Leipzig ist klamm. Das wissen Sie alle. Die haben kein Geld. Die versuchen gerade, die Stadtwerke zu verkaufen. Die Gemeinden im Norden von Leipzig haben DHL, Porsche, Quelle, BMW, das heißt: Geld. Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis Leipzig zugreift.
Borna und Grimma. Sie unterschätzen völlig, dass Grimma in den letzten Tagen und Wochen zum Symbol geworden ist. Vielleicht ein wenig wie diese Buche auf der Bautzner Straße hier in Dresden
Einzelne Abgeordnete von der Union haben nun angekündigt, sie würden für Grimma stimmen. Einige wenige andere Abgeordnete in der Union und in der SPD haben andere Anliegen. Ich denke da an Plauen. Warum tun Sie sich nicht zusammen und setzen das gemeinsam um?
Jeder von Ihnen möchte offensichtlich in seinen eigenen Wahlkreis zurückkehren und sagen: Ich habe gekämpft wie ein Teufel, leider hatte ich keine Mehrheit. Dann suchen Sie sich die bitte bei anderen Enttäuschten und ziehen das Ding einmal durch.
Der Ministerpräsident hat nun in der letzten Woche diesen viel beachteten Nebensatz gucken lassen, dass nur wegen der SPD Borna genommen worden sei.
Das ist natürlich eine völlig vergiftete Retourkutsche für Martin Dulig, der Ihnen trotz Koalitionspartnerschaft im Dezember bei der Debatte über die Sachsen LB einen eingeschenkt hat, indem er meinte, Ihr Dispo-Limit wäre in der Koalition aufgebraucht.
Aber wissen Sie, solche männlichen Eitelkeiten interessieren mich eigentlich nicht wirklich. Sei es drum. Borna – und das bleibt an der SPD hängen wie ein Hundehaufen am Schuh – gilt als Geschenk an die SPD. Das Ding haben Sie drinsitzen. Allein schon deswegen wird die SPD die Koalition nicht aufkündigen, wenn Sie heute einmal Rückgrat beweisen und Grimma statt Borna zum Kreissitz erheben. Sie müssen keine Sorge haben, dass deswegen gleich Ihre ganze Konstruktion platzt. Plädieren Sie für Grimma!
Die Bürger kaufen Ihnen daheim nicht ab, Sie hätten gekämpft, wenn sie keine Allianzen, wie ich das beschrieben habe, bilden.
Nun sagte jemand, der Herr Berger wäre so anstrengend, der hätte es gar nicht verdient, dass er Grimma als Kreissitz bekommt. Da sage ich Ihnen einmal, ich habe das ja beobachtet. Er war auch bei mir. Das gehört zum Anstrengendsein dazu, alle abzuklappern. Er hat erst sehr kooperativ und umgänglich zugearbeitet. Das wissen Sie, denn Sie haben alle diese Studie bekommen. Er wurde ignoriert. Dann wurde er wütend. Und dann hat er sich entschlossen, aktiv zu werden, und da hat er die ganzen Grimmaer mitgebracht. Ich habe das draußen vorhin gesehen. Wissen Sie, diese Grimmaer, die haben da draußen gestanden und haben versucht, ihrer eigenen Meinung –
Respekt zu verschaffen; Respekt, den Sie dieser Meinung verweigern. Ich finde, eine Bevölkerung einer Stadt, die hier zu mehreren Hunderten anrückt, um deutlich zu machen, dass sie den Kreissitz verdient hat, die aktiv ist, die dynamisch ist, das ist auch die Bevölkerung einer Stadt, die eine ganze Region aus ihrem Dornröschenschlaf reißen und mitnehmen kann als Lokomotive dieses Gebietes. Das ist die Stadt Grimma mit der Bevölkerung, die genau diesen Drive und diese Dynamik hat, die wir brauchen.
Damit bin ich wieder bei der Fraktion der Lemminge, der CDU: Fällt Ihnen nicht auf, dass die Bevölkerung schon weiter ist als Sie? Oder halten Sie das für naturgegeben?
Im Sommer und im Herbst haben wir die Umsetzung – wenn es heute so beschlossen wird – dieser Kreisreform, wie Sie Ihnen vorschwebt oder nicht vorschwebt bzw. Sie es nicht zugeben wollen. Wir haben wahrscheinlich auch nochmals eine Bürgschaftsdebatte zur Sachsen LB. Ich habe da so meine Vermutungen, wenn ich mir die Aktienkurse und die Rezession in Amerika anschaue. Sie müssen sich dann im Herbst an Ihrer Basis blicken lassen, um für den nächsten Landtag zu kandidieren. Man kann auch mal eigennützig denken und man muss in der Koalition nicht immer altruistisch sein.
Wenn Sie sich heute nicht wehren – und sei es an der Symbolfrage Grimma –, verlieren Sie morgen Ihre beheizten Hinterbänke – und das ehrlich gesagt zu Recht. Trinken Sie sich am besten in der Mittagspause mal Mut an und stehen Sie nachher zu Ihrer Meinung.
Wir haben so lange darauf gewartet. – Diesen Präzedenzfall wollen Sie nicht zulassen, weil er nicht Ihrem Reißbrett entsprungen ist. Ist es denn noch zu fassen?! Ist das denn noch klar? Da haben sich Leute ihren eigenen Weg gebahnt, der funktioniert, und beide Seiten sind zufrieden. Friedlicher kann man ein Land nicht regieren, indem man sie machen lässt und alle sind zufrieden. – Stattdessen bringen Sie Unruhe hinein und treiben sie vor Gericht. Was ist denn hier los? Das kann doch nicht wahr sein? Sie bekommen es selbst hin, aber nein, der Dresdner Zentralismus duldet offensichtlich keine starken selbstständigen Regionen. Das gibt sehr zu denken, muss ich sagen.
Und wenn dieser Vogtländische Weg, Frau Kollegin Weihnert, nicht in Ihr ausgedachtes Schema passt: Es ist egal, ob er in Ihr Schema passt oder nicht – das ist einfach eine praktische Idee.
(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion, Beifall bei der NPD und der FDP – Zuruf der Abg. Margit Weihnert, SPD)
Wer sich ein wenig mit der Materie befasst, der weiß, dass Gemeinden, die gut funktionieren und in denen sich die Leute wohlfühlen, Keimzellen für Demokratie sind. Die sind übrigens auch nazi- und diktaturresistenter. Aber nein, da wird reingeschossen. Ich verstehe das wirklich nicht. Es bleibt Ihr Geheimnis, was Sie da geritten hat.
Bei den Landkreisen – damit bin ich noch einmal bei der Verwaltungsreform – ist es ähnlich wie bei den Stadträten. Sie haben die Möglichkeit, in den Kreistagen Demokratie vor Ort zu leben.
Gelebte Demokratie in der Region ist auch der Kreistag. Da kann man die eigene Meinung, das Engagement vorstellen. Das soll aber auch etwas gelten. Jetzt verdoppeln bis vervierfachen wir die Flächen und es gibt im Prinzip weniger Abgeordnete pro Bevölkerungszahl. Das heißt doch, dass die bürgerliche Mitwirkung fast unmöglich gemacht wird. Es ist ein Ehrenamt. Die Leute fahren nach Feierabend durch ihren Kreis, der immer größer und länger wird oder – wie vorhin beschrieben bei TorgauOschatz und Delitzsch – auch kompliziert zu bereisen ist – jedenfalls wenn man nicht mit dem Auto unterwegs ist. Was bleibt dann übrig? Nach meiner Wahrnehmung heißt das, dass die Bürgermeister und Landräte im Kreistag unter sich am grünen Tisch sitzen und die Sachen durchziehen, die sie durchziehen wollen und die Bürger können vor Erschöpfung nicht mal mitregieren. Das halte ich für problematisch.
Man bekommt den Eindruck, dass Sie lieber durchregieren wollen sicherheitshalber – weshalb sicherheitshalber, weiß ich nicht –, als dass Sie den Leuten vor Ort etwas zutrauen.
Damit sind wir beim Kern des Problems. Diese gesamte Reform atmet es förmlich aus, dass Sie den Leuten vor Ort nicht genug zutrauen, dass Sie Angst haben, dass diese irgendetwas anders machen könnten, als auf Ihrem Reißbrett vielleicht ausgetüftelt.
Das ist ein Problem. So werden wir die Demokratie in Sachsen nicht stärken und diese müsste weiß Gott gestärkt werden.
Was spricht denn dagegen – ich bin beim Vogtländischen Weg –, den Aufbau der Demokratie von unten nach oben zuzulassen und nicht umgekehrt? Sie versuchen – Herr Zastrow hat das sehr gut ausgeführt, finde ich –, von oben etwas zu erzwingen, was diese längst machen. Vor diesem Hintergrund finde ich, dass Sie die kommunale Selbstverwaltung als einen Teil der Verfassung nicht ernst nehmen. Diese Reform geht damit zulasten der Demokratie – unabhängig von vielen kleinen Streitfällen, die alle berechtigt sind.
Die Landräte werden ernorm gestärkt und ihre demokratische Kontrolle wird deutlich geschwächt. Das ist moderne Lehensvergabe und bei Weitem keine Kreisreform.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben recht, Frau Präsidentin, ich habe nur noch wenige Minuten Redezeit, obwohl wir eines der größten Gesetzespakete der Legislaturperiode diskutieren. Allein heute liegen, wenn ich richtig gezählt habe, wiederum 30 Änderungsanträge vor, gestern waren es nicht weniger. Aber wie gesagt, die Zeit erlaubt es mir nicht, dass ich mich so umfangreich wie meine Vorredner dazu äußern kann.
Zur Frage des Kreissitzes im neu entstehenden Kreis Leipziger Land möchte ich doch ein paar Worte sagen. Die Lokalpolitiker – nicht nur die aus Grimma – appellieren an uns Abgeordnete, unserem Gewissen und nicht politischen Absprachen zu folgen. Das, meine Damen und Herren, wollen wir auch tun. Nun meint allerdings eine Reihe von Kommunalpolitikern, wir müssten automatisch
ihre regionale Sicht sehen und auch vertreten, denn schließlich seien wir ja von ihnen in den Landtag gewählt worden. Aber gerade diese Sicht ist falsch.