bereits gesagt, in vier Jahren wird es so sein, dass die Zahl der Schulabgänger den Altersabgang nicht mehr kompensieren kann – müssen wir uns schon sehr wohl darüber

Gedanken machen, wie wir die Ausbildungsfähigkeit dieser Altbewerber verbessern, damit sie in der Lage sind, diese Lücke zu schließen.

Ich denke, das gehört in dem Sachzusammenhang mit dazu. Deswegen habe ich es angesprochen. Deswegen wollte ich es hier im Plenum auch so darstellen, dass es einen Sachzusammenhang gibt zwischen den Altbewerbern, der Ausbildungsfähigkeit und der demografischen Lücke in vier Jahren.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt noch zwei weitere Zwischenfragen. Zuerst Herr Seidel, bitte.

Herr Morlok, Sie haben von einem Trend in den letzten Jahren gesprochen. Würden Sie uns bitte einmal die Quelle nachweisen, der Sie entnehmen, dass Ausbildungsplätze in Sachsen nicht besetzt werden können, weil die Schüler schlichtweg keine Ausbildungsreife haben?

Wir haben diese Unterlagen nicht. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns das geben könnten. Denn nur dann können wir reagieren.

Bitte nur die Frage!

Ansonsten halte ich das nur für eine Schutzbehauptung.

Wissen Sie, Herr Kollege, Sie müssten sich einfach einmal mit dem Thema befassen,

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)