Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Die CDU-Fraktion lehnt den Vorschlag der Linksfraktion.PDS zum vollständigen Verzicht auf Videoüberwachung in der Neustadt ab.

Herr Lichdi,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Hier!)

ich verstehe gar nicht, warum Sie sich so aufregen. War es nicht Ihr Kollege im Bundestag, der sich beschwerte, dass die Videoanlage nicht lief, als sein Fahrrad verschwunden war?

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir wollen, dass Sie in einem solchen Fall Ihr Fahrrad wiederfinden und Ihnen helfen, denjenigen zu finden, der Ihr Fahrrad genommen hat, oder Ihnen möglicherweise zeigen, wo Sie es vergessen haben. Freuen Sie sich doch darüber, anstatt dagegen zu opponieren!

Ablehnung ist angesagt, und ich empfehle Ihnen, sich unserem Votum anzuschließen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Abg. Brangs von der SPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst etwas zu dem sagen, was mich wirklich ärgert: Mich ärgert die Tatsache, dass wir uns zunehmend mit Problemen beschäftigen, die die Landeshauptstadt Dresden zunächst selbst klären sollte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nach dem Stadionneubau, nach der Frage der Waldschlösschenbrücke haben wir jetzt ein neues Thema. Diesmal geht es um die Sicherheitslage der Äußeren Neustadt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Kollege Hahn, ich habe ja noch gar nicht angefangen. – Die Situation in der Äußeren Neustadt können vor allem diejenigen beurteilen, die dort leben, und sie sollten auch nach Lösungen suchen. Das sind die Anwohner und die Gewerbetreibenden. Dabei habe ich eine andere Auffassung als mein Vorredner. Das sollten durchaus auch die kommunalpolitischen Beiräte bzw. das kommunalpolitische Parlament, nämlich der Stadtrat, sein.

Möchten Sie jetzt die Zwischenfrage beantworten?

Bitte schön. Ich habe zwar noch nicht viel gesagt, aber wenn es schon eine Frage gibt, bitte.

Kollege Brangs, da schon Widersprüche in Ihren ersten Worten auftauchten, möchte ich gern folgende Frage stellen. Sie haben kritisiert, dass wir hier zum wiederholten Male Dresdner Probleme diskutieren. Ich möchte Sie gern fragen, ob es die Stadt Dresden ist, die dort Videokameras anbringen möchte, oder ob der Innenminister dieses Ansinnen hat und es verfolgt und deshalb dieses Thema genau hier in den Sächsischen Landtag gehört.

Diese Auffassung kann ich nicht teilen, weil ich denke, dass es eine Reihe von Zusammenkünften in der Dresdener Neustadt gegeben hat. Es gibt, glaube ich, sogar in der nächsten Woche wieder Zusammenkünfte. Ich weiß, dass sich der Stadtrat damit beschäftigt hat und dass sich die Stadtverwaltung mit der Polizei verständigt hat. Dass der Innenminister dazu eine Meinung hat, ist sein gutes Recht. Aber ich hätte es gern, dass man zunächst wartet, was aus den Gesprächen vor Ort herauskommt.

Aus diesen Gründen und weil die Stadtverwaltung, wie ich gerade ausführte, zurzeit gemeinsam mit der Polizei und mit Politikern darüber spricht, was sinnvoll ist, sollten wir darüber nachdenken, wie wir mit diesen Vorschlägen umgehen. Ich weiß, dass diese Vorschläge so weit gehen, dass man darüber nachdenkt, das Areal verkehrstechnisch zu verändern, dass man über ein Alkoholverbot nachdenkt oder im Moment sogar das Thema einer intensiven Beleuchtung diskutiert.

Bei den Debatten, die ich zumindest mitbekomme, ist allen Beteiligten klar, dass die Videoüberwachung allein – isoliert betrachtet – die Situation nicht lösen kann. Insofern sollten wir als Landespolitiker zur Kenntnis nehmen, dass der Stadtrat am 1. März im Rahmen einer Aktuellen Stunde darüber debattiert. Wir sollten zumindest die Chance lassen, dass diese Debatte zu einem vernünftigen Konzept führt und dass dort gemeinsame Überlegungen angestrengt und Ideen entwickelt werden im Konsens der Beteiligten und im Abwägen aller Problemlagen, die es dabei gibt, um die Situation tatsächlich in den Griff zu bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bekannt – das haben meine Vorredner schon gesagt –, dass es eine Reihe von Stellen im Freistaat Sachsen gibt, die bereits jetzt auf das Mittel der Videoüberwachung zurückgreifen, vor allem im öffentlichen Raum. Das sind nicht nur die Stellen in Leipzig. Auch die Prager Straße ist davon betroffen. Es gibt schon lange eine Debatte, die Anfang der Sechzigerjahre begonnen hat, über die Frage, wie Videokameras im öffentlichen Raum eingesetzt werden sollten, welche tatsächlichen Aufklärungspotenziale zu erzielen sind und welche Rolle sie mit Blick auf die Gewalt- und Kriminalitätsprävention spielen.

Wichtig ist aber auch, dass die öffentliche Hand einen Teil dieser Aufgaben wahrnimmt. Im privaten Bereich – das heißt im Bereich der Kaufhäuser, der Center – wird schon seit Jahrzehnten das Mittel der Videoüberwachung genutzt. Der Einsatz von Videoüberwachung durch Private gegenüber den Trägern der öffentlichen Hand hat um ein Vielfaches zugenommen. Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, sollte man sich fragen, was Videoüberwachung eigentlich leisten soll. Dazu gibt es eine Reihe von interessanten Erhebungen und ausführliche wissenschaftliche Begleitungen. Dort wird immer davon gesprochen, dass es erstens darum ginge, die Prävention von Deliktbegehungen damit einzuschränken, dass zweitens die Erleichterung von Deliktaufklärungen damit

einhergehen würde und dass es drittens die Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung an den überwachten Orten zur Folge hätte.

Wenn man das annimmt, scheint es Argumente zu geben, die eine Videoüberwachung an bestimmten Orten zu bestimmten Delikten tatsächlich als sinnhaft ansehen. Sie kann – das ist das Entscheidende – in bestimmten Bereichen zu einer Erleichterung der Polizeiarbeit führen, wenn das eine mit dem anderen im Einklang steht.

Ich denke, dass auch erwiesen ist, dass es nur eine begrenzte Wirkung auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung gibt. Das hängt vor allem sehr stark mit der Wahrnehmung dieser Kameras zusammen. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen und Befragungen, dass in einem sehr kurzen Zeitraum genau dieses subjektive Sicherheitsempfinden abgenommen hat, weil man sich an diese Einrichtungen gewöhnt hat und es nicht dazu gekommen ist, dass man als abschreckende Maßnahme einen Erfolg damit erzielen konnte. Insofern mag es durchaus sein, dass es sinnvoll ist, das Mittel der Videoüberwachung zum Beispiel bei einer ortsfesten Überwachung einzusetzen. Stichwort Parkplätze, bestimmte Denkmäler oder bestimmte Gegebenheiten vor Ort, wo zum Beispiel schutzwürdige Personen unterwegs sind und wo es Sinn macht, dass man dort, beschränkt mit Blick auf die Prävention, zu überwachen versucht. Das könnte an Brücken, in Tunnelbereichen oder an schlecht einsehbaren Verbindungswegen der Fall sein.

Wesentlich wichtiger erscheint mir die Tatsache, dass wir beim Thema Videoüberwachung vor allem darüber sprechen müssen, wie wir es erreichen, dass das Ganze ein polizeilicher Erfolg wird. Wir müssen sicherstellen, dass genau eine solche Kameraüberwachung nur dann Sinn macht, wenn es nicht dazu kommt, dass wir negative Beeinträchtigungseffekte haben. Es geht vielmehr darum, dass wir positive Sicherheitsaspekte damit zusammenbringen. Insofern macht es Sinn, dass man, wenn man über den Einsatz von Kameras spricht, eine KostenNutzen-Analyse macht. Was bringt ein solcher Einsatz? Wir sollten auch darüber nachdenken, ob diese positiven Präventionseffekte über einen langen Zeitraum mit einer solchen Maßnahme tatsächlich umgesetzt werden können.

Dass der Ruf nach einer Kamera häufig aufgrund örtlicher Besonderheiten sehr schnell aufkommt, ist nachvollziehbar. Es ist für mich nachvollziehbar und wichtig, dass man regelmäßig diese Abwägung zwischen der Überwachungsmaßnahme und dem Erfolg der Maßnahme, der damit einhergeht, treffen muss. Allein zu sagen, dass das Mittel der Videoüberwachung alle diese Punkte rechtfertigen würde und dass eine Kameraanforderung alle diese Fragen von freiheitlichen Bürgerrechten usw. beiseitenehmen könnte, dass der Einblick auch in die Privatsphäre nicht so wichtig sei, erscheint mir fraglich. Wenn man sich auch die Beispiele anderer Länder ansieht – natürlich kann man das bei Großbritannien sehen, das hat ja auch mein Kollege getan –, dann muss man feststellen, dass, wenn man Großbritannien heranzieht, es in der Tat so ist,

dass dort, statistisch gesehen, jeder Brite rund 100 Kameras am Tag sieht und von rund 100 Kameras aufgezeichnet wird. Wenn man aber die Kriminalitätsstatistik daneben legt und zwischen der Bundesrepublik und Großbritannien vergleicht, dann findet man keinen großen Unterschied. Das Argument, dass die Videoüberwachung automatisch dazu führt, dass die Kriminalitätsrate zurückgeht, diesen Beweis gibt es so eindeutig nicht.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sehr richtig!)

Was aber viel wichtiger ist – um noch einmal auf den Antrag zurückzukommen –: Den Antrag der PDSFraktion lehnen wir ab – das habe ich eingangs meiner Rede schon gesagt –, weil ich ein wenig verärgert darüber bin, dass kommunalpolitische Punkte, die auch dort geklärt werden sollen, hier im Landtag ausdiskutiert werden. Das ist eine Art Vereinnahmung des Landtags. Vor allem ist es so, dass gerade jetzt die Polizei, sicherlich auch das Innenministerium – davon gehe ich aus – in Gesprächen sind, gemeinsame Konzepte zu erarbeiten, die parallel zu der Frage der Videoüberwachung andere Möglichkeiten erörtern, wie man das Problem in der Neustadt tatsächlich in den Griff bekommen kann.

Ich würde gern wollen, dass wir zunächst diese Vorschläge abwarten, dass wir uns genau ansehen, was das Ergebnis dieser Gespräche ist. Wenn diese Vorschläge tatsächlich umsetzbar sind, gehe ich davon aus, dass sowohl die Dresdner Stadtverwaltung als auch der Innenminister diese Vorschläge aufgreifen werden.

Die Neustadt – um das einmal klar zu sagen – ist ein lebendiges, teilweise sehr liebenswürdiges Viertel mit sehr interessanten Menschen, und kein Chaotenviertel. Ich glaube, dass es zur Versachlichung der Debatte beiträgt, wenn wir hier nicht von Chaoten in der Neustadt sprechen, sondern Sie müssten in zahlreichen Fällen mit Ärzten und Rechtsanwälten reden, die sich dort niedergelassen haben; denn es handelt sich hier um ein sehr interessantes und lebendiges Viertel. Wir sollten sehr sorgsam mit den Ängsten und Nöten der Menschen umgehen. Insofern bitte ich um eine Versachlichung der Diskussion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die NPDFraktion; Herr Abg. Apfel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da sie unfähig sind, die entwurzelten Jugendbanden des Dresdner Szeneviertels Neustadt in den Griff zu bekommen, fordern die reaktionären Systemkräfte der Union wieder einmal die Repressionskeule; denn nichts anderes ist die Forderung nach einer Videografierung eines ganzen Stadtteils.

Meine werten Damen und Herren Musterdemokraten! Die NPD ist in den Landtag gewählt worden, zweifelsohne nicht, um Ihnen nach dem Munde zu reden, sondern um

Ihnen das um die Ohren zu hauen, was Sie nach Auffassung unserer Wähler verbrochen haben. Wir sind hier, um den Finger in die Wunden zu legen, die die Politik der Altparteien unserem Land seit Jahrzehnten zugefügt hat.

Sosehr wir um die Gewaltexzesse in der Dresdner Neustadt und um die aktuellen Sicherheitsdefizite im Allgemeinen wissen, sind wir hier, um die grundsätzliche Fehleinstellung Ihrer Politik aufzuzeigen. Wir sind nicht hier, um bei Ihren dilettantischen Reparaturversuchen den Erfüllungsgehilfen zu spielen.

Es ist nicht so, dass die Gewaltexzesse in der Neustadt einfach vom Himmel gefallen wären. Sie haben eine lange Vorgeschichte. Die CDU will den Bürgern Sand in die Augen streuen und so tun, als täte sie etwas gegen die gleichen kriminellen Elemente, die sie auf der anderen Seite über Antirechtsprogramme finanziell fördert und mit denen ein Herr Rohwer und seine Dresdner CDU offen paktiert, wenn es gegen die NPD geht. Am Rande, Herr Bandmann: Ihre Freunde vom Kulturbüro Sachsen e. V. sammeln inzwischen Unterschriften gegen die von Ihnen so präferierte Videoüberwachung. Herzlichen Glückwunsch! Tolle Verbündete haben Sie!

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! So richtig und wichtig das Anliegen ist, die Neustadt sicherer zu machen, zum Beispiel durch eine wesentlich stärkere Polizeibestreifung – der Gedanke ist doch lächerlich, man könnte mit ein paar Kameras das Grundproblem beseitigen, das an uns nagt. Dem ist doch nun wahrlich nicht so. Schließlich würde das Problem auf diese Weise nur regional verlagert. Zum Schluss sollen wahrscheinlich überall in unserem Land Kameras stehen. Da stellt sich die Frage, ob wir das wirklich wollen. Die NPD-Fraktion will dies jedenfalls nicht, denn bei allem Bedürfnis für die Sicherheit in unserem Lande wäre das ein weiterer Sargnagel auf dem Weg in den Orwell’schen Überwachungsstaat. Dieser Überwachungsstaat in den Händen der Buttolos und Becksteins – da kann einem angst und bange werden. Schließlich wurde schon der 11. September skrupellos genutzt, um Freiheitsrechte unter dem Pseudodeckmantel von Sicherheitsinteressen auszuhebeln.

Machen wir uns doch, meine Damen und Herren, nichts vor: Die immer wiederkehrenden Gewaltexzesse in der Dresdner Neustadt und in vielen anderen Großstädten sind nichts anderes als die direkte Folge der Zerstörungspolitik am deutschen Gemeinschaftsgeist, die von allen Systemparteien zu verantworten sind.

Meine Damen und Herren! Die Tugenden, die einstmals unser Volk kennzeichneten, wurden durch die USamerikanische Umerziehungspolitik systematisch diskreditiert.

(Höhnisches Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

Sie werden durch die von den alliierten, lizenzierten, antideutschen Medien bis heute weiterhin systematisch untergraben.

(Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Lächerlich!)

Solidarisches Miteinander, Achtung vor fremdem Eigentum und der früher selbstverständliche Respekt vor älteren Menschen und vor der Würde des anderen wurden einer skrupellosen, individualistischen Ellenbogengesellschaft geopfert. Diese Entwicklung bis hin zu einem globalen Raubtierkapitalismus, der von Ihnen allen, so wie Sie hier sitzen, nach Kräften angeschoben wird – das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Skandal!