Dagmar Neukirch
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor auch ich meinen Redebeitrag zu Protokoll gebe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums meinen Dank auszusprechen. Wir hatten wenig Zeit für die Beratungen, aber ganz viele Fragen und Bitten, die umgehend und umfassend beantwortet wurden. Ich weiß, dass es eine Fleißarbeit gewesen ist. Deshalb an dieser Stelle ein Dankeschön.
Ich gebe meinen Redebeitrag zu Protokoll.
Psychische Erkrankungen sind weit verbreitet und fuhren derzeit zu einer der akutesten medizinischen Versorgungsproblematiken. Insbesondere das ambulante System der medizinischen und komplementären Hilfen steht vor sich weiter ausdehnenden Bedarfen. Vor diesem Hintergrund ist das vorliegende Gesetz zur Änderung der Hilfen und Unterbringung bei psychischen Erkrankungen zu bewerten.
Der Gesetzentwurf erreichte uns leider erst kurz vor Ende der Legislaturperiode, sodass auch, im Rückblick betrachtet, die Zeit äußerst knapp bemessen war, um sich wirklich tiefgründig mit den zu regelnden Sachverhalten und bewertend mit den vorgeschlagenen Regelungen zu beschäftigen. Die kurzfristig anberaumte Anhörung hinterließ einige grundsätzliche und viele konkrete Fragen.
An der Stelle möchte ich ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums danken, die die vielen Fragen von uns und den GRÜNEN umgehend und ausführlich versuchten zu beantworten. Ich weiß, dass dies eine große Herausforderung auch für das Ministerium darstellte. Jedoch wurde dem sich daraus ergebenden Diskussionsbedarf in den folgenden Ausschussberatungen zu wenig Raum eingeräumt, sodass leider bei mir und meiner Fraktion weiterhin Zweifel bestehen. Der in der letzten Ausschusssitzung vorgelegte Änderungsantrag, der dann in der Sitzung noch korrigiert werden musste, hat nicht dazu beigetragen, die Zweifel auszuräumen.
Mit dem Änderungsantrag konnten einige Probleme behoben werden, insbesondere die Berichterstattung. Auch einige andere vorgesehene Maßnahmen, dass zum Beispiel Zwangsbehandlungen tatsächlich nur als Ultima Ratio zum Einsatz kommen, finden wir vorbildlich.
Aber für uns ist deutlich geworden, dass man den Sachverhalt der Behandlung gegen den natürlichen Willen – Zwangsbehandlung – eben nicht losgelöst von Versorgungs- und Ausstattungs- sowie der Fachkraftproblematik betrachten kann. Natürlich kann man dies nicht alles im vorliegenden Gesetz regeln. Man sollte es aber soweit wie möglich einbeziehen. Dass die Förderrichtlinie für die komplementären und ambulanten Strukturen erst 2015 geändert und angepasst werden soll, ist in diesem Zusammenhang bedauerlich.
Der letzte Bericht der Besuchskommission hat eindeutig belegt, dass es hinsichtlich der personellen und baulichen Ausstattung sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Psychiatrie Mängel gab. Einige Sachverständige in der Anhörung sowie schon seit geraumer Zeit die kommunale Ebene weisen nachdrücklich darauf hin, dass
auch die Finanzierung des ambulanten Bereichs nicht mehr ausreichend ist. Natürlich ist es genau der ambulante Bereich mit den Kriseninterventionen und den frühzeitigen Hilfen und Therapiemöglichkeiten, der Zwangsbehandlungen am ehesten vermeiden und dem vorbeugen kann. Die Ausstattung genau dieses Bereiches jetzt auszublenden – das ist an der Stelle auszublenden – halten wir für nicht zielführend, wenn wir es mit der Umsetzung der UN-BRK und der Vermeidung von Zwangsbehandlungen tatsächlich ernst meinen.
Trotz der positiven Ansätze und Maßnahmen wird die SPD-Fraktion angesichts der beschriebenen offenen Fragen und rechtlichen Zweifel dem Gesetzentwurf heute so nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der vorliegende Antrag in seiner Begründung feststellt, dass derzeit eine professionelle und flächendeckende Versorgung schwer traumatisierter Opfer, vor allem Kinder und Jugendlicher, nicht gewährleistet ist, dann ist das eine unbefriedigende, aber eine durchaus zutreffende Feststellung.
Wer noch die März-Plenarsitzung im Kopf hat und sich an den Antrag der Fraktionen DIE LINKE und der SPD zu
den Hilfen für Opfer häuslicher Gewalt erinnert, wird sich wundern, weil in dieser Debatte weder Herr Krauß noch Frau Schütz oder Frau Clauß einen Handlungsbedarf sahen. Man wundert sich dann schon, wenn man trotzdem weiter in der Begründung zum vorliegenden Antrag liest: „Es fehlt im Freistaat Sachsen ein integriertes, vernetztes und vor allem flächendeckendes Opferhilfenetzwerk, das eine schnelle und adäquate Hilfe gewährleistet. Die traumaspezifische Versorgungssituation ist nicht befriedigend.“
Das ist alles richtig. Man fragt sich nur, wer in den vergangenen Jahren in diesem Land die Verantwortung für die Gestaltung dieses Bereiches getragen hat.
Warum sich der Antrag auf die traumatherapeutischen Versorgungsangebote und die psychosoziale Betreuung konzentriert, kann ich mir mit der Eröffnung der Traumaambulanz in Dresden am Freitag erklären, inhaltlich ist es jedoch bei dem Thema zu kurz gegriffen.
Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um Frau Dr. Schellong und ihrem Team für den Start der Traumaambulanz in Dresden und für die weitere Arbeit alles Gute zu wünschen.
Aber zurück zum Antrag. Es wäre nicht nur wünschenswert, sondern notwendig gewesen, wenn der Antrag auch andere Akteure stärker ins Blickfeld genommen hätte. Denn wenn man sich anschaut, mit welchen Stellen sich Frauen, Männer und Kinder, die Opfer einer Straftat geworden sind, regelmäßig als Erstes konfrontiert sehen, dann sind das nicht die Opferberatungsstellen oder Einrichtungen wie Traumaambulanzen, sondern es sind staatliche Stellen. Regelmäßig sind es Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte oder sonstige Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, mit denen die Opfer als Erstes in Kontakt kommen.
Kümmern Sie sich bitte auch um diese, indem Sie die EUOpferschutzrichtlinie möglichst zügig und nicht erst Ende 2015 umsetzen. Auch das ist die Voraussetzung dafür, dass wir eine flächen- und vor allem institutionenübergreifende Kooperation in Sachen Opferschutz bekommen.
Ich hoffe dann, ähnlich wie Frau Gläß, dass der Antrag auch haushaltsrelevante Folgen hat. Die Forderung nach einem flächendeckenden Angebot der Traumaambulanz steht ja nur in der Begründung und mit den derzeit eingestellten 100 000 Euro werden Sie da nicht so weit kommen. Ich verweise auch auf die nicht ausreichende Förderung der bestehenden Beratungs- und Hilfsangebote vor allem im Bereich häusliche Gewalt, weil dort seit 2007 die Förderhöhen trotz steigender Inanspruchnahme nicht verändert worden sind.
Ich möchte auch an dieser Stelle an die letzte Haushaltsberatung erinnern und an die von den Fraktionen FDP und
CDU durchgezogene, ich möchte sagen wirklich schäbige Kürzung der Mittel für die Beratungsstelle KobraNet, der Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Zum Glück wurde die Arbeit dieser Beratungsstelle noch gerettet, weil das Ministerium dafür Mittel zur Verfügung gestellt hat. Aber das war wirklich kein Glücksgriff von CDU und FDP.
Diese Dinge gehören genauso zum Thema Opferschutz und zur Hilfe für traumatisierte Opfer. Wir werden dem Antrag dennoch zustimmen und in den nächsten Monaten und spätestens zur nächsten Haushaltsberatung daran erinnern.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Hauptsache klar im Kopf“ – das ist wohl die häufigste Formulierung, wenn sich Menschen zum Thema Altwerden äußern. Wenn der Körper nachlässt, ist das nicht schön. Aber damit kann man sich abfinden. Aber die Abnahme der geistigen Fähigkeiten, der Gedächtnisverlust, ist für viele die zentrale Bedrohung im Alter.
In den Medien wird Demenz häufig so beschrieben: „Geißel unserer Tage“, „Pest des 21. Jahrhunderts“,
„Menschenunwürdiges Siechtum“, „Leben mit Demenz ist kein Leben mehr“.
Sie wird als bösartige Krankheit klassifiziert. Diese Beschreibungen bewirken in allererster Linie eines: Sie machen Angst.
Fest steht aber auch: In unserer Gesellschaft werden immer mehr Menschen mit Demenz leben. Immer mehr Menschen werden mit dem Thema Demenz in Berührung kommen, sei es als Angehöriger, als beruflicher Helfer oder als Arbeitskollege, als Nachbar oder als Polizist, der gerufen wird, wenn eine scheinbar hilflose Person nachts verwirrt angetroffen wird.
Was wir brauchen, ist eine andere Anerkennung der Demenz als Teil des Lebens. Wir müssen die Demenz als
eine andere Möglichkeit, das Alter zu erleben, anerkennen.
Menschen mit Demenz sind ebenso ganzheitlich zu betrachten wie alle anderen und eben nicht nur auf den Status des Kranken zu reduzieren.
Demenz ist damit nicht nur eine Angelegenheit der Gesundheits- und pflegerischen Versorgung. Demenz entwickelt sich vor unseren Augen zu einer bedeutenden sozialen, politischen, ökonomischen und humanitären Herausforderung. Wir müssen ein neues soziales Zuhause bauen. Das ist die Lehre aus den vergangenen Jahren, wenn wir uns die Lage von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen, aber auch zunehmend der professionell Pflegenden und der medizinisch Betreuenden anschauen.
Beispielsweise leben in einer Stadt in der Größenordnung wie Leipzig circa 10 000 Menschen mit Demenz. Werden diese in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Die Antwort vieler Angehöriger und Betroffener lautet: Nein. Sie leben zu 30 % in Pflegeeinrichtungen und zu 70 % in der Abgeschlossenheit von privaten Wohnungen und privaten Pflegebeziehungen.
Es kann nicht genügen, ein paar lose Maßnahmen zu ergreifen. Nein, wir brauchen dafür eine neue soziale Versorgungsdimension. Die Demenz verwandelt die Stärken unserer modernen Gesellschaft in ihr Gegenteil. Aus den Möglichkeiten von Milliarden Speicherbits wird Gedächtnisschwäche und aus Individualisierung wird Persönlichkeitsverlust. Die Selbstverwirklichungs- und Eigenverantwortungsdiskurse haben hier ihre ganz klare Begrenzung. Wir müssen uns der Frage stellen: Was ist mit den Menschen, die das für sich nicht mehr können?
Wir müssen uns der zivilgesellschaftlichen Herausforderung stellen und eine Kultur des Helfens entwickeln und befördern. Die Inklusionsidee hilft auch hier weiter. Jeder Mensch ist als wichtiges Mitglied der Gesellschaft wertzuschätzen, unabhängig von seinen individuellen Möglichkeiten und Einschränkungen. Das muss der Ansatz sein. Nicht die Nützlichkeit oder Eigenverantwortung steht im Zentrum, sondern der Mensch mit seinen noch vorhandenen Fähigkeiten und seinen sozialen Beziehungen.
Ich sage: Mit Demenz leben zu lernen ist möglich. Jeder von uns muss sich in Beziehung zu dem setzen, was Demenz bedeutet. Das ist keine medizinische und pflegerische Herausforderung, das ist eine kulturelle Herausforderung.
Es gibt viele Ansätze, Demenz anders zu deuten und anders zu gestalten. Beispielsweise öffnet die Betrachtung von Demenz als Transformation von kognitiven, rationalen Fähigkeiten zu sinnlichen Erfahrungen, wie man es häufig in Berichten von Angehörigen, beispielsweise im Buch von Arno Geiger über seinen Vater, findet, eine neue Herangehensweise und Handlungsspielräume. Neben den Funktionseinschränkungen des Gehirns gibt es die sinnli
che und künstlerische Möglichkeit, sich mit solchen Menschen zu beschäftigen. Aber dazu brauchen wir andere Unterstützungsstrukturen als bisher. Wir brauchen vor allen Dingen die Wissenden und Erfahrenen in dem Bereich, die ihre Erkenntnisse weitergeben können, und zwar in einem neuen Rahmen.
Der Umgang mit Demenzerkrankten ist keine rationale Angelegenheit. Egal ob Professioneller oder Laie, jeder benötigt hierzu Erfahrungen und den Erfahrungsaustausch. Nur wenn wir diesen Austausch anregen, unterstützen und fördern, kann das in die Gesellschaft hineinwachsen. Dann reden wir positiv von einem kulturellen Wandel.
Leider passen die dazu notwendigen Unterstützungsstrukturen nicht in die vorhandene aktuelle Förderlandschaft, die, wie wir wissen, von befristeten Projekten und nicht unbedingt von Nachhaltigkeit geprägt ist. Aber es wäre eine Chance, sich darauf einzulassen. Information, Aufklärung, Beratung über die individuellen und gesellschaftlichen Möglichkeiten bewirken auch mehr gesellschaftliches und nachbarschaftliches Engagement, das wir so dringend brauchen, aber nicht im Sinne einer Förderrichtlinie, sondern als Menschen, die sich um ihre Mitmenschen kümmern.
Wo Angst und Verzweiflung herrschen, lässt sich nicht gut leben, und wo Menschen mit Demenz der Status eines Kranken und Opfers eines unbarmherzigen Schicksals zugeschrieben wird, kann die Gemeinschaft im besten Fall Mitleid oder wohlwollende Fürsorge spenden. Das ist nicht das, was wir mit unserem Antrag wollen. Wir wollen dieses Schema durchbrechen. Uns geht es um das soziale Einbezogensein, das nicht Anpassung und Unterordnung bedeutet. Wir wollen die Akzeptanz der Andersartigkeit befördern.
Mit unserem Antrag machen wir dazu Vorschläge, wie man sich seitens der Landespolitik diesem weitergehenden und vielschichtigen Thema widmen kann – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir wollen auch nicht sagen, dass die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen allein diesen beschriebenen Wandel bewirken können. Das wäre tatsächlich eine Überforderung von Landespolitik. Jedoch ist es aus unserer Sicht auf der anderen Seite notwendig, eine Landesinitiative zum Thema Demenz anzugehen und nicht lapidar auf zwei lose Förderrichtlinien und ein Bundesmodellprojekt zu verweisen, wie es in der Stellungnahme heißt.
Wir wissen doch, dass die kommunalen Netzwerke mit der vorhandenen Ausstattung derzeit nicht in der Lage sind, die von mir beschriebenen gesellschaftspolitischen Herausforderung mit den entsprechenden vernetzten Hilfe- und Unterstützungsstrukturen zu untersetzen. Demenzfreundliche Kommunen und Gemeinden sind zwar das Ziel, das heißt aber nicht, dass das Land an der Stelle außen vor ist.
Warum sollte es nicht möglich sein, eine Landesinitiative – meinetwegen auch beginnend im Landespflegeausschuss – mit den Kommunen gemeinsam auf den Weg zu bringen und konkrete Verbesserungen, vor allem für Angehörige und Pflegende, zu bewirken? Man kann auch in Sachsen auf viele positive Beispiele zurückgreifen.
Mir wäre es wichtig, mit der heutigen Debatte aus dem Plenum heraus ein Zeichen zu setzen und den klaren Anspruch zu formulieren, dass wir als Landtag, als Landespolitik dieses Thema federführend bearbeiten und als eine wichtige Aufgabe angehen, damit die Menschen vor Ort, ob Angehörige, beruflich damit Beschäftigte oder auch Kommunalverantwortliche, das als positives Zeichen und als Unterstützung ihrer Arbeit vor Ort ansehen können.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der gesamten Debatte habe ich mich gefragt, warum Sie den Antrag ablehnen müssen, obwohl er gut ist. Aber während der Rede von Frau Clauß ist mir deutlich geworden, worin der Unterschied besteht. Für uns sind die Hilfen und die Unterstützung für diese Menschen keine Gnade. Für uns haben diese Menschen einen Anspruch auf Hilfe und Unterstützung. Das ist ein fundamentaler Unterschied.
Frau Staatsministerin, Sie sagten, wir setzten das alles schon um. Ich war am Montag bei einer Selbsthilfegruppe Angehöriger zu Besuch und möchte vortragen, was man mir dort für die Debatte mitgegeben hat: Sie wünschen sich eine Demenzstrategie mit dem Schwerpunkt auf sozialer Daseinsvorsorge, unabhängig von wirtschaftlichen Voraussetzungen. Sie wünschen sich ein Netzwerk für die Versorgung von Menschen mit Demenz, die noch nicht pflegebedürftig sind. In der Zeit, in der gesetzliche Betreuung zu organisieren ist, Diagnosen eingeholt und
Pflegestufen beantragt werden müssen sowie soziale Betreuung zu organisieren ist, brauchen Angehörige und Betroffene Lotsen und Beratungen. Mir wurde zudem mitgegeben, dass die Verbesserung der Diagnosemöglichkeiten über einen Ausbau der Gedächtnisambulanzen erfolgen soll. Gewünscht werden ein Unterstützungsnetzwerk als kommunale Verpflichtung, eine Leitstellendemenzhilfe, die Finanzierung unabhängiger Einrichtungen zur Beratung und Begleitung der Familien. Nicht zuletzt geht es um die soziale Absicherung pflegender Angehöriger von Menschen mit Demenz und um die Verbesserung der Hilfen für die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf – ein Punkt, der hier noch dazugehört hätte.
Das würde ich Ihnen gern noch mitgeben, auch wenn Sie dem Antrag heute leider nicht zustimmen können. Tun Sie etwas! Bündeln Sie das, was Sie bereits tun! Entwickeln Sie es weiter! Dann werden wir in Sachsen auch in Zukunft in Würde alt werden können.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der Linksfraktion zum Thema „Medizinischer Sicherstellungsauftrag und Praxis der medizinischen Versorgung im Freistaat Sachsen“ bietet durchaus interessante Einblicke in das aufgeworfene Thema. Auch die Antwort der Staatsregierung ist stellenweise durchaus informativ und sachlich. Gerade die Art und Weise der Zusammenstellung der Daten erleichtert den Umgang mit diesem Thema.
Dennoch will ich am Anfang auch sagen: Einige Fragen, zu denen die Staatsregierung behauptet, sie habe keine Daten, hätten durchaus beantwortet werden können. Wenn man einen Rückgriff auf offizielle Studien, beispielsweise die offizielle Studie der Bertelsmannstiftung zu den Wartezeiten für Patientinnen und Patienten, vornimmt, liegt Sachsen im Ranking der Bundesländer auf dem vorletzten Platz mit etwas mehr als 12 Tagen Wartezeit im
Durchschnitt für Termine. Ich kann nachvollziehen, dass man darauf nicht so gern eingeht, zumal man vielleicht denkt, dafür nicht selbst verantwortlich zu sein, und keine negativen Fakten bringen möchte.
Leider – und das ist bedauerlich – fehlen aus meiner Sicht Antworten auf die Fragen, bei denen es gerade wichtig wäre, eine ehrliche Bewertung der Staatsregierung zu hören, weil dann für uns das politische Handeln und Gestalten besser einschätzbar wäre. Ich finde es schade, dass die Staatsregierung nicht den Mut hat, die Wirkung von Maßnahmen zu bewerten, was aus ihrer Sicht sinnvoll wäre, und zur Diskussion zu stellen, weil wir alle wissen, dass im Gesundheitsbereich viele Akteure mitspielen und durchaus verschiedene Interessen haben.
Um eine ehrliche Diskussion zu führen, ist es wichtig zu wissen, was die Staatsregierung in welchem Bereich tun will. Wir diskutieren nun wieder anlässlich dieser Großen Anfrage ein paar Symptome und beschäftigen uns schlaglichtartig mit ein paar Maßnahmen, aber diskutieren eben nicht die Grundlagen, die wir eigentlich durchdenken müssten. Bedauerlich ist, dass in der Begründung der Großen Anfrage das Landesgremium benannt wird, jedoch keine Frage zur Arbeit des Gremiums gestellt wird, denn aus meiner Sicht liegt bei dem gemeinsamen Landesgremium der Schlüssel für die Landespolitik, in Bedarfsplanung und Versorgungsfragen eingreifen zu können. Abseits der großen bundesweiten Bedarfsplanungsrichtlinien wäre hier die Möglichkeit, etwas zu tun.
Aber zu den Daten: Wir haben einerseits mehr Ärzte in der Versorgung und andererseits eine regionale Unterversorgung oder Regionen mit drohender Unterversorgung. Insoweit ist dieser Widerspruch aber nicht neu. Man müsste im zweiten Schritt genauer hinschauen. Man kann die Daten aus dem letzten Ärzteblatt hinzuziehen, wo aufgelistet ist, wo zu viele und wo zu wenige Ärzte sind. Wir haben einen Aufwuchs an Ärzten im stationären Bereich mit einem Plus von 6 211 und zurückgehende Arztzahlen im ambulanten Bereich mit einem Minus von 1 510. Darin liegt die Versorgungsproblematik vor Ort, weil der ambulante Bereich für diese Frage maßgeblich ist. Mehr Ärzte im stationären Bereich können nicht das Minus im ambulanten Bereich ausgleichen, da wir ein sektorbasiertes System haben. Die dafür verantwortlichen Strukturen, die in Planung und Finanzierung unterschiedlich sind, erschweren die umfassende Bestandsaufnahme, wenn wir über medizinische Versorgung an sich sprechen.
Es gibt eine interessante Studie der Universität München, die festgestellt hat, dass auch die Existenz von zwei unterschiedlichen Vergütungssystemen, nämlich PKV und DKV, „eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ärztliche Versorgung aller Patienten erschwert“. An der Stelle müssten wir das Thema Bürgerversicherung, oder wie andere es nennen, integrierte Versicherung, mit dem einheitlichen Gebührensystem für ärztliche Leistungen benennen. Das wäre auch eine Maßnahme, wodurch wir bei den Fragen Bedarf und Versorgung weiterkommen könnten.
Bedarfsfeststellungen an sich sind immer schwierig. Bedarfe sind latent und entziehen sich dadurch einer objektiven und direkten Messung. Man muss sich ihnen also nähern. Im Gesundheitssystem kennen wir verschiedene Näherungsmöglichkeiten. Wir haben zum einen die bundesweite Bedarfsplanungsrichtlinie für den ambulanten Bereich, über die wir heute reden, wir haben innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung ein Ausgleichssystem, den sogenannten Risikostrukturausgleich, den sogenannten Morbi-RSA, und wir haben in der Krankenhausplanung wiederum andere Daten.
Wenn wir über medizinische Versorgung insgesamt sprechen, brauchen wir eine sektorübergreifende Gesamtschau. Diese muss an einen Regionalbezug gekoppelt sein. Da komme ich wieder zum Landesgremium nach § 90 a SGB V, das uns die Möglichkeit gibt, uns bei den bundesweiten Sachverhalten einzubringen und Vorschläge zu machen. Dort ist die Möglichkeit, landespolitisch gestalterisch aktiv zu werden. An der Stelle verstehe ich auch den Entschließungsantrag der LINKEN, die hier mehr tatsächliche Durchsetzung der Staatsregierung bei den anderen Akteuren in Sachsen einfordern.
Zum Gremium selbst gibt es noch ein paar Wünsche. Mir fehlt die kommunale Ebene am Tisch oder die Vertreter der Ausbildungseinrichtungen, der medizinischen Fakultäten und der Universitätskliniken. Die Transparenz der Arbeit des Gremiums lässt sich schwer nachvollziehen, wenn Sitzungen nicht öffentlich sind und keine Berichterstattung erfolgt. Trotzdem sehe ich keine andere Möglichkeit, als dieses Gremium zu stärken, wenn wir über politische Sonntagsreden beim Thema Sicherstellung der medizinischen Versorgung hinauskommen wollen. Im Landesgremium in Brandenburg hat man sich mit diesem Thema auch beschäftigt. Dort wurde aus meiner Sicht ein sehr guter Vorschlag gemacht, wie man sektorübergreifende Analysen von Ressourcen und Bedarfen sowie raumplanerische Perspektiven zusammenbringt. Wir
hätten dafür in Sachsen auch die Möglichkeit. Wir haben einen Landesentwicklungsplan, in dem beim Thema Sicherstellung der medizinischen Versorgung leider derzeit nur ein paar Programmsätze enthalten sind und für die kommunale Ebene nicht viel Hilfreiches zu entnehmen ist.
Wir haben nämlich viele Unterstützungsmaßnahmen. Die KVs geben Zuschüsse für Investitionen bei Praxisniederlassungen. Wir haben eine Mindestumsatzgewährung und Studienprogramme. Es gibt einen ganzen Strauß an Möglichkeiten, damit wir vor Ort tätig werden können. Wenn wir es nicht schaffen, diese sektorübergreifende und regionale Bezugsgröße in der Planung hinzubekommen, ist es schwierig, diese vielen Instrumente zielgenau einzubringen. Beim Praxisbezug der Ausbildung sollte man auch über neue Maßnahmen nachdenken, zum Beispiel, ob junge Mediziner schon während ihres Studiums in die Praxis einbezogen werden sollten.
Beim Thema Entlastung der Ärzte durch Delegation und Substitution ärztlicher Leistung gibt es vieles, was weiter
verfolgt werden kann. Noch keine Rolle gespielt hat das Thema öffentlicher Gesundheitsdienst. Ich will es nur ganz kurz ansprechen, weil auch hier eine Herausforderung auf den Freistaat zukommt. Ich sehe uns als Land in der Verantwortung, dass die Standards, die wir einmal mit guten Gründen eingeführt haben, in den Landkreisen und Kommunen eingehalten werden können. Dem latenten und schleichenden Abbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Sachsen muss dringend entgegengewirkt werden.
Zu dem Thema ließe sich noch viel sagen. Die Prävention und der Gesundheitszieleprozess, der ein produktiver Faktor bei der Sicherstellung medizinischer Versorgung sein könnte, fehlen noch. Gerade in den Gesundheitszieleprozess sollten wir wieder mehr Dynamik hineinbringen.
Zum Schluss noch kurz zum Antrag der Linksfraktion. Grundsätzlich teilen wir einige Anliegen des Antrages, gerade was Gesamtkonzept, Evaluation der Maßnahmen oder auch die Investitionsförderung angeht. Andererseits sehen wir nicht das nachhaltig gestörte Arzt-PatientenVerhältnis oder den dringend notwendigen Ausbau der Studienkapazitäten. Wir wären schon froh, wenn die Kürzungen bei den Hochschulen zurückgenommen würden. Einige Punkte sehen wir also anders, deshalb werden wir uns bei dem Entschließungsantrag enthalten.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN fasst eigentlich die Debatte des vergangenen Plenums, als wir eine Aktuelle Debatte zum 10-Punkte-Plan der Staatsregierung geführt haben, aus Sicht der SPDFraktion sehr gut zusammen, indem er offene Punkte füllt und offene Untersetzungspunkte dieses Planes einfordert.
Dass die Untersetzung dieses 10-Punkte-Planes dringend erforderlich ist, haben wir in der letzten Plenarsitzung schon ausführlich besprochen. Vor allem ist es wichtig, damit die Akteure vor Ort, die Akteure in der Drogen- und Suchtarbeit in den Schulen, in den Kitas wissen, was auf sie zukommt und was geplant ist.
Dass es diese Absprache mit den Akteuren vor Bekanntgabe des 10-Punkte-Planes bei der Erarbeitung nicht gegeben hat, finde ich allerdings angesichts der rasanten Entwicklung und der vielfältigen Probleme mehr als bedauerlich. Leider ist es nicht das erste Mal, dass wir erleben, dass große Vorhaben verkündet werden und die Betroffenen dies nur aus der Presse erfahren. Wenn Sie vorher beispielsweise mit der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren gesprochen hätten, dann wüssten Sie genauer, wo der Schuh drückt, und könnten den 10Punkte-Plan mit konkreten Maßnahmen untersetzen.
Die Vorschläge der Landesstelle beispielsweise – aus unserer Sicht übrigens mit äußerst moderaten zusätzlichen finanziellen Forderungen versehen – betreffen zum Ersten die Sicherstellung und eine Verbesserung des Fachkraftschlüssels in den Beratungsstellen, zum Zweiten den Ausbau von Projekten und Kapazitäten für besondere Zielgruppen und insbesondere für mitbetroffene Kinder, zum Dritten den Ausbau der Angebote zur suchtspezifischen Eingliederungshilfe und zum Vierten die Sicherstellung, nur die Sicherstellung der Vollbeschäftigung der Fachkräfte in den Fachstellen der Suchtprävention.
Die Notwendigkeit für diese äußerst moderaten Forderungen wird aus dem Bericht der Suchtkrankenhilfe abgeleitet, und ich würde gern, damit wir hier einen einheitlichen Stand haben, worüber wir reden, drei Punkte aus diesem
Bericht für das Jahr 2013 vorlesen. In der Zusammenfassung steht geschrieben:
Erstens. Der Hilfebedarf aufgrund der Suchtproblematik im Zusammenhang mit illegalen Drogen hat 2013 erneut um 6 % deutlich zugenommen und erreicht mit über 7 000 Klienten einen Höchststand in den sächsischen Suchtberatungsstellen.
Zweitens. Der zunehmende Hilfebedarf im Bereich der illegalen Drogen äußert sich im steigenden Antragsvolumen zu Drogenentwöhnungsbehandlungen plus 17 % und Jugendhilfemaßnahmen plus 49 %.
Drittens. Rückläufige Beratungsleistungen für Menschen mit Alkoholproblemen minus 8 % in den Suchtberatungsstellen, die auch seltener zu Therapievermittlungen führen, minus 10 %. Das verweist jedoch auf eine zunehmende Überlastung sächsischer Suchtberatungsstellen, die sich negativ auf die Angebotsstruktur für Menschen mit Alkoholproblemen auswirkt und zur Verdrängung dieser Hilfebedarfsgruppe führt. – So weit zum Bericht der Suchtkrankenhilfe.
Derzeit geht also die Ressourcenverschiebung für Crystal zulasten der Angebote für alkoholabhängige Menschen. Doch die am weitesten verbreitete Droge in Sachsen ist und bleibt nach wie vor der Alkohol.
Hier haben wir die höchsten Zahlen an Klienten und auch die höchste Zahl an Beratungen in den Beratungsstellen. Wir reden im Jahr 2012 von über 17 000 Krankenhausdiagnosen aufgrund einer alkoholbezogenen Störung. – Nur so viel zum Ausmaß dieses Problems.
Das heißt, dass unser Suchthilfesystem einerseits die Versorgung dieser wichtigen Bereiche sichern muss und nebenher parallel dazu auf die veränderten Konsummuster im Bereich der illegalen Drogen eingehen können muss. Crystal stellt uns jetzt vor diese Herausforderung, und wir merken, dass die Regelfinanzierung in den Beratungsstellen leider nicht ausreicht, um flexibel auf dieses veränderte Konsumverhalten reagieren zu können.
Es ergibt sich weiterhin ein erhöhter Abstimmungsbedarf mit den anderen Hilfesystemen. Dabei denke ich insbesondere an das medizinische Versorgungssystem, an die Bundesagentur für Arbeit – ein wichtiger Akteur –, an die Kinder- und Jugendhilfe, aber auch an Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in Sachsen, die sich mit ihren Angeboten auf diese veränderte Klientelgruppe einstellen müssen.
Zur Prävention möchte ich kurz auf Folgendes hinweisen – letzte Woche habe ich viele Gespräche mit Selbsthilfegruppen von Eltern geführt und hatte ein Gespräch mit Polizisten, die täglich Einsätze in Haushalten fahren, in denen drogenabhängige Eltern leben –: Man bekommt zu hören, dass die bisherigen Bemühungen der Prävention einfach nicht ausreichen, dass es eine bleierne Hilflosigkeit angesichts des Ausmaßes des Problems gibt und dass dringend gewünscht wird, mehr Ansprechpartner, klare
Strukturen und Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Das sind Hilferufe, die wir unbedingt hören sollten und die uns zum Handeln, gerade im Sinne des Antrages der GRÜNEN, motivieren sollten. Ich bitte Sie: Stimmen Sie dem Antrag zu – meine Fraktion wird es tun – und dann kommen wir ein Stück voran!
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir empfehlen den Bericht zur Lektüre. Für alle, die den Bericht nicht zur Gänze lesen wollen, empfehlen wir insbesondere die letzten drei Seiten. Das sind die Handlungsempfehlungen, die uns der Bericht mit auf den Weg gibt. Da hat man genug Stoff, um darüber zu diskutieren. – Ich gebe jetzt meine Rede zu Protokoll.
Das Gute an dem vorliegenden Bericht ist, dass er endlich da ist und dass das Warten auf diesen Bericht nicht mehr als Ablehnungsgrund für die Anträge von SPD; GRÜNEN und LINKEN herhalten muss. Leider hört da das Gute auch schon wieder auf.
Und leider bietet dieser Bericht keine Grundlage, um Positives über die Aktivitäten der Staatsregierung seit Inkrafttreten der UN-BRK zu berichten. Der Bericht umfasst einigermaßen und durchaus wissenschaftlich nachvollziehbar eine Grundlage an Informationen unterschiedlicher Quellen, die hier zusammengetragen wurden, und bildet theoretisch auch unterschiedliche Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen ab. Zudem wurden Sichtweisen Betroffener und weiterer Expertinnen und Experten aus Sachsen nicht ausreichend einbezogen. Daher bleibt der Bericht sehr an der Oberfläche und generiert dementsprechend auch keine neuen Sichtweisen oder Handlungsempfehlungen.
Einige Bereiche werden sehr dünn abgebildet, was auch den vorhandenen Erkenntnissen nicht gerecht wird – ich denke hier insbesondere an den Bereich der Gewalt gegen Menschen mit Behinderung. Ich möchte an dieser Stelle an die sehr beeindruckende und beschämende Anhörung im Sozialausschuss erinnern, die uns erschreckende Einsichten und Fakten zu diesem Bereich offenbart hat. Und leider fehlt auch der Bereich von Sexualität und Familie sowie Familiengründung und Unterstützung dabei.
Da sind wir auch schon beim eigentlichen Kern des Problems. Sosehr der Bericht es auch zu verbergen versucht, wird doch deutlich, woran es bisher am meisten mangelt: am politischen Willen der Regierung und der sie tragenden Fraktionen. Und das finde ich an diesem Punkt mehr als bedauerlich. „So geht sächsisch“ ist leider an dieser Stelle ein Synonym für viele bisher durch die Staatsregierung vertane Chancen, die die UN-BRK uns als Gesellschaft eröffnet hat.
Sie hier im Landtag können das bedauern und darauf verweisen, dass es eben eine schwierige Aufgabe sei. Die Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen aber müssen weiterhin mit den unveränderten Realitäten leben und werden tagtäglich eingeschränkt in ihren Bildungsmöglichkeiten, Arbeitsmöglichkeiten, bei der Realisierung von für uns alltäglichen und selbstverständlichen Wünschen.
Nun liegt all das vor, was Sie als regierende CDU/FDPFraktionen in den Debatten der vergangenen Jahre erst einmal abwarten wollten. Leider ist jetzt die Legislaturperiode zu Ende und alles, was Sie uns heute versprechen in Umsetzung der aufgezeigten Handlungsempfehlungen, bleiben Versprechungen. Fünf Jahre hatten Sie Zeit, um anzufangen und Ihren Willen zu zeigen. Fünf Jahre Enttäuschungen bei den Betroffenen und auch bei den Menschen, die sich für und mit Menschen mit Behinderungen engagieren. Die Handlungsliste des Berichts belegt eindrucksvoll die bisherige Leere im Regierungshandeln, und wir können nur erahnen, wie groß die Ernüchterung bei diesen Menschen sein wird.
Deshalb: Machen Sie endlich eine Politik mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen. Und zwar nach dem Motto der Behindertenhilfe „Nichts über uns ohne uns!“
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag überraschte mich in zweierlei Hinsicht: Nach dem Lesen der Überschrift habe ich mich gefragt, wozu man Medizinische Versorgungszentren denn noch nutzen sollte, wenn nicht für die ambulante Versorgung. Beim Lesen von Punkt 2 Ihres Antrags erinnerte ich mich daran, dass das größte Hemmnis auf dem Weg zur Zielerreichung die schwarz-gelbe Bundesregierung war. Insbesondere das FDP-geführte Gesundheitsministerium verschlechterte die Rahmenbedingungen für Medizinische Versorgungszentren erheblich. Das ist in der Stellungnahme des Bundesverbandes der Medizinischen Versorgungszentren nachzulesen. Aber besser spät als nie.
Nun haben Sie also doch die Einsicht gewonnen, dass es vielfältige Gründe für Zusammenarbeit, Vernetzung und flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten auch im ärztlichen Berufsbereich gibt. Zu dieser Erkenntnis beigetragen hat ganz sicher auch die Initiative der sächsischen Medizinischen Versorgungszentren und Berufsausübungsgemeinschaften, die sich mit der Gründung eines Netzwerks auf den Weg gemacht haben, ihren Beitrag zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zu leisten. Dazu werden die Anstrengungen gebündelt und das Anliegen auch in die Landespolitik getragen.
Frau Jonas, ich weiß, dass auch Sie einen Anteil daran haben. Die Gründe für die Zukunft von Gemeinschaftspraxen oder MVZ sind zum Teil schon angesprochen worden. Der Trend zur Anstellung bei jungen Ärzten, Herr Wehner, ist nicht nur bei Frauen so, sondern auch Männer bevorzugen die Anstellung für ihre berufliche Zukunft, und zwar zu 55 % in Kliniken, und Frauen eher in MVZ oder in Anstellung in einer Praxis. Aber bei beiden Geschlechtern ist es mittlerweile so, dass sich nicht einmal ein Drittel der Nachwuchsärzte eine Niederlassung für ihre berufliche Zukunft wünscht. Viele Nach
wuchsärzte – Frau Jonas hat es angesprochen – können sich durchaus vorstellen, zeitlich befristet auf dem Land zu arbeiten, allerdings nicht in einer Einzelpraxis und auch nicht als Lebensentscheidung.
Diese Gründe und Entwicklungen sprechen doch für sich. Wenn wir junge Ärztinnen und Ärzte auf das Land bekommen wollen, müssen wir die Einsatzmöglichkeiten dafür schaffen, und das heißt eben auch, die Strukturen für diese zeitlich befristeten Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen. Dafür müssen viele Akteure überzeugt werden. Da stellt sich die Frage, wo derzeit noch die Hemmnisse sind. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber, die ja nun verbessert werden sollen, sind natürlich auch die Akteure wichtig, die sich innerhalb dieses Rahmens um die Ausgestaltung und Belebung der Vorschriften kümmern müssen, die Kassen und insbesondere die kassenärztlichen Vereinigungen. Hier liegt in Sachsen noch ein bisschen Entwicklungsbedarf vor, denn kassenärztliche Vereinigungen in anderen Bundesländern sind durchaus etwas weiter. Aber ich denke, das wird sich hier durch die Situation auf dem Land in Zukunft auch noch anders entwickeln. Kurz und gut, wir stimmen dem Antrag zu und sind gespannt auf die Stellungnahme und auf die Umsetzung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Crystal. Crystal, das steht fest, ist eine der gefährlichsten Drogen, die derzeit im Umlauf sind, weil sie insbesondere ganz vielen jungen Menschen die Zukunft nimmt. Sie ist auch deshalb so gefährlich, weil sie auf einen Zeitgeist unserer modernen Leistungsgesellschaft trifft, der die Menschen zunehmend überfordert. Deshalb muss man bei einer Gesamtstrategie, die man zu diesem Problem vorlegt, auch diese Punkte beachten. Da reicht sicher kein Lebenskompetenzportal im Internet aus. Nein, da sind umfangreichere Maßnahmen erforderlich.
Seit 2011 steigen die Klientenzahlen aufgrund von Crystal-Konsum in den Beratungsstellen jährlich um 20 bis 40 %. Nun endlich hat die Staatsregierung das Problem erkannt und einen 10-Punkte-Plan vorgelegt. Das Positive
an diesem Plan ist gleichzeitig das, was mich nachdenklich stimmt, weil ich das für selbstverständlich halte: Erstens. Verschiedene Ressorts arbeiten zusammen. Zweitens. Sie arbeiten an einer Gesamtstrategie. Das ist das Positive. Aber ich finde, das ist noch nicht so viel, dass man sich dafür feiern darf.
Der vorliegende 10-Punkte-Plan ist aus unserer Sicht noch keine Gesamtstrategie. Zwar fasst er viele wichtige Punkte und Anforderungen zusammen, gerade vor dem Hintergrund der Frage, wie es geschafft werden kann, Information und Beratung möglichst schnell in den unterschiedlichen Hilfesystemen an die Betroffenen zu bringen, aber keiner der Punkte enthält einen Hinweis auf die Ressourcen, die dafür zur Verfügung gestellt werden sollen. Deshalb bleiben viele offene Fragen und auch Skepsis.
Beispiel 1 zu den Ressourcen. Im Punkt 2 wird von 1,4 Millionen Euro mehr für das Suchthilfesystem gesprochen. 4,1 Millionen Euro erhalten die Suchthilfeberatungsstellen derzeit jedes Jahr, und das, obwohl der Freistaat beispielsweise aus den Lottomitteln 58 Millionen Euro im Jahr 2012 eingenommen hat. 2013 waren es 62 Millionen Euro. Diese Lottomittel sollen vorrangig für soziale Zwecke und Suchtprävention verwendet werden. Aus unserer Sicht ist der Anteil der zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichend.
Beispiel 2 für unsere Skepsis. Der gleiche Punkt des Plans verweist auf die kompetenten Ansprechpartner in den Schulen. Das klingt gut und ist notwendig. Aber die Diskussionen um die Schulsozialarbeiterstellen, die wir in jedem Plenum führen, lassen doch gewaltige Zweifel daran aufkommen, wie dieser Punkt in der Praxis umgesetzt werden wird.
Beispiel 3. Im Punkt 7 des Planes wird darauf verwiesen, dass für die Konsumenten eine Soforthilfe so greifen soll, dass sie möglichst schnell in das Hilfesystem überführt werden. Dabei sollen Ärzte, Pädagogen, Polizisten zusammenarbeiten, um diese Überführung zu bewerkstelligen. Das ist gut. Woher kommt unsere Skepsis? Die Suchthilfeberatungsstellen arbeiten bereits jetzt am Limit. Für den empfohlenen Personalschlüssel von einer Fachkraft auf 20 000 Einwohner fehlen derzeit in ganz Sachsen 28 Fachkraftstellen. Das heißt, der bestehende Mehrbedarf für die Crystal-Konsumenten geht zulasten der Betreuung und Beratung von anderen Abhängigkeitskranken. Das ist derzeit schon der Fall. 8 % weniger Alkoholkranke erhalten derzeit aufgrund des gestiegenen CrystalKonsums die notwendige Hilfe. Das ist aus meiner Sicht auch nicht die Lösung des Problems.
Beispiel 4. In Punkt 6 wird von einer Kooperation und Vernetzung aller in den Hilfesystemen arbeitenden Menschen gesprochen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Frau Clauß hat bei der Vorstellung des Suchtberichtes im
Januar davon gesprochen, dass es um eine enge Kooperation der angrenzenden Lebens- und Hilfebereiche geht.
Schauen wir uns diese Bereiche an. Für die Kinder- und Jugendhilfe stehen seit 2010 ein Drittel weniger Ressourcen zur Verfügung. Die Schulsozialarbeit habe ich bereits angesprochen. Wir haben nicht ausreichende Personalschlüssel in den Kitas. Wir haben Lehrermangel in den Schulen, und wir haben einen Mangel bei den Angeboten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das sind alles Bereiche, die zusammenarbeiten sollen, aber unter einem eklatanten Personalmangel leiden.
Beispiel 5 für meine Skepsis. Die Bedarfe, die man in Gesprächen mit den Suchthilfeberatern hört, finden sich in diesem Plan nicht. Die Berater sagen, dass CrystalKonsumenten eine deutlich ungünstigere schulische, berufliche und Beschäftigungssituation vorweisen und man deshalb andere zielgruppenspezifischere Angebote braucht. Wir brauchen den Ausbau von speziellen Angeboten und Angebotserweiterungen in den suchtspezifischen Eingliederungshilfen. Das findet sich derzeit im Plan noch nicht.
Man muss sich aus unserer Sicht nicht nur darüber Gedanken machen, wie man die Menschen schnell erreicht, sondern auch darüber, was man ihnen dann an konkreten Hilfen anbietet. Dort ist noch ein Mangel zu verzeichnen.
Ein letzter Satz.
Der 10-Punkte-Plan bedarf der Konkretisierung und Untersetzung mit Ressourcen. Er braucht auch ein Ausstrahlen als Querschnittsaufgabe in die anderen Bereiche, die ebenfalls nicht über ausreichende Ressourcen verfügen.
Ich bitte darum, dass die Umsetzung des Plans nicht so lange dauert wie die Zurverfügungstellung des Plans überhaupt.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich meinen Vorrednern an und gebe die Rede zu Protokoll.
Der Bericht der Besuchskommission oder besser der Bericht der Staatsregierung über die Ergebnisse der Arbeit der Besuchskommission für den Berichtszeitraum September 2007 bis Juli 2013 ist dafür, dass er sechs Jahre umfasst und es in dieser Zeit auch eine organisatorische Änderung der Arbeit der Kommission gab, eher sehr dünn. Das kann man einerseits als gutes Zeichen sehen, dass alles reibungslos funktioniert oder eben wenige Beanstandungen vorliegen. Man kann aber auch sagen, dass die Berichterstattung noch ausbaufähig ist; denn der Umfang der Prüftätigkeit und die Anzahl der Besuche lassen auf ein enormes Pensum der Kommissionsmitglieder schließen. An dieser Stelle sei allen Mit
gliedern der Kommission für ihre Arbeit auch vonseiten der SPD-Fraktion gedankt.
Die Berichterstattung ist also ausbaufähig. Die Aufgabe besteht darin, sowohl grundlegende Merkmale, Entwicklungstendenzen oder Problemfälle aufzuzeigen als auch darauf zu verweisen, welche Konsequenzen Problemanzeigen hatten und welche Verbesserung in der Qualität dadurch erreicht werden konnte. Gerade durch das längere Intervall der Berichterstattung wäre es doch möglich, nachhaltige Effekte besser darzustellen.
Die Aufgabe der Besuchskommission als unabhängige Prüfinstanz besteht in erster Linie in der Qualitätssicherung. Aber durch die Offenlegung der Ergebnisse soll Vertrauen hergestellt werden: Vertrauen in den Bereich der Psychiatrie und der Altenpflege, der eben durch sein Aufgabenspektrum auch viel Vorurteile und Misstrauen bei vielen Menschen hervorruft. Dieses Vertrauen benötigt Information und einen transparenten Umgang auch mit dem Thema: Was passiert nach einer Beanstandung, wie werden die Empfehlungen umgesetzt? Der im Bericht gleich zu Beginn enthaltene Satz: „Aus Sicht der Besuchskommission erfüllten die visitierten Einrichtungen im Allgemeinen die Mindeststandards der Behandlung und Betreuung psychisch kranker Menschen.“ beruhigt nicht wirklich, weil ein extra Hinweis auf die Einhaltung von Mindeststandards eigentlich überflüssig sein sollte.
Ich möchte nicht auf jedes Detail eingehen, sondern die für meine Fraktion drei wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen:
Mängel in den Strukturen: Es wurden Mängel aus Platzgründen, nicht ausreichende Bettenkapazitäten genannt, und es gab Beanstandungen, die aus Personalmangel resultieren. Weiterhin wird darauf verwiesen, dass im ambulanten niedrigschwelligen Bereich zu wenige Angebote existieren. Aus unserer Sicht sind das Zeichen dafür, dass Ressourcen für eine bedarfsgerechte Versorgung fehlen und dass ein Mangel bei pflegerischem Personal eben auch zu Einschnitten in der Qualität der Leistungen führt.
Zwangsmaßnahmen: Zwangsmaßnahmen und der Umgang damit – und gerade auch Erfahrungen in Einrichtungen ohne Zwangsmaßnahmen – kommen aus unserer Sicht zu kurz; zumindest angesichts dieses wichtigen Kernthemas, welches insbesondere für Ängste und Vorurteile sorgt. Solche Erkenntnisse wären gerade jetzt bei der Novellierung des PsychKG für die Einschätzung, wie der Bereich geregelt werden sollte, sehr wertvoll gewesen.
Umgang mit den Empfehlungen der Kommission: Hierbei sollte überlegt werden, ob in dem Bericht der Staatsregierung bereits auf umzusetzende Änderungen und andere Konsequenzen der Arbeit der Kommission hingewiesen werden sollte. Die geforderten Verbesserungen für die Arbeit der Kommission finden sich derzeit im in der Novellierung befindlichen Entwurf des PsychKG.
Wir denken, dass darin noch mehr Potenzial läge, damit die Berichte und Empfehlungen zukünftig eine bessere Rückwirkung auf die Praxis finden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag zum Thema Krankenhaus greift ein Problem auf, das in dieser Zeit weit über die reine Krankenhausplanung hinausgeht. Es geht darüber hinaus nicht nur um das einzelne Krankenhaus, sondern grundsätzlich um die Frage der gesundheitlichen Versorgungsstrukturen angesichts des demografischen Wandels.
Es geht grundsätzlich um die Fragen der Fachkräftesicherung und der Fachkräfteproblematik in diesem Bereich. Es geht darüber hinaus um die Frage der Qualität der medizinischen Versorgung, die wir uns wünschen. Es geht nicht zuletzt darum, wie viel Investitionen und Geld es uns wert ist, um diese Punkte sicherzustellen. Diese Fragen sind alle gut. Es ist wichtig, dass wir heute darüber diskutieren. Es wirft natürlich an allererster Stelle die Frage auf, wann wir darüber diskutieren, wie die aktuelle Situation aussieht.
Es gibt im Krankenhausgesetz eine festgelegte Krankenhausplanung, die im Prinzip eine Bettenplanung darstellt und aller zwei, manchmal auch drei Jahre fortgeschrieben wird. Es ist aus der Sicht eine reine Sektorplanung im stationären und ohne ausreichende Möglichkeiten zur Beachtung der Wechselwirkung im ambulanten Bereich. Im ambulanten Bereich wird die Bedarfsplanung parallel dazu erstellt, ohne dass aufeinander zugegriffen wird. Die Rehaplanung und der öffentliche Gesundheitsdienst sind auch schon genannt worden. Das machen wir noch schön getrennt.
Es gibt eine mittelfristige Finanzplanung des Freistaates, die sich derzeit noch ohne Kompensation der wegfallenden Kassenmittel darstellt. Es gibt einen aktuellen Kran
kenhausplan bis zum Jahr 2015, der einem Abbau um 250 Betten im somatischen Bereich vorsieht. Dieser wird mit sinkenden Einwohnerzahlen und einer kürzeren Verweildauer begründet. Das ist der Stand.
Der letzte Punkt stiftet ein wenig Verwirrung, wenn man die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Krankenhausbehandlung im Freistaat Sachsen anschaut, die das Statistische Landesamt vorhersagt. Das Landesamt hat etwas gerechnet. Die Studie geht bis zum Jahr 2025. Es wird darauf abgestellt, dass mit mehr Behandlungsfällen und mehr Behandlungstagen in den Krankenhäusern zu rechnen ist. Aktuell bauen wir im Krankenhausplan Betten ab. Das ist ein Unterschied, den mir bisher noch niemand nachvollziehbar erklären konnte.
Das Statistische Landesamt geht ebenfalls darauf ein, dass es regionale Unterschiede gibt. Nicht in allen Landkreisen ist eine Steigerung zu erwarten. Das macht es wiederum notwendig, Konsequenzen daraus zu ziehen und über die Anforderungen, Möglichkeiten und Wirklichkeiten bei der Krankenhausplanung nachzudenken.
Welche Konsequenzen wären das? Wir müssen uns die Grundlagen der Krankenhausplanung im Krankenhausgesetz anschauen und prüfen, inwieweit sie unseren eigenen Ansprüchen und Erfordernissen der heutigen Zeit noch entsprechen. Wir müssen eine sektorübergreifende Planung angehen und die Möglichkeiten nutzen, die uns bereits jetzt zur Verfügung stehen. Ich denke zum Beispiel an das Landesgremium nach § 90 SGB V, welches zumindest für einzelne regionale Bereiche die Schnittstellen auf ambulanter und stationärer Ebene regeln und Empfehlungen für die bisher noch getrennten Planungsbereiche abgeben könnte. Wir müssen, wenn wir uns die Krankenhausplanung und das Krankenhausgesetz vornehmen, schauen, wie wir in dem bundespolitischen Rahmen, in dem wir uns befinden, vorankommen und die Sektorgrenzen überschreiten können.
Die LINKEN stellen in der Begründung ihres Antrags genau die richtigen Fragen, um die es geht. Ich möchte sie gerne um folgende Frage ergänzen: Spezialisierung oder Grundversorgung – muss jedes Krankenhaus wirklich alles anbieten? Wie definieren wir Grundversorgung? Was muss jedes Krankenhaus in der Fläche anbieten? Das ist eine Debatte, die zu wenig geführt wird. Damit hängt auch die Debatte nach der Qualität und den fachärztlichen Standards, die wir als notwendig ansehen, zusammen. Darauf aufbauend müssen wir natürlich auch die Instrumente überprüfen, die uns zur Verfügung stehen.
Ich möchte auf die Instrumente, die die LINKEN mit ihrem Antrag vorschlagen, eingehen. Im ersten Punkt geht es um den Zeitraum bis zum Jahr 2030. Dies erscheint mir ebenfalls ein wenig lang. Allerdings sehe ich die Notwendigkeit, zusätzlich zu dem knappen zweijährigen Plan ergänzend eine mittelfristige Bedarfsplanung zu erstellen. Es ist im Antragstext leider offen, wie dies definiert wird. Eine Krankenhausbedarfsplanung gibt es in diesem Sinne nicht. Ist damit der Krankenhausplan gemeint? Möchten Sie einen ergänzenden Plan? Das ist offengeblieben. Ich
sehe aber anhand der Begründung, dass die Zielrichtung dorthin geht, wo wir auch hinmöchten.
Ich komme zum zweiten Punkt. Die Krankenhausfinanzierung ist bundesweit ein Problem. Natürlich muss auf Bundesebene diskutiert werden, wie wir an dieser Stelle weiterkommen. Ich möchte nur die Hoffnungen auf eine große Bundesfinanzierung etwas bremsen. Alle Länder haben das gleiche Problem. Wir wissen, dass in den alten Bundesländern, die in den Neunzigerjahren keinen Neustart ihrer Krankenhausplanung vorgenommen haben, wie es die neuen Bundesländer zum Großteil getan haben, die Investitionsdefizite zum Teil größer sind.
Ich verweise auf Finanzminister Schäuble, der gerade gestern auf einen ausgeglichenen Bundeshaushalt hingewiesen hat. Er erwartet jedoch ein Defizit in den Sozialkassen. Somit ist die vermeintlich einfache Lösung, dass die Kassen für eine verstärkte Krankenhausfinanzierung eintreten, auch nicht der richtige Weg.
Darauf ist Herr Wehner bereits eingegangen. Natürlich zieht jede Änderung bei der Finanzierung auch die Frage nach der Planung nach sich. Das muss abgewogen werden, weil eine regionale Planung auf Landesebene noch eher als eine Bundesplanung möglich ist. Das sind keine einfachen Punkte. Auf Bundesebene muss über diese Fragen diskutiert werden. Diesen Punkt, der im Antrag zu finden ist, unterstützen wir.
Der dritte Punkt betrifft die Frage nach den Landesinvestitionen. Hierbei wissen wir, dass in den letzten Jahren, weder in Bezug auf die qualitative Krankenhausplanung noch auf die Finanzierung, nicht viel passiert ist.
Ich möchte aus den letzten Newsletter des vdek Sachsen, in dem eine Einschätzung zum Thema Krankenhausfinanzierung zu lesen war, zitieren: „Der einstige Klassenprimus fiel auf eine hintere Position zurück, obwohl der Investitionsbedarf wächst. Das Land müsste seinen finanziellen Beitrag verdoppeln, um allein auf das gegenwärtige Investitionsvolumen zu kommen. Auch das reicht bereits heute nicht aus.“ Die Einschätzung in dem Artikel lautet zum Schluss: „Tut es der Freistaat nicht, wird die moderne Krankenhauslandschaft zu einer schönen Episode der Anfangsjahre.“ Das wollen wir alle miteinander sicherlich nicht. Deshalb lautet das dringende Gebot, eine verantwortungsvolle Investitionspolitik anzugehen und zu schauen, inwieweit das Land einsteigen und mehr einsteigen muss, als es derzeit aus den Zukunftsfonds und der Mittelfristigen Finanzplanung herauszulesen ist.
Weshalb ist die so wichtig? Wir alle wissen, dass es in den Krankenhäusern Ersatzbeschaffungs- und Investitionsbedarf gibt. Wenn es über das Land nicht erfolgt, geht es zulasten der Personalbudgets in den Häusern. Das bedeutet weniger Geld für Personal und/oder schlechter bezahltes Personal. Dies hat wiederum die Folge, dass die Fachkräftesicherung schwieriger wird und die Arbeitgeberattraktivität sinkt. Wie kann ich Arbeitsplätze anbieten, die auf dem knapper werdenden Fachkräftemarkt angenommen werden?
Es stellt sich ebenfalls die Frage nach der Qualität der Versorgung. Die Universität Köln wird demnächst eine Studie vorstellen, die nachweist, dass eine hohe Auslastung der Krankenhäuser zu einem Anstieg der Sterblichkeit in den Häusern führt. Eine Auslastung von 92 % führt zu einem Anstieg der Mortalität. Das ist ein Szenario, welches uns zeigt, wohin dies alles führen kann. Schon jetzt berichten Pflegeeinrichtungen von steigenden Infektionsraten und Pflegefehlern bei Rücküberweisungen aus Krankenhäusern. Das sind alles Hinweise darauf, dass wir schon jetzt in den Häusern zu wenig Personal zur Verfügung haben. Das verstärkt sich durch den wirtschaftlichen Druck auf die Häuser, der durch mangelhafte Investitionsfinanzierung erzeugt wird.
Das sind Ansatzpunkte. Die Höhe der Landesinvestitionen ist zu diskutieren. Daran hängen die Qualität, die Arbeitsbedingungen für Ärzte, Pfleger und das nichtmedizinische Personal. Es stellt sich an diesem Punkt ebenfalls die Frage, inwieweit der öffentliche Bereich in der Lage und willens ist, die gesundheitliche Daseinsvorsorge auch in Zukunft zu verantworten und mitzufinanzieren.
Wir als SPD haben uns zu der Frage in einem Positionspapier klar positioniert. Wir sehen den öffentlichen Bereich ganz klar als Verantwortungsträger der Gesundheitsvorsorge an. Ich hoffe, dass die Debatte zumindest dazu beiträgt, dass wir ein paar Antworten vonseiten der Staatsregierung oder der Regierungsfraktionen erhalten. Nötig wäre es bereits gestern gewesen. Vielleicht führt die Debatte noch einen Schritt weiter.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unbestritten greift der vorliegende Antrag ein wichtiges Thema auf, allerdings – auch das ist schon genannt worden – beschreiben Überschrift und Begründung des Antrags dann doch etwas anderes als der Zwischentext, auf den es aber leider bei Anträgen hier im Hohen Hause ankommt. Deshalb ist es aus meiner Sicht äußerst ärgerlich, dass dieses wichtige Thema auf dieses klägliche Niveau des Berichtsanliegens und der Dankesbezeugungen gesenkt wird.
Sie verweisen in der Begründung Ihres Antrags auf die Anhörung des Sozialausschusses. Der Anhörung zugrunde lag ein äußerst substanzieller und zielführender Antrag der Fraktion der GRÜNEN. Er beinhaltete auch einen Berichtsanteil zu diesen Dingen. Diesen Antrag haben Sie
abgelehnt. Abgelehnt haben Sie auch einen Antrag meiner Fraktion zum Thema Schmerztherapie, der uns bei diesem Thema auch inhaltlich weitergebracht hätte.
Also, viel Grund zum Ärgern bei diesem Antrag. Allerdings stand in meinem heutigen Horoskop, dass ich Ruhe bewahren soll, und ich will das in der Folge auch versuchen. Nehmen wir also kurz die Überschrift und die Begründung des Antrags ernst. Wenn Sie das Ergebnis der Anhörung, die wir im Sozialausschuss durchgeführt haben, ernst genommen hätten, dann hätten Sie in diesen Antrag schreiben müssen, dass eine Fortschreibung der Sächsischen Hospiz- und Palliativkonzeption erforderlich ist, und zwar hinsichtlich mehrerer Punkte:
Erstens geht es um die Überprüfung der Bedarfe und des Ausbaus der Palliativmedizin, also um die Abbildung des Standes der Versorgungskapazitäten im Freistaat. Zweitens geht es um die Absicherung und den bedarfsgerechten Ausbau der verschiedenen Angebote und um die Vernetzung der Strukturen in diesem Bereich, drittens um die Stärkung der Brückenfunktion und der Schnittstellen zwischen spezieller palliativmedizinischer Versorgung und den Angeboten der ambulanten und stationären Gesundheits- und Pflegeversorgung in Sachsen, viertens um eine Analyse und den Ausbau von Bildungsangeboten. Im Antrag fragen Sie jetzt danach, allerdings gäbe es auch da viele Möglichkeiten, sich zu informieren und nicht einen so zielungenauen Antrag zu stellen.
Fünftens ist die Stärkung der Palliativpflege in den Einrichtungen der ambulanten und stationären Angebote in der Altenpflege sehr wichtig. Dort nämlich werden die bestehenden Angebote der Palliativversorgung sehr wertgeschätzt und sind nicht mehr wegzudenken. Sie sind dort eine wertvolle Unterstützung, und wir müssen uns Gedanken machen, wie wir diese noch stärker in den Alltag dieser Einrichtungen integrieren können.
Ich will den Antrag auch nutzen, um auf einen gewissen Widerspruch einzugehen. Der Antrag stellt sehr auf Ausbildung, Fort- und Weiterbildung ab. Das ist auch richtig. Damit steht der Antrag aber im Widerspruch zu den sonstigen Debatten hier im Landtag zum Thema Pflege, in denen immer wieder der Schwerpunkt auf den Ausbau ehrenamtlicher Strukturen gelegt wird. Das ist ein Widerspruch. Klar ist, dass wir beides im Blick behalten müssen. Aber wenn wir uns schon mit Fort- und Weiterbildung beschäftigen, müssen wir Folgendes zur Kenntnis nehmen: 30 % der Menschen sterben in Einrichtungen der Altenpflege. Mehr als 30 % der Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen der Altenpflege haben chronische Schmerzen. 60 % benötigen eine spezialisierte Inkontinenzversorgung, und mehr als zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner haben Demenzerkrankungen. Das stellt höchste Anforderungen an die spezialisierte Profession der Altenpflege, die in den Debatten, die wir hier führen, immer ein wenig untergehen.
Diesbezüglich besteht auch ein großer Unterschied zwischen den Anforderungen, die formuliert werden, und dem Alltag der Pflege in den Einrichtrungen. Ich nenne
nur die Stichworte Personalausstattung und Pflegesätze. Das gibt auch einen Hinweis darauf, wohin wir, wenn wir es mit der Stärkung der Palliativversorgung ernst nehmen, stärker denken müssen. Das sind vor allem die personellen Ressourcen dort, wo im Alltag diese Ansprüche umgesetzt werden müssen. Darauf verweist übrigens auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, die gerade die Herausforderungen des zukünftigen Fachkräftemangels als größtes Problem für die Umsetzung von mehr Palliativ- und Hospizversorgung benennt.
Daher ist das ein rhetorischer Antrag, den man nicht ablehnen kann, dessen Inhalt aber dem selbstgesetzten Ziel nicht gerecht wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Dritte Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II hat – Herr Dr. Pellmann erwähnte es schon – in den Ausschüssen des Landtages einige Zeit zugebracht.
Es wurde im Juli 2012 eingebracht – das sind also nicht ganz zwei Jahre, Herr Dr. Pellmann – und wird heute verabschiedet.
Es ist ein Ausführungsgesetz, von dem es im Vorblatt heißt, dass ohne seine Verabschiedung aktuelles Bundesrecht nicht umgesetzt werden könne. Nach nunmehr anderthalb Jahren wird es umgesetzt. Es ist gut zu wissen, dass in Sachsen Verwaltung auch ohne Regierung funktioniert und trotzdem alles seinen rechten Gang geht.
Der Gesetzentwurf wurde im mitberatenden Finanzausschuss sechsmal von der Tagesordnung genommen. Grund war scheinbar ein Änderungsantrag, der aber noch nicht einmal richtigen Beratungscharakter hatte und damit keine Grundlage für die Diskussion im Ausschuss bilden konnte.
Dann wiederum wurde der Gesetzentwurf so eilig zur Verabschiedung vorgelegt, dass wir im federführenden Sozialausschuss einen Vorbehaltsbeschluss fassen mussten, noch bevor der Finanzausschuss abschließend beraten konnte. Ein solches Verfahren ist – das lässt sich im Nachhinein sagen – durchaus fragwürdig.
Nun könnte man meinen: Was lange währt, wird gut. – Der vorliegende Gesetzentwurf jedoch zeigt: Je weniger man regiert und je länger bestimmte Prozesse dauern, desto mehr freuen sich trotzdem alle über irgendein Lebenszeichen der Regierung und der sie tragenden Fraktionen; aber der Inhalt des Ganzen rückt in den Hintergrund.
Herr Dr. Pellmann ist schon darauf eingegangen: Der vorliegende Gesetzentwurf klärt nicht eine einzige inhaltliche Frage. Ich nenne nur wenige Beispiele: Was sind angemessene Kosten? Sind pauschalierte Regelungen empfehlenswert oder haben sie auch Nachteile? Wie erfolgt die Verteilung der tatsächlichen Belastung in Sachsen? Inwiefern folgen die Finanzen?
All diese Fragen können weder die Staatsregierung noch die sie tragenden Fraktionen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beantworten. Dieser ist vielmehr die Grundlage für das künftige Agieren der kommunale Ebene, nach dem Motto: Ihr könnt jetzt all das tun, was ihr möchtet. Ihr könnt entsprechende Satzungen verabschieden, pauschalieren oder weiter so abrechnen wie bisher.
Neu ist, dass sich die Staatsregierung über ein zusätzliches Testat für eventuelle Prüfungen des Bundesversicherungsamtes absichert. Die Kommunen jedoch werden bei Streitigkeiten weiterhin auf den Rechtsweg verwiesen.
Eine intensive Debatte über den Gesetzentwurf hat nicht stattgefunden. Gleichzeitig vermisse ich eine Debatte darüber, wie mit der unterschiedlichen Belastung der Landkreise und der kreisfreien Städte in Sachsen durch soziale Leistungen zukünftig umgegangen werden soll. Wir haben darüber vorhin im Zusammenhang mit der Kinder- und Jugendhilfe beraten. Diese Debatte wird uns wieder einholen, spätestens bei der Reform der Eingliederungshilfe und wenn es darum geht, wie die steigenden Ausgaben für Hilfen zur Pflege gedeckt werden können. Im Grund hat uns die Debatte schon eingeholt; denn die steigenden Ausgaben im Kinder- und Jugendbereich sind bereits jetzt ein Thema.
Die Kommunen sind ohne Frage für die Daseinsvorsorge zuständig, stoßen derzeit aber in allen Bereichen an ihre Grenzen. Wenn man Subsidiarität richtig definiert, kommt man zu dem Ergebnis, dass in einem solchen Fall auch das Land zuständig ist. Davor drücken sich allerdings die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen. Das Gesetz, das wir heute verabschieden, ist ein weiterer Beleg dafür.
Wir als SPD verschließen uns der überfälligen Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Abrechnung der Kosten für die kommunale Ebene nicht. Angesichts der zahlreichen offenen inhaltlichen Fragen werden wir uns bei der Abstimmung aber enthalten.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle haben in den vergangenen Tagen eine Postkarte der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenhäuser und der Interventionsstellen in Sachsen erhalten, versehen mit einem Hinweis und einer Bitte. Die Postkarte weist darauf hin, wie sehr Beratungs- und Schutzeinrichtungen gegen Gewalt in
Sachsen benötigt werden, verbunden mit der Bitte um eine stärkere Unterstützung dieser Einrichtungen und Angebote.
Mit dem vorliegenden Antrag wollen SPD-Fraktion und DIE LINKE aber mehr. Wir wollen darauf hinweisen, dass der Schutz vor Gewalt gerade auch im häuslichen Bereich, dass Beratungs- und Schutzeinrichtungen keine freiwilligen Leistungen sein dürfen. Wir wollen mit dem Antrag darauf verweisen, dass der Schutz vor Gewalt die ureigene Aufgabe des Staates ist und der grundrechtliche Anspruch auf Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit auch die Organisation von Hilfe und Schutz umfasst. So ist es nachzulesen im bereits von meiner Vorrednerin genannten Gutachten der Bundesregierung zu diesem Thema aus dem vergangenen Jahr. Aus unserer Sicht darf es dazu auch keiner Bitte bedürfen. Wir alle hier müssen uns darüber im Klaren sein, was es heißt, wenn wir die grundsätzlichen Hilfestrukturen nicht bedarfsgerecht ausbauen. Auf die Daten der betroffenen Frauen und Kinder ist meine Vorrednerin ebenfalls schon eingegangen.
Ich will kurz einen Rückblick vornehmen. Der Gewaltschutz im häuslichen Bereich erhält erst seit circa zwölf Jahren eine größere Aufmerksamkeit bei Ländern, Bund und Kommunen. 2002 gab es das Bundesgewaltschutzgesetz und in der Folge den ersten Bundesaktionsplan zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Im Ergebnis dieser Bundesinitiativen gründete sich am 14. Mai 2003 in Sachsen ein Lenkungsausschuss gegen häusliche Gewalt, indem erstmals Vereine und Verbände in ein solches Beratungsgremium der Staatsregierung geholt wurden. Dieser Lenkungsausschuss gehört mittlerweile dem Landespräventionsrat an und ist dem SMS zugeordnet. Er feierte letztes Jahr sein zehnjähriges Bestehen und es ist schade, dass dieses Ereignis und die Festveranstaltung gerade vonseiten der Regierungsfraktionen und der Abgeordneten nicht mehr Aufmerksamkeit bekamen.
Eine Folge der Gründung des Lenkungsausschusses war auch in Sachsen 2006 der erste Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt. Dieser stellte zum ersten Mal eine Zielformulierung und eine Anspruchsgrundlage für den Aufbau einer entsprechenden Hilfestruktur in Sachsen dar. Die drei Säulen des Plans bestehen bis heute. Das sind erstens die Schutzmaßnahmen der Frauen- und Kinderschutzhäuser, zweitens die Beratungseinrichtungen und Interventionsstellen, die sehr eng mit der Polizei zusammenarbeiten, und drittens die Angebote der Täterberatungsstellen, die aktiv für die Menschen da sind, die mit ihrem Gewaltproblem umgehen lernen wollen und nach einer Lösung im Sinne der mitbetroffenen Familien suchen. Das ist nach wie vor die Grundstruktur, die durch weitere Angebote wie den Weißen Ring und andere Angebote der freien Träger ergänzt wird.
Dennoch ist unser heutiger Antrag notwendig, weil es normal ist, dass nach so vielen Jahren andere Entwicklungen und Verbesserungsbedarf auftreten. Aus dieser Einsicht heraus hat der Lenkungsausschuss in den vergange
nen zwei Jahren mit viel Engagement der Beteiligten den sächsischen Landesaktionsplan fortgeschrieben, im
vergangenen Jahr von der Staatsregierung verabschiedet. Jetzt wartet der Plan auf die materielle Untermauerung. Die Initiativen und Einrichtungen, die daran mitgearbeitet haben, warten auf die versprochene Unterstützung. Frau Gläß ist schon auf die Veränderungen bei den steigenden Fallzahlen und die steigenden Hilfe- und Beratungsbedarfe eingegangen.
Ich möchte nur sagen, dass wir nach wie vor für diese Bedarfe zu wenig Angebote haben, gerade im ländlichen Raum. Frauenschutzhäuser werden durch die Kommunen kofinanziert. In Sachsen ist ein unzureichendes Angebot und eine relativ unterschiedliche Entwicklung festzustellen. Die Interventionsstellen arbeiten durch den Anstieg bei Anzeigen und Polizeieinsätzen mit einer zu geringen Personal- und Ressourcenausstattung. Auch die Täterberatung kommt bei steigendem Bedarf nicht nach. Es gibt auch kaum spezialisierte Angebote bei zunehmend komplexeren Problemlagen. Immer mehr Bedarf gibt es bei von Gewalt mitbetroffenen Kindern und Jugendlichen, für Schutz suchende Frauen, die weitere Probleme haben, wie psychische oder Suchterkrankungen. Das alles führt zu mehr Betreuungsbedarf und zu steigendem Vernetzungsbedarf mit den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitsbereich, aber auch dem Sucht- bzw. Justizbereich – das alles bei gleichbleibendem Personalschlüssel und seit 2007 gleichbleibenden Fördersätzen über die Förderrichtlinie. Das kann dazu führen, dass durch die Arbeitsdichte Betroffene im Zweifelsfall keine Hilfe erhalten können, weil die Beratungsstellen an ihren Grenzen angekommen sind.
Das Gutachten der Bundesregierung bestätigt diese Einschätzung und zeigt die Probleme nicht nur für Sachsen, sondern für alle Bundesländer. Auch daraus leiten wir unsere Forderung nach einer bundesweiten Veränderung ab, die wir in Punkt 1 unseres Antrages aufgreifen. Die Staatsregierung zitiert in ihrer ablehnenden Stellungnahme dazu lediglich, dass die Erforderlichkeit für ein neues Gesetz im Gutachten infrage gestellt wird. Das stimmt. Das Gutachten stellt jedoch nicht die Tatsache infrage, dass auf Bundesebene Maßnahmen an sich erforderlich sind. Diese können in bestehende Regelungen und Gesetze einfließen; aber wenn wir feststellen, dass die Staatsregierung in diese Richtung nicht agieren will oder den Erfolg nicht sieht, dann müssen wir schauen, wie wir die Probleme in Sachsen lösen können. Hier erwarten wir Initiativen der Staatsregierung zur Umsetzung des fortgeschriebenen Aktionsplans.
Punkt 1: Wir erwarten eine Initiative zur Lösung der Frage der Finanzierungsverteilung zwischen Kommunen und Freistaat, gerade im Hinblick auf die Frauenschutzhäuser. Diese ungeklärte Frage wird zulasten der Angebote ausgetragen. Manche Kommunen und Landkreise fördern vorbildlich, andere wieder gar nicht. Im Erzgebirge gibt es kein Frauenschutzhaus. Chemnitz beispielsweise fördert das Frauenschutzhaus mit 106 000 Euro, die Sächsische Schweiz mit 37 000 Euro. Man muss daraus
ableiten, dass Opferschutz in Sachsen vom Wohnort abhängig ist. Das kann nicht unser Ziel sein.
Punkt 2: Wir erwarten weiterhin, dass bei der Neufassung der entsprechenden Förderrichtlinie des Ministeriums auf die gestiegenen Kosten, Personalanforderungen und die veränderten Bedarfe der Beratungs- und Hilfseinrichtungen eingegangen wird.
Punkt 3: Wir erwarten, dass es an der Schnittstelle zum Kinder- und Jugendhilfebereich Veränderungen gibt. Eine Mitarbeit in Kinderschutznetzwerken einfach zu erwarten, ohne das mit entsprechenden Ressourcen zu unterstützen, dient zwar einer gewissen formellen Befriedigung von Verwaltungsanforderungen, jedoch nicht wirklich dem materiellen Anspruch der Kinder und Jugendlichen auf Unterstützung in dieser ganz speziellen Problemlage. Spezialisierte Angebote für betroffene Kinder und Jugendliche in dem Hilfsnetz gibt es in Sachsen derzeit nicht.
Punkt 4: Wir brauchen mehr Angebote für Risikofamilien, die sich ihrem Gewaltproblem stellen wollen. Ich erwähnte schon die gute Arbeit der Täterberatungsstellen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Kapazität ausweiten können.
Und nicht zuletzt brauchen wir die Schnittstelle zu den normalen Angeboten der Familienbildung, der Familienverbände, der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen. Die müssen wir mehr in den Blick nehmen und in dieser Richtung stärken. Die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen haben letztes Jahr zum zweiten Mal ihre Fachtagung unter das Motto „Gelingende Paarbeziehung“ gestellt. Das ist und bleibt die Grundlage für gelingende Familienbeziehungen. Wenn in dem Bereich Unterstützung erfolgreich verläuft, dann werden wir auch das Gewaltproblem im häuslichen Bereich in den Griff bekommen.
Es geht uns mit dem Antrag also um ein Gesamtpaket, um eine Stärkung und ein Ineinandergreifen der Angebote, die die Gewalt in Familien und Paarbeziehungen im Blick haben. Dem Anliegen dient unser Antrag und ich bitte Sie in diesem Sinne um Zustimmung.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich am Anfang, bevor Verwirrungen aufkommen, warum wir das Thema Schulsozialarbeit schon wieder aufrufen, auf unsere Gründe eingehen.
Die letzte Debatte zum Antrag der LINKEN im Juni vergangenen Jahres hat aus unserer Sicht nicht unbedingt für Klarheit gesorgt oder zu einer Verbesserung der Situation geführt. Die Ministerin konfrontierte den Landtag mit Zahlen von 2010, und dies angesichts der Tatsache, dass einige der Förderungsmöglichkeiten ausliefen bzw. auslaufen sollten. Daneben hat es in den vergangenen Monaten in anderen Bundesländern durchaus Ansätze gegeben, die darauf verweisen, dass eine Länderverantwortung für die Bündelung von Ressourcen und Standards durchaus sinnvoll ist, nicht nur in Thüringen, sondern auch in Rheinland-Pfalz – dort übrigens mit tatkräftiger Unterstützung der CDU –, die ausdrücklich auf die Landesverantwortung zu diesem Thema hinweisen.
Als dritten Punkt wissen wir, dass derzeit die Staatsregierung über ihre Haushaltsaufstellung berät. Wir sind der Meinung, dass ein Projekt wie eine flächendeckende Schulsozialarbeit genau in dieser Phase schon Eingang finden sollte.
Falls es noch von Interesse ist, würde ich gern weiterreden.
Wir sind der Meinung, dass bereits in der Haushaltsaufstellung der Staatsregierung dieses Thema Berücksichtigung finden sollte, weil es hier darum geht, dass ein gemeinsames Agieren von Sozial- und Kultusministerium erreicht werden soll. Natürlich wissen wir, dass die Finanzierungserfordernisse es verlangen, dass ein einheitliches Vorgehen innerhalb der Staatsregierung vorhanden ist, auch um erforderliche Sachverhalte gut bündeln zu können.
Wir diskutieren zum Glück in diesem Hause schon lange nicht mehr über den Sinn oder die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit. Das haben die Debatten gezeigt. Schulsozialarbeit ist an jeder Schule, wo sie existiert, nicht mehr wegzudenken. Nein, wir diskutieren über zwei andere Punkte. Das ist erstens der Umfang und die damit verbundene Frage des Ausbaus von Schulsozialarbeit,
also die Frage, ob Schulsozialarbeit nur an Brennpunkten als Feuerwehr oder eben als sinnvolle Ergänzung des pädagogischen Konzepts für alle Schülerinnen und Schüler in Sachsen erforderlich ist. Wir diskutieren zweitens die Frage nach der Verantwortung für Schulsozialarbeit, die Frage also, wer nach welchen Kriterien Bedarfe feststellt, wer die Finanzierung vorhält und die Standards festlegt.
Unsere Antwort als SPD steht in diesem Antrag. Wir fordern ein Landeskonzept für alle Schülerinnen und Schüler in Sachsen.
Wir sehen die Aufgabe von Schulsozialarbeit nicht als Reparatur-, Feuerwehr- oder Fürsorgeleistung. Wir sehen Schulsozialarbeit als pädagogische Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die zu einem gelingenden Aufwachsen beiträgt. Schulsozialarbeit handelt in öffentlicher Verantwortung und für die gute Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, daher auch der primäre Bezug zur Kinder- und Jugendhilfe.
Aus dieser Sicht haben alle Kinder in Sachsen einen Anspruch, unabhängig vom Wohnort oder vom Standort ihrer Schule und unabhängig davon, ob dieser als sozialer Brennpunkt gekennzeichnet ist oder eben nicht.
Selbst wenn wir uns einmal kurz darauf einlassen, wie es in den Debatten immer gefordert wird, das Thema bedarfsgerecht anzugehen, stehen wir vor der Frage der Bedarfsfeststellung. In der Debatte im letzten Juni wurde vonseiten der Regierungsfraktionen immer wieder gesagt: Wir bauen auf die Kompetenz der Kommunen. Auch die Ministerin verwies darauf, dass der Träger der Kinder- und Jugendhilfe über den Bedarf entscheidet. Jetzt wissen wir alle hier im Raum, wie das in der Praxis läuft. Erst wird geschaut, welche Förderrichtlinie es gibt, wie viele verschiedene Fördertöpfe mit den unterschiedlichen Förderbedingungen ausgeschöpft werden können. Dann wird geschaut, wie viel Geld man zur Verfügung hat. Danach wird der Bedarf definiert, und es wird versucht, für den meist größeren Bedarf diese Gelder irgendwie zu verteilen. Diese Verweise auf die Bedarfserhebung der Kommunen sind aus unserer Sicht deshalb bloße Schutzargumente der Staatsregierung, um nicht selbst in die Verantwortung genommen zu werden.
Wenn das Argument – der Hinweis auf die Kommunen – ernst gemeint sein sollte, was machen Sie dann mit dem heute schon zitierten jugendpolitischen Papier des Landkreistages? In diesem heißt es, dass die übliche Förderung die Quantität der erforderlichen Angebote für die Schulsozialarbeit nicht leisten kann. Sprich, der Bedarf ist viel
höher als die finanziellen Zuwendungen. Es wird vonseiten des Landkreistages auf die vorrangige Landespflicht und eine Lösung außerhalb der Jugendpauschale verwiesen. Wie ernst nehmen Sie diese Hinweise und Forderungen der kommunalen Ebene?