Protokoll der Sitzung vom 06.07.2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge, die zum Teil Berichtsanträge sind, zeigen, dass die Wichtigkeit des Themas erkannt ist. Wir sind uns klar über die Maßnahmen, die eingeleitet werden müssen. Trotzdem ist es Aufgabe nicht der Politik allein, sondern unsere Aufgabe ist es, dieses Thema weiter in das Bewusstsein all derer zu hämmern, die dafür Mitverantwortung tragen. Die hatte ich vorhin alle schon genannt, und ich bitte Sie alle ganz herzlich, dabei mitzuhelfen, dass das in die Köpfe geht und dass wir unseren Kindern ein gutes Vorbild sind.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Gitta Schüßler, NPD, und der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unseren Antrag zur Verpflegungsqualität haben wir bereits im letzten Jahr gestellt und damit ein Thema getroffen, welches in den vergangenen Monaten vielfach aufgegriffen wurde, also ein höchst aktuelles Thema. Meine Kollegin Schöne-Firmenich hat uns mit einigen Beispielen und Anregungen gezeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Auch die Linksfraktion ist auf das Thema aufgesprungen, sowohl mit einem Gesetz als auch mit dem vorliegenden Antrag, und zu beiden, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt sich sagen – ich habe das auch im letzten Plenum schon getan –: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, und nicht alles lässt sich per Gesetz und im Schnellschussverfahren richten.

Ein optimales Angebot an gesunder und ausgewogener Verpflegung fördert die Leistungsfähigkeit und die Entwicklung der Kinder. Darin sind wir uns, denke ich, alle einig. Die Einbeziehung in ein tagesstrukturiertes Angebot als zusätzliches Vorbild für eine Esskultur, den Zusammenhalt und die Selbstständigkeit, wenn zudem die Kinder auch kleine Verantwortlichkeiten erhalten, ist, denke ich, ein guter Weg.

Unser Antrag ist Teil von vielfältigen Initiativen im Bereich der Kindertagesstätten. Ausgehend vom Bildungsplan und dem Gesundheitsziel „Gesund aufwachsen in Sachsen“ hat die Staatsregierung ein umfassendes Handbuch für Erzieherinnen und Erzieher vorgelegt, welches einen ausführlichen Informations- und Empfehlungsteil zum Bereich gesunde Ernährung in Kindertagesstätten enthält. Eine ausführliche Studie der TU Dresden über die momentane Situation der Verpflegung in Kitas wurde dem zugrunde gelegt. Damit haben wir eine Grundlage dafür, nun auch in jeder Einrichtung die notwendigen Voraussetzungen für eine Umsetzung zu schaffen.

Auf den Prüfstand müssen Angebote von externen Anbietern, aber auch die konkreten Essenpläne vor Ort in den noch bestehenden eigenen Küchen. Diese sind leider nicht

so häufig, wie wir feststellen, auch wenn der Trend zu Kinderküchen bei Investitionen und Neubauten von Einrichtungen ansteigend ist; denn es ist wichtig, Kinder in die Nahrungsauswahl und die Zubereitung einzubeziehen. Kollegin Schöne-Firmenich hat uns ein gutes Beispiel dafür gebracht.

Im Kindesalter werden Verhaltensmuster, insbesondere Ernährungsgewohnheiten, geprägt und sind später schwer wieder zu ändern. Das Vorbild der Familie bleibt haften. So sind der Einfluss und die Vorbildwirkung auch in den Tageseinrichtungen wirklich nicht zu unterschätzen. Hier kann ansonsten Ungewohntes ausprobiert werden, bei anderen beobachtet werden und – besonders wichtig – hier kann reflektiert und erläutert werden, was zu Hause in Routine und Gewohnheit oft nicht mehr hinterfragt wird. All das nehmen Kinder mit nach Hause, stellen auch ihren Eltern Fragen und stellen deren Gewohnheiten infrage. Ich denke, das ist auch richtig.

Im Kita-Bereich – ich habe es ausgeführt – sind wir, denke ich, auf einem guten Weg. Für den Schulbereich sehe ich noch einigen Handlungsbedarf mehr. Hier gibt es die Rahmenkriterien für die Verpflegungsangebote in Schulen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz. Umsetzung und Angebot liegen allein in der Verantwortlichkeit der Schulen. Die Rahmenkriterien helfen bei der Entscheidung über das Angebot und der Gestaltung des Angebots sowie bei der Auswahl eines Anbieters. Sie beziehen sich auf die Zusammenstellung der Mahlzeiten. Ich denke, hier sollten die Verantwortlichen, die das Konzept schreiben oder es umsetzen, die Ganztagsangebote nutzen, damit diese Verantwortlichkeit auch genutzt wird, um Verbesserungen herbeizuführen.

Zu berücksichtigen sind auch alle anderen Aspekte einer Vorbildwirkung im Sinne der Gesundheitsprävention. Aus meiner Sicht ist es unbedingt erforderlich, die Pausenversorgung und die Mittagsmahlzeiten mit in diese Schulkonzepte aufzunehmen. Da unterscheidet sich meine Ansicht auch etwas von der unseres Kultusministers, der in seiner Antwort auf den Antrag feststellt, dass es nicht zur Aufgabe der Schule gehört, verbindlich für alle gemeinsame Mahlzeiten festzulegen.

Nun kann man sich trefflich über das Wort „verbindlich“ streiten und natürlich kann kein Kind gezwungen werden, eine bestimmte Mahlzeit zu sich zu nehmen. Aber warum nicht das Vorbild einer gesundheitsbewussten Schule? Vor Ort gibt es durchaus Schulen, die sich gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern darum bemühen. Deshalb verweise ich nochmals auf Punkt 3 unseres Antrags und möchte, dass neben den Qualitätskriterien auch geeignete Maßnahmen zu deren Einhaltung insbesondere an den Schulen überlegt werden.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Linksfraktion, bitte. Herr Abg. Wehner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau SchöneFirmenich, vielen Dank für den Beitrag. Den kann ich unterschreiben. Das war toll.

Es ist richtig, mit der gesunden Ernährung liegt in Deutschland einiges im Argen. Ich finde nur, es hätte nicht erst der Kampagne „Fit statt fett“ bedurft, um zu wissen, dass es in unserem Land eine besorgniserregende Zunahme von ernährungsbedingten Herz-KreislaufErkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und orthopädischen Beschwerden gibt. Die Zahl von Diabetesfällen im Kindesalter steigt. Bereits heute leiden 20 % aller Schulkinder und Jugendlichen an Fettsucht. Dieser Entwicklung gilt es gegenzusteuern und die beiden Anträge zielen darauf ab.

Frau Schöne-Firmenich, Sie haben in Ihrer Rede die verantwortlich Beteiligten genannt. Das ist auch wichtig und diese gilt es zu erreichen, denn sie alle haben einen großen Einfluss auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen, gerade auch bei der gesunden Ernährung. Vorbildwirkung spielt hier eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Besonders wichtig erscheint es mir, dass neben den Familien gleichfalls in den Kindergärten und in den Schulen angesetzt wird. So wichtig und nützlich Kampagnen auch sind, meine Damen und Herren, was wir brauchen, sind grundlegende strukturelle und nachhaltige Lösungen. Dabei sehe ich zwei Schwerpunktfragen:

Erstens. Welche Rolle spielt gesunde Ernährung als Bildungsinhalt?

Zweitens – das scheint mir die wichtigere Frage zu sein –: Welche Rahmenbedingungen für gesunde Ernährung finden wir beispielsweise an den Schulen vor und welche werden eigentlich gebraucht?

Ich beginne mit den Bildungsinhalten. Hier sollte meines Erachtens gesundes Kochen verbindlicher Bildungsbestandteil sein. Damit meinen wir nicht nur das Kochen an sich. Kochen ist ja heute ein Trend oder Modegeschäft im Fernsehen. Quer durch alle Sender wird von früh bis spät gekocht und gebacken, möglichst fett und süß. Nein, meine Damen und Herren, es geht um die Frage: Was ist gesunde Ernährung, was bedeutet sie für jeden Einzelnen und wie bereite ich gesunde Nahrung vor?

Sie von der Koalition werden dem möglicherweise entgegenhalten: Ernährung ist schon Bestandteil in solchen Unterrichtsfächern wie dem Fach Wirtschaft, Technik, Haushalt der Mittelschule oder auch im Fach Hauswirtschaft der Schulen für Lernförderung. Im Gymnasium ist in einzelnen Bestandteilen des Biologieunterrichts hiervon die Rede. Ich meine aber, das reicht nicht aus, denn so erhält das Thema Ernährung von vornherein ein Image im Sinne von Hausfrauenunterricht, was dem Anliegen nicht förderlich sein kann. Alle Kinder, ob in Grundschule, Mittelschule oder Gymnasium, sollten in der Schule das Zubereiten von Mahlzeiten erlernen, dabei in allen Klassenstufen dazulernen, und sie sollten die

selbst zubereitete Mahlzeit in der Schule möglichst auch gemeinsam einnehmen können.

Möglicherweise werden Sie mir entgegenhalten, dass sich das bei der im Freistaat Sachsen bestehenden Schullandschaft nicht machen lässt. Das kann ich wohl so bestätigen, aber die Verantwortung dafür liegt ja bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, und bei dem zuständigen Minister. Aber ich finde, das muss nicht so bleiben. Eine Alternative – freundlicherweise hat das Frau Dr. Schwarz bereits erwähnt – wären eben die Ganztagsangebote, die wir ja nicht zuletzt aus wichtigem Grunde wünschen.

Meine Damen und Herren! Wir wenden uns zugleich gegen das traditionelle Rollenklischee für Mädchen und Jungen, was nicht heißt, dass es nicht auch geschlechtsspezifische Ansätze in der Ernährungserziehung geben muss. Ganz im Gegenteil, diese werden dringend gebraucht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Zweite Sächsische Verzehrstudie eingehen. Die Tatsachen, dass der Alkoholkonsum bei sächsischen Männern um das Vierfache größer ist als bei den sächsischen Frauen und dass sich Männer fast doppelt so häufig von Fastfood ernähren, haben mich schon betroffen und nachdenklich gemacht. Nahezu erschreckt es mich aber, dass Jungen schon richtige Männer sind, zumindest was den Fastfoodverbrauch betrifft.

Wir müssen aber auch andere Essstörungen im Blick haben, insbesondere Magersucht und Ess-Brech-Sucht, die häufig das Ergebnis von pathologischen Familienstrukturen und Missbrauchserfahrungen sind. Wie wichtig die familiären Verhältnisse sind, haben Frau Dr. Schwarz und Frau Schöne-Firmenich hier bereits ausgeführt. Es ist auch wichtig, über die in den Schulen oftmals vorhandenen Schlankheitsnormen und Schönheitsvorstellungen zu diskutieren. Bildung und Informationen sind dabei wichtig.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es ist eine alte Weisheit: Wissen kann man im Unterricht vermitteln, auch die eine oder andere Einstellung. Das tatsächliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen hängt aber eben nicht nur vom Wissen und von der Einstellung ab, sondern von den konkreten Bedingungen, unter denen man handelt. Dort müssen wir ansetzen. Damit komme ich zu den Rahmenbedingungen.

Ein großes Ärgernis ist, dass sich heute kaum noch ein Schulträger eine Schulküche leistet, in der das Mittagessen vor Ort zubereitet wird und frisch auf den Tisch kommt. Aus reinen Kostengründen wurden die Schulküchen vor Jahren geschlossen und das vorhandene Personal abgebaut. Heute bedienen sich die Schulen großer Cateringunternehmen, die das Essen über längere Wege zur Schule bringen, wobei die Qualität des Essens im Einzelnen höchst unterschiedlich ist.

Keineswegs liefern die Caterer per se minderwertiges Essen. Allerdings ist die Qualität eines frisch zubereiteten Essens objektiv nicht erreichbar. Hier wäre eine Trendwende wünschenswert.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich möchte noch etwas zum Getränkeangebot in den Schulen sagen. Ärzte und Zahnärzte beklagen sich immer wieder darüber, dass Kinder zu viel Süßes zu sich nehmen, eben auch zu viele süße Getränke, die man heute fast nur noch unter ihren Markennamen kennt. Zu meiner Zeit nannte man sie Brause oder Limonade.

In vielen Schulen werden den Schülern zum Teil völlig alternativlos Limonaden, Obstsäfte und andere zuckerhaltige Lebensmittel zum Kauf angeboten. Das kann doch nicht in Ordnung sein. Dem könnte man mühelos begegnen, indem Mineralwasser oder ungesüßter Tee bereitgestellt werden, und zwar insbesondere an warmen Sommertagen. Wenn das noch kostenlos geschähe, wäre das im Sinne der Gesundheitsprävention eine vergleichbar preiswerte Maßnahme, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn es um die gesunde Ernährung geht, sind selbstverständlich auch entsprechende Angebote im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer notwendig. Hierzu hat es im vergangenen Jahr eine große Tagung gegeben. Es kommt in nächster Zeit darauf an, regelmäßig zu bewerten, wie die Vorhaben, auf die man sich da verständigt hat, in die Praxis umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen verstärkt Bildungsangebote für Eltern und Familienangehörige, denn wir müssen sie mit ins Boot holen.

Ich finde, dass die beiden Anträge auf diese wichtigen Anliegen abzielen. Wir werden diesen zustimmen, und ich denke, dass Sie dies auch tun sollten.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere in diesem Zusammenhang noch an den Spruch: Wer alle Tage Kuchen isst und Keks und Schokolade, der weiß doch nicht, wann Sonntag ist, und das ist wirklich schade. – Wir sollten uns mehr gesunde Ernährung gönnen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die NPDFraktion; bitte, Frau Abg. Schüßler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Wir werden beiden Anträgen zustimmen.

Zu den Qualitätskriterien und der entsprechenden Studie wurde vorhin schon etwas gesagt. Ich möchte mich deshalb und auch aus Zeitgründen auf einige wenige Aspekte beschränken.

Wie Frau Schöne-Firmenich vorhin sagte, sind wir uns über die Maßnahmen einig, die eingeleitet werden müssen.

Zweifellos handelt es sich bei dem Thema Ernährung um ein wichtiges Thema, das wir aber nicht losgelöst vom sozialen Kahlschlag betrachten können. In der Stellungnahme vom 8. Juni 2006 setzt die Staatsregierung jedoch weiterhin auf die Eigenverantwortung der Schulträger mit voller Kostenübernahme durch die Eltern. Seit dieser Stellungnahme, also innerhalb eines Jahres, stiegen laut Statistischem Landesamt Sachsen die Preise im Bereich der Nahrungsmittel und alkoholfreien Getränke um über 4 %. Insofern, Herr Dr. Pellmann, hätte die Kleine Anfrage vom 25. Mai in der Drucksache 4/8850 sich nicht auf die Kaufkraft beziehen dürfen. Hier sind die Hartz-IVEmpfänger und Neurentner sowieso schon abgekoppelt. Für die unter der Armutsgrenze lebenden Bürger zählen nur noch die Lebenshaltungskosten und ihre inflationäre Entwicklung und eben nicht die allgemeine Kaufkraft, die sich im Verbraucherpreisindex ausdrückt. Der beinhaltet nämlich auch Dienstleistungen, die sich die abgekoppelte Gesellschaft, das Prekariat, also die Unterschicht, schon längst nicht mehr leisten kann.

Der Antrag der Linksfraktion enthält einige gute Ansätze, zum Beispiel das Anliegen einer verbindlichen Integration gemeinsamer Mahlzeiten in den Tagesablauf. Das unterstützen wir selbstverständlich. Leider ist es aber so, dass sich viele Familien diese vollwertige und vor allem gesunde Ernährung nicht mehr leisten können. Das Kind kann dann an den gemeinsamen Mahlzeiten aus Kostengründen nicht teilnehmen.

In dem Zusammenhang möchte ich kurz auf unseren Antrag in der Drucksache 4/9231 verweisen, der heute auch auf der Tagesordnung steht. Ein Punkt dieses Antrages ist die Schaffung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die auch und gerade kommunales Engagement berücksichtigen, um allen Kindern eine vollwertige und gesunde Ernährung zu ermöglichen. Aber ich möchte der Diskussion zu unserem Antrag nicht vorgreifen.

Jetzt noch einige Worte zu einem Teilaspekt, den ich im Antrag der Linksfraktion gefunden habe. In II Punkt 3, den geforderten Leitlinien, wird neben fächerübergreifender Ernährungs- und Verbraucherbildung auch ein verbindlicher Unterricht „Gesundes Kochen“ gefordert. Die Staatsregierung meint zwar in ihrer Stellungnahme, das sei nicht angezeigt, da es ja fächer- und schulartübergreifende sowie außerschulische Angebote gibt, aber wir schließen uns der Forderung nach diesem Fach ausdrücklich an. Wir würden das allerdings noch um den Aspekt der Familienbildung erweitern.