Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Übrigens, ganz so locker ist die Sache trotzdem nicht. Denn das Fass, das die Herren Tiefensee und Jurk aufgemacht haben, ist nicht ganz ohne Risiko. Denn die leichtfertig aufgemachte Forderung, der Bund möge doch mal die Richtigkeit der Verwendung von Fördermitteln prüfen, bedeutet im Klartext, dass Sie und Ihr Kollege in Berlin dem Bund ein Recht einräumen wollen, in Zukunft darüber zu entscheiden, was wir hier in Sachsen mit dem Geld machen. Sie wollen, dass Berlin ein ganz wesentliches Mitspracherecht darüber bekommt, welche Verkehrsvorhaben wir in Sachsen und in unseren Kommunen durchsetzen. Damit rütteln Sie, meine Damen und Herren, an den Eckpfeilern des Föderalismus in unserem Land.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das ist doch jetzt schon so!)

Mit solchen Vorstellungen stärken Sie einzig und allein die Zentralgewalt. Sie schwächen die Länder.

(Staatsminister Thomas Jurk: Sie haben keine Ahnung!)

Sie stellen die kommunale Selbstbestimmung infrage. Wollen Sie das wirklich?

(Beifall bei der FDP)

Wollen Sie – der eine oder andere hat ja noch die Erinnerung – tatsächlich, dass es wieder so wird wie zu DDRZeiten, wo irgendwo in Berlin entschieden wurde, was in Dresden und in Karl-Marx-Stadt, in Leipzig und in der Oberlausitz, Herr Jurk, oder im Erzgebirge gemacht wird? Ich glaube nicht, dass das im Interesse unserer Bürger und unseres Landes liegt, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Sven Morlok, FDP)

Herr Jurk, Sie haben Ihre Position unter anderem damit begründet, Schaden von Sachsen abwenden zu wollen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Bravo!)

Entscheidungen über die Realisierung von Verkehrsvorhaben nach Berlin abzugeben halte ich – salopp gesagt – zumindest nicht für Sachsen nützlich. Aber aller Welt zu zeigen, dass sich in Sachsen nicht einmal der stellvertretende Ministerpräsident an Gesetz und Ordnung hält, und aller Welt zu zeigen, wie ignorant sich die Politik gegenüber dem eindeutigen Willen der Dresdner Bürger zeigt, das ist mehr als schädlich und das ist eines Ministers unwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Gott sei Dank – um auch einmal etwas Positives zu sagen – ist die Vernunft wenigstens noch in einem Ministerium zu Hause, und zwar im sächsischen Finanzministerium. Denn in der Bewertung des Streits um die Auszahlung der Fördergelder für die Dresdner Waldschlösschenbrücke vertritt das sächsische Finanzministerium genau die gegenteilige Position des sächsischen Wirtschaftsministeriums. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des SMF:

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Kennen wir!)

„Der Zuwendungsbescheid stellt eine finanzielle Rechtspflicht des Freistaates dar, die zu erfüllen ist.“ Punkt! Genau das ist die Sprache und die Klarheit, die wir in der Politik von der Staatsregierung jetzt brauchen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Trotz dieser Klarheit frage ich, was jetzt passiert. Dr. Metz sagt so, Herr Jurk sagt so. Wie wird Sachsen handeln? So, wie es die SPD will? So, wie es vielleicht auch die Linksfraktion.PDS und die GRÜNEN hier für ganz gut halten? Oder so, wie es vielleicht das Finanzministerium will? Oder wie es die Mehrheit der Dresdner Bevölkerung will? Oder wie es vielleicht das Sächsische Verfassungsgericht – so habe ich es zumindest gelesen – möchte?

Um genau das endlich einmal zu erfahren, fordern wir von der Sächsischen Staatsregierung heute eine Regierungserklärung. Wir wollen, dass Herr Milbradt endlich durchgreift und ein Machtwort spricht. Die Möglichkeit dazu hat er. Gemäß Artikel 63 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung trägt der Ministerpräsident die Verantwortung für das politische Handeln der Regierung. Er hat die notwendige Richtlinienkompetenz. Ich hoffe, dass er sie nutzt. Deswegen fordern wir von Herrn Milbradt, dass er heute klar erklärt, dass die Brücke gebaut wird, dass der Freistaat Sachsen nach wie vor zu seinen finanziellen Zusagen steht, und er soll auch sagen, dass wir uns von niemandem in Berlin hier in Sachsen, in Dresden erpressen lassen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Es kommt vermutlich der nächste Fraktionsvorsitzende, eine Sie, Frau Hermenau für die GRÜNEN, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! In den letzten Tagen war ja in der Zeitung viel zu lesen von der Handlungsunfähigkeit der Koalition. Ich fand das alles relativ launig im Vergleich dazu, welche Handlungsverweigerung diese Staatsregierung an den Tag legt, wenn es um die Frage des UNESCO-Weltkulturerbetitels und die Waldschlösschenbrücke in Dresden geht.

Wir haben am 17. Juli 2006 über dieses Problem gesprochen, auch über die ganzen Rechtsfragen, die die Staatsregierung und die Verantwortung des Freistaates Sachsen betreffen.

Ein Dreivierteljahr später: Dresden hat die Brücke nicht, Dresden hat den Kompromiss nicht, Dresden hat den Titel nicht sicher. Und die Bürgerschaft ist tief gespalten.

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Das ist im Moment der Stand der Dinge. Unser Antrag hat drei Punkte aufgemacht, von denen wir glauben, dass sie helfen können, diesen Stillstand zu überwinden. Wir wollen, dass Sie auf die Ersatzvornahme durch das Regierungspräsidium verzichten. Sie haben keine Not, jetzt zu handeln. Sie haben das OVG-Urteil als Rechtspfand in der Hand, das Sie immer noch jederzeit ziehen können.

Wir fordern Sie auf, die Perspektivenwerkstatt zu unterstützen. Ich habe gehört, da seien ganz ausgezeichnete Architekten am Werk. Selbst viele aus der Union haben gesagt, wie plump diese Brücke aussehe. Geben Sie doch einmal einem anderen Entwurf eine Chance!

Und wir fordern Sie auf, Verhandlungen mit der Stadt Dresden aufzunehmen, um die Fördermittelzusage zu verlängern und die Bindung des Bürgerentscheids über den März 2008 zu sichern, damit eben nicht behauptet werden kann, es ginge nur darum, den Bau irgendeiner Flussquerung zu verhindern.

Die FDP hat hier einen Antrag vorgelegt, um eigentlich Herrn Milbradt – aber Sie haben dauernd nur über Herrn Jurk geredet, Herr Zastrow – herzuzitieren, er möge endlich Stellung nehmen. Das unterstützen wir ausdrücklich.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Wir hätten gern, dass die Staatsregierung endlich einmal zu diesem Sachverhalt Stellung bezieht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Am 19.07. letzten Jahres, Herr Kollege Zastrow, haben Sie das Ganze noch als kommunale Angelegenheit bezeichnet. Jetzt, nach zehn kurzen Monaten, haben Sie gemerkt, es ist doch irgendwie etwas, was mit der Staats

regierung zu tun hat. Chapeau! Natürlich unterstützen wir, wie gesagt, Ihren Antrag.

Worum geht es jetzt im Detail? Im Detail geht es um diese städtische Perspektivenwerkstatt. Da ist die UNESCO mit im Boot. Die wollen Anfang Juni bis spätestens Mitte Juni fertig sein. Es sollen die besten Planer Europas sein, sagt Herr Benedix, Präsident der Architektenkammer Sachsen. Ende Juni tagt die UNESCO. Das heißt, wir reden über wenige Wochen Zeitverzögerung.

Bei der Bauvergabe sind Unregelmäßigkeiten zutage getreten. Da werden Einsprüche geprüft. Da muss eh noch ein bisschen gewartet werden. Karlsruhe hatte gemeint, es würde vor Mitte Mai nicht entschieden. Das OVG Bautzen hat in seinem Eilverfahren keine klare Aussage zum Knackpunkt gemacht, und der Knackpunkt ist: Bricht ein Bürgerentscheid einen völkerrechtlichen Vertrag oder nicht?

Diese Frage ist nicht beantwortet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die zehn summarischen Seiten, die mitgebracht worden sind, lasse ich unter Leselaune laufen. Das Auswärtige Amt und Minister Tiefensee werden natürlich warten, bis das Urteil aus Karlsruhe kommt; das ist ganz klar. Wenn Sie so sicher sind, dass Sie die richtige Rechtsposition mit dem OVG-Urteil haben, warum können Sie dann nicht die paar Wochen abwarten, um es richtig brandaktuell bestätigt zu bekommen? Stattdessen riskieren Sie einen Kleinkrieg in der Kultusministerkonferenz, die anderen Bundesländer sind stinksauer auf Sie – gar keine Frage. Ich mache es mal deutlich: Vorsichtige, übervorsichtige Beamte, die in der Kultusministerkonferenz bei Vorverhandlungen immer auf Einstimmigkeit setzen, haben es letzte Woche gewagt, mit 15:1 den sächsischen Vertreter niederzustimmen, als es um die Frage ging, ob man durchzieht oder man nicht versucht, mit der UNESCO eine gütliche Einigung zu erreichen. Das ist schon ein Vorkommnis!

Der Präsident des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, Jens Goebel, hat einen Brief an Herrn Tiefensee geschrieben, er möge das alles noch einmal überprüfen hinsichtlich der Vertragstreue und der Glaubwürdigkeit der Bundesländer bezüglich völkerrechtlicher Verträge. Das ist die Frage der Bundestreue, die wir hier bereits vor zehn Monaten angesprochen haben. Da könnten Sie schon weiter sein!

Jetzt kommt der Witz: Dieser Jens Goebel ist nicht nur irgendein verstaubter Denkmalpfleger, wie einige beherzte Burschen immer glaubhaft versichern wollen, sondern Jens Goebel ist der Kultusminister von Thüringen. Und er gehört der CDU an, meine Herren von der Union!

Also haben Sie den Krach bereits im eigenen Laden. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie hier Grüne oder Rote piesacken würden. Sie haben den Krach bereits in der Union – das ist ganz eindeutig.

Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sieht im § 2 vor, dass Bau und Ausbau von verkehrswichtigen innerörtlichen Straßen und verkehrswichtigen Zubringerstraßen zum überirdischen Verkehrsnetz förderfähig sind. Ich sage Ihnen, Herr Jurk, wenn Sie sich heute hierherstellen und die Traute haben zu sagen, dass das Geld auch für eine Kompromisslösung zur Verfügung stünde, dann wird alles gut. Dann gibt es kein Problem. Dann könnten nämlich diese Leute, die unbedingt auf eine Durchsetzung des jetzigen Entwurfes beharren, nicht mehr glaubhaft versichern, warum sie so stur sind. Sie haben keinen Grund mehr, stur zu sein. Es kann sich außerordentlicherweise nur noch um den Karrieretrotz von städtischen Nachwuchspolitikern handeln – den halte ich, ehrlich gesagt, für unwichtig – oder vielleicht handelt es sich auch, wie eines Ihrer Talenthoffnungen von der Union, Herr Steffen Flath, gestern in einem Interview in der „Freien Presse“ offenbarte, um eine Union mit einem merkwürdigen Demokratieverständnis, wenn er zwar bezüglich der Koalition, aber doch allgemein gesprochen sagt, dass man in Sachsen nur noch nach vorn kommen könne, wenn man ohne Kompromisse entscheidet, ohne auf irgendwelche Leute Rücksicht zu nehmen. Er hat zwar die SPD gemeint, aber das kann man durchaus auch auf andere Bürger des Landes übertragen.

Um das ganz offen zu sagen, ich finde das alles höchst bedenklich. Herr Rohwer, Sie haben vor zehn Monaten drei Argumente gebracht. Vergaberecht wäre irgendein Spaßding – ich spaße übrigens in solchen Dingen nie. Unregelmäßigkeiten sind zutage getreten und das ist in der Tat nicht spaßig. Sie haben gesagt, die Staatsregierung hat Dresden in gar keiner Weise dazu gezwungen, auf die Waldschlösschenbrücke zuzuspitzen. Dann sollten Sie das jetzt erst recht nicht tun und fordern! Man hätte ja anständigerweise im letzten Jahr ein Vierteljahr darauf gewartet, dass die UNESCO sagt, was sie will. Das würde ich jetzt doch nicht entwerten, indem ich jetzt, wo die Perspektivenwerkstatt existiert, die Nerven verliere.

So viel zum Nachwuchs in der Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Rohwer kann sofort erwidern, denn er hat jetzt das Wort. Herr Rohwer für die CDU-Fraktion, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Waldschlösschenbrücke – können Sie das Wort noch hören?

(Nein-Rufe von der CDU und der SPD)

So sehen es die Bürger in Dresden auch. Sie sagen: Baut endlich diese Brücke!

(Heinz Lehmann, CDU: Sehr richtig! – Unruhe im Saal)