Danke! – Ich fange deshalb damit an, weil ich glaube, dass dieses Lob etwas unangemessen war. Nicht, dass ich mich nicht freuen würde, vom Ministerpräsidenten lobend erwähnt zu werden, sondern weil ich einfach eine andere Sicht auf die Dinge habe.
Ich finde, die wichtigsten Dinge sind nicht erledigt. Die größten Baustellen befinden sich in einem ziemlich chaotischen Zustand – darauf will ich noch zurückkommen. Was hier passiert: Wir schwelgen, wenn man so will, in fremdem Geld. Dass wir allein für das gerade ablaufende Haushaltsjahr 2006 ohne eigenes Zutun einen Nachschlag von fast einer Milliarde Euro bekommen haben und die Konstruktion des gültigen Haushaltsgesetzes es ermöglicht, dieses Geld innerhalb von Stunden ohne Beteiligung des Plenums und trotzdem völlig legal – so ist die gesetzliche Lage, Herr Zastrow – zu vertun, das ist das eigentlich Charakteristische an diesem Zustand, den wir alle zusammen zu verantworten haben – Sie von der Koalition natürlich in weit höherem Maße als wir von der Opposition. Wir haben damals im März 2005 wenigstens laut vernehmlich rumgemault und sogar ein eigenes Haushaltsgesetz eingebracht – allerdings beides folgenlos.
Doch immerhin: Es handelt sich um knapp 6 % des kompletten Jahreshaushaltes, den wir hier verteilt haben oder an dessen Verteilung wir beteiligt waren. Anders ausgedrückt: Das Geld für komplette 21 Tage mit allem Drum und Dran – mit Personalkosten, Fahrtkosten, kommunalem Finanzausgleich, Fördermitteln … –; alles in diesen Proportionen. Ich will mich darüber nicht beklagen – das sage ich ganz offen. Den strategischen Ansatz, mit diesem Geld als unerwartete Einmaleinnahme umzugehen und damit unabweisbare künftige Lasten abzudecken, fand und finde ich ausgesprochen vernünftig – wenn auch über einzelne Posten sehr wohl hätte verhandelt werden können und, ich meine, auch hätte verhandelt werden müssen: Es gibt noch viele andere solcher Möglichkeiten, bei denen wir genauso in dieser Strategie hätten mit dem Geld umgehen können und bei denen ich der Meinung bin, es hätten andere Prioritäten gesetzt werden können. Ob beispielsweise wirklich eine so hohe Summe für die Pensionsrückstellung als vorrangig zu behandeln war, wenn man doch weiß: Die segensreiche
Wirkung, die dieser finanzpolitisch vernünftige Schritt einmal haben wird, setzt 2035 ein. Das ist mir einfach noch ein bisschen lange hin; aber nun ist das Geld weg und ich hoffe, dass es trotzdem seinen Zweck erfüllt.
Heute so zu tun, als könnten wir es wieder einsammeln, um nun Schulden auf direktem Weg zu tilgen, finde ich etwas hilflos – vielleicht ist es auch nur wichtigtuerisch.
Meine Damen und Herren, streng genommen erleben wir seit Anfang des Jahres eine permanente Haushaltsdebatte. Ich habe dabei gelernt, dass heutzutage alle ganz, ganz sparsam veranlagt sind – von Rechts über Grün bis Links –; das finde ich eigentlich toll, aber es war nicht immer so.
Das war nicht immer so; ich habe nachgeschaut. Ich sage einmal so: Es war für mich schon verblüffend zu sehen, dass schon damals, unter Finanzminister Milbradt auch hier ziemlich exzessiv auf Pump gewirtschaftet wurde. Anfang bis Mitte der Neunzigerjahre waren das – in neuem Geld ausgedrückt – in der Spitze einmal fast 2 Milliarden Euro in einem Jahr. Das waren beim damaligen Haushaltsvolumen 14 %. Es ist also nicht so, dass die Finanzpolitik von heute, sozusagen im Selbstlauf, schon immer so gewesen ist.
Zu dieser damaligen Haushaltspolitik kam hinzu, dass die Oppositionsfraktionen in der Regel immer noch etwas drauflegen wollten.
Aber das ist alles Schnee von gestern – nur eben die Akten vergessen nichts. Ich werde nur schlicht misstrauisch, wenn heute so getan wird, als wäre schon immer alles im Lot gewesen, als wären schon immer alle auf diesem Weg gewesen. Nein, aus meiner Sicht war es ein harter Weg zur schwarzen Null, seit 1993 im Mittel in jedem Jahr durchschnittlich 135 Millionen Euro weniger Schulden zu machen als im jeweils vorausgegangenen. Das ist die Realität; das ist umgesetzt worden.
Es zeigt aber ein bisschen, was uns zukünftig bevorsteht. Die Degression des Solidarpaktes wird ab 2009 – also nach dem Haushalt, über den wir jetzt beschließen – Jahr für Jahr eine Einnahmenverringerung von 200 Millionen Euro mit sich bringen, und das wird sich nicht durch einmalige Einnahmenüberschüsse realisieren lassen; das werden wir aus eigener Kraft kompensieren müssen – mindestens.
Noch ein Punkt, meine Damen und Herren. Ich habe mich diesmal – neben meinem regelmäßigen Hobby der Steuerschätzung – schwerpunktmäßig mit den Soll- und Ist-Zahlen der vergangenen Haushalte beschäftigt. Es ist schon beeindruckend, welche Lücken dort klaffen. Jahr für Jahr – verifiziert habe ich es bis 2002 – lag das Ist beispielsweise bei den Personalkosten regelmäßig um 3 bis 6 % unter dem vorausgegangenen Soll.
Das heißt anschaulich formuliert: Man hat sich in all den Jahren haushälterisch etwa 1 000 Personen genehmigen
lassen, die es in der Realität gar nicht gab und die auch nicht bezahlt werden mussten. So ist es leicht, am jeweiligen Jahresende auszugleichen. Doch wir streiten hier immer wieder nur über das künftige Soll – dort natürlich bis in die dritte Stelle hinter dem Komma.
Meine Damen und Herren, zurück in die jüngere Vergangenheit. Anfang des Jahres wurden die ersten Eckzahlen zum Haushalt verkündet und diese sollten erheblich unter den Zahlen von 2006 liegen. Nach der MaiSteuerschätzung wurden sie nach oben korrigiert. Im Haushaltsentwurf tauchten erneut höhere Summen auf und die November-Schätzung setzte allem die Krone auf: Innerhalb weniger Monate stiegen so die Volumina für 2007 und 2008 von 15,3 und 15,1 über 16,2 und 15,5 auf aktuell 16,6 und 16,1 Milliarden Euro – ohne dass irgendjemand in diesem Haus etwas dafür tun musste. So macht des Haushälters Leben Spaß.
Ich habe mir, Herr Dr. Metz, all Ihre Presseerklärungen gut aufgehoben, damit wir immer mal nachschauen können, wie das so gewesen ist; es wird ja nicht so schnell wieder passieren. Nur zum Vergleich, wegen der Größenordnung: Die Spanne, die in dem einen Jahr real dazugekommen ist, aber am Anfang des Jahres nur virtuell gefehlt hat gegenüber dem Jetzt, entspricht einer jeweiligen Nettokreditaufnahme von 1,3 bzw. 1,1 Milliarden Euro für diese beiden Jahre. Ich wollte nur warnen, denn genauso unerwartet kann es auch mal wieder nach unten gehen.
Das ist ähnlich wie mit dem erwähnten Schlupf zwischen Soll und Ist. Wir tun so, als könnte man auf zehntel Promille genau planen, und verdrängen, dass die Realität im Bereich mehrerer Prozente schwankt.
Deshalb schaue ich einmal auf die vorgesehenen eigenen Konsolidierungsbeiträge des Landes – auf das, was wir hier beeinflussen können, also die Vorsorge für 2009/2010 –: Die sehnsüchtig erwartete und stolz angekündigte Funktional- und Verwaltungsreform stolperte gestern gleich mal wieder über interne Querelen im Kabinett; aber nur über deren Umsetzung hat das Stellenkonzept der Staatsregierung eine gewisse Realisierungschance. Dessen Umsetzung wiederum ist aus meiner Sicht zwingende Grundlage des künftigen Doppelhaushaltes, also des Haushaltes 2009/2010. Wir sind schon jetzt im Zugzwang, denn die Wahlen der Landräte und Kreistage lassen uns zeitlich keinen Spielraum.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen der staatstragenden Koalition: Es gibt keinen Anlass, sich zufrieden zurückzulehnen, sich mit Brosamen aus den Mehreinnahmen, also Änderungspaketen im Umfang von schlappen 30 Millionen Euro pro Jahr, zufrieden zu geben und im Übrigen im Gottvertrauen abzuwarten, ob der Staatsregierung noch etwas Schlaues einfällt.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich fand es nicht klug, sich der Debatte zu entziehen. Sie wurden in der Haushaltsklausurwoche wiederholt herausgefordert, doch vergebens. Und wenn es wirklich einmal prickelnd wurde – es gab ja zwei, drei solche Stellen –, dann haben Sie auf
Kabinettsbeschlüsse verwiesen oder ließen Ihre Koalitionsänderungsanträge durch Regierungsvertreter verteidigen. Dabei haben sich die Kollegen Dr. Rößler und Pecher unter anderem auf die bereits erwähnten Kabinettsbeschlüsse zur Funktional- und Verwaltungsreform berufen – vergeblich, wie wir heute wissen. So haben wir den Haushalt zwar behandelt, gewissenhaft alle vorliegenden Anträge abgearbeitet; aber verhandelt im wörtlichen Sinne haben wir auch diesmal nicht.
Der Ministerpräsident sprach gestern davon, dass wir die Hälfte des Weges bewältigt hätten. Wenn es aber in diesem Tempo weitergeht, kann die zweite Hälfte noch richtig lang werden.
Eines sei mir noch gestattet, um es anschaulich zu machen: Seinen Traum, im Jahre 2020 mit den Schulden – nicht mit der Neuverschuldung – auf null zu sein, habe ich überhaupt nicht verstanden. Ich denke, dass er gut genug rechnen kann, um zu wissen, dass diese Leistung zusätzlich zu den Ausfällen aus der Solidegression nicht zu erbringen ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fange einmal so an: Was ist für mich die Botschaft dieses Haushaltes? Ich mache es kurz: Es ist der beste Doppelhaushalt, den Sachsen je hatte,
vielleicht und wahrscheinlich auch je haben wird. Ein subjektives Indiz ist mit Sicherheit, dass der Finanzminister zwei Redewendungen nicht mehr benutzt: zum einen, mit dem Haushaltsvollzug X, Y haben wir eine Punktlandung gemacht.
Ich denke, wir sind bei den Einnahmen in erfreulichem Maße über diese Punktlandung hinausgekommen. Zum anderen gibt es die Formulierung „Dieser Haushalt ist auf Kante genäht“ nicht mehr. Auch mit diesem Haushaltsentwurf haben wir gezeigt, dass man einiges tun kann.
Kommen wir nun zu den objektiven Gründen. Als Erstes ist die Nettoneuverschuldung bei null genannt worden. Bereits am 10. November 2005 – in der besagten Debatte zum Fortschrittsbericht 2004 – haben wir angekündigt, im Doppelhaushalt 2007/2008 keine neuen Schulden mehr machen zu wollen.
Mancher hat damals geschmunzelt, im Übrigen auch auf Oppositionsseite, und es als leere Worthülse abgetan. Die Koalition hat es heute geleistet und – darauf möchte ich aufmerksam machen – wir haben es schon im Haushaltsvollzug für 2006 geleistet. Das heißt, Sachsen hat 2006, 2007 und 2008 keine neuen Schulden mehr.
Es kommt hinzu – das ist mein Punkt zwei –, dass wir im Zuge der aktuellen Haushaltsdebatte eine klare Schwerpunktsetzung in den Bereichen Kinder, Jugend, Bildung und Forschung bei gleichzeitig hoher Investitionsquote und aktiver Wirtschaftspolitik realisiert haben. Dieser Haushalt trägt für uns eine unverkennbar sozialdemokratische Handschrift. Unter der Überschrift der Schwerpunktsetzung in den Bereichen Kinder, Jugend, Bildung und Forschung sind wir in der Klausurtagung im September an den Start gegangen und jetzt stolz auf das Ergebnis. Die Koalitionsfraktionen haben sich in harten, aber fairen Verhandlungen in allen Bereichen geeinigt. Auch das kommt immer zu kurz – mit Übernahme all dessen, was in der Koalitionsverhandlung zum Haushalt 2005/2006 vereinbart wurde, wie zum Beispiel Kita-Invest, Schulvorbereitung, Kita-Pauschale, Kulturraum und Wirtschaftsförderung, um nur einiges zu nennen.
Ich bin besonders stolz auf das, was wir pro Jahr im Bereich der Kindertagesstätten mit den 17 Millionen Euro, bei der Bildung mit über 13 Millionen Euro und 300 Referendarstellen, beim Ehrenamt, beim Programm „Weltoffenes Sachsen“, bei der Jugendhilfe, der universitären Forschung und im Bereich der Wirtschaft mit zusätzlichen 28,5 Millionen Euro erreicht haben. Warum bin ich besonders stolz auf dieses Ergebnis?
(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das frage ich mich auch! – Vereinzelt Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)
Weil dies aus dem originären Interesse der Koalitionsfraktionen heraus gefordert und umgesetzt wurde; weil dieses Ergebnis die politische Handschrift dieses Haushalts ist. Auch wenn so manches Ministerium das eine oder andere jetzt als Erfolg verkauft oder die Opposition das eine oder andere kritisiert – dies sind und bleiben die Ergebnisse des politischen Willens der Koalitionsfraktionen. Dies wurde geschafft, und trotzdem haben wir noch eins draufgesetzt.
Damit komme ich zum Punkt drei, zur Reduzierung von Zukunftslasten, und möchte bei Herrn Weckesser anschließen. Da gibt es zwei Komponenten, die in der Diskussion ein wenig zu kurz gekommen sind: zum einen die einmalige Leistung im Haushaltsentwurf ohne Berücksichtigung von Steuermehreinnahmen. Der ohne Berücksichtigung der Steuermehreinnahmen entwickelte und in der Koalition verhandelte Doppelhaushalt, der also ursprünglich hier eingebracht wurde, enthält bereits Reduzierungen von Zukunftslasten durch einmalige Abfinanzierung von mehr als 1,5 Milliarden Euro: Kreisreform, Herr Weckesser, 300 Millionen Euro; Personalverstärkungsmittel 170 Millionen Euro; Krankenhausabfinanzierung 180 Millionen Euro, schon eingestellter
Pensionsfonds 290 Millionen Euro, Kapitalzuführung 140 Millionen Euro, Abfinanzierung Wohnungsbau 56 Millionen Euro, kommunales Investprogramm 164 Millionen Euro, Abfinanzierung der Uni Leipzig 87 Millionen Euro, ESF/EFRE-Überlappung durch doppelte Förderperiode N plus zwei, Kofinanzierung Landesanteil einmalig 250 Millionen Euro.
Herr Pecher, eine Ihrer Bemerkungen hat mich stutzig gemacht. Sie haben vom ursprünglichen Entwurf vor der NovemberSchätzung gesprochen. Richtig, ja?