tun gehabt; dann hätte man nämlich die Zusammenhänge erkannt und hätte nicht gehandelt. Man musste sich aber erst einmal die Zusammenhänge erschließen.
Es ist einfach, mit dem Wissen von heute zu sagen, wo die Zusammenhänge gewesen sind. Wenn man erst einmal die Zusammenhänge erkennen muss, dann findet man etwas, was man vielleicht bei der ersten Suche nicht gefunden hat – so bedauerlich das manchmal auch ist.
Frau Köditz, wenn Sie hier die Untersuchungsarbeit aufgreifen, die wir im Untersuchungsausschuss geleistet haben, möchte ich betonen: CDU und FDP haben alle Ihre Beweisanträge mitgetragen. Wir haben uns enthalten. Wir haben es bei keinem Beweisantrag weggestimmt.
Wir haben bei keinem Antrag von Ihnen dafür gesorgt, dass er so verschoben wird, dass wir ihn nicht behandeln konnten, weil wir jederzeit Ihre Rechte, die Sie als Opposition in einem Untersuchungsausschuss haben, gewahrt haben. Wir haben uns in Obleuterunden, die manchmal nicht ganz erfreulich waren von ihrer Dauer und von ihrem Ablauf her, darauf verständigt, wie wir möglichst schnell vorankommen und wie wir die Zeugen dann hören.
Und – das muss man hierbei auch einmal sagen – wir haben hier ein Verfahren gewählt, mit dem wir jeder Fraktion so viel Raum zum Fragen gegeben haben, wie sie gern fragen möchte. Sie haben davon ausführlich Gebrauch gemacht, Frau Köditz, und darin liegt auch zum Teil begründet, dass wir einige Zeugen nicht mehr hören konnten. Wenn wir uns auf ein Verfahren verständigt hätten, wie es beispielsweise der Bundesuntersuchungsausschuss gemacht hat, dann hätten wir ein ganzes Stückchen mehr bewältigen können, aber dann hätten wir vielleicht mal das eigene „Hobby“ nicht ganz so weit ausleben können.
Für mich als Obmann meiner Fraktion gibt es zwei wesentliche Schlussfolgerungen, die aus der Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss zu ziehen sind: Behörden des Freistaates Sachsen haben dem NSU-Trio keine Unterstützung beim Untertauchen und beim Verbergen oder sogar beim Begehen und Vertuschen von Mordtaten geleistet.
Zweitens. Anders als Sie, Frau Köditz, möchte ich mir in der Gesamtschau des Materials nicht anmaßen, zu der Feststellung zu kommen, dass es frühzeitig möglich gewesen wäre, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in Sachsen zu fassen. Es gibt nicht die Entscheidung, die die Behörden hätten anders treffen können oder müssen, und alles wäre anders gekommen.
Wir müssen heute aufpassen – und da wiederhole ich mich gern –, dass wir nicht mit dem Wissen von heute das Wissen der Vergangenheit bewerten. Das Trio war damals unbekannt – bis zu dem Selbstaufdecken, als in Zwickau die Explosionen waren. Die Behörden mussten damals
noch nicht davon ausgehen, dass es sich um ein rechtsextremistisches Terrornetzwerk handelt; sondern man ist erst einmal davon ausgegangen, dass man Einzeltaten hat, dass man Banküberfälle und Mordfälle hat und dass es ein Trio gab, das vor sehr langer Zeit in Thüringen abgetaucht ist.
Völlig abwegig und ungeheuerlich sind die Ausführungen, die wir hier teilweise von der NPD-Fraktion zu dem Thema gehört haben, wo von einem geheimdienstlichen Terrornetzwerk gesprochen und versucht wird, dem Staat anzuhängen, dass er dieses Netzwerk praktisch erfunden habe, um hier die Bekämpfung von Rechtsradikalismus zu legitimieren.
Meine Damen und Herren, eine Erkenntnis zieht sich für mich wie ein roter Faden durch die Ausschussarbeit und wird immer wieder erneuert von Zeugenaussagen von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes und der Polizei: Bei der jahrelangen Suche nach dem Aufenthaltsort der drei Gesuchten fand nur eine ungenügende Zusammenarbeit der verschiedenen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden statt. Eine zentrale Koordination der Maßnahmen hat es nicht gegeben. Informationen wurden nicht oder nur ungenügend ausgetauscht und erst recht nicht zusammengeführt.
Es gab vielfach die Situation, dass Behörden nur ein kleines Puzzleteilchen eines Mosaiks vorlag und sie deshalb nicht das Gesamtbild erkennen konnten. Dies hatten wir allerdings schon in dem Abschlussbericht der PKK festgestellt.
Anhaltspunkten wurde in Teilen nicht mit der genügenden Gründlichkeit nachgegangen; vor allem wurde das Unterstützerumfeld des Trios aus dem Netzwerk „Blood & Honour“ oder der „Kameradschaft Weißes Erzgebirge“ nicht erkannt. Das sind Versäumnisse, die damals aufgetreten sind. Heute können wir das erkennen, weil wir den Gesamtzusammenhang sehen.
Es gab noch andere Versäumnisse. Meine Vorredner haben sie teilweise schon angesprochen, aber auch ich möchte sie ausdrücklich noch einmal nennen, weil wir sonst in dem Verdacht stehen, die Sachen nicht klar genug aufzudecken.
Das LKA Sachsen war nicht über die Observationsmaßnahmen im Hinblick auf die Fahndung im Zusammenhang mit den „Kripo live“-Sendungen von 1998 und 2000 informiert. Informationen des Verfassungsschutzes Thüringen, dass die Untergetauchten kein Geld mehr benötigten, wurden nicht nach Sachsen weitergegeben, obwohl
Ebenfalls flossen keine Informationen, wenn eine Behörde auf dem Territorium eines anderen Bundeslandes tätig gewesen ist. Man hat denjenigen, die dort unterwegs waren, einfach nicht gesagt, welche Erkenntnisse man selbst hatte.
Neben diesen Problemen, die in einigen Berichten schon aufgetaucht sind, möchte ich einen persönlichen Eindruck aus der Zeugeneinvernahme durch den Untersuchungsausschuss vortragen. Wenn ich in Erinnerung rufe, was in einer Zeugenaussage über die Personalrekrutierung im Landesamt für Verfassungsschutz Anfang der Neunzigerjahre gesagt wurde, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, was wir als Ergebnis erhalten haben. Wenn ich mir einige vernommene Polizeibeamte in Erinnerung rufe, dann frage ich mich, ob diese ihren Fähigkeiten und ihrer Eignung entsprechend eingesetzt wurden.
Was sind nun die Schlussfolgerungen aus diesen festgestellten Mängeln? Die einsetzende Opposition unterbreitet bekanntlich Vorschläge. So will DIE LINKE das Landesamt für Verfassungsschutz als „unreformierbar“ abschaffen; wir haben es gerade eben wieder gehört. Dafür gab es nur Applaus von der NPD – die wissen, warum –, nicht einmal von Ihrer eigenen Fraktion.
Diesen Vorschlag hatten Sie bereits im Laufe der letzten Haushaltsverhandlungen unterbreitet. Sie werfen dem Verfassungsschutz vor, sein Wirken könne niemals transparent sein. Zugegeben: Vollkommene Transparenz des Verfassungsschutzes werden wir nie haben. Das verträgt sich auch nicht mit dessen Aufgabe. Aber, meine Damen und Herren, wir haben eine wehrhafte Demokratie. Einer wehrhaften Demokratie müssen wir Mittel in die Hand geben, damit sie sich schützen kann. Dazu gehört nun einmal die Beobachtung von Extremismus.
Ich möchte es noch einmal deutlich sagen: Das ist nicht nur eine Frage des Extremismus von rechts. Wir müssen weiterhin auch auf dem linken Auge wachsam sein. Wir dürfen nicht den Fehler machen, der teilweise in der alten – Bonner – Republik gemacht wurde: nur auf den Linksterrorismus zu sehen und auf dem rechten Auge blind zu sein. Wir dürfen jetzt nicht komplett umschwenken und uns nur noch „rechts“ anschauen.
(Unruhe bei den LINKEN und den GRÜNEN – Eva Jähnigen, GRÜNE: Früher gab es noch Liberale! Das ist lange her!)
Deshalb muss man genau nachschauen, ob es auch in anderen Bereichen Bestrebungen gibt, die sich extremistisch entwickeln können.
Auch der Vorschlag der GRÜNEN, das Landesamt für Verfassungsschutz zumindest teilweise durch ein Institut für Demokratieforschung zu ersetzen, kommt mir sehr bekannt vor. Aber auch das ist letztlich nichts anderes als
die Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz, da die Forschungseinrichtung ohne nachrichtendienstliche Mittel arbeiten würde. Das funktioniert meines Erachtens nicht.
Diese Vorschläge sind als Konsequenzen aus den Versäumnissen in der NSU-Affäre nicht tauglich. Was wir hier brauchen, sind eine viel stärkere Analysefähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz sowie eine verstärkte föderale Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden.
Genau diese Maßnahmen finden sich derzeit schon in den Empfehlungen der sogenannten Harms-Kommission; sie werden entsprechend umgesetzt.
Lassen Sie es mich an dieser Stelle wiederholen – ich habe es im letzten Plenum schon gesagt –: Ich bin sehr froh darüber, was sich in den letzten Monaten im Landesamt für Verfassungsschutz an Umstrukturierungsmaßnahmen ergeben hat, wie dieses Amt jetzt arbeitet und dass es offen kommuniziert.
Maßnahmen wie die Schaffung eines bundesweiten Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechts oder eines Gemeinsamen Informations- und Analysezentrums von Landeskriminalamt und Verfassungsschutz sind in Arbeit bzw. werden bereits umgesetzt. Auch das ist eine Konsequenz aus dem, was wir hier an Versäumnissen erkannt haben.
Ich persönlich würde noch einen Schritt weitergehen und dazu auffordern, zu überdenken, ob es heute noch sinnvoll ist, 16 selbstständige Landesämter für Verfassungsschutz zu haben oder ob man diese nicht zusammenführen sollte, und zwar auch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst.
Meine Damen und Herren! Extremisten machen nicht an den Grenzen von Bundesländern halt. Das haben wir auch im NSU-Komplex gesehen. Es war denen egal, ob sie in Thüringen oder in Sachsen waren. Aber es haben zwei Behörden ganz unterschiedlich gearbeitet, und man hat die Erkenntnisse nicht zusammenführen können.
Wünschenswert ist für mich auch die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes. Dies wird auch in dem Harms-Bericht kurz angesprochen. Wir täten gut daran, wenn wir in der nächsten Legislaturperiode darüber nachdenken würden, wie wir die parlamentarische Kontrolle besser bewerkstelligen können.
Abschließend möchte ich eines bemerken: Wir sollten nicht darüber spekulieren, ob das Vorliegen einer vorbildlichen bundesweiten Zusammenarbeit, länderübergreifender Information und ausgebauter Kontrolle dazu geführt hätte, dass dieses Trio hätte ergriffen werden können. Das wäre Spekulation; daran möchte ich mich nicht beteiligen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesok, zwei kurze Vorbemerkungen zu Ihnen: Ich glaube, die Geschichte der 68er Bewegung arbeiten wir gesondert auf; ich schaffe es nicht in zehn Minuten, so viel Unwissenheit zu heilen.
Die zweite Vorbemerkung: Sie haben der Kollegin Köditz vorgeworfen, sie sei gegen die Extremismustheorie, damit linksextremistische Organisationen im Freistaat Sachsen weiterhin Staatsknete in Empfang nehmen könnten. Sie wissen genauso gut wie ich – das hat der Innenminister im Sächsischen Landtag auf meine mündliche Anfrage hin protokollfest bestätigt –, dass im Freistaat Sachsen zu keinem Zeitpunkt Fördermittel an linksextremistische Organisationen geflossen sind.
Was Sie hier behauptet haben, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit. Ich finde es unwürdig, dass Sie im Rahmen der Befassung mit diesem Abschlussbericht diese Unwahrheit noch einmal explizit in den Raum gestellt haben.
Kollegin Köditz hat gegen die Extremismustheorie geredet, weil sie wissenschaftlich nicht haltbar ist. Das ist wissenschaftlicher Konsens, jedenfalls soweit man sich außerhalb des Territoriums des Freistaates Sachsen begibt.
Aber kommen wir zu dem vorliegenden Bericht. Wir haben zwei Jahre lange intensiv gearbeitet. Es ist eines sehr deutlich geworden: Die Staatsregierung hat seit Anbeginn des Auffliegens des NSU immer wieder das Bild gemalt, die sächsischen Behörden hätten im Grunde alles richtig gemacht. Die Schuld sei in Thüringen zu suchen, weil die dortigen Behörden nicht ausreichend informiert hätten. Auch Herr Biesok hat gerade wieder versucht, diese Behauptung ein Stück weit hochzuziehen.