Für die einbringende Fraktion der CDU sprach gerade Kollege Mackenroth. Für die FDP-Fraktion schließt sich jetzt Frau Kollegin Jonas an.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten! Der Schutz, die Hilfe und die Unterstützung von Opfern von Gewalt ist eine der zentralen Aufgaben unserer Gesellschaft. Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes implizieren eben nicht nur die Verbrechensprävention und die Kriminalitätsbekämpfung, sie stehen auch für die notwendige Fürsorge und Unterstützung.
Es mag bezeichnend für unser Gemeinwesen sein, wenn die Strafverfolgung eine hohe Aufklärungsquote nachweisen kann, sich die Leidtragenden aber nicht trauen, als Opfer öffentliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Zahlen sprechen hier leider eine sehr deutliche Sprache. Laut Kriminalitätsstatistik 2013 wurden im Freistaat Sachsen 38 308 Opfer registriert, davon 3 552 Kinder und 2 645 Jugendliche. Dennoch haben nur 1 500 Betroffene das Angebot einer Beratung der Opferhilfe Sachsen in Anspruch genommen. Das sind – da werden Sie mir sicher zustimmen – nur sehr wenige im Vergleich zur Gesamtopferzahl. Daher ist es unsere Aufgabe, unsere Hilfsstrukturen in diesem sensiblen Bereich fortwährend zu überdenken und so weit wie möglich zu verbessern. Dies ist keine leichte Aufgabe angesichts der vielfältigen psychologischen, sozialen, strukturellen und auch finanziellen Probleme, in denen sich Opfer, Angehörige, Leistungsträger und der Staat gegenüberstehen. Diese Bedingungen entbinden uns jedoch nicht von dieser Aufgabe, sondern fordern vielmehr dazu auf, gemeinsam und vor allem vernetzt vorzugehen.
An dieser Stelle richte ich meinen Dank an den sächsischen Justizminister und die Sozialministerin für ihre bisher geleistete Arbeit.
Die Unterstützung der Opferberatungsstellen oder – um nur ein Beispiel zu nennen – der Beschluss der jüngsten Justizministerkonferenz zum Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung und die erklärte Absicht, intensiv daran zu arbeiten, dass Opferrechte in übersichtlicher Form zur Verfügung stehen, sind wichtige Maßnahmen, um dieses Hilfssystem effektiver zu machen, und die ersten richtigen Schritte nach vorn.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag möchten wir ein wichtiges Feld aus dem Bereich der Opferhilfe herausgreifen und damit konkret einen Verbesserungsvorschlag unterbreiten. Es geht um eine effektive und vernetzte Hilfe für traumatisierte Opfer. Ziel muss sein, traumatisierte Opfer von Straftaten als solche schnell zu erkennen und erforderlichenfalls rasch eine traumatherapeutische Behandlung aufzunehmen. Natür
Niemand, der ein Opfer von Gewalt ist und Anspruch auf eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz hat, sollte sich angesichts der leidvollen Erfahrungen und in seiner psychischen und emotionalen Lage noch mit zusätzlichen komplizierten Anträgen auseinandersetzen oder lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen.
Was können wir tun? Mit unserem Antrag unterbreiten wir zwei konkrete Änderungs- und Verbesserungsvorschläge. Zum einen brauchen wir jene vernetzte Opferversorgung, zum anderen brauchen wir die Kliniken mit ihren entsprechend ausgestatteten traumatherapeutischen Ambulanzen, die vom Opfer direkt oder über die Vermittlung der Opferhilfe aufgesucht werden können, in welcher der oder die Betroffene unmittelbar untersucht und gegebenenfalls behandelt werden kann.
Doch dazu bedarf es aus unserer Sicht nur Kooperationsvereinbarungen zwischen den beispielsweise im Traumanetzwerk Sachsen arbeitenden Kliniken, niedergelassenen Psychotherapeuten und den für die Opferentschädigung zuständigen Versorgungsträgern. Dass das möglich ist, haben uns Beispiele auch aus anderen Bundesländern gezeigt.
Zum anderen sehen wir einen Verbesserungsbedarf beim Opferentschädigungsgesetz. Hierzu ersuchen wir die Staatsregierung, die Verfahren zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Warum das wichtig ist, hatte ich Ihnen und auch mein Kollege schon deutlich gesagt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hier realisiert werden soll, ist nicht die begleitende und unterstützende Beratung und Hilfeleistung, sondern es ist die medizinisch-psychotherapeutische Behandlung des
Opfers einer Straftat. Mit unserem Antrag regen wir an, dass über diese Kooperationsvereinbarung die Behörden und Einrichtungen des Opferschutzes in Sachsen noch enger zusammenarbeiten und eine flexible, bedarfsgerechte Leistung für traumatisierte Opfer zur Verfügung stellen.
Ich bitte Sie daher, auch im Namen meiner Fraktion und der einbringenden Fraktion, diesen Antrag zu unterstützen.
Für die FDP-Fraktion war das Frau Kollegin Jonas. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Kollegin Gläß.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Koalitionsfraktionen, mit Ihrem Antrag fordern Sie die Staatsregierung auf, eine effektive und vernetzte Hilfe für traumatisierte Opfer von Gewalt zu ermöglichen. Neben der üblichen Berichterstat
tung werden sehr wichtige Forderungen an die Staatsregierung gerichtet, zum Beispiel, dass von Straftaten traumatisierten Opfern ein Zugang zu Anlaufstellen vermittelt wird, in denen traumatherapeutisch ausgebildete Fachkräfte verfügbar sind, dass Kooperations- und Koordinationsdefizite zwischen den öffentlichen und privaten Hilfseinrichtungen der Opferhilfe vermieden werden müssen und dass eine vernetze Opferversorgung durch Kooperationsvereinbarung erreicht werden muss.
Diese Forderungen sind richtig, denn vieles steht bis jetzt nur auf dem Papier oder im Internet, wenn man zum Beispiel ins „Traumanetzwerk seelische Gesundheit“ schaut. Ich glaube, ein traumatisiertes Gewaltopfer hat oft nicht die Kraft, sich im Internet sachkundig zu machen. Warum aber, liebe Mitglieder der Fraktionen von CDU und FDP, wurde es von Ihrer Staatsregierung bis jetzt noch nicht getan? Eine Berichterstattung bis zum 31.08. an den Sächsischen Landtag kann man eigentlich nur als Witz ansehen.
Dabei ist es im Freistaat enorm wichtig, die Hilfen für Gewaltopfer auszubauen und zu vernetzen. Wir brauchen Angebote für Frauen und Kinder, die Gewalt in der Familie erlebt haben, für Opfer rechter Gewalt, besonders für Opfer mit Migrationshintergrund, wir brauchen Hilfe für Betroffene von Zwangsprostitution und Menschenhandel, aber auch für traumatisierte Flüchtlinge. Hierfür sind Dolmetscher ebenso notwendig, sowohl in den Großstädten, aber auch in den grenznahen Gebieten.
Traumatisierte Opfer von Gewalttaten – gleich welcher Art – bedürfen sofortiger Hilfe, eines Ansprechpartners vor Ort und vor allem niederschwelliger Angebote. Auch das wurde schon von meinen Vorrednern betont. Oftmals ist die erste Anlaufstelle der Hausarzt; dieser kann zwar Erste Hilfe leisten, aber die Opfer brauchen die Hilfe von Spezialisten.
Psychotherapeuten, besonders für Kinder und Jugendliche, sind in Sachsen fast „Mangelware“, könnte man sagen, und schon heute überfordert. Wartezeiten von einem halben Jahr und länger sind keine Seltenheit. Das geht bei traumatisierten Gewaltopfern überhaupt nicht. Eine Übergangslösung wäre vielleicht eine Art Notsprechstunde, ähnlich der Sprechstunde für Schmerzpatienten beim Zahnarzt.
Oft verhindern Scham und Schuldgefühl, dass sich Opfer sofort Hilfe suchen. Meist liegt es daran, dass sie die psychischen Folgen der Tat zunächst nicht einschätzen können. Aber auch dann ist eine sofortige Hilfe notwendig. Hierfür müssen auch Polizistinnen und Polizisten sensibilisiert werden. Es müssen Angebote gemacht werden. Oftmals reicht vielleicht sogar ein kleines Kärtchen mit einer Telefonnummer oder einer Adresse.
Besonderes Augenmerk – ich betonte es schon – muss auf Kinder und Jugendliche gelegt werden. Bei ihnen können schwere, bleibende Schäden entstehen. Somit sind auch Pädagoginnen und Pädagogen, Einrichtungen der Jugendhilfe oder entsprechende Informationen in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern notwendig. Polizei, Jugend
ämter, Sozialämter, ehrenamtliche Opferberatungsstellen wie der Weiße Ring oder die Opferberatung der RAA, die Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt, auch Frauenschutzeinrichtungen oder das Antidiskriminierungsbüro in Sachsen müssen vernetzt zusammenarbeiten.
Die Eröffnung der Traumaambulanz der Uniklinik Dresden am Freitag ist ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung des heute zu beschließenden Antrags. Die Ambulanz ist ein spezialisiertes Angebot der Diagnostik, der Beratung, der Unterstützung und der Behandlung von Menschen, die unter psychischen Folgen von extremen Belastungserfahrungen leiden. Die Kosten für die Leistungen der Traumaambulanz – so ist es auf der Internetseite zu lesen – werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen. Es kommt für alle traumatisierten Opfer darauf an, dass solche Krankenkassenangebote – wie soll man es sagen? – barrierefrei sind, also nicht erst Überweisungen eingeholt oder andere Zugangsvoraussetzungen vorhanden sein müssen.
Für Opfer von Gewaltdelikten übernimmt nach einer neuen Vereinbarung der Kommunale Sozialverband Sachsen auf der Basis des Opferentschädigungsgesetzes die Kosten. Wie aber im Antrag richtig begründet und hier schon gesagt, muss das den Behörden und Rechtsanwälten bekannt sein, denn nur so ist für Betroffene eine spürbare Hilfe bei der Bewältigung körperlicher, seelischer und wirtschaftlicher Tatfolgen möglich.
Die Traumaambulanz in Dresden und die angesprochenen Ambulanzen in anderen Städten oder zumindest die im Aufbau begriffenen sind nur ein erster Schritt. Angebote in weiteren Städten und besonders im ländlichen Raum müssen folgen.
Zum Schluss noch eines: Für den im Antrag geforderten Ausbau der Beratungsangebote und die Vernetzung müssen die notwendigen Finanzen unbedingt bereitgestellt werden. Sie müssen im neuen Haushaltsplan eingeplant werden. Denn nur so ist die Umsetzung der im Antrag aufgemachten Forderungen – wenn diese nicht wieder nur auf dem Papier stehen sollen und ernst gemeint sind – möglich. Unsere Fraktion wird diesem Antrag zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der vorliegende Antrag in seiner Begründung feststellt, dass derzeit eine professionelle und flächendeckende Versorgung schwer traumatisierter Opfer, vor allem Kinder und Jugendlicher, nicht gewährleistet ist, dann ist das eine unbefriedigende, aber eine durchaus zutreffende Feststellung.
Wer noch die März-Plenarsitzung im Kopf hat und sich an den Antrag der Fraktionen DIE LINKE und der SPD zu
den Hilfen für Opfer häuslicher Gewalt erinnert, wird sich wundern, weil in dieser Debatte weder Herr Krauß noch Frau Schütz oder Frau Clauß einen Handlungsbedarf sahen. Man wundert sich dann schon, wenn man trotzdem weiter in der Begründung zum vorliegenden Antrag liest: „Es fehlt im Freistaat Sachsen ein integriertes, vernetztes und vor allem flächendeckendes Opferhilfenetzwerk, das eine schnelle und adäquate Hilfe gewährleistet. Die traumaspezifische Versorgungssituation ist nicht befriedigend.“
Das ist alles richtig. Man fragt sich nur, wer in den vergangenen Jahren in diesem Land die Verantwortung für die Gestaltung dieses Bereiches getragen hat.
Warum sich der Antrag auf die traumatherapeutischen Versorgungsangebote und die psychosoziale Betreuung konzentriert, kann ich mir mit der Eröffnung der Traumaambulanz in Dresden am Freitag erklären, inhaltlich ist es jedoch bei dem Thema zu kurz gegriffen.
Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um Frau Dr. Schellong und ihrem Team für den Start der Traumaambulanz in Dresden und für die weitere Arbeit alles Gute zu wünschen.
Aber zurück zum Antrag. Es wäre nicht nur wünschenswert, sondern notwendig gewesen, wenn der Antrag auch andere Akteure stärker ins Blickfeld genommen hätte. Denn wenn man sich anschaut, mit welchen Stellen sich Frauen, Männer und Kinder, die Opfer einer Straftat geworden sind, regelmäßig als Erstes konfrontiert sehen, dann sind das nicht die Opferberatungsstellen oder Einrichtungen wie Traumaambulanzen, sondern es sind staatliche Stellen. Regelmäßig sind es Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte oder sonstige Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, mit denen die Opfer als Erstes in Kontakt kommen.
Kümmern Sie sich bitte auch um diese, indem Sie die EUOpferschutzrichtlinie möglichst zügig und nicht erst Ende 2015 umsetzen. Auch das ist die Voraussetzung dafür, dass wir eine flächen- und vor allem institutionenübergreifende Kooperation in Sachen Opferschutz bekommen.
Ich hoffe dann, ähnlich wie Frau Gläß, dass der Antrag auch haushaltsrelevante Folgen hat. Die Forderung nach einem flächendeckenden Angebot der Traumaambulanz steht ja nur in der Begründung und mit den derzeit eingestellten 100 000 Euro werden Sie da nicht so weit kommen. Ich verweise auch auf die nicht ausreichende Förderung der bestehenden Beratungs- und Hilfsangebote vor allem im Bereich häusliche Gewalt, weil dort seit 2007 die Förderhöhen trotz steigender Inanspruchnahme nicht verändert worden sind.
Ich möchte auch an dieser Stelle an die letzte Haushaltsberatung erinnern und an die von den Fraktionen FDP und
CDU durchgezogene, ich möchte sagen wirklich schäbige Kürzung der Mittel für die Beratungsstelle KobraNet, der Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Zum Glück wurde die Arbeit dieser Beratungsstelle noch gerettet, weil das Ministerium dafür Mittel zur Verfügung gestellt hat. Aber das war wirklich kein Glücksgriff von CDU und FDP.
Diese Dinge gehören genauso zum Thema Opferschutz und zur Hilfe für traumatisierte Opfer. Wir werden dem Antrag dennoch zustimmen und in den nächsten Monaten und spätestens zur nächsten Haushaltsberatung daran erinnern.