Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Bei einer Neuordnung des Landesjugendhilfeausschusses erwarten wir allerdings neben einer Stärkung der kommunalen Ebene durch eine stärkere Vertretung der Spitzenverbände auch eine Einbeziehung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses, also auch der kleinen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion bitte, Frau Abg. Schütz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! CDU und SPD wollen also wissen, was die Staatsregierung bei der Förderung der Jugendhilfe bis zum Ende der Legislatur vorhat. Normalerweise haben Berichtsanträge der Koalition ja die Eigenschaft, dass man das Ergebnis schon vorher kennt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das war wieder so!)

Diesmal war es anders. Zwar hat die Staatsregierung brav eine Stellungnahme geliefert, doch wie die zukünftige Förderstrategie nach Art und Umfang auf dem Gebiet der Jugendhilfe für den verbleibenden Zeitraum der Legislaturperiode ausgestaltet wird, steht dort nicht. Genannt wird, wie und welche Förderrichtlinien zusammengelegt werden.

Es sei daran erinnert, dass die „Neue Förderstrategie“ vom SMS doppelt belegt wurde. Bereits 2002 – Herr Dulig ist darauf eingegangen – wurde sie ausgerufen, als die Umstellung der Fördermodalitäten in der Jugendhilfe erfolgte. Gerade einmal vier Jahre hat diese „Neue Förderstrategie“ gehalten. Von einer umfassenden Evaluierung kann man dabei nicht sprechen, denn gerade die „alte“ Förderrichtlinie II war auf eine Fördervereinbarung von drei Jahren aufgebaut.

Die Jugendpauschale – Förderrichtlinie I – wird nun um familienunterstützende Beratungsleistungen und Maßnahmen der Jugendgerichtshilfe ergänzt. Auf die Darstellung der Effekte in einer sozialraumbezogenen Wirksamkeitsanalyse, wie bisher im Sachbericht gefordert, wird zuungunsten der Evaluierung allerdings verzichtet.

Für den Bereich Investitionen wurde eine eigene Förderrichtlinie geschaffen. Die möglichen Investitionen aus den Förderrichtlinien II und III (alt) werden zusammengefasst. Der überörtliche Bedarf aus Förderrichtlinie III wird gänzlich neu strukturiert, genau wie der Bereich Modellprojekte oder – neu – Weiterentwicklung der Jugendhilfe.

Das ist schön und gut. Doch was wird damit bezweckt? Welche Schwerpunkte sollen grundsätzlich gebildet werden? Was sind die strategischen Ziele der Staatsregierung bei der Jugendhilfe? All das wird nicht gesagt. Nur wohin Geld und vor allem weniger Geld fließen soll, ist klar.

Herr Rohwer, noch eine Bemerkung in Ihre Richtung: Aufgrund der Steuermehreinnahmen im Gesamthaushalt 2006, die im Haushaltsausschuss im Dezember 2006 noch schnell verteilt wurden, hatten wir als FDP schon die Vorstellung, dass es nicht nur bei den leeren Worthülsen, zum Beispiel von Ihnen, Herr Rohwer, bleibt, sondern die Bildung tatsächlich in den Vordergrund für unsere jungen Sächsinnen und Sachsen rückt.

(Beifall bei der FDP)

Verwirrung herrscht derzeit nicht nur bei den Kommunen, sondern auch bei den überregionalen Trägern. Klar ist nur eines: Die meisten bekommen insgesamt weniger Geld. Bei einer Vielzahl von Kommunen, wie beispielsweise Görlitz, reicht die Steigerung bei der Jugendpauschale nicht aus, um die Verluste an anderen Stellen zu kompensieren. Durch die Aufhebung der „alten“ Förderrichtlinie II mit dem bezeichnenden Titel „Zum gleichmäßigen und bedarfsgerechten Ausbau von Angeboten der Jugendhilfe in Sachsen“ hat Görlitz beispielsweise ein wesentliches Instrument der Gestaltung verloren.

Frau Klinger, auch Ihnen muss ich in diesem Zusammenhang widersprechen. Etwas Schlechtes einfach zu strei

chen, statt es zu verbessern, ist vielleicht einfach, aber keine Lösung für die tatsächlichen Probleme vor Ort.

(Beifall bei der FDP)

Gerade die strukturschwachen Gebiete verlieren derzeit bei der finanziellen Unterstützung durch die Staatsregierung. Das passiert also ausgerechnet dort, wo die Probleme am größten sind: Jugendarbeitslosigkeit, Armut, wirtschaftliche Strukturschwäche. Viele junge Menschen wandern ab, und zurück bleiben – das muss man so hart sagen – eher die problematischen Fälle. Die Bevölkerungsdichte nimmt ab, die Wege werden weiter. All das macht die Arbeit für und mit Jugendlichen besonders personal- und finanzintensiv und inhaltlich problematischer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzte Neuausrichtung der Jugendhilfe ist also vier Jahre her. Wir brauchen endlich Verlässlichkeit und Kontinuität in der Jugendhilfe. Auch wenn Dynamik und inhaltliche Fortentwicklung geboten sind, so brauchen Kommunen und freie Träger Planungssicherheit. Nur derjenige, der weiß, wie viel und wofür er Geld bekommt, kann langfristig qualitativ hochwertige Angebote entwickeln und unterbreiten.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie, Frau Staatsministerin Orosz, Klarheit schaffen. Wir werden daher dem Antrag der Koalition zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hier wird nicht abgestimmt, das ist doch ein Berichtsantrag!)

Frau Abg. Herrmann von der Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Koalition zur zukünftigen Förderstrategie auf dem Gebiet der Jugendhilfe war im Juni 2006, als er eingereicht wurde, zweifellos berechtigt. Danach hatten wir eine Aktuelle Debatte zum Thema, die unsere Fraktion gefordert hatte. Das war im September 2006.

Wie Sie vielleicht noch wissen, haben wir uns dort gegen Kürzungen vor allem im Bereich der überörtlichen Jugendhilfe ausgesprochen, die mit dem Haushalt 2007/2008 nun in die Tat umgesetzt werden. In gleicher Weise haben wir die Art und Weise kritisiert, in der die Staatsregierung die neue Förderstrategie geplant hat. Der Landesjugendhilfeausschuss hatte sich umfassend mit den Leistungen der überörtlichen Jugendverbände und Dachorganisationen im Freistaat beschäftigt und Empfehlungen für die weitere Entwicklung und Förderstrategie abgeleitet. Auch die Verbände haben Stellungnahmen zu der geplanten neuen Förderstrategie verfasst. Wir konnten nicht erkennen, dass diese Hinweise und Empfehlungen ernst genommen wurden. Eine Neuausrichtung der Förderpolitik hätte gemeinsam mit dem

Landesjugendhilfeausschuss und den Betroffenen in Angriff genommen werden müssen.

Seit dem 01.01.2007 sind die neuen Förderrichtlinien in Kraft. Deshalb kommt Ihr Antrag heute entweder zu spät – siehe oben, was ich gerade gesagt habe – oder zu früh. Zu einem Zeitpunkt, an dem noch gar nicht klar ist, welche Schwierigkeiten sich bei den verschiedenen Empfängern der Fördermittel im Umgang mit den neuen Richtlinien ergeben, wollen Sie schon Ergebnisse hören. Oder wie sollen wir den Antrag überhaupt verstehen?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Gar nicht, er ist unvollständig!)

Wenn wir jetzt unsere Kritik wiederholen, zum Beispiel an der Jugendpauschale, werden Sie uns doch antworten, erst einmal die Anwendung der neuen Richtlinie abzuwarten. Allerdings können wir jetzt schon sagen, dass diese Anwendung zu erheblichen Verunsicherungen der Träger führt. Vor allem die Bildungsreferenten haben den Eindruck, auf einem Schleudersitz zu sitzen, und das, obwohl Herr Rohwer ausgeführt hat, dass gerade der Bereich der Bildung einen größeren Stellenwert in der Jugendhilfe bekommen soll.

Die Förderrichtlinien passen nicht mit der im Landesjugendhilfeausschuss verabschiedeten Bedarfsplanung zusammen. Wo kommt in der Antwort der Staatsregierung die Ausbildungsfähigkeit vor? Welche Stellung soll der Landesjugendhilfeausschuss in Zukunft nach der Verwaltungsreform haben? Wer wird für Qualitätsstandards zuständig sein? Wie werden die Zielvereinbarungen mit den Trägern ausgestaltet? Wie lange werden sie jeweils gelten? Planungen brauchen Vorlauf. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Jugendlichen selbst Einfluss auf die Schwerpunkte der Arbeit der Jugendverbände nehmen können. Diese Probleme sind noch nicht geklärt. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es mehr Fragen als Antworten. Was wollen Sie also mit dem Antrag?

Am Mittwoch haben wir hier über Beteiligungsrechte von Jugendlichen debattiert. In diesem Zusammenhang wies Herr Schiemann auf die Möglichkeit der Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen in Vereinen und Verbänden hin. Wenn wir heute zu der Umsetzung der neuen Förderstrategie im Bereich der Jugendhilfe überhaupt etwas sagen können, dann das: dass genau diese Mitwirkung der Jugendlichen und der potenziellen Empfänger der Fördermittel, zum Beispiel der Jugendverbände, ernst genommen werden muss. Eine Neuausrichtung der Jugendhilfe kann nur gemeinsam mit den Jugendverbänden oder den anderen Trägern gelingen.

Die überörtlichen Jugendverbände haben sich auf den Weg gemacht. Das verdient unsere Anerkennung – vor allem darum, weil sie mit viel weniger Personal viele Schwierigkeiten meistern müssen. Ein Beispiel ist die Umstellung der Beantragung der Fördermittel von einer zentralen zu einer Einzelbeantragung, und das, wie wir gehört haben, ohne ausreichende Informationen.

Sie von der Koalition – oder sollte ich besser sagen, von der CDU-Fraktion – haben die Straffung der Jugendförderung gefordert. Herr Krauß hat das in einer Pressemitteilung am 22.08.2006 getan. Weil der demografische Wandel nicht als Vorwand zum Kahlschlag in der Jugendhilfe benutzt werden darf, sondern eher als Anstoß zur Umgestaltung, wie Sie es hier immer wieder beteuert haben, kommt es jetzt auf die gute Zusammenarbeit an. Darin drückt sich Ihr politischer Gestaltungswille aus. Oder aber er wird genau an dieser Stelle vermisst.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Frau Ministerin, möchten Sie sprechen? – Frau Ministerin Orosz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zum 01.01.2007 sind die neuen Richtlinien zur Förderung der Kinder- und Jugendhilfe im Freistaat Sachsen in Kraft getreten. Ich darf an dieser Stelle noch einmal herzlich Danke sagen, denn der Prozess der Diskussion bis zur Verabschiedung dieser Richtlinien ist in der Tat ein sehr umfangreicher, aber auch detaillierter gewesen. Alle Beteiligten – ob öffentliche Jugendhilfe oder die freien Träger, Verbände und Vereine – sind in diesen Prozess einbezogen gewesen. Diese Richtlinien haben einen breiten Konsens in sich vereint – deswegen die Verabschiedung erst Ende 2006.

Meine Damen und Herren! In der Tat konnten nicht alle Wünsche und Hoffnungen erfüllt werden; aber ich denke, das ist nicht nur in der Jugendhilfe so, sondern das ist allgemeine Realität.

Unabhängig davon können wir festhalten, dass wir nun über ein modifiziertes Fördersystem verfügen, das sowohl staatliche Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe verlässlich ermöglicht als auch die Aufgabenerfüllung des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe weiter gewährleistet.

Ich darf das kurz an vier Schwerpunkten deutlich machen.

Erstens. Die Jugendpauschale bzw. die Richtlinie zur Unterstützung der örtlichen Träger der Jugendhilfe wird auch zukünftig ein verlässliches und zentrales Instrument im Fördersystem bleiben, mit dem die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Landkreise und kreisfreien Städte, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe unterstützt werden.

Damit, meine Damen und Herren, erfüllt der Freistaat seine gesetzlichen Pflichten auch nach § 82 SGB VIII. Gleichzeitig – das sei an dieser Stelle deutlich hervorgehoben – stärken wir die kommunale Selbstverwaltung. Die Frage nach der politischen Ausrichtung der Jugendarbeit – Frau Schütz, ich denke, das wissen Sie besser, als Sie es hier vorgetragen haben – liegt natürlich zentral in der Hoheit der örtlichen Jugendhilfe im Rahmen der

Selbstverwaltung. Wer könnte denn besser als die örtlichen Jugendhilfeträger vor Ort deutlich machen, wo die Schwerpunkte in der Jugendarbeit in der Kommune zu setzen sind? Die Pauschalierung trägt erheblich zu dieser flexiblen Selbstverwaltungsentscheidung bei. Aus Richtung der kommunalen Spitzenverbände ist immer wieder deutlich gemacht worden, diese erfolgreiche pauschale Förderung beizubehalten.

Damit setzen wir natürlich auf fachliche Kompetenz vor Ort, denn nur vor Ort können die Entscheidungen differenziert und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen getroffen werden, und natürlich können damit auch die differenzierten Problemlagen, die in Sachsen nicht einheitlich vorhanden sind, aufgegriffen werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Frau Herrmann.

Frau Staatsministerin! Geben Sie mir recht, dass die Jugendpauschale – mehr als die anderen Förderinstrumente – an die demografische Entwicklung gekoppelt ist und dass diese demografische Entwicklung nicht mit den Problemen gleichgesetzt werden kann, die an der Basis in den Kommunen entstehen? Das heißt, geben Sie mir recht, dass vermehrt Jugendliche in den Kommunen zurückbleiben, die schwieriger sind, sodass der Aufwand der Kommunen größer wird und genau gegenläufig zum Instrument Jugendpauschale ist?

Frau Herrmann, ich gebe Ihnen recht, dass die Pauschalfinanzierung die demografische Entwicklung nicht eins zu eins abbildet; ich halte es auch nicht für erforderlich.

Ich darf die Gelegenheit nutzen, hier noch einmal darauf hinzuweisen. In der Tat haben wir den demografischen Faktor in der Berechnung des Pauschalbetrages nicht mit der demografischen Entwicklung als Ausgleichsinstrument bezeichnet, sondern eine Berechnung zugrunde gelegt, die in den vergangenen Jahren Gültigkeit hatte und bei der es in der Finanzierung ein Stück weit nach unten gegangen ist.

Was Sie aber in Ihren Argumentationen immer nicht berücksichtigen, ist, dass wir andere Haushaltsstellen aufgestockt bzw. neu eingerichtet haben, um Defizitausgleiche in anderen Bereichen zu ermöglichen. Ich darf darauf hinweisen – auch wenn Sie es wahrscheinlich nicht mehr hören können –, dass zur Kinder- und Jugendhilfe der Bereich der Kita-Finanzierung gehört – mit allen Förderkonstellationen, die im Haushalt nachzulesen sind. Wir sind inzwischen bei ungefähr 380 Millionen Euro, und es kann doch nicht sein, dass Sie, wenn Sie über Kinder- und Jugendhilfe im Freistaat Sachsen sprechen, immer nur die eine Haushaltsstelle ansprechen. Ich kann