Unter diesen Schmerzen schleppen Sie sich stöhnend weiter – dabei sind Sie gerade – und dann folgt der dritte Schritt. Das ist die ernsthafte Wunde, die medizinisch versorgt werden muss, unter deren Belastung Sie aber zusammenbrechen. Das werden wir auch noch erleben. Sie sind keine Staatsmänner, Sie sind Sturmänner.
Sie, Herr Milbradt, hatten in der letzten Woche viel auszuhalten. Ihnen ist vorgeworfen worden, Sie wären nicht weltläufig genug, Ihnen fehlte so ein gewisser Touch, den man bei Herrn Biedenkopf manchmal wahrgenommen habe. Das hätten Sie alles in diesem Sommer hervorragend aus der Welt räumen können. Sie hätten Herrn Biedenkopf sozusagen ins politische Grab befördern können, wenn Sie das weltläufige Auftreten gehabt hätten, in dieser Frage zu vermitteln und genau das zu machen, worum wir Sie gebeten haben.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde der Sprecher der Fraktionen. Es gibt mehrere Wortmeldungen, doch frage ich, ob die Staatsregierung bereits an dieser Stelle Stellung nehmen möchte. – Es wäre nett, wenn mir signalisiert würde, von wo aus noch Redebedarf besteht. – Dann rufe ich Frau Mattern von der Linksfraktion.PDS auf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In einer repräsentativen Umfrage des MDR-Kulturmagazins „artour“ vom 31. August dieses Jahres wurde festgestellt, dass derzeit 58 % der Dresdner gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke votieren. Als entscheidender Grund für den Meinungsumschwung in der Stadt Dresden wird die UNESCO-Entscheidung angegeben, der Stadt den Welterbetitel zu entziehen. Dieses Ergebnis, das auch durch andere Meinungsumfragen gestützt wird, zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger heute von einer anderen Ausgangslage ausgehen als zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids vor anderthalb Jahren.
Herr Zastrow, ich kann es nicht anders sagen: Als Politiker oder politischer Entscheidungsträger muss man das auch zur Kenntnis nehmen und kann nicht einfach nur darauf bestehen, was irgendwann einmal gewesen ist. Aus meiner Sicht, Herr Rohwer und Herr Zastrow, müssten CDU und FDP sogar selbst die veränderte Sachlage einräumen; denn als in Dresden vor anderthalb Jahren das sogenannte Abstimmungsbüchlein für den Bürgerentscheid an alle Haushalte verteilt wurde, konnten die
Bürgerinnen und Bürger in Ihrer brückenverliebten Argumentation nachlesen, dass die Brücke in keinem Widerspruch zum UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal stehen würde.
Dass dies eine grob fahrlässige Behauptung innerhalb des von Ihnen sogar initiierten Bürgerentscheids war, meine Damen und Herren, müssten Sie heute ehrlicherweise zugeben und sagen: Ja, die Sachlage hat sich in der Tat seit der Tagung der UNESCO in Vilnius verändert; es gibt einen neuen Handlungsauftrag. – Dass eine andere Sachlage eingetreten ist, bestätigte inzwischen sogar das Regierungspräsidium – siehe Pressemitteilung des Regierungspräsidiums vom 25. August 2006 –, in welcher zugleich dem Dresdner Stadtrat vorgeworfen wird, dass er sich trotz veränderter Sachlage mit seiner Blockadehaltung gegen den Brückenbau stemmen würde, was ihm rechtlich nicht zustünde; argumentativ wird den Stadträten vorgeworfen, dass sie die Demokratie beugen und sich nicht rechtsstaatlich verhalten würden. An Dreistigkeit, meine Damen und Herren, ist so etwas nicht überbietbar.
Deshalb möchte ich aus der Erklärung zum Beschluss des Verwaltungsgerichtes Dresden zitieren, der seinerseits an Deutlichkeit nichts vermissen lässt: „Die Kammer geht in ihrer Entscheidung davon aus, dass die Beschlüsse des Stadtrates, mit denen der Oberbürgermeister mit weiteren Verhandlungen mit dem UNESCO-Welterbekomitee zum Erhalt des Welterbestatus beauftragt und das Vergabeverfahren ausgesetzt wurde, nicht rechtswidrig sind. Sie seien derzeit nicht geeignet, den Vorwurf einer schuldhaften Verzögerung der Umsetzung des Bürgerentscheids zum Bau der Brücke zu begründen. Vielmehr sei durch die Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.07.2006, wegen des beabsichtigten Brückenbaus das Dresdner Elbtal auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt zu setzen, eine neue Sachlage geschaffen worden.“
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes hat, wie wir alle wissen, das Regierungspräsidium Beschwerde eingelegt. Um allen Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, stellt das Regierungspräsidium gleich im ersten Satz klar, dass es „in Vertretung des Freistaates Sachsen“ handelt. Deshalb, meine Damen und Herren, gehört das Thema auf den Tisch des Landtages.
Hier muss darüber verhandelt werden, was in Vertretung des Freistaates geschehen soll und was nicht.
Frau Kollegin, ich habe eine Verständnisfrage. Sie sprechen von der Haltung der UNESCO und von dem Bürgerentscheid. Ist es nicht so gewesen, dass zunächst ein grundsätzliches Ja der UNESCO bestand und dann erst das Nein kam, nachdem der Bürgerentscheid schon vorbei war?
Das ist unter völlig falschen Voraussetzungen, aber zeitlich in der Abfolge so gewesen; denn der UNESCO wurde zu ihrer Entscheidung ein völlig verfälschtes Dokument, mit falschen Aussagen, übergeben, und zwar weder von den GRÜNEN noch von der Linksfraktion.PDS oder von der SPD noch von der Stadt oder von denen, die dafür weiterhin kommunale Verantwortung trugen. Das wird heute als Fehler eingeräumt, bedauert und sonst etwas. Aber wenn man den Entscheidungsträgern bei der UNESCO falsche Unterlagen vorlegt, wo sich eine Brücke kilometerweit an einem anderen Standort befinden soll, dann kann ich nur auf Grundlage eines solchen Dokuments als Mitglied des Welterbekomitees entscheiden und komme dann natürlich zu einem Entschluss, den ich zwingend revidieren muss, wenn sich herausstellt, dass die Brücke an einem ganz anderen Standort mit einer ganz anderen Dimension in der Tat gebaut werden soll.
Ist es so gewesen, dass, wie Sie es sagen – offensichtlich ein Übersetzungsfehler, der zunächst einmal von der UNESCO kam –, der Bau der Brücke das Welterbe nicht gefährden würde und dass von dieser Voraussetzung her diese kleinen Heftchen gedruckt wurden und die Bürger auch mit diesem Wissen abgestimmt haben?
Meiner Meinung nach sind bestimmte Fehler in Übersetzungen natürlich für bare Münze genommen worden. Es ist vonseiten des Brückenbauerbündnisses aus CDU, FDP und anderen ADAC-Mitgliedern dargestellt worden, dass die Brücke nicht im Widerspruch zum Welterbe steht, und zwar als feststehende Behauptung, die heute auch von Ihnen – dazu wollte ich Sie gerade auffordern – revidiert werden müsste, wenn Sie ganz ehrlich zu sich selbst sind.
Meine Damen und Herren! Ich habe vor Herrn Eggerts Einwürfen gesagt, dass wir hier als Landtag darüber beraten müssen, was im Namen und in Vertretung des Freistaates jetzt geschehen soll und was nicht, denn nach den Auskünften von Herrn Innenminister Buttolo im
Innenausschuss des Landtages steht ja die Staatsregierung hinter dem Regierungspräsidium, was auch niemanden großartig verwundern wird, außer vielleicht, wenn man sich doch einmal eine Kleinigkeit in Erinnerung ruft.
Hat nicht die Staatsregierung, insbesondere der Herr Ministerpräsident, zur letzten Beratung des Landtages zu diesem Thema behauptet, sich nicht einzumischen, weil die Brücke ja ausschließlich eine kommunale Angelegenheit sei? Geglaubt hat ihm das sowieso niemand. Ihre Einmischung in die kommunalen Angelegenheiten der Landeshauptstadt Dresden ist ein Fakt, der seit zehn Jahren nachweisbar ist und in den Akten steht. Jetzt treten Sie aber – und das wenige Wochen nach Ihren Behauptungen – als Prozessgegner innerhalb der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Stadt Dresden ganz offen gegen die kommunalen Angelegenheiten der Landeshauptstadt Dresden auf. Das halte ich zumindest für einen Beweis für die Fragwürdigkeit Ihres bisherigen Handelns, denn ich weiß nicht, was noch geschehen muss, um hier weiter Beweis zu führen.
Herrn Rohwers Argument, dass die Brücke unbedingt gebaut werden muss, weil Dresden ansonsten keinen Tag länger leben könne, möchte ich wenigstens einen Satz entgegnen und deshalb das hier allseits beliebte Köln erwähnen. Ich habe gestern einmal den Stadtplan von Köln hergenommen und festgestellt, dass in dieser Millionenstadt, die mehr als doppelt so groß wie Dresden ist, insgesamt fünf Brücken existieren, also exakt genauso viele innerstädtische Brücken wie in Dresden. Ich wüsste nicht, dass Köln in seiner Substanz gefährdet ist. Ich wüsste nicht, warum in Dresden das unwiderruflich der Fall ist. Ich denke, dass diese verkehrspolitische Variante, die Sie uns hier immer wieder auftischen, früher nicht nötig war und auch heute nicht nötig ist.
Frau Mattern, können Sie mir kurz erklären, in welcher Kategorie der Kölner Dom bei der UNESCO eingetragen ist und in welcher Kategorie eine sich entwickelnde Kulturlandschaft und kein Einzeldenkmal wie der Kölner Dom, das Dresdner Elbtal eingetragen ist? Was sind da die Unterschiede? Ich bitte um eine kurze Erklärung.
Herr Präsident! Laut Geschäftsordnung können Zwischenfragen zu den Themen gestellt werden, die von den Rednern hier zur Debatte gestellt werden.
Ich habe mich nicht zum Kölner Dom geäußert. Ich möchte Ihnen aber sagen, dass nicht nur ich mir wünsche, sondern auch viele andere, dass man diesen Prozess, den Köln durchgemacht hat, hier reflektiert und sich einmal anschaut, wie man in Phasen der Diskussion und Kon
Meine Damen und Herren! Es ist heute bereits – zumindest bei meinem Kollegen Bartl – zum Ausdruck gekommen, dass die völkerrechtlichen Verträge der Bundesrepublik für Länder und Kommunen verbindliches Recht sind. Es findet seinen Niederschlag in vielerlei Rechtsetzung. Ganz unabhängig von der Welterbekonvention unterliegt das Dresdner Elbtal, so Prof. Fastenrath in seiner Stellungnahme zu einem neuen Bürgerentscheid, ganz speziell auch dem Denkmalschutz. Ich möchte kurz zitieren: „Dieser ist nach § 1 Sächsisches Denkmalschutzgesetz eine staatliche Aufgabe, die als Pflichtaufgabe nach Weisung auf die Gemeinden übertragen werden kann. Das Regierungspräsidium Dresden verletzt“ – mit seinem aktuellen Verhalten – „den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und verhält sich widersprüchlich. Die Stadt Dresden und der Freistaat Sachsen können nicht einerseits, also bereits 2002, dem Dresdner Elbtal in den Antragsunterlagen für dessen Aufnahme in die Welterbeliste in seiner Gesamtheit den Rang einer Kulturstätte von außergewöhnlichem universellem Wert zusprechen und sich dies im Juli 2004 vom Welterbekomitee bestätigen lassen, es aber andererseits im Februar 2004 im Planfeststellungsbeschluss in seine Bestandteile auflösen, sodass denkmalgeschützte Bauten der Innenstadt, Blickbeziehung und Landschaftsbild nur noch als separate Einzelpositionen in die Abwägung eingehen.“
Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, hat der Dresdner Stadtrat inzwischen den Beschluss gefasst, den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidenten zum Bau der Waldschlößchenbrücke aufheben zu lassen. Aber, wie Sie wissen, auch gegen diesen Beschluss des Stadtrates wurde bekanntlich Widerspruch eingelegt – also eine weitere Episode innerhalb der Provinzposse in der Landeshauptstadt Dresden, die ja inzwischen europa- und weltweit verfolgt wird und dort Kopfschütteln und blankes Entsetzen hervorruft.
Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben sich inzwischen alle Medien und auch die Bundespolitik mit der Thematik beschäftigt. Diese Meinungen bis hin zu Verhandlungsangeboten des Kulturstaatsministers werden aber von den Brückenbefürwortern als überflüssig abgelehnt. Interessant finde ich dabei das Verhalten der SPD, die im Landtag Koalitionsdisziplin übt, aber ansonsten unerschütterlich an der Seite derjenigen zu stehen scheint, die sich für den Erhalt des Welterbes in Dresden einsetzen. In der heutigen Abstimmung – Martin Dulig hat es bereits angedeutet – werden sich die SPD-Politiker wieder selbst outen.
Ich möchte aber auf etwas anderes hinaus. In einem Brief an die SPD-Stadtratsfraktion bekannte sich Wirtschaftsminister Jurk, zugleich stellvertretender sächsischer Ministerpräsident, zum Erhalt des Welterbetitels. Weiterhin kritisierte er das Handeln des Regierungspräsidiums. Jurk sieht keinen unmittelbaren Handlungsdruck, weil der Bürgerentscheid keine zeitliche Vorgabe für seine Umset
zung macht und Dresden Zeit haben muss, die für eine Verständigung mit der UNESCO notwendig sein wird.
Für die Brücke liegen aber, meine Damen und Herren, nicht nur anfechtbare Planfeststellungsbeschlüsse auf dem Tisch, sondern auch Fördermittelbescheide. Für den Fördermittelbescheid für die Waldschlößchenbrücke ist das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zuständig. Fördermittelbescheide können seitens des Ministers, ohne sich bei anderen Ministerien oder gar beim Kabinett rückzuversichern, ausgesetzt und sogar aufgehoben werden, wenn sich die Ausgangslage entscheidend verändert hat.
Thomas Jurk als der zuständige Minister hat mehrfach in der Presse wie auch in schon benanntem Brief bekundet, dass dies so sei. Nun ist es also an der Zeit zu handeln, Herr Jurk. Seien Sie – darum bitte ich Sie ganz einfach – endlich einmal mutig und setzen Sie den Fördermittelbescheid wenigstens so lange aus, bis die Gerichte ihr letztes Wort gesprochen haben. Das wäre doch das Zeichen, dass Sie es mit Ihrem Votum für das Weltkulturerbe wirklich ernst meinen. Es wäre genau das Zeichen, das die hier in Dresden beteiligten Parteien, die in der unterschiedlichen Gemengelage zwischen Regierung und Opposition inzwischen wirklich festgefahren sind, erwarten.
Ich denke, es wäre ein vernünftiger Schritt auf dem Weg zu einem Kompromiss, der ja gefunden werden muss. Ansonsten wird es bei dieser Situation bleiben, dass man sich vor Gericht Recht holen muss und nicht mehr im politischen Raum diskutieren kann und dort nach Lösungen suchen darf.