Die Verteidigung der Demokratie ist kein Klamauk und, Herr Hähle, es ist auch kein Klassenkampf. Das müssen Sie irgendwann einmal in diesem Leben begreifen. Es ist ein wichtiges parlamentarisches Minderheitenrecht, und das Vertrauen, die Verteidigung der Demokratie zu machen, hat natürlich erst einmal die Opposition, wenn den Ministern in der Staatsregierung zumindest ein schludriger Umgang mit Akten vorgeworfen wird. Das muss Ihnen doch klar sein. Daraus resultiert aber keine Grundlage für die Beschimpfung der Opposition.
Bei den vier Seiten, die die Koalition gestern vorgelegt hat, um sie heute im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss beraten zu lassen, haben Sie, vor allem Herr Weiss, bedeutungsschwanger von maximalen verfassungsrechtlichen Bedenken gesprochen. Wir haben inzwischen die vier Seiten einmal lesen können. Das ist ja vor allem Verbalästhetik. Das ist wie beim Klassenkampf, Herr Hähle.
Ich bin ja manchmal auf Ihrer Seite, Herr Hähle, und empfinde es auch als schmerzhaft, was da auf der linken Seite passiert. Ich kann das gut verstehen, aber man kann das ertragen.
Es ist trotzdem das gute Recht der Opposition, hier einen Untersuchungsausschuss einsetzen zu wollen, wenn es eine so öffentliche, bundesweit auch in den Medien stattfindende, Aktenaffäre gibt. So einfach ist das. Da stößt man sich nicht an Verbalästhetik.
Außerdem habe ich so ein bisschen den Verdacht, dass Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die FDP gern mit der Linkspartei zusammen verhaften wollen, um eine gewisse emotionale Empörung zu schüren, weil ja jetzt die GRÜNEN und die FDP unbotmäßig sind, wenn sie auch einen Untersuchungsausschuss wollen. Aber konstruktive Opposition, Herr Hähle, dazu stehe ich immer noch. Das heißt nicht, dass Sie uns etwas verbieten können, das heißt nur, dass wir konstruktiv arbeiten. Wir haben schon den Luxus eines eigenen Kopfes, den wir zum Denken benutzen, wie Sie sich vorstellen können, nicht nur zum Haaretragen. Deswegen muss ich scharf zurückweisen, wenn Sie glauben, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses das Vertrauen in die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen weiter erschüttern
würde. Das erschüttern wir doch nicht selbst; sondern das, was passiert ist, hat das Vertrauen erschüttert.
Deswegen der unsouveräne Auftritt gestern von Ihnen, Herr Milbradt: Ganz eindeutig, Ihnen flattern die Nerven. Das muss man einmal so festhalten. Das haben Sie in Ihrer verbalen und nonverbalen Sprache ausgedrückt. Man hat es sehen können und man hat es an der Stimme gehört. Sie sind unsicher. Das ist auch in Ordnung. Deshalb gibt es einen Untersuchungsausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst räume ich ein, dass im Falle des Herrn Staatsministers der Justiz die Gemengelage in puncto fehlerhaften, unzweckmäßigen, unglücklichen, vielleicht rechtswidrigen Agierens im Zusammenhang mit der Aufklärung besagter vermutlicher – wie auch immer Sie es wollen, Herr Hähle – krimineller und korruptiver Netzwerke noch wesentlich undurchsichtiger ist als beim Innenminister. Das resultiert schon daraus, dass wir in Sachsen eine ganz besondere Spielart bürgerlicher Demokratieverhältnisse haben, die es schon dem Parlament, geschweige denn dem Souverän, unmöglich macht nachzuvollziehen, wie die Regierung funktioniert und wie sie kommuniziert. Es mag sein, dass man Sie, sehr verehrter Herr Staatsminister Mackenroth, über lange Zeit, ja vielleicht bis zum heutigen Tag, volkstümlich ausgedrückt, dumm sterben lässt bezüglich dessen, was da an Sprengstoff in dem steckt, was das Landesamt für Verfassungsschutz mit und ohne Akten, womit sich Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte befasst haben, zusammengetragen hat.
Herr Hähle, irgendwo müssen Sie doch wirklich jetzt Wahrnehmungsstörungen haben. Ihr ehemaliger Innenminister und jetziger Bundesminister de Maizière erklärt, nachdem er im Juli 2005 in den damaligen Teil schaut, dass es gewissermaßen „Komplexe von staatsgefährdender Bedeutung“ sind.
Ihr Staatsminister Dr. Buttolo, Innenminister hier, tritt ans Pult – ich war fast geneigt, mir eine schusssichere Weste zu holen, als er davon sprach, was uns hier durch Mafiosi an jeder dritten Ecke bedrohen kann. Das kann doch nicht wahr sein! Sie erklären uns allen Ernstes, dass alles nur Ulk war. Ungefähr nach der Lesart: Wir 31 Mitglieder der Linksfraktion sind alle die Quellen, die das zusammengetragen haben. Aber wir haben selbst 14 Jahre lang auf den
Mein lieber Herr Hähle, das ist doch inzwischen eine Nummer mit Niveau, die Sie nicht einmal in Grüna verkaufen können.
Nach Artikel 63 der Sächsischen Verfassung bestimmt der Ministerpräsident die Richtlinien der Politik und trägt dafür Verantwortung, dass innerhalb der Richtlinien jeder Staatsminister seinen Geschäftsbereich selbstständig unter eigener Verantwortung leitet, so lese ich das heraus.
Zum Geschäftsbereich des Justizministers gehört es laut Beschluss der Sächsischen Staatsregierung über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche vom 19.05.2005, Anpassungsfassung vom 10. Oktober 2006, die Gewährleistung aller Verwaltungsangelegenheiten, die Organisation und die Dienstaufsicht über den Bereich Staatsanwaltschaft und die ordentliche Gerichtsbarkeit. Das ist unter anderem Ihr Geschäftsbereich. Der Beschluss hat noch mehr Punkte.
Ergo müssen Sie sich, Herr Mackenroth, zurechnen lassen, wenn die Öffentlichkeit in Sachsen und darüber hinaus in der Bundesrepublik Deutschland über das bisherige Agieren der Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit nicht sonderlich begeistert ist. Das ist doch überall ganz klar zu hören, wenn man durchs Land fährt. Klarer ausgedrückt: Es wird nicht nur darüber die Stirn gerunzelt, was da alles scheinbar unter den Augen des Hauptgesetzeshüters, der Staatsanwaltschaft, in Sachsen in den letzten 15 Jahren geschehen konnte, sondern vor allem darüber, was aktuell seit dem öffentlichen Bekanntwerden dieser Fälle schwerer und schwerster Kriminalität – das hat der Datenschützer gesagt – im Zusammenwirken von einzelnen – das gebe ich gern zu –, aber etlichen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Polizei und Justiz zwischen dem 12. und 14. Mai 2007 bekannt wird, und keiner weiß, was die Ergebnisse sein werden.
Es gibt keine Verlautbarung, Herr Staatsminister, die – einem demokratisch organisierten Gemeinwesen angemessen – die Öffentlichkeit ins Bild setzt, was denn nun die Staatsanwaltschaft, die Sie eingesetzt haben, ermittelt bzw. wie viel sie ermittelt und dergleichen mehr. Es ist unerträglich in einem demokratischen Gemeinwesen, wie eben dem Freistaat Sachsen, bei einer derart wirklich komplizierten und hoch sensiblen Angelegenheit eine Pressekonferenz zu geben, in der der Leiter der Ermittlungsabteilung auf jede Frage der Presse antwortet: „Kein Kommentar!“
Die Presse fragt und fragt, aber erhält keine exakte Aussage über Tage und Wochen, wie viele Ermittlungsverfahren es gibt. Es gibt keine klaren Auskünfte, wie viele Disziplinarverfahren eingeleitet sind und in wie vielen Fällen es gewährleistet ist, dass der Betreffende von den Akten getrennt ist, die ihn belasten können.
Keiner weiß, keiner bekommt zu erfahren, was denn nun diese Sonderermittlungseinheit unter Leitung von Dr. Drecoll getan, ermittelt, veranlasst hat, um zum Beispiel auch die Beweisvernichtung zu sichern.
Zu verhindern; das war vielleicht wieder ein Freud’scher Versprecher. Aber darauf komme ich noch zurück.
Der wissende und rechtstreue Staatsbürger in Sachsen und anderswo in dieser Republik ging aber bislang davon aus, dass die Staatsanwaltschaft im Rechtsstaat, wenn ihr zur Kenntnis gelangt, dass der Verdacht von behaupteten Straftaten im Raum steht, alles Notwendige unter Nutzung aller ihr zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten tut und zu tun hat, um sich schnellstens Klarheit über derartige Verdachtsfälle zu verschaffen und dort, wo die Einleitung von Verfahren bzw. die Erhebung von Anklagen erforderlich ist, dem Gesetz Genüge zu tun.
Das nennt sich dann bei Juristen Legalitätsprinzip oder eben auch Verfolgungszwang. Das Gesetz beschreibt es so – Sie wissen das, Herr Mackenroth, § 160 SPO –: „Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Weg von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.“
Der Satz 2 gibt ihr dann auf, „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und“ – wörtlich! – „für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.“ Das ist der Gesetzesauftrag an die Staatsanwaltschaft, die unter Ihrer Dienstaufsicht steht.
Um diese Aufgabe zu erfüllen, steht die Staatsanwaltschaft auch keinesfalls als Bettelsack da. Da kommt die Strafprozessordnung mit dem § 161 daher, dem sogenannten Ermittlungsgeneralgrundsatz, in dem nun wiederum formuliert wird, dass die Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben – Zitat – „von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen“ hat. Und weiter: „Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen...“
Wenn man diese Rechte- und Pflichtenlage der Staatsanwaltschaft daran misst, was seit Mitte Mai 2007 nach den öffentlichen Wahrnehmungen die Staatsanwaltschaft im Freistaat Sachsen und die von Ihnen eingesetzte Ermitt
Begonnen bei der Art und Weise, wie man herumgesucht hat, wer denn nun zuständig ist oder zuständig gemacht wird, über die dann erfolgte Auswahl des Personals, die Kommunikation des Herangehens der Ermittlungseinheit, über die Informations- und Nichtinformationspraxis bis zur Frage, dass wir die bisher wohl noch nie gehabte Situation haben, dass diese Staatsanwaltschaft über ihren Pressesprecher Oberstaatsanwalt Avenarius verkünden lässt, dass sie nunmehr dem Landesamt bis zum 30.06.2007 Frist setzt, die Unterlagen herauszugeben. Da verstreicht aber der 30.06.2007, ohne dass irgendetwas geschieht.
Warum hat denn die Staatsanwaltschaft nicht das getan, was ihr nach § 161 SPO aufgegeben ist: die sofortige Herausgabe zu verlangen? Wenn das nicht gemacht wird, dann muss sie beim Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss erwirken. Wenn sich das Landesamt dagegen wehren will, dann muss es zum Verwaltungsgericht gehen. Das ist doch okay; dafür haben wir einen Rechtsstaat.
Aber warum tut sie es nicht? Ist denn die Sparte des Verfassungsschutzes eine Behörde, die ausgenommen ist von der Pflicht vorzulegen, Auskunft zu erteilen, Beweise herauszugeben? Diese Frage müssen Sie sich doch als Justizminister stellen lassen.
So verstreicht der 30.06. frucht- und nutzlos. Und die Task-Force-Einheit in Dresden tut im Maßstab des Wahrnehmbaren wieder nichts. So entsteht sogar der böse Anschein, wenn ich gestern die Erklärung von Oberstaatsanwalt Avenarius gehört habe, dass er Hand in Hand mit der Staatsregierung abwiegeln will.
Ja, der böse Anschein entsteht, dass Herr Oberstaatsanwalt Avenarius – seine gestrige Erklärung kann ich nur so werten – Hand in Hand mit der Staatsregierung jetzt dabei ist abzuwiegeln. Denn er bedient die 5-%-Klausel von Kollegen Hähle. Er tut mit seiner gestrigen Verlautbarung so, als ob das, was zu „Abseits III“ da ist bzw. was insgesamt in dem Bestand ist, alles nur von einem Menschen handelt, dessen Name gestern Herr Hähle ausgesprochen hat.
Was Sie wollen, ist doch Folgendes: Sie sagen, es gibt zwei, drei durchgeknallte Polizisten in Leipzig. Die haben sich gewissermaßen übereifrig Verfassungsschützern anvertraut und aus der Spinne von Leipzig und dem Hinzugefügten des Landesamtes ist ein Gesamtspinnwerk geworden. Von daher braucht man überhaupt niemanden, der das aufklärt. Auf der Welle reiten Sie seit gestern. Diese Welle bedient Avenarius mit seiner gestrigen Presseerklärung, in der er auf einmal sagt, nach dem, was Herr Boos verlautbaren lässt, müssen wir alles völlig neu bewerten, haben wir überhaupt keinen Verdacht mehr.
Ich frage Sie auch nicht ohne Grund, Herr Ministerpräsident; nein, es war Herr Hähle: Wer hat denn gesagt, wer Anwalt des bewussten Herrn ist?
Nein, ich habe Ihre Rede, die Sie ins Netz gestellt haben, Herr Hähle. Die liegt dort. Sie haben etwas verpasst, Sie haben sie wieder herausgenommen. Ihre Rede, die Sie ins Netz gestellt haben, die Gott und aller Welt zugänglich ist, habe ich dort. Die Frage werden Sie klären müssen, von wem Sie erfahren haben, wer wessen Anwalt in diesem Land ist.