Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

und der gestrigen Politikpraxis. Deswegen glaube ich, dass Ihr royalistisches Staatsverständnis vom Freistaat in der weiteren Debatte deutlich hinterfragt werden muss.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE sprach Frau Kollegin Hermenau. – Als Nächstes rufe ich die CDU-Fraktion auf; Herr Kollege Flath.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass wir eine Debatte im Sächsischen Landtag – Frau Kollegin Hermenau, Sie haben es selbst so gesagt – zum angeblichen Sponsoringskandal haben, hat wohl auch etwas damit zu tun, dass in wenigen Wochen in NordrheinWestfalen gewählt wird.

(Lachen und Widerspruch bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wir debattieren hier, und ich stelle fest, wir sitzen alle irgendwie im Glashaus. Das ist auch so gewollt und richtig, und es ist auch richtig, Frau Kollegin Hermenau, gelegentlich Dinge infrage zu stellen. Insofern nehme ich für meine Fraktion und meine Partei diese Debatte an. Ich wollte schon immer mal zum Thema Sponsoring sprechen.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin CDU-Mitglied und stellvertretender Landesvorsitzender der CDU. Sie haben recht, wir haben letztes Jahr 20 Jahre friedliche Revolution gehabt, wir haben dieses Jahr 20 Jahre deutsche Einheit und 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Die Demokratie – ich hoffe doch, dass wir uns wenigstens darin einig sind – schätzen wir als Wert, es gilt sie zu erhalten, und auch darum geht es in dieser Debatte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zunächst ganz in Ruhe – ich glaube, auch das verdient einmal ausgeführt zu werden –, wie sich Parteien finanzieren. Es ist unbestritten, dass nach deutscher Tradition in der Demokratie Parteien die wesentliche Rolle spielen. Sie werden durch staatliche Zuschüsse finanziert, die vom Wahlergebnis abhängig sind. Insofern verstehe ich es als Kompliment, Frau Hermenau, wenn Sie sagen, Sie quälen sich seit 20 Jahren mit der CDU in Sachsen herum.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich kann das verstehen, aber ich will auch sagen, da wir im letzten Jahr in Sachsen gewählt haben: Wir sind aus den Wahlen als Sieger hervorgegangen. Wir regieren deshalb jetzt mit der FDP gemeinsam. Ansonsten schlagen wir uns als Partei genauso herum wie jede andere. Wir haben einen Teil staatliche Finanzierung, je nach Wahlergebnis. Wir sind froh und dankbar, dass wir Mitglieder haben. Wir hätten gern mehr, insofern möchte ich die Gelegenheit nutzen,

(Lachen bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Sächsinnen und Sachsen einzuladen, bei uns mitzuarbeiten, Mitgliedsbeitrag zu zahlen,

(Beifall bei der CDU)

auch mal einen Samstag für einen Kreisparteitag zu opfern. Es wird auch in Parteien viel ehrenamtliche Arbeit geleistet. Darüber wird selten gesprochen, aber bei so einer Gelegenheit kann man das mal mit anführen. Abgeordnete zahlen Sonderbeiträge, auch das ist wenig bekannt. Ich sage mal eine Summe: so zwischen 300 und 800 Euro pro Monat, um Parteien zu finanzieren. Das ist ein wesentlicher Beitrag. Dazu kommen Spenden. Da wirbt man, da bettelt man. Ich bin sehr froh, dass es in unserem Land Bürger gibt, die für Parteien spenden. Früher war das auch die Wirtschaft. In den Neunzigerjahren – das war die Zeit, als ich Generalsekretär der Sächsischen Union war, deshalb kenne ich mich ein bisschen aus in Finanzierungsfragen – war man der Meinung, um mehr Transparenz herzustellen, sollte es der Wirtschaft nicht erlaubt sein, direkt für Parteien zu spenden, sondern nur Einzelpersonen. Es kann schon die Wirtschaft sein, aber es ist dann nicht steuerlich absetzbar.

Das hat im Sinne von mehr Transparenz dazu geführt, dass die Spenden nicht mehr so reichlich flossen. So hatte jede Partei die Aufgabe, sich zu überlegen, wie man solche Veranstaltungen wie Denkfabriken, aber auch entsprechende Parteitage finanzieren kann. Man wollte sich nicht nur in irgendeiner Turnhalle treffen, sondern erreichen, dass auch gut darüber berichtet wird. So ist einfach die Praxis. Das geht der CDU so wie anderen Parteien auch. Ich glaube, die Debatte hat vielleicht wegen der Tatsache, dass in Nordrhein-Westfalen Wahlen stattfinden, auch damit zu tun, dass die sächsische CDU außerordentlich erfolgreich ist, auch bei der Organisation von Sponsoring. Die Denkfabrik, an der ich selbst teilgenommen habe, konnte sich wahrlich sehen lassen.

Da meine Redezeit jetzt erst einmal zu Ende ist,

(Lachen bei den GRÜNEN)

würde ich mich in der zweiten Runde noch einmal zu Wort melden.

Danke schön zunächst.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Fraktion der CDU sprach Herr Kollege Flath. – Als Nächstes bitte ich die Linksfraktion; Herr Kollege Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat?“ Es ist eigentlich bedauerlich, dass man darüber überhaupt diskutieren muss, aber die CDU bietet immer wieder Anlässe dafür, dass das notwendig ist. Um die Frage gleich zu beantworten – und möglicherweise wird das den einen oder anderen Kollegen von der Union verwundern: Der Freistaat Sachsen gehört nicht der CDU,

(Beifall bei der Linksfraktion – Christian Piwarz, CDU: Wer hat denn das behauptet?)

er gehört den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land.

Ich weiß, manche in der CDU sehen das offenbar anders, viele haben inzwischen die Bodenhaftung verloren. Über 20 Jahre ist eine neue Staatspartei entstanden, die sich das Land zu ihrer Beute gemacht hat.

(Alexander Krauß, CDU: Die CDU ist durch Wahlen an die Macht gekommen und nicht wie die Linkspartei/SED!)

Beweise dafür gibt es in Hülle und Fülle. Man muss gar nicht unbedingt in die Vergangenheit zurückblicken. Selbst heute findet ein Ereignis statt, das tief blicken lässt. Antje Hermenau hat darauf hingewiesen. Vor dem Landtag ist ein Gerüst aufgebaut. Dort werden der CDUMinisterpräsident und der Landtagspräsident heute ein überdimensioniertes Transparent zur Erinnerung an 20 Jahre friedliche Revolution enthüllen. Zahlreiche Medienvertreter werden erwartet. Die Opposition wurde gleich gar nicht zu dieser Veranstaltung eingeladen. Das lässt für Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren, sehr tief blicken.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Auf dem Großbanner soll stehen: „Hier bestimmen Sie!“. Das, was die meisten CDU-Abgeordneten wirklich denken, haben sie sich natürlich nicht draufzuschreiben getraut. Eigentlich hätten Sie am liebsten draufgeschrieben „Hier bestimmt die CDU“. Deshalb haben Sie sich gestern auch nicht den Demonstranten gestellt. Deshalb mussten der Ministerpräsident und der Finanzminister erst durch die Opposition gezwungen werden, überhaupt an der Debatte über die geplanten Sozialkürzungen teilzunehmen.

Ich habe vorhin gesagt: „Die CDU hat sich das Land zu ihrer Beute gemacht.“. Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich exemplarisch am Beispiel der Sächsischen Schweiz zeigen. Fast alle wichtigen Institutionen in dieser Region sind von CDU-Leuten geführt – und zwar von Leuten, die nicht nur ein CDU-Parteibuch haben, sondern von Mandatsträgern: Bundestagsabgeordneten, Landtagsabgeordneten, Landräten, Bürgermeistern oder Stadträten, die dort das Sagen haben.

(Uta Windisch, CDU: Die sind alle gewählt worden!)

Ich kann aus Zeitgründen nur einige dieser Institutionen nennen: Tourismusverband, Deutsches Rotes Kreuz, Verwaltungsrat der Sparkasse, Volkshochschule, Kulturkonvent, Verkehrsverbund Oberelbe, Zweckverband Abfallwirtschaft, Kreissportbund, Aufsichtsrat Nahverkehrsgesellschaft, Festival „Sandstein und Musik“, wichtige Fußballvereine und, und, und.

Meine Damen und Herren, so sieht es fast überall in Sachsen aus. Deshalb sage ich: Wer will, dass man in diesem Land endlich wieder frei atmen kann, der muss den schwarzen Filz durchbrechen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Die Sponsoringaffäre des sächsischen Ministerpräsidenten ist nur eine logische Fortsetzung dieser Tendenzen. Ich bleibe dabei: Der Vorwurf der faktischen Käuflichkeit des Ministerpräsidenten im Interesse seiner Partei steht im Raum. Deshalb muss sich Herr Tillich aus meiner Sicht dazu heute hier erklären.

Herr Tillich, die Sponsoren haben doch nicht für ein Foto mit dem CDU-Landesvorsitzenden Geld bezahlt. Stattdessen wollten sie für ihre Publikationen ein Foto mit dem Ministerpräsidenten. Genau darin liegt der Missbrauch. Deshalb halten wir auch eine grundsätzliche Novellierung des Parteiengesetzes für dringend erforderlich, meine Damen und Herren. Ansonsten wird die Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft mittelfristig immer stärker werden. Herr Tillich hat zwar behauptet, er sei nicht käuflich. Durch die erfolgten Geldzahlungen ist er jedoch mindestens befangen. Genau das, meine Damen und Herren, ist nicht hinnehmbar.

Gestatten Sie mir zum Abschluss eine letzte Bemerkung. Herr Ministerpräsident – Sponsoring hin oder her –, ich sage Ihnen: Wenn Sie mit Ihrer Politik so weitermachen wie bisher, beispielsweise bei den Sozialkürzungen und allem, was Sie noch so angekündigt haben, dann wird es nicht mehr allzu lange dauern und Sie werden dafür bezahlen müssen, dass sich mit Ihnen überhaupt noch jemand fotografieren lässt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Kollege Hahn gesprochen. – Ich sehe eine Wortmeldung. Handelt es sich um eine Kurzintervention?

Jawohl, Herr Präsident, es ist eine Kurzintervention.

Zwei Minuten stehen dafür zur Verfügung. Dieses Instrument unserer Geschäftsordnung ist noch relativ neu. Deshalb füge ich diesen Zusatz noch einmal an: Zwei Minuten stehen dafür zur Verfügung. Darauf darf dann zwei Minuten eine Erwiderung erfolgen.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Hahn hat danach noch einmal Gelegenheit, auf meine Frage zu antworten.

Herr Hahn, geben Sie mir recht, dass in Berlin nie wieder so viele Unternehmen gegründet wurden wie im Zeitraum von Januar 1990 bis Ende März 1990 und dass das justament in diesem Zusammenhang aufgeteilte Vermögen der SED dabei eine gewisse Rolle gespielt haben könnte?

Das war eine Zwischenfrage und keine Kurzintervention.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei den GRÜNEN)

Ich denke, das war nicht das Instrument der Kurzintervention. Man sollte dies vielleicht für den nächsten Redebeitrag aufsparen.

Als Nächstes spricht die Fraktion der SPD, Herr Kollege Dulig.