Protokoll der Sitzung vom 21.07.2006

(Uwe Leichsenring, NPD, steht am Mikrofon.)

– Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage!

Meine Damen und Herren! Jeder, der die Anhörung verfolgt oder zumindest das Protokoll gelesen hat, weiß, welche rechtlichen Kunstgriffe vollzogen werden müssen, um das Begehren der NPD irgendwie auch nur einigermaßen in eine Art Licht zu rücken. Da hilft es auch nicht, wenn Sie juristische Einzelmeinungen wie die von Herrn Prof. Schachtschneider hier bemühen. Juristische Einzelmeinungen lassen sich letztlich bei jedem Thema finden.

Gerade weil ich kein Jurist bin, hat mir bei der Bewertung ein unter Juristen häufig gebrauchter Ausspruch geholfen. Er lautet: Es gibt keine These, die nicht dumm genug wäre, als dass sie nicht von irgendwem vertreten wird.

Ich glaube, es gibt kaum ein Thema, bei dem dieser Satz so stimmt wie bei diesem Antrag, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich möchte gar nicht in Versuchung kommen, Ihre Argumentation dadurch zu adeln, dass ich näher darauf eingehe. Unser hoch geschätzter Kollege Marko Schiemann hat, an anderer Stelle wohlgemerkt, zum gleichen Thema

bereits mehrfach versucht, Ihnen die rechtliche Absurdität Ihres Begehrens vor Augen zu führen.

Ihre Bemühungen in allen Ehren, Herr Schiemann, aber ich glaube, bestimmte Dinge sind den Mitgliedern der NPD-Fraktion schlicht nicht vermittelbar. Die Gründe dafür kann sich jeder denken. Die NPD lebt vom Schüren von Ängsten, lebt von Populismus. Sie lebt von falschen Versprechungen.

(Alexander Delle, NPD: Sie von Unfähigkeit!)

Eine dieser Weltuntergangsfantasien besteht eben darin, mit dem Prozess der europäischen Einigung das Ende der staatlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland herbeizureden.

(Jürgen Gansel, NPD: Seien Sie doch einmal ehrlich!)

Wie absurd dies ist, hat die Anhörung gezeigt. Aus meiner Sicht reicht aber schon eine kleine Portion gesunder Menschenverstand aus, um die Abwegigkeit dieser Argumente zu erkennen. Daher ist jeder weitere Satz zu diesem Thema zu viel. Ich für meinen Teil freue mich jetzt lieber auf das kühle Bier beim Sommerfest. Das ist allemal erfrischender als Ihr Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Ich frage die FDPFraktion, ob sie reden möchte. – Nein. GRÜNE? – Auch nicht. Die Staatsregierung? – Auch nicht. Dann ist die NPD-Fraktion an der Reihe.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Schlusswort?)

Da keine Debatte weiter gewünscht wird, Herr Dr. Müller, sind Sie mit dem Schlusswort dran.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte sicherlich schon noch etwas zu sagen gehabt, aber ich muss auf die Redezeit achten. Da bin ich mir jetzt nicht so sicher, ob Sie mir das Schlusswort gegeben haben oder unsere Redezeit stehlen.

Ich muss doch noch einmal von vorn anfangen. Debatte kann man das Ganze ja eigentlich nicht nennen. Denn das, was hier stattgefunden hat, war ja eigentlich eine Farce.

(Zuruf des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Diese Farce ist Ihnen und Ihresgleichen auch in den anderen Parlamenten zu Eigen. Denn Sie fürchten das Volk wie der Teufel das Weihwasser. Sonst hätten Sie das Volk auch über die Europäische Verfassung abstimmen lassen können.

(Beifall bei der NPD)

Sie fürchten das Grundgesetz der Bundesrepublik genauso wie der Teufel das Weihwasser; denn darin ist die staatliche Integrität Deutschlands geregelt, während sie in Ihrer

Utopieverfassung von Europa in einem Bundesstaat aufgehen würde; und weil die Väter des Grundgesetzes einen wesentlich reiferen Eindruck hinterlassen haben als Sie, hatten sie die Ewigkeitsklausel und den Artikel 20, wonach alle Macht vom Volk, nämlich vom deutschen Volk, ausgeht, eingebaut.

Aber nun kommen wir zum eigentlichen Antrag. Da Sie das Bundesverfassungsgericht fürchten wie der Teufel das Weihwasser, wollen Sie unserem Antrag nicht zustimmen; denn es ist davon auszugehen, dass, wenn dieser Antrag durchginge und die Staatsregierung die Normenkontrollklage einreichen würde, das Bundesverfassungsgericht zu der Entscheidung kommen würde, die Prof. Schachtschneider hier in der Anhörung, in der Sie teilweise anwesend waren, vertreten hat.

(Heiterkeit bei der SPD, der FDP und teilweise bei der CDU)

Von Ihnen ist nicht viel Einsicht zu erwarten. Ich appelliere trotzdem noch einmal an Ihre Vernunft: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 4/5812 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen und Stimmen dafür; die Drucksache 4/5812 ist mehrheitlich abgelehnt worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Kindern eine Stimme geben – Kinderkommission im Sächsischen Landtag bilden

Drucksache 4/5516, Antrag der Fraktion der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen, beginnend mit der FDP als Einreicherin, danach die gewohnte Reihenfolge. Frau Schütz, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Kindern eine Stimme geben – für eine Kinderkommission im Sächsischen Landtag.“ Wir bringen heute hier einen Antrag ein, der alle Fraktionen auffordert, sich gemeinsam für die Wahrnehmung der Belange der Kinder in Sachsen einzusetzen.

Kinder sind kleine Pflanzen, die wachsen. Kinder in unserer kulturellen Gesellschaft groß werden und reifen zu lassen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dieser Aufgabe noch besser und an mancher Stelle auch schneller gerecht zu werden, dafür werben wir mit einer Kinderkommission; denn Kinder haben das Recht auf eine Politik, die ihnen eine Zukunft voller Chancen eröffnet. Doch Kinder können noch nicht wählen. Viele lernen gerade sprechen oder schreiben ihre ersten Diktate. Kinder sind darauf angewiesen, dass Eltern und die Politik ihre Anliegen wahrnehmen und berücksichtigen; denn Kinder werden immer noch nicht selbstverständlich als eigenständige Persönlichkeiten mit Rechten und Bedürfnissen angesehen und respektiert.

Die FDP-Fraktion möchte die Anerkennung der Kinderpolitik als eigenständiges Politikfeld sehen und stellt deshalb heute den Vorschlag der Kinderkommission zur Abstimmung. Die Idee ist nicht neu. Der Bundestag hat seit 1988 eine Kinderkommission. Überparteilich treten die insgesamt fünf Mitglieder geschlossen für die Interessen der Kinder ein. Auch in Sachsen war dies bereits

Thema. Der Deutsche Kinderschutzbund in Sachsen wandte sich 1990 in einem Brief an den Koordinierungsausschuss Verfassung und Recht, in persona Herrn Erich Iltgen, mit der Bitte, im Sächsischen Landtag möge eine Kinderkommission eingerichtet werden. Dieser Bitte wurde bisher leider nicht entsprochen.

Dabei ist die Kinderkommission heute wichtiger denn je. Immer weniger Familien mit immer weniger Kindern gibt es im Freistaat Sachsen. Die demografische Entwicklung macht den Raum für Kinder immer kleiner. Sie brauchen mehr denn je einen starken Partner in der Legislative. Dieser Partner kann die Kinderkommission sein. Verbände wie der Kinderschutzbund, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Grundschulverband sowie viele andere Vereine und Menschen, die tagtäglich mit Kindern zu tun haben,

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

wünschen sich einen solchen Partner im Sächsischen Landtag. Dies war das Fazit einer Veranstaltung, welche die FDP-Fraktion anlässlich einer Expertenanhörung zu diesem Antrag durchgeführt hat. Einen Grund, den Antrag abzulehnen, hat niemand geäußert. Im Gegenteil: Man freut sich auf die sächsische Kinderkommission.

Die Tätigkeit der Kinderkommission soll sich auf alle Politikfelder beziehen. Die Aufgaben gehen dabei über den Wirkungskreis des Sozialausschusses hinaus. Während in der Arbeit eines Ausschusses ein Ausgleich zwischen verschiedenen Interessenlagen geschaffen werden muss, soll die Kinderkommission ausschließlich

die Belange der Kinder vertreten. Unterschiedliche Zuständigkeiten erschweren derzeit die Interessenwahrnehmung für Kinder. Die Kinderkommission hingegen arbeitet institutionsübergreifend und versteht sich bewusst als Lobby für die Kinder. Auch ihre Wirkung in die Fraktionen hinein ist sicher nicht zu unterschätzen. Vielleicht kann man so in allen Bereichen und bei allen Politikern die Sensibilität für kinderpolitische Fragen erhöhen.

Mit der Einrichtung einer eigenen Kinderkommission wäre der Sächsische Landtag übrigens das erste Landesparlament, welches Kinder in seine parlamentarische Obhut nimmt. Hier kann der Freistaat Sachsen Vorreiter sein. In Nordrhein-Westfalen versuchten es 2004 die CDU und in Bayern 2005 die SPD, eine Kinderkommission zu gründen. Leider scheiterten beide an den politischen Mehrheitsverhältnissen. Dies darf und sollte uns im Interesse der Kinder in Sachsen nicht passieren. Unsere Kinderkommission soll kein Feigenblatt des Parlaments und schon gar nicht zu einer Schwatzbude werden, um es mit den Worten von Herrn Dr. Hähle zu sagen.

Es wird natürlich an den einzelnen Abgeordneten selbst liegen, wie sehr sie sich mit dem Thema auseinander setzen. Ich bin mir jedoch sicher, dass es im Sächsischen Landtag die Parlamentarier gibt, die engagierte Kinderpolitiker sein wollen und können. Ich denke an Sie, Frau Nicolaus, an Herrn Neubert, Frau Falken, Frau Dr. Schwarz und Frau Günther-Schmidt. Ich bin der festen Überzeugung, eine sächsische Kinderkommission wird Erfolg haben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle wollen, dass Sachsen zum kinderfreundlichsten Land wird.

(Beifall bei der FDP)

Der Weg dahin ist nicht einfach. Es geht nicht nur darum, besser zu sein als andere, sondern Familien und Kindern eine gute Heimat und Zukunft zu bieten. Dabei geht es nicht nur um die Plätze in Kindertageseinrichtungen, sondern um das gesamte Lebensumfeld für Kinder und deren Eltern. Spontan fallen mir dazu einige Beispiele ein. Kinder und Gesundheit: Werden überall Angebote des Mittagessens in qualitativ hochwertiger Form gemacht? Gibt es ausreichende Bewegungsangebote? Kinder und Bildung: Was bedeutet es für Kinder, lange Schulwege zu haben? Einstündige Busfahrten sind für sie eine Belastung. Kinder und Rechte: Frauen und Männer werden nicht als Mütter und Väter geboren, Kinder nicht als Demokraten. Welche Angebote zur Kompetenzstärkung sind daher vorzuschlagen? Ob im Bereich Finanzen, Innenpolitik und Recht, Gesundheit, Verkehr, Bildung und Wirtschaft – überall sind Kinder direkt oder indirekt betroffen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, Kinderpolitik ist mehr als Sozialpolitik. Sie strahlt in alle Bereiche aus, und Kinderpolitik ist wie kein anderer Bereich zukunftsorientiert. Beschlüsse der Politik