Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Wir werden also dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen, da er die Verbesserung der Beziehungen zu unseren polnischen und tschechischen Nachbarn zumindest nicht behindert, sondern ihr wohl sogar dienlich ist.

Wenden wir uns nun dem Antrag der FDP zu. Dort soll die Sicherheit im Grenzgebiet dadurch gewährleistet werden, dass ein gemeinsames Zentrum deutscher und tschechischer Sicherheitsbehörden im Freistaat Sachsen errichtet wird. Das klingt zunächst nicht unlogisch und es gibt sogar eine Rechtsgrundlage dafür: den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und Grenzschutzbehörden in den Grenzgebieten – in diesem Vertrag besonders Artikel 5 sowie weitere konkrete Vereinbarungen der zuständigen Polizeibehörden.

Darüber hinaus könnte man in Breitenau – dieser Standort schwebt den Antragstellern augenscheinlich vor – das gemeinsame Zentrum neu und schön und mit der notwendigen Ausstattung errichten. Das Problem besteht allerdings darin, dass auf der Ebene der vertragschließenden Staaten bereits entschieden wurde, das gemeinsame Zentrum jeweils getrennt für den bayerischen und den sächsischen Grenzabschnitt zu errichten, wobei der bayerische Teil, wie gesagt, auf deutschem Hoheitsgebiet in Schwandorf entstehen soll. Für den sächsischen Grenzabschnitt besteht auf der tschechischen Seite die mehrheitliche Auffassung, das gemeinsame Zentrum am Ort der im Jahr 2003 errichteten gemeinsamen Kommunikationsstelle in Petrovice entstehen zu lassen. Zwar ist auch dort manches noch im Fluss, aber dennoch wäre es bei der gegebenen rechtlichen und politischen Konstellation aus unserer Sicht zielführender, vor Beschluss eines solchen Antrags wie dem der FDP den Dialog mit den tschechi

schen Partnern zu suchen und sensibel zu führen. So wie der FDP-Antrag jetzt daherkommt, besteht die Gefahr, dass er sein Anliegen selbst konterkariert.

Auch hat uns die FDP-Fraktion in der bisherigen Debatte nicht erklären können, warum die Sicherheit im Grenzgebiet nicht mit einem gemeinsamen Zentrum deutscher und tschechischer Sicherheitsbehörden in Petrovice gewährleistet werden kann und welche Erwägungen die erheblichen Investitionskosten in Breitenau, die nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des oben genannten deutsch-tschechischen Vertrages gleichmäßig zwischen den Vertragsstaaten geteilt werden, rechtfertigen könnten. Was mit der erst im Jahr 2003 in gleicher Weise finanzierten Kommunikationsstätte in Petrovice geschehen soll, haben wir von der FDP bisher ebenfalls nicht erfahren.

Wenn es der FDP in der weiteren Debatte nicht gelingt, hier argumentativ erheblich nachzulegen, können wir von der Fraktion DIE LINKE dem FDP-Antrag allenfalls mit Stimmenthaltung entgegentreten. Eine Verweisung in die Fachausschüsse würden wir hingegen mittragen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung. Als seinerzeit im deutschdänischen Grenzgebiet „Schengen“ eingeführt wurde, gab es erhebliche Befürchtungen in Teilen der dänischen Bevölkerung, mit dem Wegfall der Grenzkontrollen würde es zu einem erheblichen Zustrom von Kriminellen, Schwarzarbeitern, Immobilienhaien etc. aus Deutschland kommen. Diese Befürchtungen bestätigten sich nicht. Vielmehr gelang es, die Kriminalitätsbekämpfung in der dortigen Region spürbar zu verbessern.

Als Problem erwies sich jedoch an der deutsch-dänischen Grenze, dass vor dem Wegfall der dortigen Grenzkontrollen der grenzüberschreitende Dialog nicht frühzeitig gesucht wurde und sich die Auseinandersetzungen vielmehr so zuspitzten, dass noch heute das deutsch-dänische Verhältnis in einzelnen Grenzregionen von den Nachwirkungen jener Auseinandersetzungen teilweise belastet ist. Hieraus zu lernen stehen die Mitglieder der demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses in dringender Verantwortung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass endlich auch andere Fraktionen die Sicherheitsdefizite erkannt haben, die Sachsen durch die Grenzöffnung im Osten drohen und die die NPD-Fraktion morgen in einem eigenen wesentlich weitergehenden Antrag thematisieren wird.

Die für den 1. Januar 2008 vorgesehene Grenzöffnung bei gleichzeitig geplantem Abbau von Polizeidienststellen in Sachsen ist unseres Erachtens ein faustdicker Skandal und genau deshalb muss man jetzt schon über den berühmten Strohhalm sprechen, wenn jetzt noch das Ärgste verhindert werden soll, zum Beispiel mit der von der FDP

beabsichtigten Flickschusterei namens Sicherheitszentrum.

Was die Regierungsfraktionen und ihren Antrag zur zukünftigen Bundespolizeipräsenz in Sachsen angeht, da fällt einem kaum etwas anderes ein als das berühmte „Haltet den Dieb!“ Denn, meine Damen und Herren der Koalition, den Schuh müssen Sie sich wohl schon selber anziehen. Schließlich ist es doch die Politik Ihrer Parteien, die jetzt zu den befürchteten Sicherheitsdefiziten an den sächsischen Außengrenzen führt. Wenn man sich dann noch in Erinnerung ruft, dass niemand anders als der Innenminister Buttolo noch vor Jahresfrist angekündigt hatte, es werde keine Grenzöffnung geben, solange das Dateninformationssystem SIS II nicht funktionsfähig sei, und es nun just diese Grenzöffnung sogar noch zu einem vorgezogenen Zeitpunkt geben soll, dann kann man nur sagen: Hut ab, meine Damen und Herren, das ist preisverdächtig! Für so viel Kaltschnäuzigkeit im Umgang mit der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger haben Sie sich die goldene Nase für gebrochene Politikerversprechen verdient.

(Beifall bei der NPD)

Herr Apfel, bitte etwas mäßigen!

Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns doch ganz konkret daran, dass Innenminister Buttolo noch am 19. Oktober 2006 in seiner Rede auf der Dresdner Sicherheitskonferenz betonte,

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon)

dass es bei der Erweiterung des Schengen-Raumes keinerlei Zugeständnisse geben dürfe, sondern dass nur die Sicherheitslage an den sächsischen Grenzen entscheiden soll.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Apfel?

Ich gestatte keine Zwischenfragen. – In Ihrer damaligen Rede, Herr Buttolo, sagten Sie – ich zitiere –: „Um den ursprünglichen Zeitplan zu halten, käme alternativ eine technische Erweiterung des alten Schengener Informationssystem SIS I plus in Betracht. Dieses Vorgehen wäre aus meiner Sicht lediglich eine Notlösung, die den Nachteil hätte, dass die genannten Vorteile von SIS II von den neuen Mitgliedsstaaten nicht genutzt werden könnten. Aus diesem Grunde werden wir als Freistaat Sachsen diese Variante nicht unterstützen.

Ich möchte deutlich hervorheben, dass die Sächsische Staatsregierung die Aufnahme unserer europäischen Nachbarstaaten Polen und Tschechien im Verbund der Schengen-Staaten grundsätzlich begrüßt, allerdings nicht um jeden Preis. Notlösungen oder Improvisationen wie bei SIS I plus helfen langfristig weder unseren europäischen Nachbarn noch uns hier in Sachsen.“ – So wörtlich der Innenminister.

Sie betonten weiterhin, dass es keine Erweiterung des Schengen-Raumes geben dürfte, bevor nicht alle erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller EUSicherheitsstandards in den neuen EU-Mitgliedsstaaten gegeben seien. Sie lenkten dabei den Blick vor allem auf die Außengrenzkontrollen an den Land-, Luft- und Seegrenzen, die Visa-Erteilung, den Datenschutz und die polizeiliche Zusammenarbeit.

Herr Buttolo, zum Stichtag 21.12.2007 steht das Sicherheitssystem SIS II nicht zur Verfügung, sondern nur die Übergangslösung SIS one for all. Die Bedingung, an die Sie selbst in Ihrer damaligen Rede den Wegfall der Grenzkontrollen geknüpft haben, ist also nicht erfüllt. Nun müssen Sie auch zu Ihrem Wort stehen und die Beibehaltung der Grenzkontrollen anweisen. In diesem Zusammenhang muss ich auch an Ihren Amtseid erinnern, der da lautet, Schaden von den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen abzuwenden.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Diese Schutzpflicht können Sie aber nicht erfüllen, indem ein paar Bundesbeamte mehr für die Kontrolle im nachgelagerten Grenzraum eingesetzt werden, sondern nur dann, wenn die Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien weiterhin aufrechterhalten werden, auch gegen die Empfehlung der Europäischen Union, wenn die portugiesische Ratspräsidentschaft und die EU-Innenminister uneinsichtig bleiben sollten.

Gerade durch die Verlagerung der Schengen-Außengrenzen sind diese Grenzkontrollen heute zwingend notwendig. Alles andere käme einer willentlichen Flutung des Freistaates mit einer Welle ost- und außereuropäischer Kriminalität sowie illegaler Zuwanderung gleich!

Im Übrigen verstieße die Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen nicht einmal gegen europäisches Recht; denn das Schengen-Abkommen sieht ausdrücklich vor, dass ein Mitgliedsstaat aus Gründen nationaler Sicherheit zumindest zeitlich begrenzt von den Bestimmungen des Vertrages abweichen darf.

So hielt zum Beispiel Frankreich Anfang der Neunzigerjahre wegen der liberalen niederländischen Drogenpolitik lange Zeit an den Personenkontrollen zur belgischen Grenze fest. Das französische Beispiel zeigt eindrucksvoll: Ein Mitglied der Europäischen Union kann durchaus handeln, wenn seine nationale Sicherheit bedroht ist. Die Wiederherstellung der nationalen Souveränität an den Landesgrenzen verstößt weder gegen europäisches noch gegen nationales Recht. Die Wahrnehmung nationaler Interessen sollte deshalb Selbstverständlichkeit sein, wenn man nicht aus purer EU-Hörigkeit fahrlässig die Sicherheitsinteressen des eigenen Volkes hintergehen will.

Fakt ist: Schon die gegenwärtige Schengen-Außengrenze kann nicht gesichert werden, wenn wir uns zum Beispiel einen Ansturm illegaler afrikanischer Einwanderer am Südrand Europas in Lampedusa, Malta oder spanischen Enklaven vergegenwärtigen. Eine weiche Ostgrenze und die ohnehin bestehende weiche Südgrenze können sich

Deutschland und Europa nicht erlauben. Selbst Sie sehen in der Begründung Ihres Antrages die Gefahren durch die neuen Schengen-Außengrenzen, weshalb wir die unveränderte Personalstärke der Bundespolizei einfordern.

Ich will gar nicht verhehlen, dass Sie natürlich recht haben. Sie haben recht, dass die Gefahr drastisch steigender Kriminalität auch – aber eben nur „auch“ – dadurch droht, weil parallel zur Grenzöffnung ein massiver Abbau der in Sachsen stationierten Bundespolizei geplant ist, und zwar mehr als ein Drittel der gegenwärtig in Sachsen tätigen Bundespolizisten.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist falsch!)

Aus diesem Grund werden wir Ihrem Antrag mit Bauchschmerzen zustimmen, obwohl man sich hier wieder einmal nur mit einer schlimmen Folgeerscheinung, nicht aber mit dem Grundproblem auseinandersetzt. Allerdings finden wir es auch erbärmlich, wenn ausgerechnet die Parteien, die in ihrem EU-Erweiterungswahnsinn der letzten Jahre unter anderem für den ungezügelten Import von Ausländerkriminalität die Verantwortung tragen, wenn ausgerechnet Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, ein paar Wochen vor Grenzöffnung mit ein paar Krokodilstränen bei Bundesinnenminister Schäuble vorstellig werden, die Gefahren für die innere Sicherheit beklagen und den Präsenzerhalt der Bundespolizei in Sachsen einfordern. Das ist einfach armselig, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Bemerkenswert ist auch, dass zum Beispiel Tschechien trotz Schengen und EU-Beitritt die Sorgen und Sicherheitsbedenken der eigenen Bürger offenbar besser wahrnimmt, als Sie das hier in Sachsen tun, wo wir trotz einer ohnehin schon geringen Polizeidichte immer noch weitere Polizeidienststellen abbauen. Denn anders als hierzulande, wo Verwaltungs- und Kreisgebietsreform immer größere Schneisen in die polizeiliche Flächenversorgung schlagen, gibt es bei unseren Nachbarn immer noch in fast jeder Gemeinde eine eigene Polizeidienststelle. So etwas sorgt nun einmal für das Sicherheitsbewusstsein und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Das deutsch-französische Beispiel, das die FDP für ein ähnlich gelagertes deutsch-tschechisches Modell heranzieht, mag lobenswert sein und eventuell funktionieren. Wir halten es dennoch für einen falschen Ansatz. Gerade die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum gehört zu den elementaren Hoheitsfunktionen eines souveränen, handlungsfähigen Staatswesens.

Wir halten es bei aller Gebotenheit für internationale Zusammenarbeit gerade im Sicherheitsbereich für notwendig, dass die Wahrung der öffentlichen Sicherheit auch in Zukunft beim Staat – hier: bei der Polizei – bleibt. Da wäre es, wie wir es morgen auch in unserem eigenen Antrag fordern, sinnvoller, man würde die Grenzkontrollen gar nicht erst aufheben; denn dann könnte man sich alle daraus erwachsenden Folgeschäden ebenfalls ersparen.

Die NPD-Fraktion hält den Vorschlag der FDP nicht für zielführend. Wir werden uns der Stimme enthalten. Dem Antrag der CDU und der SPD werden wir trotz der erwähnten Bauchschmerzen zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen! Die Rede des Herrn Apfel hat uns bereits eine Vorschau auf den morgigen Tag gegeben. Die NPD-Fraktion versucht in dieser Woche, die bevorstehende Verlagerung der Schengen-Außengrenzen für billigste Stimmungsmache zu nutzen. Das zeigt wieder einmal, worum es den Neonazis im Parlament geht: dumpfes Schüren von Ängsten,

(Jürgen Gansel, NPD: Sie reißen die Grenzen ein!)

Einschüchterung der in den Grenzgebieten lebenden Bevölkerung und Erzeugen von Ratlosigkeit und Mutlosigkeit. Das ist der Stoff, aus dem die NPD ihr braunes Süppchen kochen will.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Umso wichtiger, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es, dass niemand aus dem demokratischen Spektrum, weder die Gewerkschaft der Polizei noch die CDU – wie so oft in Ihrer Person, Herr Bandmann –, den Rechtsextremen Stichworte und Argumente liefert. Der brandenburgische Innenminister, Jörg Schönbohm – auch von der CDU und nicht als Weichei bekannt –, hat erst kürzlich im Landtag über den Wegfall der Kontrollen an den Ostgrenzen gesagt – ich zitiere –: „Keiner braucht sich darüber Sorgen zu machen. Jeder kann sich über diesen Schritt der Freizügigkeit für die Menschen freuen.“

Die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen hingegen hat nichts Besseres zu tun, als das sächsische Hinterland als Rückzugsraum für Terroristen und als Einfallspforte für Waffenhandel, Drogenschmuggel und Prostitution zu deklarieren. Da spreche ich jetzt nicht nur als bündnisgrüner Abgeordneter, sondern auch als Gewerkschafter: Ich habe volles Verständnis für die Besoldungsforderungen der GdP. Ich unterstütze mit meiner Fraktion ihren Widerstand gegen den Stellenabbau; aber für die Durchsetzung dieser gewerkschaftlichen Forderung darf nicht jedes Mittel recht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich will nur am Rande erwähnen, dass eine einseitige Sicht hier schon gleich gar nicht angebracht ist, denn die Tschechen auf der anderen Seite der Grenze werden den Einfall deutscher Freier und das dadurch blühende Prosti

tutionsgewerbe wohl kaum als Sicherheitsgarantie empfinden.