Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der FDP und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Die Einbeziehung der PKK ist ein grundsätzlich richtiger Schritt zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Unseres Erachtens muss die PKK eine wesentlich stärkere Rolle einnehmen, weil die Kontrolle des Geheimdienstes durch den Individualrechtsschutz der Rechtsprechung und die öffentliche Kontrolle der Medien im Regelfall aufgrund der Geheimhaltung eben nicht stattfinden kann.

Die „Sächsische Zeitung“ berichtete am vergangenen Freitag, dass mittlerweile gegen sechs Personen ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Gegen Bundesminister de Maizière und Generalstaatsanwalt Schwalm sind Strafanzeigen gestellt worden. Ob die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnimmt, ist nicht bekannt.

Die Staatsanwaltschaft Dresden sieht durch die Schredderaktion ihre Ermittlungen in keiner Weise – so das Zitat – beeinträchtigt. Bei allem Respekt vor der Staatsanwaltschaft Dresden: Selbst wenn die bei den Staatsanwaltschaften geschredderten Originalakten der Aussonderung und Vernichtung nach fünf Jahren anheimgefallen sein sollten, kann daraus logisch zulässig nie der Schluss gezogen werden, dass dadurch die Ermittlungen nicht

behindert werden könnten. Egal, dies ist nicht mehr aufklärbar.

Eine ganz andere Frage ist dabei, ob die Vernichtung der Originalakten zulässig war. Dies mag durchaus so sein. Wir sollten aber genau zuhören. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden hat auch angegeben, dass die Staatsanwaltschaft – Zitat – „mit ganz anderen Problemen zu kämpfen“ habe. Da bin ich doch sehr hellhörig geworden. Herr Staatsminister Mackenroth, ich halte es für die zentrale Aufgabe des Justizministers, dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Aufgabe erfüllen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich kann nicht beurteilen, ob Sie bis zum heutigen Zeitpunkt diese Aufgabe auch erfüllt haben.

Warum ist jetzt ein Untersuchungsausschuss notwendig?

Erstens. Wir haben in der Sondersitzung des Landtages einen umfassenden Bericht bis zum 30. Juni gefordert. Er liegt weder vor, noch ist er angekündigt worden.

Zweitens. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Staatsregierung willens und in der Lage ist, die Sachverhalte rückhaltlos aufzuklären. Erst gestern hat Herr Boos den ersten Versuch zur Aufklärung unternommen, der im Ansatz ernst genommen zu werden verdient. Davor bekamen wir nur wie in einem schlechten Theater die angeblich prästabilierte Harmonie der Dinge im perfekten CDU-Staat vorgeführt, die allerdings nur in den Parallelwelten der Herren Milbradt und Hähle existiert. Herr Milbradt glänzt nicht nur durch seine Klamauk-Rede, sondern auch durch verfassungswidrige Ablenkungsmanöver zur Wiedereinführung des Verfassungsschutzes. Herr Hähle versucht sogar, die Frage der Zustimmung der Linksfraktion zur Wiedereinführung der OK-Zuständigkeit zur Frage der verfassungsrechtlichen Zuverlässigkeit hochzustilisieren.

Herr Hähle, immer dann, wenn die CDU nicht weiter weiß, wenn sie keine sachlichen Argumente hat, haut sie auf die Kommunisten ein. Das ist ein Spiel, das wir leider die ganze Zeit haben zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Aber, Herr Hähle, ich sage Ihnen auch: Diese schönen Zeiten, die Sie bis 2004 hatten, dass Sie Ihre eigenen Probleme durch Hauen auf die Kommunisten irgendwie verschleiern konnten, sind endgültig vorbei; denn jetzt sind wir auch noch auf dem Spielbrett, und wir werden das nicht zulassen. Das gilt übrigens auch für die PDS. Beide Parteien haben sich in diesem wechselseitigen Spiel ja wunderbar ergänzt.

(Unruhe bei der CDU)

Ich habe wohl alles richtig gemacht?

(Heiterkeit)

Ein dritter wichtiger Grund für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses: Das Vertrauen der Bevölkerung in

die Sauberkeit von Justiz und Verwaltung sowie das Ansehen Sachsens in Deutschland sind erschüttert. Daher hat die Opposition alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung und damit zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Institutionen zu nutzen, und genau das tun wir.

Was wollen wir aufklären?

Erstens. Hat es korruptive Netzwerke unter Beteiligung von Landes- und Kommunalpolitikern und hohen Vertretern aus Justiz, Behörden und Wirtschaft gegeben und gibt es sie noch, die gemeinsam schwere Straftaten verabreden und begehen und sich gemeinsam um die Vertuschung ihrer Taten bemühen?

Zweitens. Wenn die Netzwerke existieren, warum konnten Straftaten und Personen aus diesen Netzwerken nicht aufgeklärt und abgeurteilt werden?

Drittens. Über welche Informationen hat der Verfassungsschutz zu welchem Zeitpunkt verfügt, und zu welchem Zeitpunkt hätten diese Informationen einen hinreichenden Verdacht zur Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens begründet?

Viertens. Wer hat jeweils auf welcher Ebene im Verfassungsschutz und im Innenministerium entschieden oder trägt durch Unterlassen die Verantwortung dafür, dass diese Informationen nicht an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet wurden?

Fünftens. Wurden in Staatsanwaltschaften und Gerichten bis zur Generalstaatsanwaltschaft sowie im Justizministerium Ermittlungsverfahren gegen korruptive Personenkreise mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt oder wurden sie gar unterdrückt?

Sechstens. Waren diejenigen Personen, die für die Nichtweiterleitung durch aktives Tun oder Unterlassen verantwortlich waren, selbst Teil des korruptiven Netzwerkes?

Meine Damen und Herren, ich versprechen Ihnen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen wird dafür kämpfen, dass weiter restlos aufgeklärt wird, und deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Dr. Hähle, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort an Herrn Lichdi:

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Geschenkt!)

Lieber Herr Lichdi, gestatten Sie mir die Vermutung, dass Sie von Kommunisten wenig oder nichts verstehen.

(Beifall bei der CDU)

Zu Herrn Martens sage ich, dass wir die Ziele, die er hier vorgetragen hat, zum großen Teil teilen. Wir wollen den Rechtsstaat schützen. Wir sind an wirklicher Aufklärung interessiert, und zwar mehr als alle anderen,

(Gelächter bei der Linksfraktion und der NPD)

denn es ist unerträglich, was uns hier seit Wochen unterstellt wird.

(Beifall bei der CDU)

Erlauben Sie mir gerade deshalb noch einmal in aller Nüchternheit den Hinweis auf den Gegenstand der Aufregung, wie er sich seit sechs Wochen in allen Presseberichten gebetsmühlenartig wiederholt. Da steht immer fast wörtlich:

„Der Verfassungsschutz hat jahrelang, so heißt es, Daten über Aktivitäten Organisierter Kriminalität in Sachsen gesammelt. Es soll um Korruption, Amtsmissbrauch, Immobilien-Deals und Rotlichtaktivitäten gehen. Angeblich sollen hohe Justizbeamte, Politiker und Polizisten verwickelt sein.“

„Es soll“ und „angeblich“ – nichts Genaues weiß man nicht. Immerhin – Hochachtung! –, seriöse Journalisten verwenden weiterhin konsequent die Möglichkeitsform, denn in die Datensammlung des Landesamtes für Verfassungsschutz haben bisher nur wenige einsehen können, darunter der Datenschutzbeauftragte und die Mitglieder der PKK. – Parlamentarische Kontrollkommission – für diejenigen auf der Tribüne, die die Fachbegriffe nicht kennen und die ich eigentlich nicht ansprechen darf.

Der Datenschutzbeauftragte und die PKK sind allerdings zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen:

Der Datenschutzbeauftragte meint, die Papiere – es soll sich um 15 600 Seiten handeln – dürften nicht verwendet, also nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden, weil sie zum Teil unrechtmäßig, also ohne ausreichende gesetzliche Grundlage gesammelt worden seien.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Er hat aber von schwersten Straftaten gesprochen!)

Er spricht – Herr Hahn, Sie haben den Gang der Geschichte wieder voraus – einerseits von Hinweisen auf schwere Kriminalität, sieht aber andererseits keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Ordnung.

Die Mitglieder der PKK wiederum sprechen nach dem Studium der Unterlagen von Organisierter Kriminalität, die durchaus eine Gefährdung der freiheitlichdemokratischen Ordnung darstellen könnte. Insofern solle die Sammlung doch an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden.

Was aber niemand genau sagen kann, ist: Was von dem, was dort drinsteht, ist Dichtung, was sind Gerüchte, was beruht beispielsweise auf alten Berichten der „Bild“Zeitung, wie zuverlässig sind die Quellen und was ist Wahrheit?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Also brauchen wir einen Untersuchungsausschuss!)

Ich wiederhole: Es sollen 15 600 Seiten sein. Die Mitglieder der PKK haben sie gesehen, sie können also nicht weg sein.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Damit das ganz klar ist: Diese 15 600 Seiten sind nicht die Unterlagen, die gelöscht oder vernichtet worden sind. Der Stein des Anstoßes ist also völlig unbeschädigt erhalten. Das wollen wir erst einmal feststellen. Dazu später noch mehr.