Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zur Lösung des zweiten Problems. Trotz der am Freitag, dem 17. August 2007, erreichten Poollösung im Umfang von 17,3 Milliarden Euro meldete die Sachsen LB in der darauffolgenden Woche leider weitere Probleme.
Dabei handelte es sich nicht um Liquiditätsprobleme, sondern um ein Ausfallrisiko. Für jeden nachvollziehbar ist, dass Ausfälle unmittelbar das haftende Eigenkapital der Banken mindern.
Unterschreitet das haftende Eigenkapital eine bankaufsichtliche Mindestgrenze, erfolgen bankaufsichtliche Maßnahmen durch die BaFin. Diese können bis zur Schließung der Bank reichen. Dies hat sich im Zeitverlauf der letzten Woche zunehmend herauskristallisiert.
Aufgrund dieser Situation habe ich vom Vorstand tägliche Berichte eingefordert. Spätabends am 21. August 2007, das war am Dienstag voriger Woche, meldete die Landesbank weitere Risiken an. Diese zweite Hiobsbotschaft war für mich – ich gestehe es – ein Schock.
Diese Situation ließ nunmehr dem Eigentümer der Sachsen LB zwei Handlungsalternativen: Die erste Möglichkeit war das Nachschießen eigener finanzieller Mittel der Eigentümer, also des Freistaates und der SachsenFinanzgruppe.
Die zweite Möglichkeit war die wie auch immer geartete Anlehnung an eine andere Landesbank, damit diese die Eigenkapitalbasis und damit die Handlungsfähigkeit sicherstellt.
Ein Nachschießen von Geldern in nicht fassbaren Beträgen – das sage ich deutlich – wollte ich weder Ihnen, dem Sächsischen Landtag, noch den sächsischen Bürgern zumuten. Also kam für mich und auch für die SachsenFinanzgruppe nur die Anlehnung an eine andere Landesbank in Betracht, die von ihrer finanziellen Kraft her in der Lage war, die Realisierung weiterer Eigenkapital verzehrender Verluste abzufedern.
Meine Damen und Herren, wie allgemein bekannt ist, wurden seit Monaten – um nicht zu sagen, seit zwei Jahren – die Möglichkeiten einer strategischen Partnerschaft sowie einer unternehmensrechtlichen Verbindung mit der WestLB intensiv geprüft, und wir waren auf dem Weg von der Verlobung, dem Letter of intent, im Oktober 2005 bis zur Hochzeit schon ziemlich weit gekommen. Über die Gründe hierfür und deren personelle Folgen sowie darüber, dass sich die Rahmenbedingungen inzwischen geändert haben, haben die Medien ausführlich berichtet. Ich brauche mich damit also nicht zu beschäftigen. Danach war eine zeitnahe Lösung mit der WestLB nicht mehr zu erwarten.
Angesichts dieser Lage haben wir uns zusammen mit der Sachsen-Finanzgruppe kurzfristig zu folgender Vorgehensweise entschlossen: Über ein Investmenthaus als Beratungsunternehmen wurden Kontakte mit anderen potenziellen Interessenten – sprich: anderen Landesbanken – aufgenommen. Als potenzielle Interessenten für ein Zusammengehen kristallisierten sich schließlich zwei Landesbanken heraus: Das waren die Landesbank BadenWürttemberg und die NordLB.
Am 24. August erfolgten eingehende Sondierungsgespräche mit Vertretern dieser beiden Institute, die auf der Ebene der Vorstandsvorsitzenden vertreten waren. So führten wir am Freitagvormittag ab 10:00 Uhr Gespräche mit der LBBW und nachmittags ab 15:00 Uhr mit der NordLB. Danach wurde das Gespräch mit der NordLB bis tief in die Nacht fortgesetzt, da dieser Partner ein verstärktes Interesse zu erkennen gab.
Eine wichtige Rolle spielte für uns dabei – das will ich nicht verheimlichen – die sogenannte sächsische Liste, in der wir die Interessen des Freistaates zusammengefasst hatten.
Im Ergebnis der Gespräche am Freitag, dem 24. August, mit der LBBW und der NordLB entsprachen die Vorstel
lungen und Möglichkeiten der LBBW am ehesten den Interessen und den Handlungsbedarfen der Eigentümer der Sachsen LB. Hinzu kam, dass die NordLB in der Nacht zum Samstag, dem 25. August, ihr Interesse zurückgezogen hatte. Infolgedessen wurden am Samstag die Vertragsverhandlungen zwischen der LBBW und den Anteilseignern der Sachsen LB geführt.
Wir haben am Sonntagmorgen gegen halb drei mit der LBBW eine Einigung über diese von mir bereits vorgestellte Grundlagenvereinbarung erzielt. Besonders danken möchte ich hier unserem Ministerpräsidenten Prof. Milbradt, der in der letzten Runde der sogenannten Nachtgespräche am Samstag hinzukam. Die Vertragsverhandlungen konnten also am 26. August mit der Grundlagenvereinbarung abgeschlossen werden.
Meine Damen und Herren, zeitlich parallel erfolgten am Samstag, dem 25. August, 10:00 Uhr, Informationen meinerseits an die Kabinettsmitglieder im Rahmen einer informellen Sondersitzung. Am folgenden Sonntag um 10:00 Uhr wurden unter Leitung des Ministerpräsidenten die Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Fraktionen und deren finanzpolitische Sprecher außer der NPDFraktion informiert. In der anschließenden Kabinettssitzung erläuterte ich den in der Nacht zum Sonntag ausgehandelten Grundlagenvertrag. Das Kabinett stimmte dem Vertrag einstimmig zu.
Ich bin für diese Unterstützung all meiner Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar. Sie haben Geschlossenheit in einer schwierigen Situation bewiesen.
Die darauf folgende Anteilseignerversammlung der Sachsen-Finanzgruppe und der entsprechenden Gremien der Sachsen LB schlossen sich diesem einstimmigen Votum an. Das gilt auch für die Trägerversammlung der LBBW.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Anmerkungen zum Thema Steuerung und Kontrolle bei der Landesbank Sachsen machen.
Dabei ist zunächst auf das Gesetz über die öffentlichrechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe hinzuweisen. Danach bestehen bei der Bank drei Organe: Das sind der Vorstand, der Verwaltungsrat und die Anteilseignerversammlung.
Wie bei jedem Kreditinstitut liegt das operative Geschäft in den Händen des jeweiligen Vorstandes, der in eigener Verantwortung handelt. Demgegenüber hat der als Kollegialorgan verfasste zwanzigköpfige Verwaltungsrat insbesondere die Aufgabe, die Tätigkeit des Vorstandes zu überwachen.
Neben diesen landesrechtlichen Regelungen ist bei Kreditinstituten zusätzlich das Kreditwesengesetz, also Bundesrecht, zu beachten. Das Kreditwesengesetz steckt den rechtlichen Rahmen für die geschäftliche Tätigkeit
der Kreditinstitute ab, ohne in die unternehmerische Einzelentscheidung einzugreifen. Weiterhin ist im Kreditwesengesetz geregelt, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen die Aufsicht über die Kreditinstitute wahrnimmt. Das BaFin hat nach § 6 KWG Missständen im Kreditwesen entgegenzuwirken. An dieser Aufsicht wirkt auch die Deutsche Bundesbank mit.
Weiter ist nach dem Kontrollsystem des Aktiengesetzes die regelmäßige Prüfung des Jahresabschluss- und Lageberichtes durch einen Abschlussprüfer vorgesehen. Zusätzlich dazu wird vom Abschlussprüfer eine Prüfung nach dem Haushaltsgrundsätzegesetz durchgeführt, wonach zusätzliche Prüfungen durch den Abschlussprüfer vorgeschrieben sind. Dazu zählen auch die Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage sowie die Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft sowie die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems.
Nun konkret zur Steuerung und Kontrolle im Zusammenhang mit dem durch die aktuellen Kapitalmarktstörungen in die Schieflage geratenen Ormond Quay. Der Kreditausschuss der Sachsen LB hat sich wiederholt mit diesem Engagement befasst. Die erste Befassung des Kreditausschusses mit Ormond Quay erfolgte am 10. Oktober 2003. Nach schrittweisen Erhöhungen hat der Kreditausschuss in der Sitzung am 16. Juni 2005 die Liquiditätslinie für das Konstrukt schließlich auf 1,7 Milliarden Euro erhöht, wobei Ormond Quay ermöglicht hat, diese Investition auf 17,3 Milliarden Euro auszubauen.
Auch dem Verwaltungsrat wurde in der Folgezeit wiederholt über die weitere Entwicklung berichtet. Darüber hinaus waren die Aussagen der mit der Abschlussprüfung beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wesentliche Informationsgrundlagen der Gremien. Diese prüfte die Sachsen LB und erteilte stets uneingeschränkte Bestätigungsvermerke. Ihre Prüfungen erstreckten sich dabei auch konkret auf Ormond Quay, zu dem sie zuletzt im Rahmen der Berichterstattung zum Jahresabschluss 2006 keine Beanstandungen feststellte.
Neben der Begleitung durch die Gremien und der regelmäßigen Jahresabschlussprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragte die BaFin im Jahre 2004 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit der Prüfung des Geschäftsberichtes der Sachsen LB nach § 44 Abs. 1 Satz 2 Kreditwesengesetz. Es handelte sich um eine routinemäßige und nicht um eine anlassbezogene Prüfung. Prüfungsgegenstand waren die Überwachung und Steuerung der mit der Auslagerung des Geschäftsfeldes Synthetic Esset der Sachsen LB Europe verbundenen Risiken, die Ordnungsmäßigkeit der Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von Beteiligungsrisiken sowie die Einzelfallprüfung ausgewählter Kredit- und Beteiligungsverhältnisse.
Die KPMG hat die Prüfung in der Zeit vom 4. Oktober 2004 bis zum 29. April 2005 in Leipzig und in Dublin durchgeführt. Aus dem Bericht geht hervor, dass im
Geschäftsbereich Synthetic Esset Defizite im internen Kontroll- und Risikofrüherkennungssystem bestanden. Zum Prüfungszeitpunkt existierte keine transparente Dokumentation zur Beurteilung des Risikogehalts der Finanzierungsprodukte durch Dritte. Die Beanstandungen der Prüfer richteten sich – das ist ein Zitat aus diesem Bericht – ausdrücklich nicht gegen die strategische Sinnhaftigkeit des Geschäftes, welches auch nicht Prüfungsgegenstand war.
Nach Übersendung des Berichtes erfolgte die Auswertung durch die BaFin. Es wurden Konsequenzen gezogen und die festgestellten Mängel abgestellt. Darüber wurden die BaFin und der Verwaltungsrat unterrichtet. In der Sitzung des Verwaltungsrates am 9. Oktober 2006 legte der Vorstand dar, dass sämtliche von der BaFin aufgegriffenen Feststellungen des Sonderprüfers bis zum 30.06.2006 erledigt worden sind.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen darzulegen versucht, dass auch bei dem hier in Rede stehenden Engagement die Aufsichtsgremien ihre Aufgabe mit besonderer Sorgfalt praktiziert haben. Dies ist selbstverständlich nachprüfbar. Weder wir noch die fachlichen Berater haben letztendlich eine derart historische einmalige Marktstörung vorausgesehen. Dass wir trotzdem in diese große Krisensituation gelangt sind, wirft auch für mich Fragen auf.
Die Diskussion, welche Lehren daraus zu ziehen sind, wird in den nächsten Wochen sicherlich deutschlandweit passieren.
Ich möchte Ihnen vor diesem Hintergrund mitteilen, dass seitens des Finanzministeriums ein Auftrag an eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergehen wird. Gegenstand des Prüfauftrages wird es sein, eine umfängliche und vertiefte Aufarbeitung sowohl der Entwicklung und Praktizierung des Geschäftsmodells als auch der Steuerungs- und Kontrollsysteme einschließlich bankinterner Gremien, also auch die Umstände der aktuellen Krisenbewältigung, darzustellen. Die Ergebnisse werde ich dem Haushalts- und Finanzausschuss zuleiten. Dann können wir gern darüber sprechen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Derzeit wird auch über den Sinn der Landesbank philosophiert. Meines Erachtens sollten wir uns noch einmal vergegenwärtigen, warum wir die Bank als einziges selbstständiges Institut überhaupt in Ostdeutschland errichtet haben. Dies kann nur zu einer Bewertung führen, nämlich dass der Freistaat in den schwierigen Aufbaujahren einen durchaus potenten und verlässlichen Partner hatte, der seine Aktivitäten auf
Ein Blick zurück. Die Gründung einer eigenen Landesbank nur für Sachsen war ursprünglich nicht das Anliegen der Sächsischen Staatsregierung. Das möchte ich deutlich sagen. Wir wollten damals ein gemeinsames Institut für alle fünf neuen Bundesländer. Eine solche Lösung – diejenigen, die damals in den Gremien in Berlin saßen, wissen das – sah auch der Einigungsvertrag vor.
Dies wurde hinfällig, nachdem die anderen neuen Länder Kooperationen mit westdeutschen Landesbanken eingegangen sind. Die Entscheidung für die eigene Landesbank haben wir im Dezember 1991 im Landtag gemeinsam auf den Weg gebracht. Am 01.01.1992 konnte die Landesbank ihr Geschäft aufnehmen.