Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Michael Weichert, bevor ich meine Rede zu Protokoll gebe, sage ich natürlich: Bitte nicht persönlich nehmen!

Ich würde sagen: Der Antrag ist gut gemeint.

(Lachen bei der CDU – Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Herr Herbst, es ist unsere Botschaft, dass wir diese Punkte in den Wahlkampf tragen. Wir werden dem Bürger vermitteln, dass wir als Opposition Alternativen haben. Machen wir es öffentlich, wie die Koalition Stillstand organisiert und verwaltet, statt effektivere Strukturen aufzubauen. Herr Hippold hat das wieder bestens bewiesen.

Die LINKE trägt nicht alle Punkte mit. Wir finden den Zeitpunkt sehr unglücklich, zumal der Antrag an die Adresse der jetzigen Regierung gerichtet ist. Ich gehe davon aus, dass das nicht die neue Regierung sein wird.

Als scheidender Abgeordneter wünsche ich allen Kollegen, die ihr Mandat verteidigen wollen, viel Erfolg. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit in den letzten 15 Jahren bei allen Kolleginnen und Kollegen. Ich habe einen Wunsch: Rechtfertigen Sie bitte das Vertrauen der Bürger durch verantwortungsvolles Handeln im Landtag. Dem wirklichen politischen Souverän habe ich mich stets verpflichtet gefühlt.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU , der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Zais. Auch Ihnen alles Gute.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion, Herr Abg. Brangs. Sie haben das Wort, Herr Brangs. – Bei mir steht „Köpping“.

(Heiterkeit)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Michael Weichert, ich nehme das Angebot sehr gern an. Bei den acht Punkten, die man hier zusammengetragen hat, ist mir nicht ganz klar geworden, warum daraus ein Plan werden soll. Aber sei es drum. Das Thema Fachkräfte hätte ich mir auch noch gewünscht.

Ich bedanke mich für eine gute Zeit im gemeinsamen Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, wünsche dir alles Gute und gebe meine Rede zu Protokoll.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, Herr Brangs. – Für die FDP-Fraktion jetzt Herr Abg. Herbst. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich auch ganz herzlich bei Michael Weichert für eine äußerst angenehme fachliche und auch persönliche Zusammenarbeit bedanken. Ich schätze ihn als einen Kollegen, der wirklich konstruktiv war, der eine sehr angenehme Form der Zusammenarbeit hatte, nicht nur hier im Plenum, sondern manchmal auch abends in der Kneipe. Er ist, glaube ich – das gehört zu seinen Qualitäten dazu –, einer derjenigen in Sachsen, der den Blick sehr über den Tellerrand Sachsens hinaus richtet. Er hat bei der Zusammenarbeit mit Bosnien-Herzegowina die Pflöcke eingeschlagen und geholfen, dass die beiden Regionen zueinanderfinden. Er hat auch menschlich viele Brücken geschlagen. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

Meine Rede gebe ich auch zu Protokoll.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Danke, Herr Herbst. – Für die NPD-Fraktion Herr Abg. Storr. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass ein 8-Punkte-Programm zur Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur in Sachsen vorgelegt wird, kann meine Fraktion als konsequente Befürworterin der sächsischen Regionen prinzipiell natürlich nur begrüßen. Leider fehlt uns aber der Glaube, dass die grüne Großstadtpartei es damit auch ernst meint. Warum?

Das will ich anhand der Entwicklung einer ländlich geprägten Region im Westen der Republik kurz erläutern, nämlich der Gegend zwischen den Landkreisen Cloppenburg und Vechta im westlichen Niedersachsen, auch unter dem Namen Oldenburger Münsterland bekannt. Dieses

Gebiet hat tatsächlich das Kunststück fertiggebracht, sich in wenigen Jahrzehnten von einer Armuts- und Abwanderungsregion zu einer florierenden ländlichen Region zu entwickeln, die inzwischen nicht nur beispiellose Wachstumsraten aufweist, sondern auch eine gesunde demografische Struktur, was in Deutschland bekanntlich eine Seltenheit ist.

Wie wir alle wissen, meine Damen und Herren, ist in den sächsischen Regionen die Situation genau umgekehrt. Diese haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zum heutigen Zustand der sozioökonomischen und demografischen Agonie zurückentwickelt, und zwar vor allem durch den kapitalistischen Globalisierungswahn nach der Wende, insbesondere durch die unserem Land aufgezwungene EU-Politik. Aber zurück zum Oldenburger Münsterland.

Besonders bemerkenswert am außergewöhnlichen wirtschaftlichen und demografischen Aufschwung dieser Region ist die Tatsache, dass er in Strukturmerkmalen wurzelt, die außer der NPD alle hier im Landtag vertretenen Parteien, allen voran die GRÜNEN, nach ihren eigenen Bekundungen ablehnen. Als Beispiel für diese Merkmale zitiere ich einen Ausschnitt aus der Studie „Land mit Aussicht“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung: „Im Oldenburger Münsterland gilt es vielfach noch als Ideal einer Mutter, sich selbst vollzeitlich um die Kinder zu kümmern und dafür den Beruf zumindest eine Zeit lang aufzugeben. Elisabeth Seelhorst von der Koordinierungsstelle ‚Frauen und Wirtschaft‘ sieht darin weiterhin den Normalfall. Für die Mütter gelte: ‚Wenn ich schon Kinder habe, will ich etwas davon mitkriegen.‘ Unterstützend wirkt dabei die weitverbreitete Einstellung, dass Hausfrau und Mutter zu sein gleichwertig mit der Erwerbstätigkeit sei. Es gelte als Sozialprestige, zu Hause bleiben zu dürfen.“

Das ist genau das Gegenteil der erklärten Strategie der sächsischen GRÜNEN wie auch der CDU etc.

Aber nicht nur die Familien- und Bevölkerungsstruktur, sondern auch die Wirtschaftsstruktur des Oldenburger Münsterlandes ist den Leitvorstellungen der sächsischen GRÜNEN, LINKEN, CDU, SPD und FDP diametral entgegengesetzt. Sie ist nämlich nicht in erster Linie global, sondern regional vernetzt. Sie entspricht also eher der nationaldemokratischen Vorstellung einer raumorientierten Volkswirtschaft, die ja gerade auf regionalen und nationalen Wertschöpfungsketten und deren sozialer Bindungskraft beruht.

Dabei bildet im Münsterland die Landwirtschaft als traditionelle Wirtschaft der Region die Grundlage. Zwar arbeitet heute auch dort nur noch ein kleiner Teil der Erwerbstätigen direkt in der Landwirtschaft, aber – ich zitiere wieder aus dem Bericht des Berlin-Instituts –: „Wird das Beziehungsgeflecht vor- und nachgelagerter Betriebe und damit die enge Verzahnung zwischen landwirtschaftlicher Primärproduktion und Weiterverarbeitung berücksichtigt, sieht das Bild ganz anders aus. Neben typischen Zulieferern wie Brütereien, Landwarenhandel,

Pharmaunternehmen oder Veredlungsbetrieben wie

Schlachtereien oder Molkereien werden auch die Beschäftigten in Dienstleistungsbereichen wie Banken oder Versicherungen, Transportunternehmen und Stallreinigungsfirmen einbezogen.“

Auch die Wirtschaftsstruktur sieht in Sachsen völlig anders aus. Nach der Wende wurden die traditionellen Betriebe, zum Beispiel die Textilindustrie, rigoros zerschlagen und von verlängerten Werkbänken westlicher Firmen ersetzt. Das sind aber die typischen Strukturen einer globalisierten Wirtschaft.

Die GRÜNEN haben zu keinem Zeitpunkt ein überzeugendes Alternativkonzept zu dieser Entwicklung präsentiert. Ganz im Gegenteil: Sie haben im Wesentlichen die wirtschaftspolitischen Schlagworte der CDU-geführten Staatsregierung nachgeplappert: Innovation, Technikcluster, Förderung der Exportindustrie, Konzentration auf Metropolregionen etc. Schon deshalb ist der heutige Antrag wenig glaubwürdig.

Trotzdem will ich keineswegs behaupten, dass die darin vorgeschlagenen Punkte direkt falsch seien. Sie greifen aber zu kurz; denn schrumpfenden Regionen in Sachsen ist heute nicht mehr allein mit Expertisen für lohnende Geschäftsstrategien mit Unternehmensdarlehen oder

einzelnen Infrastrukturmaßnahmen geholfen.

Sie brauchen vielmehr ein integriertes Gesamtkonzept für den Wiederaufbau, und zwar neben dem notwendigen Infrastrukturaufbau im Wesentlichen zweigleisig: wirtschaftlich im Hinblick auf Arbeitsplätze und demografisch im Hinblick auf qualifizierte Arbeitskräfte. Das eine ist ohne das andere sinnlos; denn Rückwanderer und Siedler würden ohne Arbeitsplätze keine Existenzgrundlage finden, und neue Arbeitsplätze sind ohne qualifizierte Arbeitskräfte genauso sinnlos. Letztere fehlen aber schon weitgehend in den sächsischen Regionen wegen der hohen Abwanderung und des Geburtenrückgangs. Wir brauchen also sowohl Arbeitsplätze als auch entsprechend ausgebildete junge Leute, Rückwanderer oder andere Deutsche, die bereit sind, in den sächsischen Regionen zu siedeln und zu arbeiten.

Deshalb muss sofort mit zwei aufeinander abgestimmten Programmen gehandelt werden: einem Arbeitsbeschaffungsprogramm und einem Siedlungsprogramm. Bei beiden muss sich nicht zuletzt die Politik ins Zeug legen, sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene, mit viel Engagement und Kreativität.

Die Experten sind sich zum Beispiel ziemlich einig darin, dass in einer Region wie der Oberlausitz vorerst nicht mit großen Industrieansiedlungen zu rechnen ist. Deshalb muss man andere Wege gehen, zum Beispiel, indem man auf eine Dezentralisierung der Industrie mithilfe von Telearbeitsplätzen setzt. Hierfür müssen Konzepte, Anreize und entsprechende Rechtsgrundlagen geschaffen werden. Anschließend müssen die Vertreter der Politik, vor allem der Kommunalpolitik, mit ihren Standortvorteilen auf Werbetour gehen, denn Zwangsmaßnahmen wären sicherlich keine gute Lösung.

Dezentrale, mobile und flexible Büros sind zwar ohnehin ein Trend in der Wirtschaft, aber sie kommen nur zustande, wenn sie betriebswirtschaftlich und organisatorisch sinnvoll sind. Auch das Siedlungsprogramm muss rechtlich, finanziell und organisatorisch vorbereitet, beworben und begleitet werden. Hier dürften Immobilienpreise und Mieten, Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur sowie Schulen und soziale Einrichtungen wichtige Kriterien sein.

Eines ist klar, meine Damen und Herren: Wenn wir uns allein auf die freien Marktkräfte verlassen, wird diese Entwicklung nicht in Gang kommen. Hier ist ein politisch abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen in Zusammenarbeit mit den Marktkräften erforderlich. Das zeigen alle verfügbaren Erfahrungen und Daten.

Der Antrag der GRÜNEN greift, wie ich schon sagte, zu kurz. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Möchte aus den Reihen der Fraktionen noch jemand sprechen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Staatsminister Morlok.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur kurz darauf verweisen, dass beim Thema Innovation die Unternehmen im Freistaat Sachsen, was das Feld der Marktneuheiten und der Produktinnovationen betrifft, inzwischen über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen. Das kann uns nicht zufriedenstellen, weil wir ja zurück an die Spitze wollen. Aber es ist schon ein ganzes Stück der Wegstrecke geschafft.

Darüber hinaus verweise ich auf die erfolgreiche Entwicklung des Arbeitsmarktes in Sachsen, die ich heute Morgen in der Aktuellen Debatte bereits dargestellt habe. Im Übrigen hat die Staatsregierung zum Antrag der GRÜNEN bereits umfangreich schriftlich Stellung genommen. Auf diese Stellungnahme möchte ich ebenfalls gern verweisen.

Lieber Michael Weichert, du scheidest nun aus dem Landtag aus. Wir haben zehn Jahre in diesem Parlament zusammen verbracht, gestritten und gemeinsam in der Opposition gearbeitet. Wir waren fünf Jahre gemeinsam im Leipziger Stadtrat unterwegs gewesen. Ich bin mir sicher, auch wenn du nach der Legislaturperiode hier ausscheidest, so werden wir uns in Leipzig des Öfteren über den Weg laufen. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Meine Damen und Herren! Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN als Einreicherin das Schlusswort. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nochmals ganz herzlichen Dank für die knackige Debatte

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)