Unabhängig davon bin ich der Meinung – auch weil es eine hohe Symbolkraft hat, das habe ich heute Vormittag schon einmal ausgeführt –, dass es jetzt nur an Ihnen liegt und es Ihre Entscheidung ist. Jeder von Ihnen wird hier beobachtet, niemand kann sich in einer Wahlkabine verstecken. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Ich bin der Meinung, dass das auch ein Prüfstein für Sie selbst ist.
Nein, danke, Herr Kollege Nolle. – Deswegen bin ich der Auffassung, es kommt ganz allein auf Sie von der Union an. Sie haben es serviert bekommen. Sie stehen jetzt vor der Entscheidung. Jetzt haben wir entweder die Lemminge oder wir haben die Leute, die etwas entscheiden. Mal sehen, wie es ausgeht, wir schauen uns das gern an.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Letzte Woche war in der „Leipziger Volkszeitung“ die bemerkenswerte Aussage, die man hier wiedergeben kann, ein Zitat des Ministerpräsidenten: „Die Entscheidung für Borna als Sitz der künftigen Verwaltung des neuen Kreises Leipzig ist ein Kompromiss aus den Absprachen mit dem Koalitionspartner SPD.“
Das spätere Dementi, wie auch jetzt, ist nicht wirklich überzeugend. Im Innenausschuss hat der Staatsminister des Innern eingeräumt, dass auch ein neuer Kreis Leipzig leitbildgerecht zu formen wäre, wenn Grimma Kreissitz werden würde. Heute ist es wiederholt worden. Es besteht also tatsächlich die Möglichkeit zu entscheiden. Es ist nicht alternativlos, wie es in anderen Punkten gesagt worden ist, dass Grimma nicht Kreissitz werden könne und Borna zwangsläufig dies sein müsse. Wer ernsthaft daran glaubt, dass diese Beratungen im Innenausschuss wie auch in diesem Hohen Haus ergebnisoffen geführt
werden könnten, der muss auch die Möglichkeit einbeziehen, Grimma zum Kreissitz zu machen. Wer das von vornherein ausschließt, widerlegt das, was er selbst an Ergebnisoffenheit vor Weihnachten postuliert hat.
Herr Brangs, es überzeugt mich nicht, wenn es heißt, dass zuvor im Lenkungsausschuss die Vorgabe Borna gestanden hätte. Das macht einen höchstens noch misstrauischer, denn das legt die Vermutung nahe, als sei es von vornherein festgenagelt gewesen und hinterher hätte man alles Mögliche ergebnisoffen diskutieren können, auch im Lenkungsausschuss, aber nicht mehr zu dieser Frage.
Es hat möglicherweise Absprachen gegeben – der Ministerpräsident hat es so ausgedrückt –, aber wenn wir ernsthaft eine ergebnisoffene Beratung haben wollen, dann müssen wir uns diesem Änderungsantrag ernsthaft und fundiert nähern. Die SPD – das mag sein – will Borna als Kreissitz. Wenn es denn so ist, dann hätte man das auch in die Begründung schreiben sollen. Man hat es nicht getan. Lassen Sie sich beim Wort nehmen und darüber entscheiden, welches die bessere Variante ist.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eines für die FDP sagen: Grimma hat wichtige und auch die besseren Argumente, den Kreissitz im Landkreis Leipzig zu erhalten.
Das ist auch die Auffassung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion, die das geäußert haben – öffentlich, nicht öffentlich, in Gesprächen, immer wieder. Meine Damen und Herren! Hier ist die Möglichkeit zu beweisen, ob man als Abgeordneter, als Volksvertreter, allein seinem Gewissen unterworfen ist und ob man die bessere Entscheidung treffen will, die Entscheidung, die einen persönlich mehr überzeugt. Mich überzeugt dieser Antrag, deshalb werde ich ihm zustimmen.
Ich rufe jetzt Herrn Dr. Hahn auf und würde dann gern zur Abstimmung kommen. Ich bitte die Schriftführer, sich vorzubereiten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass auch für die Kolleginnen und Kollegen der CDU deutlich geworden ist, dass die Frage Grimma oder Borna keine Koalitionsfrage ist. Die SPD legt keinen besonderen Wert darauf und hat das auch nicht für sich reklamiert bzw. für sich auch nicht in Anspruch genommen.
Ich unterliege auch nicht der Versuchung, Frau Weihnert, zu fragen, was die SPD im Zuge der Verwaltungs-, Funktional- und Kreisgebietsreform überhaupt durchgesetzt hat.
Ich denke aber, etwas anderes muss vor der Abstimmung noch geklärt werden. Einer kann nur Recht haben.
Entweder stimmt das, was der Ministerpräsident offenkundig auch autorisiert gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ erklärt hat, dass der Kreissitz Borna in Absprache mit dem Koalitionspartner und logischerweise auch auf Wunsch des Koalitionspartners in das Gesetz kam, oder es stimmt das, was Herr Brangs gesagt hat. Dann hätte der Ministerpräsident wissentlich die Unwahrheit gesagt. Ich erwarte bei der Sensibilität dieser Frage, dass der Ministerpräsident hier der Aufforderung nachkommt, sich öffentlich erklärt und deutlich macht, was wirklich Sache ist. Das gehört sich gegenüber dem Sächsischen Landtag.
Frau Pfeiffer, ich hatte die Diskussion eigentlich abgeschlossen. – Bitte, ganz kurz noch einmal als Betroffene.
Frau Präsidentin, ganz kurz dazu, was mein Kollege Bandmann gesagt hat. Wer aufmerksam die „Leipziger Volkszeitung“ liest – das tun wir alle, wir haben das alle aufmerksam gelesen –, hat im Teil Muldental gelesen, dass DIE LINKE – wie immer Ihr Büro heißt, Frau Köditz,
es wird immer wieder umbenannt, mal LINKE, mal PDS oder wie auch immer – auf dem Weg nach Borna sei, weil dort die Mieten preiswerter seien. Man verabschiedete sich schon ein wenig, obwohl – –
Ich will in diesem Zusammenhang ungern Nebenschauplätze aufmachen, aber es geht dabei schon ein wenig um Glaubhaftigkeit und um Ernsthaftigkeit. Es ist nicht der Kreissitz der LINKEN von Grimma nach Borna verlegt worden,
sondern es gibt ein Abgeordnetenbüro von Frau Köditz. Auf diesem Schild steht: BürgerInnenbüro. Dieses gibt es nach wie vor. Ich war diese Woche erst dort.
Meine Damen und Herren! Wir stimmen jetzt ab. Ich bitte die Schriftführer, sich bereit zu machen. Von Frau Pfeiffer ist eine Auszählung beantragt worden.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Abg. Angelika Pfeiffer und Jutta Schmidt abstimmen und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Jetzt frage ich nach den Neinstimmen. Wer ist dagegen? – Die Enthaltungen? – Eine Enthaltung.
Meine Damen und Herren! Wir drei stimmen nun überein. Mit Ja stimmten zum Antrag 54 Abgeordnete, mit Nein 62; und es gibt eine Enthaltung. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.
Sehr wohl, verehrte Frau Präsidentin. Ich habe – entgegen der Mehrheit meiner Fraktion – gegen den Antrag und damit gegen den Kreissitz in Grimma gestimmt und möchte dies mit folgenden Argumenten begründen:
Wo steht geschrieben, dass immer die Stärkeren gestärkt werden sollen? Ich denke, es gibt genügend rationale Argumente, die dafür sprechen, dass der Kreissitz des Landkreises Leipzig künftig in Borna liegt. Das hat durchaus strukturpolitische und raumordnerische Gründe. Überlegen Sie sich einmal: In einer Region, die infolge eines über hundertjährigen Braunkohlenabbaues seit 1990/91 einen solchen strukturellen Umbruch zu verkraften hat,
in der unglaubliche Sanierungsmaßnahmen einer Landschaft stattfinden müssen und weiter stattfinden werden und in der ein Wassermanagement notwendig sein wird, ist es völlig legitim, dass die Hauptverwaltung, die diesen strukturpolitischen Wandel aus verwaltungstechnischen und politisch verantwortungsvollen Gründen zu managen hat, tatsächlich auch in dieser Region liegt. Ich gestehe zu: Grimma als „Perle des Muldentales“ wird seinen Weg ohne Kreissitz gehen können, weil es ein starkes Potenzial hat. Aber ich denke, dass die Vergabe des Kreissitzes heute mit dieser Entscheidung zum Gesetz diesen Nachteil, den Borna von Anfang an hatte, ausgleichen muss.
Ich möchte mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich habe mich enthalten, weil ich die Spannung sehe, auf der einen Seite den Konsens der Regierungskoalition zu unterstützen, und auf der anderen Seite bin ich der tiefen Überzeugung, dass es für die Entwicklung einer Region – und damit des Freistaates – wichtig ist, dass man die Stärken stärkt. Als ich in der Wirtschaft tätig war, habe ich mich energisch dafür eingesetzt, dass ein amerikanischer Konzern nach Dresden statt nach Erfurt ging, eben aus diesem Grunde; und ich denke, es ist unwahrscheinlich wichtig, dass wir denjenigen eine Chance in der wirtschaftspolitischen Entwicklung geben, die bereits Stärken haben, weil wir damit mehr für die Region insgesamt tun.