„Nach wie vor besteht ein erhebliches Lohngefälle zwischen Sachsen und den benachbarten EU-8-Staaten Polen und Tschechien. Nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit in Polen sehr hoch. Daher besteht für Sachsen derzeit auch nach wie vor die starke Wahrscheinlichkeit des Zuzugs von Arbeitskräften mit der Gefahr von Lohndumping. Davon sind besonders die Grenzregionen betroffen.“
Nur knapp anderthalb Jahre später, im Dezember 2008, wollte die Staatsregierung nichts mehr davon wissen. Der Antrag der NPD-Fraktion, einen Schutzschirm für den heimatlichen Arbeitsmarkt aufzuspannen und auf eine Verlängerung der Beschränkung für die Arbeitnehmerfreizügigkeit bis 2014 hinzuwirken, wurde brüsk abgewiesen.
Bei einer verantwortungsvoll handelnden Regierung müsste man nun voraussetzen, dass sich die Lage am heimischen Arbeitsmarkt und vor allem in den Grenzregionen deutlich entspannt hätte und die Gefahr des Lohndumpings nicht mehr besteht; denn anderenfalls wäre nicht zurechtfertigen, dass nun zum 1. Mai 2011 die Beschränkung der Freizügigkeit endgültig auslaufen soll. Das Gegenteil ist der Fall. Die Prognosen des Ifo-Instituts sehen für 2010/2011 eine gleichbleibend hohe Arbeitslosenquote laut der ohnehin geschönten Statistik von 8,3 % bundesweit voraus, in Sachsen gar 13,6 %.
Mit einiger Verzögerung erreicht nun die Finanz- und Wirtschaftskrise den deutschen Arbeitsmarkt. Aktuelle Zahlen belegen, dass für das Jahr 2010 mit einem weiteren Rückgang der Erwerbstätigkeit um 1 % in Sachsen und um 0,8 % in Mitteldeutschland zu rechnen ist. Besonders in den export- und konjunkturabhängigen Sektoren sind starke Rückgänge zu erwarten. Nur die starke Nutzung der Zeit- und Leiharbeit sowie der Kurzarbeiterregelung verhinderten bisher in Sachsen ein noch stärkeres Anwachsen der Arbeitslosigkeit auf Kosten des Lohnniveaus.
Es geht weiter mit dem wirtschaftlichen Niedergang und dem Arbeitsplatzabbau. Allein im Arbeitsagenturbezirk Plauen gingen im Zeitraum von September 2008 bis Juni 2009 circa 3 400 Arbeitsplätze verloren. Die Firma Enka ist bereits Geschichte. Der Motorradhersteller MZ hat öffentlich mit seinem Wegzug gedroht. Bei der Neoplan in Plauen gilt die Produktionsverlagerung nach Ostpolen als wahrscheinlich.
Es bleibt dabei: Wir erleben den zunehmenden Export von Arbeitsplätzen nach Osteuropa, und gleichzeitig drängen immer mehr gering qualifizierte ausländische Lohndrücker auf den deutschen Arbeitsmarkt. Die Strategie der internationalen Konzerne geht auf: In Asien und in Osteuropa wird billig produziert, um die Fertigprodukte in Deutschland teuer zu verkaufen. Sofern noch Produktionsstätten in Deutschland bestehen bleiben, werden die Arbeitnehmer zu Dumpinglöhnen beschäftigt – Arbeit, die
arm macht. Ausländische Arbeitnehmer werden zum Zwecke des Lohndumpings missbraucht und zu willfährigen Erfüllungsgehilfen des internationalen Finanzkapitals degradiert.
Nun wird argumentiert, dass das Lohngefälle zwischen Deutschland und den Beitrittsländern sinke und somit die Gefahr von Massenzuwanderungen und der Verdrängungseffekt auf dem deutschen Arbeitsmarkt bestehe. Doch stimmt das wirklich? Der Rechts- und Politikwissenschaftler Fritz Wilhelm Scharpf, ehemaliger Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts, sagte hierzu am 2. Juni 2009 in der „taz“ – ich zitiere –: „Ökonomisch gesehen haben die osteuropäischen Länder tatsächlich aufgeholt. Das ist normal, wenn Lohnkostenunterschiede genutzt werden können – auf Kosten der Länder mit höheren Lohnkosten.“
Scharpf erteilt auch dem von den Linken geforderten Gedanken einer europäischen Sozialpolitik eine klare Absage, dass keine Grenzen für die wirtschaftliche Integration gesetzt werden müssten.
Scharpf sagte wörtlich: „Durch die Finanzkrise haben wir ja erkannt, wie schnell wirtschaftliche Liberalisierung und Deregulierung in die Katastrophe führen können. Diese Grenzen zu setzen ist wichtiger als dem utopischen Ziel einer gemeinsamen Sozialpolitik für 27 Staaten nachzulaufen.“
Genau dafür, meine Damen und Herren, plädieren auch wir Nationaldemokraten: Setzen Sie endlich wieder die notwendigen Grenzen, restaurieren Sie den Nationalstaat als Schutzmann des kleinen Mannes. Wer nach allen Seiten hin offen ist, meine Damen und Herren, der kann schlicht und ergreifend nicht ganz dicht sein.
Dem vorliegenden Berichtsantrag als solchen könnte man prinzipiell zustimmen; denn auch für uns ist es von Interesse, welche Vorbereitungen die Regierung mit Blick auf die vollständige Öffnung des Arbeitsmarktes getroffen hat. Vor dem Hintergrund der politischen Intention wird sich meine Fraktion bei diesem Antrag der Stimme enthalten. Die Begründung des Antrages kann auch nicht überzeugen. Da DIE LINKE die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes immer als Voraussetzung für die weitere Öffnung des Arbeitsmarktes zur Europäischen Union genannt hat, müsste sie doch eigentlich den Antrag stellen, die Beschränkungen in der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu verlängern.
Dass Sie, meine Damen und Herren von der Linken, das nicht tun, zeigt, wie viel Ihnen die Rechte deutscher Arbeitnehmer und die Bewahrung heimischer Sozialstandards am Ende wirklich wert sind: nichts, gar nichts. Damit, meine Damen und Herren, machen Sie sich einmal mehr zum Büttel des globalisierten Finanzkapitals.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der Stellungnahmen der Fraktionen zu dem hier in Rede stehenden Antrag. Bevor wir in die zweite Runde gehen, frage ich zunächst die Staatsregierung, ob sie jetzt schon das Wort ergreifen möchte. – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die zweite Runde. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Kind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, auf einige Redebeiträge einzugehen ist wichtig, denn in diesen Beiträgen wurde das Thema aufgegriffen. Das ist auch gut so. Aber ich denke auch, dass es sich erübrigt, über den letzten Redebeitrag ein Wort zu verlieren.
Herr Abg. Kind, ich bitte Sie, sich mit Ihren Äußerungen gegenüber den Abgeordneten in diesem Raum respektvoll zu verhalten.
Wir sprechen über einen historischen Prozess, der am 01.05.2011 abgeschlossen sein wird. Der Integrationsprozess findet mit der endgültigen Freizügigkeit der Arbeitnehmer seinen historischen Abschluss. Bis jetzt hat sich das am meisten davon profitierende Land, nämlich Deutschland, dieser Freizügigkeit in diesem Bereich verweigert.
Wir wollen mit unserem Antrag nicht mehr und nicht weniger, als dass die Staatsregierung berichtet, um diesen Prozess zu gestalten. Historische Prozesse müssen gestaltet werden. Wir fordern von der Staatsregierung nur, dass sie ihren Handlungsansatz wahrnimmt und mit ihrer Politik dazu beiträgt, dass es kein ungesteuerter Prozess wird. Dazu sind entsprechende Maßnahmen nötig.
Es geht darum, die Chance zu nutzen, die uns die europäische Integration ermöglicht. Es gibt die Chance, unsere wirtschaftliche Tätigkeit in den osteuropäischen Raum auszudehnen und die Potenziale dieser Wirtschaftsregion für uns zu nutzen. Nur darum geht es. Es geht um keine Abschottung, sondern es geht um die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen, um den Prozess so zu gestalten, dass sowohl die Arbeitnehmer in Sachsen und unsere wirtschaftliche Entwicklung als auch die an Sachsen angrenzenden Regionen, also Polen und Tschechien, davon einen Nutzen haben können.
Mein Kollege hat bereits darauf hingewiesen, dass es sowohl in Tschechien als auch in Polen wirtschaftliche Interessen gibt, auch auf Arbeitskräfte aus Sachsen zugreifen zu können, weil deren hohe fachliche Kompetenz dort gefragt ist.
Wir haben in den Diskussionen mehrfach darauf hingewiesen: Arbeitslosigkeit ist heute nicht mehr ein monolites Geschehen, sondern Arbeitslosigkeit gibt es in unterschiedlichen Bereichen mit verschiedenen Problematiken. Es gibt in den Industriebereichen verschiedene Nachfragestrukturen zum Arbeitsmarkt. Es wurde darauf hingewiesen, dass es auch zu einem gewissen Mangel in manchen Berufen kommt. Mein Kollege hat darauf hingewiesen, dass wir im Ärztebereich ohne die über 1 000 Ärzte, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, nicht mehr in der Lage wären, unsere normalen Versorgungsaufträge zu erfüllen.
Durch Ihr Verhalten, durch Ihre Anwesenheit! Das ist das Problem. Dadurch werden Sie ins Ausland getrieben. Das ist der Fakt.
Das ist nicht kindlich, sondern diese Menschen wollen von Ihnen einfach nicht totgeschlagen werden. Das ist einfach so.
Richtig. Herr Krauß, dass Sie meine Gedanken lesen können, ist zwar schade, denn eigentlich sind Gedanken frei. Aber Sie haben natürlich recht gehabt, der Mindestlohn – –
Nein, es ist richtig, Sie haben sich damit beschäftigt und das musste natürlich von Ihnen kommen, weil der Mindestlohn ein integraler Bestandteil eines solchen Regelungsmechanismus sein kann oder muss. Sonst finden wir uns auf dem Arbeitsmarkt in einer Abwärtsspirale wieder.
Ich denke, dazu haben wir einen anderen politischen Ansatz, der genereller ist. Ich werde Ihnen kurz ein paar Zahlen nennen, die Ihren Argumenten, dass der Mindestlohn die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben würde, widerspricht.
In Griechenland ist die Arbeitslosigkeit durch den Mindestlohn von 2005 zu 2010 um 3 % gesunken. In Polen ist sie von 16,5 % im Jahre 2005 auf nunmehr 6,5 % gesunken. Ihr Argument, sich gegenüber der EU weiter abzuschotten, greift nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit in Polen ist bei weitem nicht mehr so hoch, wie Sie es jedes Mal darstellen. Sie hätten die Drei-Zwei-Drei-Regelung nicht auszuschöpfen brauchen, denn Sie hätten spätestens im Jahre 2006 aufmachen können.
In Tschechien ist die Arbeitslosigkeit durch den Mindestlohn von 8,3 % auf 6,5 % gesunken. Das ist ein Minus von 1,8 %.
In den Niederlanden – etwas weiter von Sachsen entfernt –, wo es immerhin einen Mindestlohn von 1 335 Euro gibt, ist die Arbeitslosigkeit von 4,6 % auf 2,5 % gesunken. Es ist mitnichten so, dass ein Mindestlohn automatisch zum Anwachsen der Arbeitslosigkeit führen muss.
Zumindest ist der Mindestlohn keine Ursache dafür, dass die Arbeitslosigkeit in exorbitanten Größenordnungen steigen muss. Deutschland hat es gerade einmal von 9,5 % in 2005 auf 7,1 % in 2008, der Spitze der Konjunkturhochzeit vor dem Einsetzen der Wirtschafts- und Finanzkrise, geschafft. Das ist auf Gesamtdeutschland gerechnet, und die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland wurde nicht mit bedacht. – So viel zu den Daten.
Um den Arbeitsmarkt entsprechend zu regulieren, ist es deshalb notwendig, dass wir mit einem gesetzlichen Mindestlohn als Initiative, die in Deutschland durchgesetzt werden müsste, einen Schritt gehen können, um unter anderem die Arbeitsmärkte – – Das ist kein Schutzinstrument für den deutschen Arbeitsmarkt, sondern für den gesamten Bereich der Arbeitsmärkte im Rahmen der europäischen Integration.