Wir müssen dazu beitragen, dass wir gerade mit der Art und Weise, wie wir diese Reform im Parlament diskutieren, das Vertrauen und das Zutrauen der Menschen in eine Beratung wieder herstellen.
Tut mir leid. Mit dem Dazwischenreden ist es immer schwierig. Zumindest versuche ich, den Satz zu Ende bringen zu lassen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat nicht so viel Redezeit wie die CDU, wo Herr Bandmann in 10 Minuten erklärt hat, dass er sich an der heutigen Debatte im Prinzip nicht beteiligen möchte.
Eine inhaltliche Debatte zu diesem Thema zum jetzigen Zeitpunkt hält allerdings auch die NPD-Fraktion für nicht zielführend. Wir haben im Herbst erhebliche Diskussionsmöglichkeiten. Wir werden unsere Standpunkte –
insbesondere der Ablehnung der Kreisgebietsreform, aber auch der veränderten Vorstellungen zur Verwaltungsreform – im Gesetzgebungsverfahren zur Kenntnis bringen.
Wir bleiben dabei, diese Ebene der Regierungspräsidien – oder wie sie dann auch immer genannt werden sollten – sollte aus unserer Sicht komplett abgeschafft werden. Wir bleiben auch dabei, dass es ein Problem sein wird, dass teilweise weisungsgebundene Aufgaben auf Landkreisebene verlagert werden sollen, die dort zu Konflikten führen können. All das haben wir in vorherigen Debatten schon oft genug gesagt. Ich denke, die Große Anfrage kann eigentlich nur die Ergänzung zu dem reichlichen Dutzend Aktenordnern, die allen Fraktionen zur Verfügung stehen, sein. Einen weiteren Behandlungsbedarf an der jetzigen Stelle sehen wir im Moment nicht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag ist die logische Folgerung aus der Großen Anfrage, die die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt hat. Diese Große Anfrage war nicht überflüssig, sondern sie hat gezeigt, wie mangelhaft bei der Staatsregierung dieses doch als wichtigstes Vorhaben der Legislatur angekündigte Projekt angegangen wird; denn hier wird eindrucksvoll dargelegt, dass die Staatsregierung von den Auswirkungen, die die von ihr angestrebte Reform haben soll, so gut wie keine Ahnung hat.
In der Tat zeigen die Antworten auf die Große Anfrage, dass die Auswirkungen in vielen Bereichen überhaupt nicht evaluiert wurden und – das finde ich fast noch schlimmer – auch nicht evaluiert werden sollen, auch nicht im Zuge der Gesetzesberatung in diesem Haus. Ich habe zunehmend den Eindruck, hier wird aus Angst vor politischen Debatten, aus der Befürchtung, ein Projekt könne zerredet werden, nach der Devise verfahren: Augen zu und durch!
Die Aufgabenkritik durch die Ressorts, die 2006 durchgeführt wurde, liegt bisher nicht vor, und die Staatsregierung sagte ebenfalls zu der Großen Anfrage, es liege kein Abschlussbericht vor. Vielmehr hat sie auf der Grundlage des Berichtes der Expertenkommission, der Aufgabenkritik sowie des Lenkungsausschusses den Gesetzentwurf zur Verwaltungs- und Kreisgebietsreform dem Landtag zugeleitet. De facto bedeutet dies, dass man sich die Auseinandersetzung und die Diskussion über die Aufgabenkritik gespart und sie lieber gleich in den Gesetzentwurf eingebracht hat. Das war auch abzusehen, nachdem die früheren Anläufe, im Zuge der Verwaltungsreform zu einer vernünftigen Aufgabenkritik zu kommen, fehlgeschlagen sind. Es fehlt insofern an einer fundierten Auf
gabenkritik, die die Grundlage sein müsste, um eine zukunftsfähige Verwaltungsstruktur in Sachsen errichten zu können.
In der Begründung zum Verwaltungsneuordnungsgesetz liest man unter anderem: „Die Grundsätze für die Neustrukturierung der Verwaltung sind – erstens – der Aufgabenverzicht und – zweitens – die Privatisierung oder die privatrechtliche Organisationsform von Aufgaben –, drittens – die Kommunalisierung öffentlicher Aufgaben und – viertens – die Bündelung und Konzentration verbleibender staatlicher Aufgaben.“ – Dies sind die Grundsätze, sie stehen im Vorblatt zum Gesetzentwurf. Man hat sich nicht die Mühe gemacht, dieses Vorblatt zu redigieren; denn darin steht etwas an Grundsätzen, das man hinterher im Gesetz an keiner Stelle findet. Maßnahmen des Aufgabenverzichtes sind nicht bzw. kaum vorhanden und Privatisierung fällt vollständig aus. Es gibt keine Privatisierung im Rahmen des Verwaltungsneuordnungsgesetzes, und das, obwohl unter Punkt 2 der Gesetzesbegründung genau diese Privatisierung von Aufgaben als einer der Grundsätze der Neustrukturierung der Verwaltung im Freistaat Sachsen genannt wird. Das Wort Privatisierung findet sich im Gesetzestext nicht, auch nicht in der Begründung – außer bei den Grundsätzen.
Kommunalisierung, meine Damen und Herren, findet im Wesentlichen in Form der Pflichtaufgabe nach Weisung statt. Auch hierzu sagen wir im Ergebnis der Antwort auf die Große Anfrage, es wird zu kurz gesprungen. Hier wird kommunale Selbstverwaltung eben nicht gefördert, sondern lediglich die Aufgabenverschiebung von der staatlichen auf die kommunale Ebene wahrgenommen nach dem Motto: „Seht mal zu, wie ihr mit den Problemen fertig werdet!“ Das ist kein vernünftiger Ansatz, um zu einer so weitreichenden Reform zu kommen.
Sehr interessant ist auch die Antwort auf die Frage A.2.2.: „Aus welchen Gründen beschränkt die Staatsregierung die Bündelung von Staatsaufgaben auf die den Ministerien nachgeordneten Behörden?“
Die Staatsregierung antwortet, dass aufgrund der umfangreichen Kommunalisierung, wie zum Beispiel der Straßenbauämter, für die betroffenen Behörden kein Bedarf mehr bestehe. Meine Damen und Herren, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aufgrund der umfangreichen Kommunalisierung werden Aufgaben kommunalisiert; gleichwohl gibt es weiterhin Staatsaufgaben, die innerhalb von Behörden bearbeitet werden und bei denen man durchaus überlegen kann, wie man sie bündelt.
Aber auch hier verschont man die Verwaltung der staatlichen Ebene im Freistaat und verlagert auch die Aufforderung zu weiteren Einsparungen und zum Erwirtschaften von Effizienzgewinnen auf die kommunale Ebene.
Schließlich – auch das hat die Große Anfrage gezeigt – hat eine Evaluierung der Kommunalisierung von Aufgaben aufgrund des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes im Jahre 2004 auch nicht stattgefunden. Anhand einer
Evaluierung der damaligen Aufgabenübertragung wäre eine Berechnung der bei der jetzigen Verwaltungsreform angesetzten Effizienzrendite annäherungsweise möglich gewesen. Man hat darauf verzichtet. Das Ergebnis ist alles andere als erfreulich, denn auch auf die Frage nach der Darlegung und Begründung der von der Staatsregierung angenommenen Effizienzrendite bleibt uns die Staatsregierung eine überzeugende Antwort schuldig.
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage hat gezeigt, dass es bei der Verwaltungsreform strukturelle Probleme gibt, die sich weiterhin durch den Gesetzentwurf ziehen. Insofern werden wir dem Entschließungsantrag, den die GRÜNEN eingereicht haben, in den wesentlichen Punkten zustimmen. Eine Ausnahme bildet Punkt 6, Stellenabbaukonzept. Das ist eine Feststellung, aber insofern war es von vornherein klar, dass das Stellenabbaukonzept der Staatsregierung bis 2010 Makulatur war. Wenn man sich das genau ansieht, stellt man fest, dass das auch bis 2015 nichts werden wird.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Beitrag der Reform im Umweltbereich widmen.
„Reform“ – wie hoffnungsvoll das klingt. „Umgestaltung, Verbesserung des Bestehenden“ heißt dieses Wort. Aber Politiker wandelten in den vergangenen Jahren die Bedeutung des Wortes um, hin zu „Verschlechterung des Bestehenden für die Mehrheit der Menschen“ - und für die Umwelt, wie wir seit Vorlage des Entwurfs der Staatsregierung zum Verwaltungsneuordnungsgesetz wissen.
Kollege Gerstenberg nannte in seinem Beitrag vorhin schon wichtige Argumente, die gegen die geplante Aufteilung der Spezialisten der Regierungspräsidien im Umweltbereich auf die Landkreise und kreisfreien Städte sprechen. Ich möchte ihn in fünf Punkten ergänzen bzw. unterstützen.
Erstens ein Blick zurück: Der Aufbau der sächsischen Umweltverwaltung war seit 1991 beispielgebend für ganz Deutschland. Sachsen wurde als Vorreiter einer modernen, effizienten Umweltverwaltung gesehen. Erfolge im Umweltschutz konnten mit innovativen wirtschaftlichen Entwicklungen verknüpft werden.
Zweitens die aktuellen Regierungspläne und die damit verbundenen Gefahren: Die jetzt geplante sogenannte Reform der Umweltverwaltung ist aus Sicht unserer Fraktion ein Schritt zurück. Man – natürlich auch frau – muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass sich das Zerreißen der über Jahre gewachsenen internen Verflechtungen und die damit verbundene Zersplitterung des gebündelten hoch qualifizierten, spezialisierten umweltfachlichen Sachverstandes negativ auf das Verwaltungshandeln auswirken wird, besonders im Naturschutz. Im
Naturschutz deshalb, weil er eine raumbezogene Aufgabe ist. Außerdem sind in diesem Bereich Abwägungsentscheidungen durch Verhandlungen herbeizuführen, die wiederum für politische Einflussnahme sehr anfällig sind.
Die Umstrukturierung der Umweltverwaltung und die geplante Verlagerung der durch das EU-Recht immer komplexer werdenden Aufgaben auf die Kommunen werden aus unserer Sicht zu einem Aufgaben- und Qualitätsabbau, zu längeren Bearbeitungszeiten bei Genehmigungsverfahren und damit zu einer Verschlechterung der Wettbewerbssituation für Unternehmen, zu wirtschaftlichen Risiken und zu einer Erhöhung der Kosten führen.
Drittens wissenschaftlicher Sachverstand als Entscheidungsgrundlage: Die Mehrheit der Gutachter zur Anhörung des Antrages der GRÜNEN „Verwaltungsreform – Leistungsfähigkeit der Umweltverwaltung gewährleisten“ führte die eben genannten Risiken auf und belegte sie mit Beispielen. Herr Gerstenberg nannte vorhin schon das Sondergutachten „Umweltverwaltung und Reformdruck – Herausforderungen, Strategien, Perspektiven“ des Sachverständigenrates für Umweltfragen vom Dezember 2006. In diesem Gutachten wird aufbauend auf den Erfahrungen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg gewarnt. Das Gutachten bietet eine sehr plastische Bestandsaufnahme und nimmt eine sehr deutliche Analyse der Fehlentwicklungen vor.
Aber weder Stabsstelle noch Staatsregierung lassen sich von den negativen Erfahrungen aus den alten Bundesländern beeindrucken. Augen und Ohren zu und durch mit dem Gesetz! Schließlich dient auch die Verlagerung von Umweltfachaufgaben in die Landkreise und kreisfreien Städte zur Begründung der Kreisreform. Warum – so fragen wir uns – soll der Landtag ein Gesetz beschließen, Herr Buttolo, das Bewährtes zerschlägt und die Neuordnung einer Struktur vorsieht, die von Wissenschaftlern und von Praktikern als problematisch, wenn nicht gar als untauglich beschrieben wird?
Ich möchte als Beispiel für die warnenden Stimmen der Gutachter jetzt nur Falk Ebinger von der Ruhr-Universität Bochum zitieren und meinen Landtagskolleginnen und -kollegen das Protokoll der Anhörung im Umweltausschuss am 18. Juni zur Lektüre empfehlen. Herr Bandmann hat vorhin schon einmal Lektüre für die Sommerpause empfohlen. Ich würde also dieses Protokoll auch Ihnen, Herr Bandmann, sehr ans Herz legen. Es ist sehr aufschlussreich.
Herr Ebinger legte dar: „Die weitgehende Verlagerung von Umweltfachaufgaben und komplexen Umweltvollzugsaufgaben gefährdet die Leistungsqualität, da in den neuen Kreisen und kreisfreien Städten grundlegende Bedingungen für einen effizienten und effektiven Vollzug nicht gegeben sind.“
In Bezug auf die politische Einflussnahme zitiert Herr Ebinger aus einem anderen Bundesland: „Diese Situation, dass die Vollzugsqualität immer so gut ist wie der Landrat, führt dazu, dass einerseits die Rechtsunsicherheit für Bürger und Unternehmer steigt und die
Standardqualität für Ansiedlungen aufgrund des Fehlens von kompetenter Beratung und bestandsfester Bescheide sinkt.“ So weit Herr Ebinger.
Viertens Koalition der Umweltvernünftigen: Als konstruktive Oppositionsfraktion wollen wir nicht nur vor den Gefahren des Zerschlagens der gewachsenen fachlichen Netzwerke warnen, sondern auch Vorschläge unterbreiten. Wir schlagen vor – und da wissen wir uns eins mit Kollegen aus anderen Fraktionen, eine Koalition der Umweltvernünftigen sozusagen –, die Umweltfachbereiche der Regierungspräsidien in die bereits kommunalisierten regionalen Planungsverbünde zu integrieren. Damit würde die Forderung der Staatsregierung nach Kommunalisierung umgesetzt. Gleichzeitig aber kann gewährleistet werden, dass die Vorteile der fachlichen Geschlossenheit, der Effizienz und der Kompetenz erhalten bleiben. In dieser Struktur können die gesetzlich vorgegebenen Umwelt- und Naturschutzaufgaben in gleichbleibend hoher Qualität, in vollem Umfang und in angemessener Zeit erfüllt werden.
Fünftens, unser Fazit: Wir appellieren deshalb an die Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, sich in den Beratungen zum Verwaltungsneuordnungsgesetz in den Ausschüssen zu einer Änderung der entsprechenden Regelungen im eben beschriebenen Sinne einzusetzen.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Dann darf ich jetzt unserem Staatsminister das Wort geben. Herr Staatsminister Buttolo.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, Herr Brangs hat dies auch erwähnt: Am 6. Juni 2007 habe ich beide Gesetzentwürfe in der 1. Lesung eingebracht. Ich sehe aus diesem Grund im Moment nicht die Notwendigkeit, die inhaltliche Auseinandersetzung zu führen.