Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 10. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages.

Zunächst darf ich unseren Geburtstagskindern herzlich gratulieren: Frau Staatsministerin von Schorlemer wünsche ich alles Gute.

(Beifall)

Unserem Kollegen Frank Heidan wünsche ich ebenfalls alles Gute und viel Gesundheit.

(Beifall)

Folgende Abgeordneten haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Mackenroth, Herr Dr. Schuster und Herr Nolle.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 5 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 75 Minuten, DIE LINKE bis zu 50 Minuten, SPD bis zu 30 Minuten, FDP ebenfalls bis zu 30 Minuten, GRÜNE bis zu 25 Minuten, NPD bis zu 25 Minuten, Staatsregierung bis zu 50 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können je nach Bedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Folgende Änderungsanträge zur Tagesordnung liegen mir vor: Der Tagesordnungspunkt 13, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Ihnen liegt in der Drucksache 5/1677 ein Einspruch des Abg. Herrn Apfel, NPD-Fraktion, gegen einen in der 9. Sitzung erteilten Ordnungsruf vor. Nach § 98 Satz 2 der Geschäftsordnung entscheidet der Landtag in dieser Sitzung ohne Beratung. Ich schlage Ihnen deshalb vor, dafür einen neuen Tagesordnungspunkt 13 vorzusehen. – Ich sehe, dass sich dagegen kein Widerspruch erhebt.

Meine Damen und Herren! Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt Ihnen in der Drucksache 5/1644 vor. Das Thema lautet: „Sofortiger Verarbeitungs- und Verwertungsstopp und unverzügliche Vernichtung der auf Grundlage der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010 für nichtig erklärten Vorschriften der Strafprozessordnung und des Telekommunikationsgesetzes erhobenen Daten“.

Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen; dann müsste der Antrag noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für die Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.

Ich bitte jetzt die Fraktion DIE LINKE um die Begründung der Dringlichkeit; Frau Bonk, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Guten Morgen! Um Missverständnissen vorzubeugen, sage ich es gleich vorab: Die Begründung der Dringlichkeit am Ende unseres Antrags bezieht sich auf § 53 der Geschäftsordnung, nicht auf § 54. Da ist uns ein Schreibfehler unterlaufen. Ich bitte das zu entschuldigen.

Ich möchte nunmehr zur Begründung der Dringlichkeit kommen. Das lang erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Telekommunikationsgesetz erging am 2. März. Deswegen konnte dieser Antrag von uns nur als Dringlicher Antrag auf die Tagesordnung gesetzt werden. Aber seitdem, meine Damen und Herren, steht die Staatsregierung in der Pflicht, dieses Urteil umzusetzen. Natürlich ist das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung mit Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar sind, außerordentlich zu begrüßen.

(Christian Piwarz, CDU: Zur Dringlichkeit!)

Mit der Entscheidung, dass die bisher geltende Regelung insgesamt – Zitat – „verfassungswidrig und nichtig“ ist, hat das BVG der ungebremsten Datensammelwut des Staates zunächst einen Riegel vorgeschoben und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses wiederhergestellt.

(Christian Piwarz, CDU: Zur Dringlichkeit!)

Ich komme dazu.

Dies zwingt nämlich nicht nur die Sicherheitsbehörden – hoffentlich – wieder auf den Boden des Grundgesetzes, sondern hebt auch den unbegründeten Generalverdacht gegenüber großen Teilen der Bevölkerung auf. Wir meinen, dass dadurch ein neuer Trend in Gang gesetzt wird, dem auch auf Landesebene zügig entsprochen werden muss.

(Alexander Krauß, CDU: Zur Dringlichkeit!)

Frau Kollegin Bonk, Sie müssten jetzt dazu kommen, die Dringlichkeit zu begründen, warum wir den Antrag hier und heute behandeln müssen.

Herr Präsident, ich habe versucht zu begründen, welch grundlegende Umstellung dieses Urteil zur Folge hat. Wir können uns vielleicht darauf einigen, dass einer spricht; dann werde ich so, dass auch Sie es verstehen können, die Dringlichkeit begründen.

Dieses Urteil muss auch auf Landesebene zügig umgesetzt werden. Ein Verarbeitungs- und Verwertungsverbot der Daten muss ebenso umgehend veranlasst werden wie die restlose Löschung der Daten, die sich bei den Behörden befinden und auf der Basis dieses Gesetzes erhoben wurden. Wir halten es auch für nötig, den Datenschutzbeauftragten in die Begleitung und Einschätzung der Um

setzung des Urteils einzubeziehen. Das können Sie unserem Antrag entnehmen.

Natürlich wird auch darüber zu diskutieren sein, wie die privatwirtschaftlichen Anbieter mit der veränderten Rechtsgrundlage umgehen. Wir wollen aber die Umsetzung dieser Schritte nicht dem Gang und den Mühlen der Verwaltung überlassen, –

Das war jetzt die Begründung der Dringlichkeit?

– sondern wir wollen eine Befassung – –

Frau Bonk!

Könnten Sie mich das bitte aussprechen lassen?

Ja, wenn Sie die Dringlichkeit begründen. Kommen Sie jetzt zum Schluss. Begründen Sie die Dringlichkeit; sonst entziehe ich Ihnen das Wort.

Das geht auf meine Redezeit.

(Christian Piwarz, CDU: Oh!)

Wir wollen die Umsetzung dieser Schritte nicht dem Gang und den Mühlen der Verwaltung überlassen, sondern wir wollen eine Befassung und Beschlussfassung des Landtages in dieser Sitzung. Denn die zügige Löschung aller – nunmehr unrechtmäßigen – Daten schuldet man nicht nur den über 30 000 Antragstellerinnen und Antragstellern, sondern jedem einzelnen Bürger und jeder einzelnen Bürgerin im Freistaat. Deshalb bitten wir darum, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war die Begründung der Dringlichkeit. – Jetzt sehe ich zwei Wortmeldungen. Ich beginne mit Herrn Kollegen Piwarz, CDUFraktion. Dann spricht Herr Kollege Dr. Gerstenberg, Fraktion GRÜNE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde ausdrücklich nur zur Dringlichkeit, aber nicht zu den Inhalten des Antrags der Linken sprechen. Ich glaube, das gehört sich so.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Man muss den Linken immerhin zubilligen, dass zumindest vom Zeitmoment her die Dringlichkeit sicherlich anzunehmen wäre, da das Urteil des Verfassungsgerichts in der Tat nach dem Einreichungsschluss für Anträge hier im Sächsischen Landtag erging. Etwas ist trotzdem verwunderlich: Das Urteil wurde am Dienstag verkündet, aber der Antrag ist erst am Montag hier eingereicht worden. DIE LINKE hat also eine Weile dafür gebraucht.

Der Antrag ist allerdings sachlich nicht dringlich. Das werde ich Ihnen wie folgt begründen: In Punkt 3 des Tenors seines Urteils verpflichtet das Bundesverfassungsgericht nur die Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste – diejenigen, die man landläufig als „Telekommunikationsanbieter“ bezeichnet –, Daten zu löschen. Das entspricht auch den Vorschriften der §§ 113a und 113b Telekommunikationsgesetz. Sie haben sich ja an die Telekommunikationsanbieter, nicht an Behörden gerichtet und sind dann vom Bundesverfassungsgericht in dieser Form für nichtig erklärt worden. Ich will ausdrücklich erklären, dass Behörden und andere öffentliche Einrichtungen hiervon nicht betroffen sind; insbesondere gibt es keine Pflicht zur Löschung von Daten, die bereits an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt wurden. Insofern passen hier Antrag und Urteil nicht so richtig zusammen.

Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, dass man sich die Frage stellen muss, warum sich denn gerade der Sächsische Landtag mit diesem Dringlichen Antrag befassen soll; denn weder das Polizeigesetz noch das Verfassungsschutzgesetz im Freistaat Sachsen enthalten irgendwelche Erhebungsbefugnisse hinsichtlich der bei den Diensteanbietern gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten.

Da aus unserer Sicht eine Zuständigkeit des Landtages aus diesem Grund nicht zu erkennen ist, besteht natürlich trotzdem die Möglichkeit, diesen Antrag zu diskutieren. Allerdings begründet es in keiner Weise in irgendeiner Art die Dringlichkeit, dieses heute noch im Laufe der Debatte zu tun. Deshalb werden wir den Dringlichen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als Nächster spricht Kollege Gerstenberg für die Fraktion GRÜNE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion sieht im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung einen großen Erfolg für den Datenschutz, vor allem für die Menschen, die sich dagegen gewehrt und der Verfassungsbeschwerde angeschlossen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Das Bundesverfassungsgericht hat aber klar und deutlich geurteilt. Die Rechtsgrundlagen der Vorratsdatenspeicherung verstoßen gegen Artikel 10 Abs. 1 Grundgesetz und sind damit nichtig. Alle Daten, die inzwischen gespeichert worden sind, sind unverzüglich zu löschen. Das entspricht auch unserer Forderung. Wir sehen nach diesem Urteil keinerlei Spielraum für die Behörden. Auch wenn dieser Antrag heute nicht behandelt wird, sind die Behörden verpflichtet, unverzüglich einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Es bedarf insbesondere nach unserer Auffassung keines Beschlusses des Landtages, um die Staatsregierung zur sofortigen Umsetzung des Urteils zu veranlassen. Das würde dieses Urteil abwerten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Etwas anderes als die Umsetzung ist natürlich die Frage der Kontrolle. Hier ist es allerdings so – das hat mein Vorredner bereits erläutert –, dass die Telekommunikationsunternehmen vom Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar kontrolliert werden; die Zuständigkeit des Sächsischen Datenschützers ist hier nicht gegeben.

Bezüglich der bereits an die Staatsanwaltschaft übermittelten Vorratsdaten halten wir es für erforderlich, auch dort zu kontrollieren.

Wenn Sie mit Ihrem Antrag nun für einen Bericht bis zum 30.06.2010 Zeit geben wollen, dann spricht das wiederum nicht für die Dringlichkeit. Dieser Sächsische Landtag mit all seinen Fraktionen und Abgeordneten hat andere Instrumente, die schneller und wirksamer sind. Deshalb lehnen wir die Dringlichkeit ab.