Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

Persönlichkeiten vorzuwerfen sei bzw. eine sachwidrige Einflussnahme auf den Gang der Ermittlungen bzw. auf den laufender Strafverfahren stattgefunden hat.

Zugleich wurde untersucht, ob die Vorwürfe einer gezielten Desinformation der Presse und der Öffentlichkeit von deren Seite in der Debatte um den sogenannten „SachsenSumpf“ berechtigt sind.

Wiederum nach wechselseitigen Anträgen von Koalition und Opposition wurden im Zeitraum Herbst 2013 bis Mai 2014 zahlreiche Zeugen vernommen, darunter der frühere Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Dresden, Dr. Henning Drecoll, der für die Ermittlungseinheit „Sachsen-Sumpf“ bei der Staatsanwaltschaft Dresden zuständige Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer sowie – als einer seiner Hauptsachbearbeiter – Herr Staatsanwalt Christian Kohle.

Vernommen wurden hier aber auch Staatsanwälte bzw. Richter, die an Ermittlungen gegen im „Sachsen-Sumpf“Komplex Verdächtige oder an konkreten Verfahren gegen Beamte des Verfassungsschutzes, der Kriminalpolizei, gegen als Zeuginnen aussagende frühere Zwangsprostituierte, gegen über die „Sachsen-Sumpf“-Affäre berichtende Journalisten sowie im Zusammenhang mit dieser agierende Rechtsanwälte beteiligt waren.

Mit dem gleichen Anliegen der Erfüllung der Aufgabenstellung zu Buchstabe k) des Einsetzungsbeschlusses, Entscheidungen und Maßnahmen von Mitgliedern der Staatsregierung oder von ihnen Beauftragter zur strafrechtlichen, disziplinarrechtlichen, beamtenrechtlichen oder sonstigen Verfolgung vorheriger Beamter des Freistaates zu untersuchen, wurden in diesem Arbeitskomplex Vertreter des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz gehört, darunter auch ein Untersuchungsführer im Disziplinarverfahren.

Gegen Ende seiner Beweisaufnahme vernahm der Ausschuss zur im Raum stehenden Frage einer eventuellen Einflussnahme der Staatsregierung auf laufende Ermittlungsverfahren und das erfolgte Krisenmanagement die frühere Justizstaatssekretärin Gabriele Hauser und den früheren Staatsminister der Justiz, Herrn MdL Geert Mackenroth, sowie – abschließend – den Leipziger Kriminalhauptkommissar Georg Wehling.

Herr Bartl, darf ich Sie einen Augenblick zu mir bitten?

(Kurze Beratung zwischen dem 2. Vizepräsidenten Horst Wehner und Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Im Ergebnis hat der Ausschuss in 37 Beweiserhebungssitzungen insgesamt

52 Zeugen, davon sieben Zeugen zweimal und einen Zeugen dreimal, vernommen. Zu Teilen waren die Zeugenvernehmungen mit einer sich der öffentlichen Sitzung anschließenden Vernehmung in geheimer Sitzung verbunden.

Zur Erkenntnisgewinnung diente dem Untersuchungsausschuss neben der Vernehmung der vorgenannten 52

Zeugen auch der Rückgriff auf ihm vorliegende Protokolle der Vernehmung weiterer Zeugen durch den

2. Untersuchungsausschuss der 4. Wahlperiode.

Von Vorteil für die sachorientierte Arbeit war, dass der Untersuchungsausschuss in Vollziehung von 51 Beweisanträgen umfängliche Aktenvorlagen erreichen konnte. Insgesamt hat der Ausschuss Akten, Aktenteile und sonstige Beweisstücke beigezogen – in Band I sind sie im Detail aufgeführt – im Umfang von insgesamt

1 091 Aktenordnern, wovon 822 offen verwertbare Unterlagen waren und der Rest in unterschiedlichem Grad als Verschlusssache „Vertraulich“ bis „Geheim“ eingestuft gewesen ist.

Der Ausschuss hat in seiner Tätigkeit keine Fälle festgestellt, dass als „Geheim“ registrierte bzw. einer Geheimhaltungsstufe unterliegende Unterlagen rechtswidrig

gegenüber Dritten offenbart oder gar der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Während der Tätigkeit des jetzigen Untersuchungsausschusses ist also kein Ansatzpunkt für einen Fall des Geheimnisverrats festgestellt worden. Allerdings musste der Untersuchungsausschuss gegen Ende seiner Beweisaufnahme feststellen, dass offensichtlich das Protokoll der Vernehmung einer Zeugin in der Sitzung am 19. Mai 2014, die zunächst in öffentlicher Beweisaufnahme und dann qua Beschluss des Ausschusses in geschlossener Sitzung vernommen wurde, an Medienvertreter gelangt ist, bevor es der betreffenden Zeugin vorlag und von ihr, wie es die Verfahrensgrundsätze vorsehen, autorisiert worden war. Das war für den Ausschuss umso problematischer, als der besagten Zeugin aufgrund vorher angezeigter Gefahren besondere Sicherheitsvorkehrungen zugesagt worden waren.

Der Ausschuss hat eine Vielzahl von Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern erhalten, die durchweg den Fraktionen bzw. Obleuten zur Kenntnis gebracht worden sind.

Der Ausschuss hat sich, nachdem ein ursprüngliches Vorhaben dahin gehend, die Erarbeitung des Sachberichts einer Expertengruppe zu überantworten – bestehend aus Wissenschaftlern mit international ausgewiesener Erfahrung auf dem Gebiet der kriminologisch-strafrechtlichen Analyse von komplexen Strukturzusammenhängen, der computergestützten Inhaltsanalyse und umfänglicher Aktenauswertung –, aufgrund der finanziellen Nichtdarstellbarkeit gescheitert ist, entschieden, dass neben dem von der Verwaltung erstellten Verfahrensteil die Fraktionen eigene Sachberichte mit ihren Wertungen vorlegen. Das ist im Weiteren geschehen und liegt Ihnen entsprechend vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie eingangs schon erklärt, besteht der Ausschussbericht aus vier Bänden. Ich darf noch richtigstellen, dass Band IV, der das ursprünglich von Kollegen Lichdi für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Minderheitenvotum enthält und im Geheimschutzraum für die Abgeordneten nachlesbar ist, jetzt als Ausschussdrucksache der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE

LINKE gilt, weil DIE LINKE dem entsprechenden Beweisantrag bzw. dem Bericht beigetreten ist.

Der Ausschuss unterbreitet an Sie, wie schon festgestellt, insgesamt 994 Seiten. Diese sind als Ergebnis der Beweisaufnahme entstanden.

Herr Bartl, Sie haben bitte die Redezeit im Blick. Es tut mir leid!

Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Vielen Dank. – Der Ausschuss hat insgesamt 233 Stunden und 14 Minuten getagt; davon waren 193 Stunden und 37 Minuten Beweiserhebung. Diese nüchternen Zahlen sagen noch nichts über den Aufwand für Vorbereitung und Auswertung aus.

Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken: bei allen Ausschussmitgliedern, bei allen parlamentarischen Mitarbeitern, bei dem Ausschusssekretariat, im Besonderen bei Frau Zärtner und Frau Hentschel, und beim Juristischen Dienst.

(Beifall)

Ich darf mich namentlich bei den Stenografen

Dr. Karsten Broosch und Anita Wothe bedanken, die eine Herkulesarbeit leisten mussten.

(Beifall)

Ich bedanke mich auch bei den Beauftragten der Staatsregierung, Herrn Bürkel und Herrn Dr. Falk, weil der Ausschuss tatsächlich im Wesentlichen sehr konstruktiv in seiner Arbeit begleitet worden ist.

Als Ausschussvorsitzender verbleibt mir, das Plenum zu bitten, den Ausschussbericht entgegenzunehmen. Wir haben die Hoffnung, dass das vom Ausschuss vorgelegte Material bei den Abgeordneten dieses Hohen Hauses Beachtung und eigene Resonanz findet, jedenfalls auch Nachdenken in unterschiedlicher Weise auslöst.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und die Geduld des Herrn Präsidenten.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Gern, Herr Bartl. – Meine Damen und Herren! Das war der Bericht des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschuss.

Wir treten in die Aussprache ein. Für die Fraktion der CDU Herr Abg. Piwarz. Herr Piwarz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fünf Jahren haben wir hier im Hohen Haus schon einmal über den Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses zu vermeintlichen kriminellen und korruptiven Netzwerken in Sachsen debattiert. Nun sind weitere vier Jahre Arbeit im 2. Untersuchungsausschuss vorbei. Und was liegt hinter uns? Kollege Bartl hat es zutreffend zusammengefasst: Unmengen an Akten, die teilweise die Kapazitäten des Landtages zu sprengen

drohten, eine Vielzahl von Zeugenvernehmungen und mehrere Hundert Stunden Sitzungszeit.

Meine Damen und Herren! Das Ergebnis bleibt unverändert – so hält es auch der Abschlussbericht fest; das wird Sie nicht verwundern –: Die behaupteten kriminellen und korruptiven Netzwerke in Sachsen gab es nicht. Den insbesondere von der Opposition immer wieder willfährig behaupteten „Sachsen-Sumpf“ hat es so nie gegeben.

Die Vertreter der CDU im Ausschuss haben zahlreichen Zeugen die Frage nach der Existenz dieser angeblichen Netzwerke gestellt. Die allermeisten haben diese Frage klar verneint. Nur einer, ein ehemaliger Richter aus Chemnitz, bejahte diese Frage und verwies dabei vollmundig auf die Medien, die davon ja voll seien.

Spannend ist, dass nunmehr auch die Opposition zu der Erkenntnis gekommen ist, dass ihre sonst immer bemühten Netzwerke nicht existieren. Das wird sogar im abweichenden Votum von LINKEN, SPD und GRÜNEN deutlich. Ich will gerne zugestehen, dass bei Ihnen der Weg zur Erkenntnis allgemein länger dauert, aber – so muss man fragen – braucht es dafür wirklich vier weitere Jahre Ausschussarbeit? Sind die vom sächsischen Steuerzahler dafür zur Verfügung gestellten Ressourcen für eine nicht neue Erkenntnis tatsächlich sinnvoll eingesetzt? Zweifel daran bleiben.

Meine Damen und Herren, schauen wir auf die Details. Sehr intensiv hat sich der Ausschuss mit dem Verkauf des Hauses Riemannstraße 52 in Leipzig befasst. Für die Anhänger der Sumpftheorie ist das quasi der Kernpunkt des Bösen. Hier soll das angebliche Netzwerk erstmals offen zutage getreten sein. Entsprechend hemmungslos wurden in der Vergangenheit die damaligen Vorgänge rund um den Kauf in ein schlechtes Licht gerückt und handelnde Personen diskreditiert.

Wir haben im Ausschuss zahlreiche Zeugen hierzu vernommen und Akten ausgewertet. Am Ende ist nichts übrig geblieben. Weder der Kauf selbst noch die Gewährung und der Einsatz von Fördermitteln oder die Belegung der Wohnungen sind angreifbar. Natürlich – das sei zugestanden – war die Situation auf dem Leipziger Immobilienmarkt Anfang der Neunzigerjahre nicht mit heute vergleichbar, aber Vorwürfe für ein Fehlverhalten der damals Handelnden lassen sich nicht halten. Einzig der Umgang mit Immobilienakten bei der Stadt Leipzig bzw. bei der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft hat für mehr als nur Stirnrunzeln bei allen Ausschussmitgliedern gesorgt. Ich komme später darauf noch einmal zurück.

Meine Damen und Herren, die Opposition hat bereits ihr abweichendes Votum gegenüber der Presse vorgestellt. Gemäß den Verlautbarungen danach will sie weiter das Bild aufrechterhalten, dass angeblich nach Meinung der Staatsregierung die ehemalige Referatsleiterin Henneck – heute heißt sie Skroch – und der Polizeibeamte Wehling verantwortlich für alles sein sollen.

Das hat so absolut niemand behauptet, aber es lohnt sich, beide Personen und ihr Handeln genauer zu beleuchten.

Beide haben dem Ausschuss als Zeugen zur Verfügung gestanden. Spannend ist dabei vor allem die Aussage von Georg Wehling. Er hat zugegeben, dass er sich Ende Mai 2006 circa fünf Stunden lang mit Frau Skroch getroffen und zu diversen Vorgängen Angaben gemacht hat. Er hat aber – und das ist wichtig – zwei Dinge deutlich dementiert: dass er sich bereits 2005 mit Frau Skroch getroffen hat und dass zahlreiche Vorwürfe aus dem sogenannten „Gemag“-Vermerk definitiv nicht von ihm stammen.

Dies wiederum lenkt den Blick auf Frau Skroch. War sie wirklich, wie die Opposition das immer darstellt, die angeblich so fehlerfrei arbeitende Beamtin, die sich ausschließlich der Aufklärung verpflichtet fühlte? Zahlreiche Punkte lassen zumindest Zweifel daran aufkommen. Im Ausschuss der letzten Legislaturperiode war Frau Skroch davon überzeugt, dass in den von ihr gefertigten Abgabedossiers an die Staatsanwaltschaft zahlreiche belastbare Vorwürfe zum vermeintlich korruptiven Handeln aufgeschrieben wurden, die die Staatsanwaltschaft zum Handeln zwingen müssten.

Von dieser Position ist nun, ein paar Jahre später, nicht viel übrig geblieben. Jetzt versucht Frau Skroch eher den Eindruck zu erwecken, dass sie von ihren Vorgesetzten regelrecht dazu angehalten wurde, diese Dossiers fertigzustellen. Hat da – diese Frage stellt sich – jemand Angst vor der eigenen Courage bekommen, nur weil die Vorgesetzten auf das vertrauten, was ihnen Frau Skroch damals vorher über die Vorgänge berichtete?

Und was war mit „Gemag“? Dahinter steckt die Befragung von Georg Wehling Ende Mai 2006. Frau Skroch hat es mehrfach klar erklärt. Aber – so muss man fragen – ist da noch mehr? Frau Skroch hat in ihrem Vermerk der Quelle „Gemag“ eine hohe Bedeutung beigemessen. Angeblich würde sich diese Quelle in höchsten Justiz- und Politikkreisen bewegen. Das tat Georg Wehling sicherlich nicht, und er hat dies auch im Ausschuss vehement abgestritten. Und laut Frau Skroch habe „Gemag“ schon im Jahr 2005 umfangreiche Angaben gemacht, die 2006 nur nochmals bestätigt worden seien. Ein Treffen 2005 wohlgemerkt hat Georg Wehling ebenso vehement abgestritten.

Meine Damen und Herren, was muss also passiert sein? Die Referatsleiterin Skroch weiß spätestens im Frühjahr 2006, dass die Tätigkeit ihres Referats Ende Mai endet. Sie hat in einzelnen Bereichen nicht mehr als ein paar vage Gerüchte und Informationssammlungen. Also lag es aus ihrer Sicht nahe, diese noch irgendwie zu verdichten, offenbar koste es, was es wolle. Deshalb trifft sie sich mit Georg Wehling nur wenige Tage vor Ende der Tätigkeit des Referats. Deshalb macht sie zunächst gegenüber ihren Vorgesetzten falsche Angaben über die Identität „Gemags“ und gibt diese erst 2007 auf wiederholte Nachfrage preis.

Diese Quelle „Gemag“ stellt quasi das Hauptbelastungsmaterial dar, musste also auf glaubwürdig, ja sogar sehr glaubwürdig getrimmt werden. Deshalb spricht vieles

dafür, dass Frau Skroch die angeblichen Treffen im Jahr 2005 und die vermeintlich guten Kontakte von „Gemag“ zu Politik und Justiz schlicht erfunden hat. Dazu passt, dass wir ihr bereits im vorangegangenen Ausschuss nachweisen konnten, dass der entsprechende Treffvermerk mit „Gemag“ von ihr selber zurückdatiert wurde, um ihn noch in die Auswertung einfließen zu lassen.