Aber ich habe aus meiner Sicht einen Systemfehler deutlich gemacht, der existiert, und ich könnte jetzt jede einzelne Institution aus meinem Landkreis exemplarisch für Sachsen durchgehen. Wenn die Leute beim Sport sagen, es gibt eine Findungskommission, wird dann schon diskutiert: Entweder wird es der ehemalige Kreisrat der CDU oder es wird der ehemalige Beigeordnete der CDU aus dem anderen Kreis, der den Sportbund übernimmt.
Ich spreche das an, weil daran aus meiner Sicht tatsächlich deutlich wird, wie die CDU dieses Land begreift, diesen Staat begreift und wie sie versucht, alles zu dominieren. Genau das wollen wir als Linke nicht, und genau das verträgt eigentlich auch die Demokratie in unserem Lande nicht.
Und zwar will ich, da Nordrhein-Westfalen mehrmals angesprochen worden ist, auf Folgendes hinweisen: Es hat gestern die Debatte im dortigen Landtag gegeben. Der Ministerpräsident, Herr Rüttgers, hat sich dieser Debatte gestellt. Er hat die Position seiner Partei, seine Position zu den Vorgängen, auch seine Verantwortung dort klargestellt.
Ich erwarte – und das gehört sich gegenüber dem sächsischen Parlament –, dass sich der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen in gleicher Weise wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zu diesen Vorwürfen äußert. Das sind Sie auch den Bürgerinnen und Bürgern, die uns in dieses Parlament entsandt haben, schuldig. Ich fordere Sie ausdrücklich dazu auf!
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Hahn. Gibt es in dieser dritten Runde noch Redebedarf der anderen Fraktionen? Bei der SPD? – FDP? – GRÜNE? – Dann eröffnen wir eine vierte Runde und Kollege Piwarz ergreift für die CDU-Fraktion das Wort; bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den letzten Redebeitrag von Herrn Kollegen Hahn muss ich noch einmal zum Anlass nehmen, ans Mikrofon zu treten; denn es wird sehr deutlich aus dem, was Herr Hahn gesagt hat, worum es hier tatsächlich geht: Wir führen hier teilweise eine Neiddebatte.
Es ist bezeichnend, dass Herr Hahn ausgerechnet die Situation in der Sächsischen Schweiz darstellt. Und warum stellt er das dar? Wir erinnern uns an das Jahr 2009, da ist einer gestartet, wollte Ministerpräsident im Freistaat Sachsen werden. Er hat gegen den jungen Kandidaten der CDU mit 25 Jahren eindeutig verloren, und das kann er jetzt offensichtlich nicht verwinden. Das ist doch wohl die Wahrheit!
Der Titel dieser Aktuellen Debatte lautet ja: „… Wem gehört der Freistaat?“ Kommen wir noch einmal auf die Frage zurück – Kollege Herbst hat es schon völlig richtig gesagt: Er gehört den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land.
Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, wie sich diese Bürger seit 1990 in freien und geheimen Wahlen entschieden haben. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die CDU in allen Wahlen die deutlich stärkste Kraft ist. Ich will es noch einmal deutlich machen: Wir stellen im Sächsischen Landtag 58 von 60 Wahlkreisabgeordneten. Wir stellen im Deutschen Bundestag 17 von 17 Bundestagswahlkreisen. Wir haben zehn von zehn Landräten mit CDU-Parteibuch. Wir haben eine Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden. Wir haben fast 3 000 Stadt- und Gemeinderäte und nahezu 200 Bürgermeister, davon fast 150 im Hauptamt.
Das sind alles Menschen, Bürger, die von anderen mit einem Mandat in freien und geheimen Wahlen ausgestattet wurden, die das Vertrauen der Menschen in diesem Land genießen und die damit auch Verantwortung für dieses Land tragen. Das sollten Sie vonseiten der Opposi
tion auch zur Kenntnis nehmen, wenn es darum geht, die Rolle der CDU im Freistaat Sachsen zu bewerten.
Gibt es aus den Fraktionen heraus weiteren Redebedarf? – Für die einbringende Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Hermenau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Piwarz! Herr Kollege Hahn! „Neiddebatte“ ist wirklich nicht der Punkt, über den wir hier verhandeln, von beiden Seiten nicht. Ich bin der Meinung, wir sind hier auch nicht auf dem Schulhof beim legendären männlichen Größenvergleich.
Ich sehe folgendes Problem: Die Vielzahl der Mandate – diese haben Sie sich im Wahlkampf verdient; das hat niemand in Abrede gestellt und niemand hat gefordert, Sie sollten zurücktreten – gibt Ihnen nicht das Recht, sich aufzuführen, als gehöre der Staat Ihnen. Aber das tun Sie.
Dieser Unterschied ist Ihnen immer noch nicht klar geworden. Wir werden diese Aktuelle Debatte nicht in extenso ausdehnen können, aber Sie können sich sicher sein, dass es in Sachsen mehr Menschen gibt als hier in diesem Rund, die Interesse daran haben, Ihnen diese Frage immer wieder zu stellen. Die Zahl dieser Menschen wird wachsen. Ich sagte es vorhin schon: Die Älteren haben vielleicht noch ein gewisses historisches Restempfinden für die Situation vor 20 Jahren. Die Situation heute ist bei Weitem nicht so harsch wie damals, aber ein Hauch davon liegt in der Luft, und das werden Sie einatmen müssen.
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der NPD das Wort. Die weitere Reihenfolge gebe ich gleich wieder vor: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Trauermarsch der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland in Dresden am 13. Februar dieses Jahres wurde von zahlreichen ungezählten Rechtsbrüchen begleitet, nicht etwa nur von Rechtsbrüchen durch Blockierer und Störer, sondern auch von Rechtsbrüchen durch die Exekutive. Ich will heute die Gelegenheit nutzen, gerade darauf, auf diesen im Grunde genommen unglaublichen Vorgang, hinzuweisen. Natürlich will ich es nicht bei der Behauptung belassen, sondern dies auch nachweisen.
Ich zitiere zum Beispiel aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden, Beschluss Aktenzeichen 6 L 35/10, vom 5. Februar 2010. Dort trifft das Verwaltungsgericht folgende Feststellung: „Denn der auf § 15 Abs. 1 Sächsisches Versammlungsgesetz vom 20. 01. 2010 gestützte Auflagenbescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt
die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Beauflagung, anstelle des angemeldeten Trauermarsches eine stationäre Gedenkveranstaltung auf dem Schlesischen Platz durchzuführen, greift unzulässig in die durch Artikel 8 Grundgesetz gewährleistete Versammlungsfreiheit der Antragstellerin ein.“
So bewertet also das Verwaltungsgericht Dresden das Handeln der Versammlungsbehörde der Stadt Dresden.
Aber das ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Ich kann gleich als Zweites aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz, Aktenzeichen 2 L 61/10, vom 25. Februar dieses Jahres zitieren. Dabei ging es um eine Auseinandersetzung zwischen der NPD und der Stadt Chemnitz, auch wegen eines Trauermarsches. In dem Urteil heißt es: „Bereits die allein gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Verbotsverfügung grob rechtswidrig ist, ihre sofortige Vollziehung mithin auch das dem Antragsteller nach Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz zustehende Grundrecht der Versammlungsfreiheit offensichtlich verletzt.“
Weiter heißt es: „Die offenbar allein politisch motivierte Verfügung“ – gemeint ist: der Stadt Chemnitz – „erweist sich daher, wenn man sie überhaupt im Sinne des § 39
Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsdurchführungsgesetzes als hinreichend begründet ansehen wollte, als offensichtlich rechtswidrig.“
Dankenswerterweise wird im Pressespiegel des Sächsischen Landtages vom 1. März Prof. Dr. Christoph Enders zitiert, seines Zeichens Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Leipzig. Er führte in der „SZ“ aus: „Zum einen fragt sich, ob es (straf)rechtlich zulässig ist, zur Verdeutlichung einer Protesthandlung andere gezielt in der Ausübung ihrer Freiheit zu behindern …“
Er beantwortet diese Frage: „Diese Frage ist, bei Unklarheiten im Einzelnen, vom Bundesverfassungsgericht entschieden: Ein solches Verhalten ist rechtlich als Gewalt und damit strafbare Nötigung zu qualifizieren …“
Die zweite Frage, die er aufwirft und auch beantwortet, lautet: „Sind also solche Blockadeaktionen durch die Versammlungsfreiheit gerechtfertigt? Diese Frage ist für die hier angenommene Situation zu verneinen.“