Protokoll der Sitzung vom 09.11.2007

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Der Abg. Brangs, bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Ich habe mich vor gut einer Stunde gefragt, als Kollegin Lay zu unserem letzten Antrag zur Bevölkerungsprognose sagte, sie frage sich, warum wir diesen Antrag um 15:00 Uhr hier am Freitagnachmittag aufrufen: Was haben wir eigentlich Neues zu verkünden?

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Genau! – Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, anderthalb Stunden später stelle ich Ihnen erneut genau die gleiche Frage: Was ist der neue Gehalt dieses Antrages, den Sie heute, am Freitagnachmittag, hier einbringen, und was ist die Botschaft, die Sie verkünden wollen?

(Caren Lay, Linksfraktion: Hier muss eine Entscheidung getroffen werden!)

Ich frage das auch deshalb, weil exakt der gleiche Antrag 2006 in der Drucksache 4/6380 im Nachklapp zu der Entscheidung der SPD-Fraktion eingebracht wurde, als wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner die Eckpunkte zu der Entscheidung der SPD-Fraktion festgelegt haben, die wir gern in der Verwaltungsreform umgesetzt hätten. Darin steht unter anderem die Umsetzung eines Tarifvertrages als begleitende Maßnahme. Kurz darauf kam genau dieser Antrag in der Drucksache 4/6380. Das heißt, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass ich die Frage – was Sie für sich in Anspruch nehmen und zu dem Sie vor anderthalb Stunden fragten, was das Neue sei – zumindest einmal stellen darf.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und bei der CDU)

Es ist auch so, dass es niemanden hier überrascht – auch dies wurde bereits mehrfach im Landtag debattiert –, dass es natürlich innerhalb der Koalition unterschiedliche

Auffassungen gibt und dass wir in der Frage, wie wir die Verwaltungs- und Funktionalreform gerade auch beim Thema Tarifvertrag begleiten, auch in der Auseinandersetzung mit der Staatsregierung unterschiedlicher Auffassung sind. Das ist doch nichts Neues, es ist auch nichts Dramatisches.

(Caren Lay, Linksfraktion: Es ist aber noch nicht erledigt!)

Es ist klar, dass wir als SPD-Fraktion in unserer sozialdemokratischen Tradition zur Arbeitnehmerschaft natürlich den Tarifvertrag als ein adäquates Mittel ansehen, um die Verwaltungs- und Funktionalreform zu begleiten. Insofern verstehe ich die Aufregung nicht, dass man sagt: Jetzt haben wir etwas gebracht, das die Koalition spalten kann. – Da gibt es nichts zu spalten; denn wir debattieren über die Probleme und haben in dieser Frage eben unterschiedliche Auffassungen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Caren Lay, Linksfraktion: Wo ist das Ergebnis?)

Immer wieder den gleichen Versuch zu unternehmen – dies sagte ich Ihnen gestern bereits –, uns zu sagen, das Glas sei halb leer; wir hätten nicht genug getan; und zu versuchen, Anträge einzubringen und zu sagen, dass all das, was wir als Sozialdemokraten versucht haben, nichts sei – dazu sage ich Ihnen heute das Gleiche, was ich Ihnen gestern gesagt habe: Drei Jahre Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten haben in diesem Bereich bisher mehr gebracht als 14 Jahre Oppositionsarbeit. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Insofern, denke ich, gehört es zur Ehrlichkeit der Debatte, dass wir uns entschieden haben, in einer Koalition mit der CDU genau an den Punkten, die uns wichtig sind, unsere Position einzubringen. Vieles davon ist natürlich ein Kompromiss, keine Frage. Aber – das ist genau der Punkt, der mich mittlerweile ärgert – es ist bisher mit keinem Wort erwähnt worden, dass wir in dieser Verwaltungs- und Funktionalreform einen Kündigungsschutz erreicht haben, der nirgendwo deutschlandweit – deutschlandweit! – in dieser Qualität, mit drei Jahren Kündigungsschutz bei der Umstrukturierung einer Verwaltung, erreicht worden ist. Selbst Mecklenburg-Vorpommern mit der PDS hat nur einen zweijährigen Kündigungsschutz im Gesetz festgeschrieben.

(Heinz Lehmann, CDU: Hört, hört! – Volker Bandmann, CDU: Hört, hört!)

Selbst dort – das ist es, was mich wirklich anwidert – ist es Tatsache, dass es Landrätekonvente von PDS-Landräten gegeben hat, die sich mit Briefen vehement gegen diesen Kündigungsschutz ausgesprochen

(Volker Bandmann, CDU: Hört, hört!)

und dafür plädiert haben, dass die Staatsregierung keine Fesseln anlegt, keinen Kündigungsschutz für die Beschäftigten erlässt. Sich dann hier hinzustellen und zu sagen, es reiche alles nicht aus, was wir machen – bitte, das ist Ihre

Auffassung von Politik, es ist Ihre Wahrnehmung. Meine ist eine andere.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Das Gleiche gilt, wenn man sich einmal anschaut, welche umfangreichen Sozial- und vor allem Verteilungs- und Auswahlkriterien wir jetzt vereinbart haben. Wir haben etwas zum Familienstand vereinbart. Wir haben etwas zu betreuungspflichtigen Kindern und zu pflegebedürftigen Personen im Haushalt gesagt. Wir haben etwas zur Frage der Erwerbsminderung, zu Berufskrankheiten, Schwerbehinderungen und zum Wohnortprinzip gesagt. Alle diese Kriterien sind im Gesetz enthalten, und wenn man sagt, dies sei alles nichts und habe nichts mit Sozialpolitik zu tun – bitte, dann haben wir unterschiedliche Auffassungen davon, wie man Politik gestalten kann.

Das dritte Problem ist: Diesen Katalog der Vereinbarungen haben wir so ausformuliert – auch darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein, das räume ich gern ein –, dass wir den Hauptpersonalräten die Möglichkeit geben wollen, zusätzlich zu dem, was dort gesetzlich vorgeschrieben ist, weitere Vereinbarungen zu treffen. Das heißt, wir haben zwar im Personalvertretungsgesetz im Moment die Stellung der Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte nicht geregelt. Das kann man ändern. Wir haben aber gleichzeitig gesagt, wir wissen, dass es diese Arbeitsgemeinschaft gibt, und wenn es etwas zu regeln gibt, was wir im Gesetz nicht geregelt haben, dann sollen die Hauptpersonalräte mit der Staatsregierung eine Vereinbarung darüber treffen.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Nein!)

Nein? Das steht so drin.

Die Hauptpersonalräte können natürlich sagen: Das wollen wir nicht,

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Nein!)

weil wir diese Verantwortung nicht übernehmen wollen, da wir keine rechtliche Grundlage im Gesetz haben. Ich kenne diese Debatte zur Genüge, weil ich sie mit den Kolleginnen und Kollegen in den Hauptpersonalräten geführt habe, und ich führe sie immer wieder, und ich führe sie gern, weil es in der Frage darum geht: Wie gestalte ich Politik, und bin ich bereit, an diesem Teil mitzuwirken oder nicht?

Der nächste Punkt – Kollege Pietzsch hat es bereits gesagt –: Ich kann mich an eine Fülle von Gesprächen, die ich geführt habe bzw. die andere geführt haben, die in diesem Kontext Verantwortung haben, erinnern. Darin ging es um die Frage: Wie werden Schwerbehinderte in diesem Kontext bewertet? Dazu haben wir gesagt: Jawohl, das ist ein Problem, welches wir erkennen müssen. Auch in einer Anhörung hat ein Richter des Bundesarbeitsgerichtes gesagt: Es macht Sinn, dass ihr als Gesetzgeber nachbessert und sagt, wir brauchen eine Härtefallklausel – aber keine allgemeine für alle, sondern für bestimmte Personengruppen. Genau das haben wir getan. Wir haben für die Schwerbehinderten diesen Weg geebnet und gesagt,

wir wollen eine Härtefallklausel für die Schwerbehinderten. – Auch nichts nach Auffassung der Linken. Gut, das muss ich zur Kenntnis nehmen.

Das Gleiche trifft auf die Frage der Gleichstellungsbeauftragten zu. Auch da war es wichtig, dass viele gesagt haben, wir brauchen Übergangsvorschriften, was in dieser Umbruchphase mit den Gleichstellungsbeauftragten geschieht. Auch dies haben wir getan.

Wenn man meint, all dies sei heiße Luft, kann man das immer wieder so darstellen. Ich bin der Auffassung, da ist mehr rübergekommen als in den letzten Jahren, als wir hier noch eine Alleinregierung hatten, und ich denke, es ist bei Weitem mehr herausgekommen, als an Anträgen von der PDS, jetzt Linksfraktion, vorgelegen hat.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und Heinz Lehmann, CDU)

Nachdem ich das Land Mecklenburg-Vorpommern bereits erwähnt habe, kann ich noch ein weiteres Land nennen; denn dort prallt die Realität mit dem Politikverständnis aneinander: Das ist das Land Berlin. Wenn man sich den damaligen PDS-Senator Wolff angehört hat – er hat dies auch noch verschriftlicht; ich denke, man sollte viele Probleme vielleicht im kleinen Kreis aussprechen, aber ich würde manchen Leuten raten, sie nicht zu verschriftlichen –, dann hat dieser auf die Frage, wie man mit dem Personal umgeht, geantwortet: Lassen wir doch dafür ein zentrales Personalüberhangmanagement einführen. – Das ist ein schöner Titel, heißt aber nichts anderes als: Man hat intern einen Kreis, einen Pool geschaffen, in den man die abzubauenden Beschäftigten geschoben hat, und gesagt: Wir versuchen, für diejenigen personalfreundliche Maßnahmen durchzuführen. Genau der gleiche Senator hat sich dann schriftlich geäußert und sich darüber beschwert, dass viel zu wenige Beschäftigte darin seien. Man müsse nämlich viel stärker abbauen, da das Land Berlin nicht aus der Schuldenfalle herauskäme.

(Caren Lay, Linksfraktion: Wer stellt denn dort den Senat?)

Aber, wie gesagt, dies sind alles Dinge, die man nicht wahrnehmen will und die angeblich auch nicht passen. Ich will es noch einmal ganz klar sagen: Wir haben uns als SPD immer klar dafür bekannt, dass es im Rahmen von Strukturveränderungen das Mittel des Tarifvertrages geben muss und dass dies der beste Weg ist, und dabei bleiben wir auch.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Brangs?

Natürlich.

Verehrter Herr Brangs, haben Sie eine Vorstellung davon, welche „Erbschaft“ der SPD/PDS-Senat in Berlin bezüglich der

Übernahme von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aus Westberlin übernommen hat?

Ich habe eine Ahnung davon, welche „Erbschaft“ dieser Freistaat 1990 übernommen hat und welche „Erbschaft“ hier bewirtschaftet werden musste.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich habe auch eine Ahnung davon, weil ich seit 1990 genau das erlebe, was aus dem Land geworden ist, und ich kann sagen, dass ich stolz darauf bin.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Volker Bandmann, CDU: Die Frage passt auch gut zum 9. November!)

Ich will noch einmal klar sagen: Natürlich hätten wir uns in dieser Frage mehr gewünscht. Natürlich ist es unstrittig, dass wir den Abschluss eines Tarifvertrages ganz klar bejahen. Aber erstens herrscht bei uns Tarifautonomie. Ich kenne meine Gewerkschaft. Sie ist hoffentlich noch stark genug. Da ich sie in den letzten Jahren begleiten durfte, denke ich, dass sie stark genug ist, das zu tun. Ich denke, dass die engagierten Kolleginnen und Kollegen in dieser Gewerkschaft die Kraft entwickeln werden, das noch einmal eindrucksvoll zu unterlegen.

Man kann doch nicht ernsthaft erwarten, dass dann, wenn es auf der Tarifautonomieseite nicht funktioniert, die Politik einschreiten und das regeln muss, was die Tarifpartner nicht hinbekommen. Ich sage es noch einmal: Ich wünsche mir einen Tarifvertrag. Auch die SPD-Fraktion wünscht sich begleitend zur Verwaltungs- und Funktionalreform einen Tarifvertrag. Aber wenn man das auf dem Weg der Tarifautonomie nicht schafft, kann man nicht ernsthaft sagen: Dann macht ihr für uns den Job!

Genau diese Erwartungshaltung ist ein völlig falsches Politikverständnis. Damit befriedigt man vielleicht diejenigen, die die reine Lehre haben wollen. Ein großer Teil der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter hat jedoch erkannt – und das stimmt mich an dieser Stelle zufrieden –, was die SPD in den letzten drei Jahren bewegt hat. Insofern braucht sie sich da nicht zu verstecken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)