Weniger interessant für die Regierungsfraktionen schien aber in der Vorberatung zur Geschäftsordnung der Vorstoß von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu sein, doch endlich denjenigen das Rederecht einzuräumen, die bereits auf gesetzlicher Grundlage dem Landtag regelmäßig Bericht erstatten.
Ich meine den Präsidenten des Rechnungshofes und den Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Hier gab es bisher unüberbrückbare Bedenken, ihnen wenigstens zuzugestehen, die vorgelegten Landtagsdrucksachen mündlich von dieser Stelle aus begründen zu dürfen. Das können wir überhaupt nicht verstehen. Auch soll weiterhin nicht erlaubt werden, den Einbringern von Volksanträgen hier
Meine Damen und Herren, ich kann es Ihnen nicht ersparen – statt auf mehr demokratische Mitbestimmung im Landtag setzt die Koalition auf kleinliches Beschränken von Abgeordnetenrechten. Bezeichnend ist hier die Verschlimmbesserung des durch die Verfassung garantierten Fragerechts des Abgeordneten mittels Kleiner Anfragen. Auch diese neue Kreation verleitet uns nicht zur Zustimmung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Entwurf der Geschäftsordnung ist trotz von mir eingangs erwähnter partieller Verbesserungen nicht geeignet, als großer Wurf bezeichnet zu werden und so in die Geschichte einzugehen. In Kernbereichen der parlamentarischen Demokratie birgt er sogar noch Verschlechterungen. DIE LINKE kann diesem Vorschlag von CDU- und FDPFraktion nicht zustimmen. Wir haben deshalb die mit der SPD und den GRÜNEN erarbeiteten gemeinsamen Anträge vorgestellt und werden sie zur Abstimmung bringen. Mit der Zustimmung zu den Vorschlägen der Opposition können die Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen zeigen, dass sie es von Anfang an mit der Belebung der parlamentarischen Arbeit ernst meinen.
Ich füge am Schluss hinzu, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das wäre das richtige Signal für die Bürgerinnen und Bürger, die uns in dieses Haus gewählt haben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe sehr genau zugehört, als mein geschätzter Kollege Herbst seine Erfahrungen aus den letzten fünf Jahren hier vorgetragen hat. Ich sehe diese natürlich aus einem anderen Blickwinkel, aber im Kern kann ich sie teilen. Sie haben zu Recht gesagt, in den letzten fünf Jahren ist vieles sehr langatmig gelaufen. Wir haben in den letzten Jahren viel darüber diskutiert, wie wir mehr Aktualität und mehr attraktive Elemente in die Debatte bekommen. Deshalb wundert es mich am Ende schon, und ich finde es auch schade, dass bei der FDPFraktion aus den Erfahrungen in der Opposition so wenig Mut übrig blieb, diesen Landtag attraktiver zu machen und die Debatten interessanter zu gestalten. Das ist Ihnen mit dem vorgelegten Geschäftsordnungsentwurf nicht gelungen. Wir haben im Vorfeld oft darüber debattiert. Ich hätte mir gewünscht, dass wir an vielen Stellen einen aktiveren Teil im Landtag erlebt hätten. Aber es ist wie es ist und wir müssen zunächst mit dem zurechtkommen, was wir vorliegen haben.
Ich sage das auch deshalb, weil ich mich erinnern kann, dass wir in den letzten Jahren sehr interessante ritualisier
te Verfahren hatten, zum Beispiel die Fragestunde. Sie hat in der Regel immer vor leeren Rängen stattgefunden, weil man die Fragen an den Minister schon Wochen vorher einreichen musste – von Aktualität ganz zu schweigen. Dann wurde gegenseitig vom Blatt abgelesen, und jedes Abweichen davon wurde geahndet, indem man sagte: Das ist nicht Bestandteil Ihrer Frage. Also, ich denke, dass lebendige Demokratie anders aussieht, und genau das hätte ich mir auch in dieser Geschäftsordnung gewünscht.
Wir haben sowohl 2007, als ich Parlamentarischer Geschäftsführer geworden bin, als auch jetzt in der Diskussion um die 5. Legislaturperiode in vielen Dingen miteinander gestritten und versucht, etwas zu bewegen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es 2004 eine Diskussion darüber gab, ob man endlich einmal den Mut haben sollte, darauf zu verzichten, die Anträge immer erst an die Staatsregierung zu überweisen und zu sagen: Ihr müsst eine Stellungnahme abgeben, damit sich der Landtag danach damit beschäftigen kann. Ich meine, es ist doch ganz klar, was sich dahinter verbirgt: Wir kündigen an, was wir gedenken besprechen zu wollen, und die Exekutive mit Hunderten von Männern und Frauen hat genug Zeit, um dann dem Landtag zu erklären, warum das alles nicht notwendig ist. Ich stelle mir lebendige Demokratie anders vor, und ich denke auch, wenn man ein gewisses Selbstverständnis entwickelt – gerade als erste Gewalt –, dann sollte man solche Verfahren abschaffen.
Es geht auch darum, dass ich in der 4. Legislaturperiode eine bittere Erkenntnis gewonnen habe. Es war so, dass bei der Debatte eines solchen anschließenden Antrages viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier genau diesem Verfahren auf den Leim gegangen sind; denn sie haben nicht mehr gesagt, was sie wollen, sondern sie haben sich mit der Antwort der Staatsregierung auseinandergesetzt und sozusagen die Debatte über die Antwort der Staatsregierung geführt. Ich glaube, auch darin sieht nach Auffassung der SPD ein selbstbewusstes und aufgeklärtes Parlament anders aus.
Es gab im Sommer dieses Jahres einige richtige und gute Anregungen von Fraktionen. Wir haben mit der Landtagsverwaltung gesprochen und sie gebeten, dass sie einen Vorschlag auf den Tisch legt, aus dem hervorgeht, wie man sich eine Geschäftsordnung vorstellt, die mehr solcher Elemente enthält. Ich finde, das Ergebnis, das zumindest ich kenne und das auch durch den Direktor des
Darin waren keine langweiligen Fragestunden mehr enthalten, sondern es ging um ein, wie ich finde, sehr interessantes Element, nämlich um eine Ministerbefragung.
Ich sage später etwas dazu, warum ich denke, dass diese Ministerbefragung nicht mehr dabei ist. Wahrscheinlich wissen wir morgen ganz genau, warum. Wenn man sich vielleicht den einen oder anderen Minister betrachtet, kann es durchaus sein, dass dessen Qualitäten nicht ausreichend sind, um einer solchen Befragung standzuhalten.
Sei’s drum! Aber das Element war durchaus richtig und sinnvoll, und auch das, was ich eben beschrieben habe. Die Abkürzung dieses Verfahrens – wir wollten, dass die Antragsberatung anders funktioniert –, war ursprünglich im Entwurf enthalten. Leider Gottes finden wir auch davon jetzt nichts mehr. Auch das Thema Straffung von Sitzungen und die Möglichkeit, Initiativen zu bestimmten Themen bündeln und zusammenführen zu können, ist nicht mehr enthalten.
Außerdem ist bereits angesprochen worden – ich denke, man muss es wiederholen, weil es für mich absolut nicht nachvollziehbar ist –, dass wir hier einen Rechnungshofpräsidenten und einen Datenschutzbeauftragten haben; und wenn die Berichte dieser beiden, wie ich finde, wichtigen Persönlichkeiten und Institutionen im Sächsischen Landtag behandelt werden, dürfen sie nichts dazu sagen. Das ist ein absolutes Unding.
Den Grund dafür, dass dies hier nicht aufgeführt wird, habe ich bis heute nicht erkannt, und ich habe bis heute mit niemandem sprechen können, der mir diesen Grund genannt hat. Vielleicht höre ich dazu gleich noch etwas.
Ich muss also sagen: Wenn ich den Entwurf der Landtagsverwaltung sehe und demgegenüber das, was jetzt vorliegt, dann habe ich den Eindruck, dass die Staatskanzlei hier interveniert und wichtige Punkte und Elemente herausgenommen hat. Belegen kann ich es nicht, aber der Eindruck verfestigt sich immer mehr. Ich denke, dass es notwendig ist, dass wir, wenn wir wirklich das Aushängeschild der ersten Gewalt sein wollen, auch den Mut haben müssen, die Form und die Grundlage des Miteinanders hier im Sächsischen Landtag selbst zu regeln und uns nicht von außen beeinflussen zu lassen. Und ich glaube, diese Beeinflussung hat stattgefunden. Denn wenn man sich ansieht, was es noch an großen „Knallern“ in dieser Geschäftsordnung gibt, dann geht es in der Tat – dazu hat
Kollege Tischendorf bereits etwas gesagt – darum, dass man einen Beauftragten für Demografie einsetzen will – ohne jegliche gesetzliche Grundlage, ohne dass es eine Debatte darüber gibt, wie sinnhaft es ist; ohne Beteiligung von Ausschüssen, ohne Grundlage der Berichte der Enquete-Kommission, die sich viele Jahre mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Wir machen einen Landtagsabgeordneten – denn das ist Bedingung – zu einem solchen Beauftragten – und es wird ja fast schon witzig und ist ein wenig grotesk, wenn man es sich genau durchliest –, der dann den Lastenausgleich der Generationen regeln soll. Dabei wünsche ich ihm viel Erfolg und Kraft!
Wer mir an dieser Stelle sagen will, dass das ein ernsthafter Umgang mit einem wirklich hoch sensiblen, wichtigen Thema ist, der hat in der Tat die Arbeit der EnqueteKommission nicht verstanden.
Deshalb sage ich von dieser Stelle aus noch einmal klar und eindeutig: Wir sind dafür, dass wir dieses Thema als Querschnittsaufgabe in allen Ausschüssen sehen. Wir können uns sogar vorstellen, einen eigenen Ausschuss dafür einzusetzen; aber wir können uns nicht vorstellen, dass hier ein Versorgungsjob für einen Abgeordneten geschaffen wird.
Noch ein kurzer Satz zum 3. Vizepräsidenten, Kollege Torsten Herbst; es muss sein. Ich möchte einen anderen Aspekt als den meines Vorredners einbringen. Er hat von d’Hondt gesprochen, ich spreche einfach von der Größe: Drittstärkste Fraktion ist nicht die FDP. Wir haben damals, als wir das Thema 3. Vizepräsident behandelt haben, genau diese Argumente vorgebracht, die jetzt wieder vorgebracht werden. Wir haben gesagt: Weil wir ein solch vielfältiges Parlament mit sechs Fraktionen sind, mit so viel Aufwand, umfangreichen Tagesordnungen und mehr Aufgaben für das Präsidium – bis auf die Braunen, darauf kann man verzichten, aber sie sind nun mal da –, deshalb macht es Sinn, darüber nachzudenken, die Funktion eines 3. Vizepräsidenten einzurichten. Es ging nicht um die Frage, ob die SPD einen Job bekommt, sondern es ging darum, dass wir dieses Parlament sinnhaft positiv verändern wollten.
Wir waren im Übrigen auch die drittstärkste Fraktion. Insofern sage ich: Da Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, immer von Hare-Niemeyer sprechen, es aber nie umsetzen, könnte man ja mal darüber nachdenken, dass Sie zumindest anerkennen, dass die drittstärkste Fraktion die SPD ist, und das wäre vielleicht einmal ein richtiger Hinweis darauf.
Kurzum: Ich finde es wirklich schade – das sage ich allen Ernstes –, dass wir es nicht hinbekommen haben, gemeinsam diesen Mut zu entwickeln. Es gab eine Reihe von Vorschlägen, eine Geschäftsordnung vorzulegen, die positive Ansätze für eine Verbesserung der Qualität der Debatte mit sich gebracht hätte. Ich glaube ernsthaft, dass eine lebhafte Debatte im Sächsischen Landtag auch etwas damit zu tun hat, dass die Menschen diese Debatten an den Radiogeräten, zum Beispiel abends beim MDR, verfolgen wollen oder auch als Zuhörer hier auf der Tribüne.
Ich glaube, wir haben mit der vorliegenden Geschäftsordnung diese Chance vertan, ganz zu schweigen von der Einschränkung des Fragerechtes für Abgeordnete. Es gab Bewegungen; die Frage wird sein, ob das, was dort steht, ausreichend ist. Ich sage: Einzelne Punkte sind durchaus sinnvoll, das erkenne ich nachdrücklich an; dort hat man sich auf die Opposition zubewegt. Aber in Gänze ist es zu kurz gesprungen, tut mir leid. Deshalb können wir dieser Geschäftsordnung in Gänze nicht zustimmen.