Protokoll der Sitzung vom 16.03.2007

, dass dies in Kürze geschieht, weil der nächste Sitzungstermin des Dresdner Stadtrates der 19. April ist. Dieser Termin liegt deutlich vor dem nächsten Sitzungstermin des Sächsischen Landtages am 9. Mai.

Herr Lehmann, damit ist die Dringlichkeit sehr wohl gegeben. Wenn die Staatsregierung – wie unsere Fraktion annimmt – versuchen will, sich trotz der Anordnung des Baubeginns für den Erhalt des Welterbetitels einzusetzen, dann haben wir nur in dieser Plenarsitzung die Möglichkeit, darüber zu debattieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich lasse nun über die Dringlichkeit des Antrags der Fraktion GRÜNE, Drucksache 4/8243, „UNESCO – Welterbe Dresdner Elbtal erhalten“, abstimmen. Wer der Dringlichkeit des Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmen dafür und Stimmenthal

tungen ist die Dringlichkeit des Antrages mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es weitere Anträge zur Tagesordnung gibt. – Das ist nicht der Fall.

Dann gilt die vorliegende Tagesordnung mit den vorgetragenen bzw. beschlossenen Veränderungen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Sport und Gewalt vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Sächsische Energiepolitik in Zeiten des Klimawandels

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Verteilung der Redezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion.PDS 26 Minuten, SPD 14 Minuten, NPD und FDP jeweils

12 Minuten, GRÜNE 17 Minuten und Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu

1. Aktuelle Debatte

Sport und Gewalt vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Zunächst haben die Fraktionen CDU und SPD als Antragstellerinnen das Wort. Danach folgen Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. Herr Kupfer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte es mir gewünscht, dass der Anlass für eine Debatte über Auswirkungen auf den Sport im Freistaat Sachsen ein besserer wäre als die Ausschreitungen am Rande von Fußballspielen in Leipzig und Dresden im Februar dieses Jahres.

Die Eskalation der Gewalt nach dem Spiel des 1. FC Lok Leipzig gegen die 2. Mannschaft von Erzgebirge Aue im Leipziger Bruno-Plache-Stadion am 10. Februar 2007, aber auch die Beschimpfungen und Bedrohungen der Spieler vom Regionalligisten Dynamo Dresden am 25. Februar 2007 haben die Öffentlichkeit sehr beschäftigt und auch uns, meine Damen und Herren im Sächsischen Landtag, dürfen die traurigen Vorfälle nicht kalt lassen.

(Beifall bei der CDU)

Am 10. Februar waren es geschätzte 800 Hooligans, die sich mit den eingesetzten 300 Polizisten eine Straßenschlacht lieferten. Tränengas, Warnschüsse, Schlägereien, fliegende Pflastersteine und Mülltonnen – die Szenerie rund um das Bruno-Plache-Stadion erinnerte an Bürgerkrieg. Am 25. Februar waren es wiederum 50 maskierte Hooligans, die die Spieler auf dem Weg zum Training in Dresden attackierten.

Die Gewaltbereitschaft der Hooligans wird von Experten auf die Perspektivlosigkeit der jungen Leute zurückge

führt. Es fehlten berufliche Chancen und damit die Möglichkeit, Selbstbewusstsein auf legalem Wege aufzubauen. In der Gruppe fühlen sie sich stark, fühlen Macht und leben über Gewalt ihren Frust aus. Es geht ihnen nicht um Fußball, sondern es geht ihnen darum, einen Konflikt mit der Gesellschaft abzuarbeiten. Diesem Klientel, meine Damen und Herren, können Fanprojekte sehr gut begegnen. Bei den Fanprojekten muss in der Zukunft noch viel getan werden. Ich komme noch einmal darauf zurück.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das ist die eine Seite, meine Damen und Herren. Was mich erschreckt hat, ist, dass es genauso um Personen geht, die einfach nur Spaß an der Gewalt haben. Diese Menschen haben Beruf, haben Familie, haben Kinder. Diese Menschen werden wir mit Fanprojekten nicht erreichen. Hier zählen harte strafrechtliche Sanktionen und null Toleranz der Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen es diesen Randalierern, insbesondere im Sinne der friedlichen Fußballfans, nicht durchgehen lassen. Der Rechtsstaat darf hier keine Schwäche zeigen. Er darf vor solchen Gewalttätern nicht zurückweichen.

Der sicherlich gut gemeinte symbolische Akt, aus Solidarität mit den bei den Krawallen verletzten Polizisten – ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich das Verdienst der Polizisten einmal würdigen –

(Beifall bei der CDU und der SPD)

den gesamten Spieltag abzusetzen, sorgte bei den meisten Sportvereinen und Schiedsrichtern für gemischte Gefühle,

zumal nicht einheitlich im Freistaat Sachsen gehandelt wurde. Im Regierungsbezirk Chemnitz haben die Spiele stattgefunden. Im Regierungsbezirk Dresden haben sie ebenfalls stattgefunden. Selbst im Leipziger Raum war es möglich, Freundschaftsspiele durchzuführen. Wenn schon Absagen, dann aber bitte einheitlich und konsequent für ganz Sachsen. Die ehrenamtlichen Organisatoren sind es letztlich, die es wieder auszubaden haben, denn der Spieltag ist ja nicht ersatzlos gestrichen worden. Die Spiele werden nachgeholt. Dies bedeutet wieder Organisation von Schiedsrichtern, von Helfern und Linienrichtern. Das ist für die Ehrenamtlichen eine zusätzliche Belastung gewesen. Der einzige Nutznießer dieser Absagen waren diese Chaoten. Das müssen wir feststellen. Sie konnten sich die Hände reiben, denn sie hatten es geschafft, den Spielbetrieb lahmzulegen.

Eine Woche später ist das Punktspiel 1. FC Lok Leipzig gegen SV Nord Sachsen wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt worden. Das Wetter hat also auch noch negativ mitgespielt. Was ist passiert? Die 300 sogenannten Fans von Lok Leipzig zogen zum Kreisligaspiel SV Panitzsch gegen 1. FC Lokomotive II. Dort herrschte der Ausnahmezustand wegen eines völlig überforderten Heimatvereins. Wieder wurden Rauchbomben gezündet und erst rund 50 herbeigerufene Polizisten mussten ein Spiel der 9. Liga absichern. Wenn das so weitergeht, meine Damen und Herren, dann können künftig nicht einmal mehr die Jungs vom Dorfplatz gegen die Jungs von der Waldstraße spielen, ohne dass ein Polizeiaufgebot sein muss.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir haben ja nicht einmal einen Verein der 1. Liga! Das ist das Problem!)

Meine Damen und Herren, meine Redezeit für die erste Runde ist vorüber. Ich komme in der zweiten Runde noch einmal.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es so – das hat mein Vorredner schon zu Recht gesagt –, dass der Auslöser der Aktuellen Debatte die aktuellen Ereignisse sind, die sich beim Landesligapokalspiel Lok Leipzig gegen Erzgebirge Aue abgespielt haben. Ich denke aber, dass es nicht der einzige Grund dafür ist, denn wir haben leider Gottes festzustellen, dass wir in den letzten Jahren eine Reihe von ähnlichen Vorkommnissen hatten. Deshalb glaube ich, dass wir uns sehr ernsthaft mit den Folgen dieser Situation beschäftigen müssen. Da reicht es eben nicht aus – das ist meine Auffassung –, dass Politiker und Sportfunktionäre von Stadienverboten und von härterem Durchgreifen der Justiz sprechen. Das ist sicher ein Teil davon. Aber ich glaube, das ist auch ein Teil, der zu kurz gegriffen wäre, wenn wir uns ausschließlich darauf beschränkten.

Wir haben in der Tat in Sachsen eine Klientel – wenn man den polizeilichen Erhebungen Glauben schenken darf – von rund 1 500 gewaltbereiten Hooligans in der Kategorie B.

Wir haben rund 500 Gewaltsuchende, das ist die Kategorie C. In Deutschland ist es so, dass in den letzten Jahren gerade in der 1. und 2. Bundesliga durch die Einführung der Video-Überwachung in den Stadien dieser Ligen durch progressive, auch Gewaltpräventionsarbeit verhindert werden konnte, dass es im großen Stil Ausschreitungen gegeben hat. Dennoch ist es aber leider Gottes eine Folge daraus, dass diese gewaltbereiten Hooligans auf niederklassigere Begegnungen ausweichen. Es gibt im Internet auch eine Reihe von Hinweisen darauf, dass man sich bewusst zu solchen Spielen verabredet, um diese unteren Spielklassen zu nutzen und dadurch der polizeilichen Überwachung zu entgehen.

Was will ich damit sagen? Ich glaube, dass das Problem der Gewalt, das wir im Fußball über viele Jahrzehnte haben, leider auch erschreckende Realität ist. Es gibt ja bereits eine lange Historie solcher Vorkommnisse. 1967 gab es in der Türkei erstmalig Ausschreitungen nach einem Spiel. Es gab dort 44 Tote und, ich glaube, über 500 Verletzte. Viele haben sicherlich auch noch das Spiel im Heysel-Stadion zwischen Liverpool und Juventus Turin 1985 in Erinnerung. Auch da gab es 39 Tote und 400 zum Teil schwer Verletzte.

Aber – das sage ich auch ganz deutlich – wir haben sehr, sehr gute Erfahrungen und auch positive Beispiele vorzuweisen. Eines davon ist die Fußballweltmeisterschaft 2006. Das Sicherheitskonzept der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land ist aufgegangen. Insofern glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.

Aber ich will auch ganz deutlich sagen, dass wir neben der Frage der Präventionsarbeit im polizeilichen und Justizbereich auch die Fanarbeit stärken müssen. Das ist richtig. Mein Kollege hat zu Recht darauf hingewiesen. Ich zitiere hier den Sportwissenschaftler und Fanexperten Michael Gabriel: „Diese Reaktionen sind vergleichbar mit den Aussagen von Politikern in Italien in den letzten 20 Jahren. Sie fordern auch immer schärfere Gesetze und härtere polizeiliche Maßnahmen. In den vergangenen acht Jahren gab es viele Gesetzverschärfungen, und die Situation hat sich mitnichten verbessert, sondern dramatisch zugespitzt.“ Das sagt klar, dass allein Repression nicht ausreicht. Wir brauchen klare Fanprojekte. Dass diese Fanprojekte in der Lage sind, gute Arbeit zu leisten, zeigen auch die Beispiele, die wir hier im Land haben.

Insofern sollten wir uns parallel dazu auch Gedanken darüber machen, wie wir zukünftig neben den Jugendpauschalen, das heißt neben den Ausstattern von kommunalen Mitteln auch für Jugendarbeit, die Fanarbeit stärker fördern; denn es gibt in diesem Zusammenhang ein wachsendes Problem: Das ist natürlich die Gewaltbereitschaft, aber auch der Rechtsextremismus in diesem Bereich.

Es gibt gute Ansätze. England ist das Mutterland des Fußballs. England zeigt, dass es anders geht. Dort gibt es seit über 20 Jahren eine zentrale Koordinierungsstelle der Polizei, die vergleichbar wäre mit der zentralen Informationsstelle für Sportansätze hier in der Republik. Dort ist 1990 auch dazu übergegangen worden, die Stehplätze und die Zäune aus den Stadien zu verbannen. Man hat versucht, mit den Fanprojekten Präventionsarbeit zu betreiben, und man hat dann auch gemeinsam die Krawallmacher herausgefunden und ein Stadionverbot erteilt, teilweise lebenslang. Insofern glaube ich, dass gerade mit Blick auf die Entwicklung in Sachsen auch die NPD versucht, gewaltbereite jugendliche Hooligans für sich zu gewinnen. Dem müssen wir entgegenstehen.

Zum Schluss ein Zitat, das uns umtreiben sollte. Klaus Beier ist Bundessprecher dieses rechten Haufens. Er sagte unlängst: „Wir als NPD sollen stärker in den Stadien der Regional- und Oberliga präsent sein. Spezielle Flugblätter und viele gemeinsame Aktionen sollen uns noch stärker potenzielle Mitglieder ermöglichen.“

Ich denke, als demokratische Fraktionen sollte es uns Verpflichtung sein, dass wir dem auch durch Fanarbeit mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenwirken.