Protokoll der Sitzung vom 09.11.2007

(Torsten Herbst, FDP: Machen Sie es etwas spannend!)

Schwung ist nicht mehr so richtig drin, bringen wir mal etwas Schwung hinein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bleibe einmal bei der Anrede. Unabhängig davon, wie unterschiedlich man die Verwaltungs- und Funktionalreform in den Inhalten bewertet, müsste eigentlich eines hier im Sächsischen Landtag unstrittig sein. Ich bin der Meinung – und ich denke, Sie alle –: Der Gesetzgeber steht in der Pflicht, dass insbesondere die Personalüberleitung von den Landesbediensteten auf die kommunale Ebene möglichst konfliktfrei und ohne Abstriche bei der Aufgabenerfüllung und vor allem rechtssicher erfolgen soll.

(Heinz Lehmann, CDU: Sicher!)

Bereits im August 2006 hatte die Gewerkschaft ver.di Eckpunkte für einen Tarifvertrag zur Umsetzung der Verwaltungs- und Funktionalreform vorgelegt. Ziel war es

dabei, frühzeitig mit der Sächsischen Staatsregierung in die Diskussion zu kommen. Sie stellte sich erst einmal taub. Das ist ja nichts Neues und auch nicht weiter schlimm. Am Anfang tut sich meistens noch nichts.

Nicht zuletzt unter dem Druck unserer Fraktion – –

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Oh?!)

Ja, doch. Nachdem wir hier in diesem Raum unter großer Beteiligung – die Ränge waren voll, Herr Staatsminister – die Anhörung zu den Vorschlägen der Expertenkommission hatten, war die Staatsregierung gezwungen, am gleichen Tag die Vertreter der Gewerkschaft ins Finanzministerium einzuladen. Es begrüßte sie Staatssekretär Dr. Voß und Amtsleiter Herr Görlich. Im Ergebnis kann man sagen: Außer der Tasse Kaffee, die es gab, und der Meinung des Staatssekretärs, dass die Gewerkschaften nun am heutigen Tag, also am damaligen Tag, zur Anhörung hier im Sächsischen Landtag alles eingebracht hätten, bräuchte man ja keine Ergebnisse zu vereinbaren.

Mir wurde berichtet, dass Staatssekretär Voß die Gewerkschaftsvertreter an diesem Tag mit den Worten verabschiedete – ich zitiere –: „Wenn wir Gesprächsbedarf mit Ihnen haben, wann und was auch immer, wir werden es Sie wissen lassen.“ Auf eine Fortsetzung warten die Gewerkschaftsmitglieder noch heute, was das Finanzministerium betrifft.

Den nächsten Versuch, der Staatsregierung und den Abgeordneten des Sächsischen Landtags in der Diskussi

on zu der Verwaltungs- und Funktionalreform etwas näherzukommen, startete die Gewerkschaft am 2. November 2006, also fast genau vor einem Jahr. Es war eine landesweite Personalrätekonferenz, zu der wir auch eingeladen waren. Ich kann Ihnen versichern, der selbst initiierte Auf- und dann auch relativ schnelle Abtritt des CDU-Kollegen Bandmann, der sich mit Beschimpfungen von rund 200 anwesenden Landes- und Kommunalbediensteten schmückte, ist heute noch, wenn ich in Verwaltungen gehe, ein großes Gesprächsthema. Damit hat er nachhaltig die Innenpolitik der CDU verkörpert. – Leider ist er jetzt gar nicht hier. Das tut mir etwas leid. Vielleicht ist er bei der Gewerkschaft.

Im Frühjahr dieses Jahres war dann letztlich mit der Vorlage des Gesetzentwurfes die Staatsregierung gezwungen, die Funkstille mit den Gewerkschaften zu beenden. Meine Damen und Herren, Sie können es sich vorstellen:

(Caren Lay, Linksfraktion: Da kommt er!)

Er ist da. Sehr schön.

Die Stellungnahme des DGB, die als Antwort auf diesen Entwurf kam, war klar und eindeutig.

Erstens. Sie forderten keine administrative Bildung von Arbeitsgemeinschaften, von Hauptpersonalräten per Gesetz. Dieses künstliche Konstrukt ist ein Entscheidungsgremium für den Personalübergang. Es ist aber weder durch das Sächsische Personalvertretungsgesetz noch durch die in der Verfassung normierte Mitbestimmung legitimiert. Hier melden wir starke Verfassungsbedenken an.

Zweitens. Die Aufnahme von verbindlichen Regelungen zur übergangsweisen Zahlung von Trennungsgeld und Ausgleichszahlungen im Gesetzentwurf fehlte vollständig. Dies wurde gefordert.

Ich frage die Staatsregierung: Warum verweigern Sie den Beschäftigten eine klare Regelung zur Umsetzung und Versetzung zum sicherlich notwendigen Ortswechsel, zur Umschulung und zur Fortbildung?

Wenn man sich dann noch einmal die Leidenschaft vor Augen hält und an die Argumente denkt, die von den Koalitionsrednern zur Begründung der Diätenerhöhung in dieser Woche herangezogen wurden, darf wohl auch in diesem Bereich die Frage erlaubt sein, warum für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die von mir genannten Kriterien nicht einmal für diskussionswürdig erachtet wurden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Drittens. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist im Übrigen nicht einzusehen, dass den Kommunen für den Vollzug der Verwaltungs- und Funktionalreform von der Staatsregierung Ausgleichszahlungen für zehn Jahre garantiert werden, den eigenen Beschäftigten aber, die man kommunalisieren will, diese berufliche Sicherheit vorenthalten wird. Deshalb die klare Forderung nach zehnjährigem Kündigungsschutz.

Viertens. Die Gewerkschaften forderten wiederholt von der Staatsregierung, also auch in dieser Stellungnahme, endlich ihren Vorschlag für einen sozialverträglichen und rechtssicheren Tarifvertrag zu behandeln. Festzustellen ist, wenn man sich den Gesetzentwurf anschaut, dass keine einzige dieser Forderungen aufgenommen wurde. Das ist Fakt.

Bereits am 10. Mai dieses Jahres boten in einem gemeinsamen Schreiben die Landesspitzen von DGB, von ver.di, des Sächsischen Beamtenbundes und der Vorsitzende der Tarifunion dem Ministerpräsidenten und Staatsminister Jurk – leider beide nicht anwesend – doch wenigstens eine Zielvereinbarung an, um den Personalübergang mit den Tarifpartnern abzuschließen.

Jetzt, meine Damen und Herren – wiederum verständlich –, schien der SPD diese Angelegenheit wohl zu peinlich zu werden. Staatsminister Jurk und MdL Brangs luden die Vertreter der Gewerkschaft am 12. Juli 2007 erneut zu einer Kaffeerunde. Im Ergebnis der Beratung stand die Kraftlosigkeit der SPD in dieser Koalition für die Gewerkschaftsvertreter fest.

Es wurde klar, dass mit der Staatsregierung weder der Tarifvertrag noch eine Zielvereinbarung abgeschlossen werden soll. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, hatte man den Beschäftigten endgültig den Stuhl vor die Tür gestellt. Was die Staatsregierung beim Personalübergang wirklich beabsichtigt, hat die Anfang September stattgefundene Anhörung gezeigt. Wer daran teilgenommen hat, wird sich erinnern, dass nicht nur der Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Zwanziger wegen verfassungsrechtlich bedenklicher Formulierungen eindringlich davor gewarnt hat, den Gesetzentwurf so zu verabschieden. Wir werden im Innenausschuss noch Gelegenheit haben, diese Anhörung weiter auszuwerten.

Welche Wirkungen hat nun diese massive Kritik bisher erbracht? Bei der Koalition hat sie wenig hinterlassen. Das kann man in der Pressemitteilung vom Dienstag, was den Personalübergang betrifft, nachlesen. Die Stellenobergrenzen sollen fallen, für Selbstverständlichkeiten für Schwerbehinderte wird eine Härtefallklausel eingefügt und für Schwerbehindertenbeauftragte eine Übergangsregelung aufgenommen. Das ist völlig selbstverständlich und Sie haben das nur vergessen.

Damit versucht man, meine sehr geehrten Damen und Herren, sich sozusagen mit Personalübergang aus der Affäre zu ziehen.

Im großen Märchenbuch der Staatsregierung – genannt Koalitionsvertrag – liest sich das etwas anders. Dort kann man auf Seite 73 lesen – ich weiß, meine Damen und Herren der Koalition, es schmerzt, aber ich zitiere trotzdem: „Eine moderne Verwaltung braucht motivierte und leistungsbereite Beschäftigte. Dem dienen auch umfassende Mitbestimmungsrechte. Die Koalitionspartner treten für ein modernes Dienstrecht ein. Die Koalitionspartner sind sich einig, dass die Gewinnung und Förderung von gut ausgebildetem Personal eine Voraussetzung für die Umsetzung der Verwaltungsreform darstellt.“

Weiter heißt es: „Die Koalitionspartner streben eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, den Berufsverbänden und den Personalräten über die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung mit dem Ziel an, die Umsetzung sozialverträglich zu gestalten.“

Auf die Abrechnung der Staatsregierung zur Umsetzung dieses Koalitionsvorschlages bin ich sehr gespannt. Ich höre mir dazu gern die Antwort der Staatsregierung an.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD! Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die Linksfraktion sorgt sich nicht darum, dass Ihr Koalitionsvertrag in der Praxis in diesem Bereich nur Wunschdenken ist. Wir werden es Ihnen aber nicht durchgehen lassen, die berechtigten Interessen der Beschäftigten unbemerkt von der Öffentlichkeit zum Spielball Ihrer eigenen Konzeptions- und – ich füge hinzu – auch Hilflosigkeit in diesem Bereich durchgehen zu lassen.

Mit unserem Antrag, die Staatsregierung aufzufordern, unverzüglich Tarifverhandlungen aufzunehmen, müssen Sie heute Farbe bekennen, und zwar vor den mehr als 4 000 Beschäftigten und ihren Familien. Ich füge hinzu: Mit unserem Antrag erhalten die CDU und die SPD heute die Gelegenheit, für oder gegen ihren eigenen Koalitionsvertrag zu stimmen. Unter dem kommt die Koalition bei dieser Debatte auch nicht weg.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die CDU bitte Herr Abg. Pietzsch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Klarstellungen zu Beginn. Lieber Kollege Tischendorf, mein Kollege Bandmann hatte an dieser Veranstaltung teilgenommen und schon vorher angekündigt, dass er nur für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung steht. Ich finde es nicht redlich, das in dieser Art und Weise hier vorzutragen.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Ich habe doch nur gesagt, dass er leider nicht da ist!)

Zu Ihrer Aussage über die Bewertung der Anhörung, die am 1. September 2007 stattgefunden hat: Soweit ich mich erinnern kann – ich habe von Anfang bis Ende daran teilgenommen –, habe ich wenige Besucher – es war ein Sonnabend – auf der Tribüne gesehen. Ihre Wahrnehmung scheint einigermaßen gestört zu sein.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Was?)

Einer der zentralen Punkte der zurzeit diskutierten Verwaltungs-, Funktional- und Kreisgebietsreform ist der Personalübergang. Unbestritten ist dabei der Grundsatz, dass das Personal der Aufgabe folgt. Schon während der intensiven Diskussion zum Referentenentwurf wurden in vielen Stellungnahmen die Sorgen und Schwierigkeiten der vorgesehenen Änderungen beim Personalübergang

deutlich gemacht. Bei der Vorlage der Gesetzentwürfe konnte man unschwer erkennen, dass auch einige Vorschläge Berücksichtigung fanden. Die Möglichkeit zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte nach § 4 ist ein Kompromissvorschlag gewesen. Wie diese Regelung umgesetzt und mit Leben erfüllt wird, liegt letztlich am Vertreter der beteiligten Hauptpersonalräte.

Wer die Anhörung am 1. September 2007 verfolgt hat, konnte dort erfahren, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. In der Anhörung wurde von den Sachverständigen auch darüber diskutiert, ob ein Tarifvertrag oder eine Zielvereinbarung das Sinnvollste ist. Die Position der Gewerkschaft ver.di war klar und deutlich und sie war bezogen auf die rechtliche Legitimation dieses Gremiums. Das war für jeden, der sich in der Materie auskennt, durchaus nachvollziehbar. Wie die aufgeworfenen Fragen der vielfältigen Formen der Interessenvertretungen, sprich der geltenden tarifvertraglichen Regelungen, vor Ort zu handhaben sind und welche Regelung am besten passt, war einer der Streitpunkte. Ich habe das 91-seitige Protokoll gelesen und festgestellt: Dort prallen unterschiedliche Meinungen aufeinander. Aber ich denke, es ist schon vieles mit eingeflossen. Dass sich die Personalvertretungen aller Ebenen dieser Verantwortung, die auf sie zukommt, stellen, steht außer Frage.

Bei den von mir geführten Gesprächen vor Ort habe ich nicht nur die Sorgen der Betroffenen, sondern vor allem die fehlende zeitnahe Information feststellen können. Ich bin immer wieder hingegangen und habe gefragt, wie weit denn nun der Stand sei. Man diskutierte über den vorliegenden Referentenentwurf, obwohl das Gesetz schon eingebracht worden war. Ich empfand das als großen Mangel. Darin liegt neben den materiellen Regelungen für die Betroffenen die hauptsächliche Kritik. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen mitgenommen werden und sie müssen sich auch mitgenommen fühlen. Das ist ein Hauptsatz, den ich hier ganz bewusst so formuliere.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU – Caren Lay, Linksfraktion: Dann tun Sie es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach derzeitigem Stand der Diskussion wird eine Forderung vieler Sachverständiger nach dem Wegfall der Stellenoberbegrenzungsverordnung umgesetzt. Damit sind einige Probleme – nicht alle –, die mit dem Übergang des Personals in die aufnehmenden Gebietskörperschaften zusammenhängen, einer Lösung zugeführt worden.

Ein besonderes Anliegen war mir in diesem Zusammenhang die stärkere Beachtung der Belange der Schwerbehinderten. Ich weiß nicht, ob Sie sich an die Frage der Gewerkschaftsvertreter erinnern können, ob es denn notwendig sei, die Interessen der Schwerbehinderten explizit aufzunehmen. Nein, das ist übliche Praxis bei Verhandlungen, dass man diese Belange besonders beachtet und einer Lösung zuführt. Ich habe es dennoch als einen sehr wichtigen Punkt angesehen, dass wir die Belange der Schwerbehinderten gerade beim Landesamt

für Familie und Soziales in das Gesetz aufnehmen und aufgrund der besonderen Härtefallregelung einer größeren Beachtung zuführen. Dieses ist in Anbetracht der Veränderungen des Landesamtes für Familie und Soziales für die 106 dort beschäftigten Behinderten von großer Bedeutung.

Einen Tarifvertrag zum jetzigen Zeitpunkt zu verhandeln, nachdem umfangreiche Veränderungen im Gesetz vorgenommen wurden, ist nicht mehr zielführend. Wir befinden uns mitten im Verfahren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die mit Ihrem Antrag gestellten Forderungen sind vom Grundsatz her berücksichtigt worden. Wir werden sehen, wie wir in den noch ausstehenden Verhandlungen mit den eingereichten Anträgen umgehen werden. Ich bitte Sie, den Antrag der Linksfraktion abzulehnen.

Vielen Dank.