Diese Dinge gehören genauso zum Thema Opferschutz und zur Hilfe für traumatisierte Opfer. Wir werden dem Antrag dennoch zustimmen und in den nächsten Monaten und spätestens zur nächsten Haushaltsberatung daran erinnern.
Frau Kollegin Neukirch sprach für die SPD-Fraktion. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Jähnigen für die GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Opferschutz zu stärken, das ist wirklich ein wichtiges Ziel. Jedoch der konkrete Antrag, den Kollegin Jonas angekündigt hat, ist Ihnen leider nicht gelungen.
Es beginnt mit Punkt 1, der Forderung, den Opferschutz zu stärken. Er bleibt leider unkonkret und man kann darüber rätseln, was Sie sich darunter vorstellen. Sind es vielleicht Videokameras? Diese fänden wir als Opferschutz nicht hilfreich. Oder meinen Sie damit, dass die Sensibilität in Regierung und Landesverwaltung erhöht werden soll? Das fänden wir hilfreich, aber dann muss man es auch sagen.
Ich zum Beispiel habe kritisiert, dass der Innenminister mit der „Bild“-Zeitung die Folterkiste einer vergewaltigten, entführten, schwer traumatisierten Frau, die noch heute hier in Dresden mit ihrer Familie lebt, öffentlich präsentiert hat. So etwas muss nicht sein. Das gehört auch zum Opferschutz und da sollte man Klartext reden.
Sie fordern einen Versorgungsbericht über die Traumaversorgung und -behandlung der Opfer. Ja, Traumaambulanzen sind ein wichtiges Thema. Aber welche Vorstellungen und konkreten Ziele haben Sie denn zur Weiterentwicklung? Die schwache Finanzierung ist von meinen Vorrednerinnen schon benannt worden. Ich füge hinzu: Seit dem 15.05. gibt es das Kompetenzzentrum, aber auch das ist nur bis Ende des Jahres finanziert. Soll es fortgesetzt werden? Was haben die Leute zu erwarten? Sagen Sie es doch bitte den Opfern und denen, die ihnen helfen sollen.
Zu den Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz. Entbürokratisieren und Beschleunigen – das klingt immer gut. Es handelt sich größtenteils um Bundesrecht, aber es
Ich möchte konkrete Zahlen nennen: 2012 gab es in Sachsen 312 406 Straftaten, wovon fast 7 000 Gewalttaten waren. Es gab ganze 623 Anträge auf Opferentschädigung. Davon wurde mehr als die Hälfte, nämlich 361, abgelehnt. Ein Zehntel der Taten führten zu einem Opferantrag – offensichtlich sehr wenige. Das ist es auch, was der Weiße Ring als Opferschutzorganisation immer kritisiert: Zu wenige stellen einen Antrag auf Entschädigung. Zu wenige wissen, dass es das überhaupt gibt und wie man damit umgeht. Die Versorgungsträger gehen zu restriktiv damit um.
Wenn wir über den Versorgungsträger reden, dann kommen wir natürlich zu dem, was sich in Sachsen tun ließe, denn Versorgungsträger ist hier wieder die unkontrollierte Riesenbehörde Kommunaler Versorgungsverband. Wollen Sie, dass dort etwas geändert wird? Wollen Sie sich mal nicht hinter der kommunalen Selbstverwaltung verstecken? Dann sagen Sie aber bitte, was sich ändern soll. Was soll sich beim KSV ändern, damit die Opfer besser an Entschädigungen herankommen? Wie sollen sie beraten werden? Wie sollen die Verfahren vereinfacht werden? Oder sind es nur Wortblasen? Das haben die Betroffenen tatsächlich nicht verdient und das haben auch die Leute nicht verdient, die sich dafür engagieren.
Ich möchte den Blick auf bestimmte Opfergruppen richten: Erstens. Behinderte, insbesondere Frauen und Mädchen, aber auch Jungen und Männer sind überproportional von Gewalt betroffen. Das hat die Studie des Bundesministeriums der Justiz gezeigt. Wir haben beantragt, dass der Situation von behinderten Frauen bei Gewalt und Missbrauchsopfern besonders Rechnung getragen wird. Es gab dazu eine interessante Anhörung. Sie haben diesen Antrag im Sozialausschuss des Landtages letztens abgelehnt.
Zweitens, traumatisierte Flüchtlinge, Flüchtlinge, die Sachsen aus Bürgerkriegsländern erreichen, aus Kriegssituationen oder aus persönlicher Verfolgung kommen. Das ist für Sie offenbar kein Thema. Nach wie vor passieren die Aufnahmen ohne Dolmetscher. Nach wie vor gibt es keine Versorgung. Gerade bei der Diskussion zu unserem Antrag zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge haben wir gesehen, dass auch die Ausländerbehörde und der Innenminister davon ausgehen, dass dort nur eine minimale medizinische Versorgung stattfinden soll; denn eine normale medizinische Betreuung müssten dann die Angehörigen bezahlen. Wir glauben, dass unsere Solidargemeinschaft in der Lage ist, verfolgten Flüchtlingen auch medizinisch zu helfen. Aber das haben wir schon diskutiert, und leider spielt es auch hier wieder keine Rolle.
Drittens, Opfer rassistischer Gewalt. Beim Tagesordnungspunkt nach dem Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses sollte dieses Thema nicht ausgeblendet werden. Auch hier ist die Förderung der Beratungsstelle eingestellt worden.
Schließlich sind Opfer homophober Gewalt für Sie bisher überhaupt kein Thema gewesen. Das hat unsere Große Anfrage gezeigt. Auch diese Opfergruppe wird vernachlässigt.
Summa summarum: Der Opferschutz ist wichtig. Er muss im Mittelpunkt stehen. Wir werden auch diesem unkonkreten Antrag zustimmen, aber viel wird er so nicht helfen.
Das war die Abg. Jähnigen für die Fraktion GRÜNE. Von der NPD ist kein Redebedarf angezeigt. Wir könnten eine weitere Rederunde eröffnen. Gibt es dafür Bedarf aus den Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Damit erhält die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Clauß.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir sind uns einig und das hat man auch in der Debatte gehört: Traumambulanzen helfen schnell und niederschwellig. Sie können chronische Belastungen und psychische Spätfolgen vermeiden helfen. Dass Hilfe so schnell und unkompliziert wie möglich erfolgt, ist besonders wichtig für Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Wir haben auch gehört, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass dies in den ersten Wochen von Erfolg sein sollte.
Wie Herr Kollege Mackenroth schon kundgetan hat, wird Frau Staatssekretärin Fischer am kommenden Freitag die erste Traumaambulanz am Dresdner Uniklinikum eröffnen. Das ist ein wichtiger Schritt. Über einen Notbereitschaftsdienst der Dresdner Ambulanz erhalten Opfer ab sofort zeitnah einen Termin für fünf sogenannte probatorische Sitzungen. Dann klären speziell ausgebildete Ärztinnen und Ärzte, ob eine Behandlung angezeigt ist oder nicht, und wenn ja, welche sinnvoll ist. Sie führen mit dem Betroffenen Erstgespräche zur Krisenintervention, ermitteln den genauen Sachverhalt, stellen eine Diagnose und entscheiden über weitere Behandlungsmöglichkeiten. Die Kosten für diese Einstiegsbehandlung werden unbürokratisch über das Opferentschädigungsgesetz übernommen, und zwar – dies möchte ich betonen –, noch bevor ein Antrag auf Opferentschädigung genehmigt worden ist.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die schnelle und unbürokratische Versorgung von Gewaltopfern steht für uns im Mittelpunkt. Erstmalig für Sachsen haben wir das durch einen Vertrag zwischen dem Uniklinikum und dem Kommunalen Sozialverband geregelt; denn bisher war eine schnelle Versorgung von Gewaltopfern auf der Grundlage des Opferentschädigungsgesetzes kaum
möglich. Bei niedergelassenen Traumatherapeuten – auch darüber haben wir hier schon diskutiert – gibt es Wartezeiten, aber das wird jetzt auch im Koalitionsvertrag beschleunigt werden.
Die Antragstellung über das Opferentschädigungsgesetz ist langwierig und kompliziert und wird bislang nur selten wahrgenommen; aber eine rechtzeitige Versorgung von traumatisierten Gewaltopfern darf nicht an bürokratischen Hürden scheitern. Das ist uns wichtig. Ab jetzt genügt ein einfacher Kurzantrag des Opfers, damit die Traumaexperten mit den ersten fünf Sitzungen beginnen können. Wenn die Ärzte entsprechende Symptome feststellen, dann ist eine anschließende Akutbehandlung mit bis zu zehn Sitzungen möglich. Auf diese Weise gewährleisten wir Gewaltopfern einen schnellen Zugang zur therapeutischen Hilfe. Um das Modell finanziell abzusichern, stellt das Sozialministerium zusätzliche Mittel bereit. Das sind 50 000 Euro pro Jahr, die auch im kommenden Doppelhaushalt sehr wohl veranschlagt sind.
Ja, meine Damen und Herren, wir brauchen solche Traumaambulanzen nicht nur in Dresden, sondern in ganz Sachsen. Ich bin überzeugt, dass dieses Angebot Schule machen wird, und wir stehen unterstützend weiter zur Seite. Bei der flächendeckenden Etablierung werden wir mithelfen.
Sachsen“ ins Leben gerufen, das ebenfalls von meinem Ministerium gefördert wird. Ziel dieses Projektes ist es, Konzepte, Qualitätsstandards und Finanzierungsmodelle für die Therapie von seelisch Traumatisierten zu erarbeiten. Der Vertrag über die Erbringung von Leistungen durch Traumaambulanzen für Opfer von Gewalttaten, der am Freitag unterzeichnet wird, ist dazu ein wichtiger Schritt. Auch diese Traumaambulanzen werden den Opfern der SED-Diktatur und deren Angehörigen selbstverständlich offenstehen. Das ist aber neu und ist auch bei den Vertretern der Opferverbände auf reges Interesse gestoßen. Dieser Vertrag kann zugleich ein Mustervertrag für die Arbeit weiterer Traumaambulanzen sein.
Mein Dank geht deshalb ausdrücklich an den KSV, das Universitätsklinikum Dresden und den Weißen Ring, die hier alle drei wieder einmal Pionierarbeit geleistet haben. Wie erfolgreich das ist, sieht man allein schon an den Rückmeldungen, die wir aus Berlin erhalten. Es wurde schon erwähnt, dass im Koalitionsvertrag eine Neuordnung des Rechts der sozialen Entschädigung und der Opferentschädigung vorgesehen ist. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dabei auch ein schneller und unbürokratischer Zugang von Gewaltopfern zu diesen Traumaambulanzen mitgeregelt wird, denn Dresden soll nicht die einzige Ambulanz bleiben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind jetzt beim Schlusswort. Das Schlusswort erhält die einbringende Fraktion der CDU; Herr Mackenroth, gleich vom Mikrofon 5 aus; bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich danke für die Debatte, die wieder ein Stück gesellschaftliche Sensibilisierung für Opferbelange gebracht hat. Und sei der Schritt auch noch so klein – jeder Schritt für die Opfer ist ein guter Schritt.
Kollegin Gläß, Sie haben darauf hingewiesen, dass Therapeuten Mangelware sind. Richtig, wir müssen sicher mit denjenigen reden, die den Versorgungsauftrag haben. Das ist nicht die Staatsregierung, aber dass etwas zu tun ist, ist richtig.
Die Vertreterin der SPD hat darauf hingewiesen, dass die Einführung der EU-Opferschutzrichtlinie ansteht. Auch das wird bei der Verbesserung der Opferrechte eine wichtige Etappe sein.
Frau Jähnigen, Sie haben uns vorgeworfen, dass der Antrag unkonkret ist. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ihre Kritik am KSV, die ich in Einzelfällen teile, war mir wiederum zu unkonkret. Wenn und sobald etwas Konkretes herauskommt und konkrete Einzelfälle nicht sachgerecht behandelt werden, würde ich einfach darum bitten, mit dem KSV zu sprechen. Meine Erfahrungen sind nicht so schlecht wie die Erfahrungen anderer. Aber dass etwas zu tun ist, erkenne ich ebenfalls.
Meine Damen und Herren, mir liegt ein Änderungsantrag der einbringenden Fraktionen CDU und FDP in der Drucksache 5/14806 vor, den Kollege Mackenroth bereits eingebracht und begründet hat. Wir können also darüber abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist der Änderungsantrag in der Drucksache 5/14806 angenommen.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/12677 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Ebenfalls keine. Damit ist diese Drucksache einstimmig angenommen und der Tagesordnungspunkt 7 beendet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Horte sind Kindertageseinrichtungen, die von schulpflichtigen