Thomas Kind
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Kollege Zastrow, Sie und der Kollege von der CDU haben gerade ausgeführt, dass jedes zehnte Auto in Sachsen produziert wird. Können Sie mir sagen – bekanntermaßen existieren in Sachsen die geringsten Durchschnittseinkommen im Vergleich zu ganz Deutschland –, das wievielte Auto in Sachsen gekauft wird? Das kann doch nur jedes 30. oder 40. produzierte Auto sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Schutz und die Ehre von traditionellen Handwerksberufen haben sich – das zeigt die Geschichte – schon große Persönlichkeiten eingesetzt.
Ich möchte einen historischen Beleg bringen: „Fest gemauert in der Erden steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden. Frisch, Gesellen, seid zur Hand. Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß, soll das Werk den Meister loben. Doch der Segen kommt von oben. Zum Werke, das wir ernst bereiten, geziemt sich wohl ein ernstes Wort. Wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort.“
Das war von Friedrich Schiller aus dem „Lied von der Glocke“.
Danke, Kollegen.
Meine Frage zu diesem Antrag besteht allerdings darin: Vor wem müssen aktuelle Handwerksberufe in Sachsen geschützt werden? Wer bedroht sie im Freistaat?
In Deutschland kann man in circa 300 Ausbildungsberufen eine Ausbildung machen. Auf der Ausbildungsmesse „KarriereStart“, die vom letzten Freitag bis Sonntag in Dresden erfolgreich durchgeführt wurde, konnte man
erfahren – leider konnte ich dort keine weiteren Fachpolitiker des Hohen Hauses erkennen; Frau Dombois und ich waren die einzigen Kollegen aus dem Landtag, die an der Eröffnung teilnahmen –, dass von den Jugendlichen leider regelmäßig nur wenige Berufe nachgefragt werden. Das ist wohl wahr. Die Attraktivität eines Berufes hängt eben nicht in erster Linie davon ab, ob er in das Marketingkonzept des Freistaates eingebunden ist. Viel entscheidender ist doch, welche wirtschaftliche Funktion ein Handwerk in einer modernen Wirtschaft hat. Dabei ist von besonderer Bedeutung, inwieweit Produkte auch von seltenen oder traditionellen Handwerken nachgefragt werden und ob für die Produkte am Markt Preise erzielt werden können, die für ein auskömmliches Einkommen reichen.
Haben sich durch technologische und gesellschaftliche Veränderungen – Frau Wissel hat dankenswerterweise darauf hingewiesen – die ökonomischen Grundlagen für das Handwerk verändert, sodass in unserer arbeitsteiligen Wirtschaftsstruktur keine Nachfrage mehr für diese Produkte zu finden ist, wird es ökonomisch nicht weiter existieren können. Oder kennt jemand im Haus noch eine Manufaktur für Dampfmaschinen? Wenn das der Fall sein sollte, müssen wir von Kulturförderung sprechen. Dann sollten in der Debatte auch die Kulturpolitiker reden. Frau Wissel hat das scheinbar antizipiert. Von der FDPFraktion habe ich vernommen, dass es ein reiner Wirtschaftsantrag sein sollte. Da war die CDU-Fraktion an der Stelle kreativer. Offen ist aber auch die Frage, nach welchen Kriterien Sie laut Antrag historische und traditionelle Handwerksberufe abgrenzen.
Das Bäckerhandwerk ist in den meisten Orten Sachsens eine der ältesten ortsansässigen Innungen. Mir ist aber nicht bekannt, dass das Bäckerhandwerk in besonderer Form geschützt werden müsste. Reden wir heute aber über Berufe, in denen die wenigen verbliebenen Betriebe nicht mehr die Kraft haben, den eigenen Nachwuchs auszubilden, und die Bildung von Fachklassen sich als schwierig darstellt, gibt es ein langjährig bewährtes Instrument. Im Berufsbildungsgesetz ist die Verbundausbildung in den §§ 10 und 36 exponiert geregelt. Auch spezielle Förderprogramme sind seit vielen Jahren fester Bestandteil der Förderkulisse von Bund und Land. Zum Beispiel das Bundesprogramm „Jobstarter“ macht genau so etwas möglich. Auch auf Landesebene wird die Verbundausbildung seit längerer Zeit über ESF-Mittel gefördert. Es müssen sich nur Unternehmen zusammenfinden und entweder einen Leit- oder Stammbetrieb benennen oder die Kooperation mit einem Ausbildungsverein eingehen.
Zu den ersten beiden Punkten Ihres Antrages hätte ein Blick in die Handwerksrolle gereicht, um sich ein Bild über aktuelle Handwerksberufe zu verschaffen, wobei in Ihrer ersten Frage offenbleibt, wonach Sie genau fragen: Handwerksberufe, die auch eine Ausbildung enthalten. Ich frage Sie, liebe Kollegen: Gehen Sie davon aus, dass es Handwerksberufe gibt, die man ohne Ausbildung ausführen kann? Deshalb sei an dieser Stelle gesagt, dass Ihr Antrag keinen Schutz für das sächsische Handwerk
darstellt. Er ist aber auch nicht schädlich. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten. In einem zweiten Redebeitrag wird mein Kollege noch einen besonders schützenswerten Handwerksberuf näher beleuchten.
Danke schön.
Herr Präsident! Der Mindestlohn wird nun kommen, jedoch wird er nicht so kommen, wie wir ihn verlangt haben, wie wir ihn politisch fordern. 10 Euro die Stunde wäre nämlich der Mindestlohn, der angesagt ist und der auch ökonomisch sinnvoll wäre;
denn damit würde man gerade einmal an die Grenze kommen, um Rentenbeiträge zahlen zu können und nicht unter die Armutsgrenze im Alter fallen zu müssen. Perspektivisch sind auch mehr als 10 Euro nötig. Das wäre das, was ökonomisch sinnvoll ist.
Aber warum sind wir in der Diskussion? Wir haben jetzt die Diskussion – Herr Krauß, ich bin sehr dankbar, dass Sie inhaltlich darauf eingehen, bei Herrn Heidan setze ich das nicht voraus, er albert nur herum, er weiß nicht, woher die Kollegen sind; wer aus Heidelberg ist, kann nicht 60 Jahre staatliche Preise diktiert bekommen haben, Heidelberg liegt nach wie vor in Baden-Württemberg –, dass es doch einen Grund dafür gab, nämlich, dass die Unternehmen, die sich an Tarifverträge binden, nachgelassen haben und immer mehr nachgelassen haben.
Waren es 1991 noch 408 allgemein verbindliche Tarifverträge, so sind es 2013 noch 239 allgemein verbindliche
Tarifverträge. Diese Entwicklung wurde vor mehr als 20 Jahren angestoßen, und auch unter der Regierung RotGrün wurden die Arbeitnehmerrechte massiv weiter beschnitten. Das hat uns in die Situation gebracht, dass wir überhaupt über den Mindestlohn reden müssen.
Wir sind uns alle einig, dass der Mindestlohn nicht zu mehr Reichtum in diesem Land führen wird, sondern nur zu sozialer Gerechtigkeit, und dass er nur eine Untergrenze zur Absicherung des Existenzminimums für Arbeitnehmer sein kann. Darum geht es. Deshalb können wir als LINKE nicht verstehen, dass man sich im Koalitionsvertrag auf eine Lösung geeinigt hat, die ein Schlag ins Gesicht der Niedrigverdiener im Osten ist. Mit welchem Recht müssen Arbeitnehmer im Osten, die im Niedriglohnbereich arbeiten – wir haben gehört, dass 20 % von ihnen noch einen Lohn unter 8,50 Euro haben –, noch einmal zwei Jahre warten, bevor sie von einem Mindestlohn partizipieren können, der nachgewiesenermaßen in fast allen europäischen Ländern zu keinen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führt?
Das liegt aber nicht am Mindestlohn.
Herr Morlok, Sie sind wirklich der letzte Kämpfer gegen den Mindestlohn in ganz Deutschland. Herr Tillich hat mit über den Koalitionsvertrag verhandelt und ihm auf dem kleinen Parteitag zugestimmt. Ihre FDP hier in Sachsen, die noch ein Dreivierteljahr in politischer Verantwortung sein wird, ist der letzte Kämpfer gegen den Mindestlohn in ganz Deutschland. Da stehen Sie auf verlorenem Posten, aber das ist Ihr Problem.
Das will ich hoffen, dass Sie das wissen. Das sollen Sie auch wissen. Das ist völlig korrekt, Herr Piwarz.
Herr Morlok, bei Ihrem Argument, wenn der Mindestlohn für die Auszubildenden nicht gilt, wird niemand mehr eine Ausbildung machen, frage ich mich, warum sich mehr und mehr junge Leute für fünf oder sechs Jahre auf die Studierbank setzen und dort keine Stundenlöhne verdienen können, sondern ihre Zeit investieren, um danach einen vernünftigen Beruf ausüben zu können; warum sie nicht alle Kraftfahrer werden oder in die Kneipe gehen und dort zu irgendeinem Lohn arbeiten, um irgendein Auskommen zu haben. Auf der Studierbank bekommt man nicht einmal 1 Euro pro Stunde!
Keine Ahnung von Berufsausbildung?
Deshalb haben wir es heute zum Thema gemacht, über den stellvertretenden Ministerpräsidenten zu reden. Die Vereinbarungen, die im Koalitionsvertrag stehen, finden
nicht die Unterstützung der LINKEN. Wir haben unsere Forderungen über zehn Jahre mit langem Atem in die Gesellschaft transportiert. Die Ersten, die uns unterstützt haben, kamen von der Gewerkschaft NGG. Später kamen ver.di und danach andere DGB-Gewerkschaften hinzu. Seit wenigen Jahren ist das auch bei der SPD und den GRÜNEN angekommen. Schließlich hat sich die CDU im Koalitionsvertrag auch in Richtung Mindestlohn bewegt.
Das muss an dieser Stelle einfach noch einmal gesagt werden. Herr Dulig, möchten Sie noch das Zitat von Herrn Müntefering oder das von Herrn Schröder hören, wie schädlich der Mindestlohn für Deutschland wäre?
Danke schön.
Herr Präsident! Nur, um einige Daten geradezurücken, die im Verlauf der Diskussion zu vernehmen waren: dass wir auf die Reaktion der Handwerkskammer bzw. die Studie, die sie beim Ifo Institut in Auftrag gegeben hat, reagiert hätten: Unser Antrag datiert vom 9. Juli 2013 – das war ein ganzes Stück vor der Sommerpause – und darin haben wir uns diesem Thema gewidmet und es inhaltlich so formuliert.
Zu den Anwürfen von Herrn Seidel, unser Verhältnis zu den privaten Schulen nicht klar zu benennen; Michael, Du hast auch darauf hingewiesen: Wir stehen natürlich dafür, dass die Bildung, auch die berufliche Bildung, die Erstausbildung und Weiterbildung eine staatliche Aufgabe ist, und wir erkennen an, dass sich im Verlaufe der letzten 20 Jahre aus verschiedenen Gründen eine ganze Reihe private Anbieter in diesem Bereich eingerichtet haben, die gefördert wurden und gerade auch von der CDU politisch gewollt waren. Diesen Sachstand erkennen wir an.
Aber wenn ich mir allein die Ausweitung von neun zu 13 anschaue, dass aus 26 43 private Schulen für den Bereich der Erzieherinnen geworden sind, muss ich mir überlegen, ob diese Entwicklung gesund ist, ob die Dimensionen gesund sind. Ich meine nicht diejenigen, die sich entsprechend eingebracht haben und ihre Leistungen bringen. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Deshalb haben wir auch die Verfassungsklage unterstützt, die freien Schulen entsprechend so auszustatten, wie es den Aufgaben, die sie erfüllen, gerecht wird.
Aber nichtsdestotrotz bleibt es eine öffentliche Aufgabe, und das öffentliche Ausbildungs- bzw. Berufsschulsystem muss die Grundlage der Berufsausbildung bleiben, gerade weil wir damit die Grundlage für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land legen, mit der dualen Ausbildung, die nach unserer Erkenntnis – und ich denke, auch nach Ihrer, meine Damen und Herren von der CDU – die Grundlage der Berufsausbildung bleiben soll.
Unsere Forderung im Antrag, entsprechend zu reagieren und dieses Feld wieder in die Diskussion zu bringen, hängt auch damit zusammen, dass wir sagen: In ländlichen Räumen muss man auch über Fachklassengrößen sprechen; denn genau das ist eine Forderung des Handwerks: Lasst die Fachklassen nicht aus der Fläche verschwinden; denn wenn die Jugendlichen, die bei uns im Handwerk, in Kleinbetrieben arbeiten wollen, erst einmal zur Ausbildung in den Großstädten sind, dann kommen sie nicht in die Fläche zurück.
Wer mit uns – die Staatsministerin war da – auf dem Fachtag der Berufsschullehrer war, hat genau diese Argumente hören können. Ich erkenne auch an, dass sich die Staatsministerin als erste Fachministerin zum Tag der Berufsschullehrer eingefunden und das Thema für sich erkannt hat. Das ist schon einmal anerkennenswert, aber das macht auch klar, dass es viele Jahre ein Stiefkind der Landesregierung gewesen ist, und alle Vorgängerminister müssten sich da einmal an die Nase fassen.
Da wir wissen, dass es in den Kreisen viele mit Fördermitteln sanierte und neu hergerichtete Berufsschulen gibt, muss man sich konzeptionell darauf einstellen: Wie können wir die Gebäude in den nächsten Jahren entsprechend auslasten? Ein hoher Investitionsanteil an Ausstattung, an Fachkabinetten – die CNC-Ausbildung wurde als Beispiel genannt – steht in diesen Einrichtungen und man muss sehen, dass man sie über die nächsten Jahre vernünftig koordiniert füllt.
Eine freiwillige Koordination zwischen den Trägern, den Landkreisen und kreisfreien Städten hat im Ergebnis nicht funktioniert, sonst gäbe es jetzt nicht die Beschwerden, gerade hier im Dresdner Bereich, dass aus den Landkreisen um Dresden herum – Meißen, Pirna, Sächsische Schweiz/Osterzgebirge – die Forderungen kommen: Zieht uns die Auszubildenden nicht aus der Fläche weg! Das sind nicht unsere struktur- und ordnungspolitischen Wahnideen, die wir da verfolgen, und staatlicher Direktionismus, nein, es sind die Forderungen aus der Wirtschaft, die wir aufnehmen und umsetzen, hier in die Diskussion bringen und anbieten.
Als Einwurf zu Michael Weichert: Sicherlich haben wir das noch nicht in Gesetzesform geschrieben. Wir haben einen Antrag formuliert. Aber ich glaube, das ist ein legitimes Mittel im parlamentarischen Diskurs, dass man mit einem Antrag etwas thematisiert, und wenn wir zu dieser Reife kommen, dass wir es als Gesetz vorschlagen wollen, dann werden wir auch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag einbringen. Aber wir wollten die Diskussion zu dieser Problematik eröffnen – wie gesagt, im Juli wurde der Antrag gestellt – und die Diskussion hier führen.
Andere Anträge haben hier schon viel länger auf Eis gelegen – ich erinnere nur an den letzten Wirtschaftsausschuss –, bevor sie dann einmal den Weg zur Diskussion gefunden haben. Also, immer die Bälle flachhalten. Wir haben die Diskussion aufgemacht, das können wir uns auf die Fahnen schreiben, und ich denke: Lassen Sie uns in die Diskussion kommen. Unser Antrag ist zustimmungsfähig; denn es sind genau die Probleme, die im Berufsbildungsbereich anstehen, und darüber kann man diskutieren. Zum Beispiel würden wir gern DuBAS unterstützen, die duale Berufsausbildung mit Abitur. Früher haben wir „Berufsausbildung mit Abitur“ gesagt. Irgendwie kenne ich das schon ein wenig. Man muss es jetzt nur noch mal didaktisch von der Hochschule evaluieren lassen, ob es wirklich funktionieren könnte, was schon über viele, viele
Jahre sehr erfolgreich funktioniert hat. Aber sei’s drum! Wir evaluieren es noch einmal und begleiten es wissenschaftlich. Unsere Unterstützung haben Sie dabei.
Wenn sich Berufsschulen anbieten, das mit aufnehmen zu wollen: Machen Sie den Weg frei. Aus Pirna habe ich die Signale gehört, dass man dort gern die duale Berufsausbildung mit Abitur anbieten würde. Sicherlich muss man sehen, dass man das mit den Betrieben flankierend abspricht, dass entsprechende Ausbildungsplätze bereitgestellt werden. Diese Abstimmungsarbeit muss geleistet werden. Aber das Interesse und das Bedürfnis sind vor Ort bei den Berufsschulen da, kreative neue Wege in der Berufsausbildung zu gehen.
In diesem Sinne fordere ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE wird heute in Ihr Feierlied des Hochhaltens des Meisterbriefes mit einstimmen. Aber das Thema ist wieder etwas kurz gegriffen; denn Sie schreiben „Qualitätssiegel des sächsischen Handwerks“. Ich denke, das Handwerk ist nicht nur auf Sachsen begrenzt, sondern wir haben gleich hohe Qualitätsstandards in ganz Deutschland. Das nur auf Sachsen zu reduzieren, ist ein wenig kurz gegriffen. Vielleicht kommt das aus dem Vogtland? – Ich weiß nicht, Herr Heidan, woher der Titel kommt.
Wir alle kennen den Imagefilm des Handwerks „Die Wirtschaftsmacht von nebenan“. Ich denke, das hat das Handwerk gut gemacht. Alle, die wir als politische Vertreter bei diversen Veranstaltungen des Handwerks auftreten oder als Gäste geladen sind, können uns immer wieder von der hohen Qualität und dem Selbstbewusstsein des Handwerks ein Bild machen.
Die Konjunkturlage im Handwerk in Sachsen ist im Moment so gut wie selten in den letzten Jahren. Fast alle Bereiche haben für die nächste Zeit gute Erwartungen. Über 53 % der Handwerksbetriebe sind mit ihrer Auftragslage und den Zukunftsaussichten zufrieden. Nur 9 % sehen ihre Aussichten für die nächste Zeit als schlecht an.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen: Wir haben immer wieder gefordert, dass die Binnennachfrage und die Wirtschaftskraft im Land gestärkt werden müssen. Genau das führt die Handwerkskammer als Begründung für die gute Konjunkturlage an. Die gestiegene Binnennachfrage, gerade im Bauhaupt- und -nebengewerbe hat die gute Konjunkturlage mit beflügelt.
Als kritisch wird der Bereich des gewerblichen Bedarfs als Zulieferer für die Industrie gesehen, die von internationalen Problemen und Unwägbarkeiten betroffen ist. Dort sieht die Konjunkturlage nicht so gut aus.
Es ist richtig, dass es nötig ist, dass Handwerksbetriebe auch von Handwerksmeistern geführt werden. Diese Zahl ist in der letzten Zeit aber nicht gewachsen, sondern – von meinem Vorredner wurde schon darauf hingewiesen – von den 59 600 Handwerksbetrieben in Sachsen sind mittlerweile über 20 000 nicht mehr zulassungspflichtig. Das hat DIE LINKE bestimmt nicht zu verantworten, sondern das hat die Bundesregierung von 2004 zu verantworten, die den Meisterzwang aufgehoben hat und in dem Zusammenhang auch vom Innungszwang abgerückt ist. Die Mitgliedschaft zur Innung ist per Gesetz geregelt. Sie sind auch als Tarifpartner für die Verhandlungen mit den Gewerkschaften festgelegt.
Wenn ich den Meisterzwang bejahe, muss ich auch Ja zum Innungszwang sagen. Sonst haben wir im Handwerk Entwicklungen, die keine guten Löhne mehr realisieren lassen. Dann wird es für junge Leute unattraktiv, ins Handwerk zu gehen. Wenn es keine Tarifverhandlungsparteien mehr gibt, wenn es den Meisterzwang nicht gibt, wenn sich in dem Bereich Wildwuchs entwickelt, ist die Nachfrage bei jungen Leuten, ins Handwerk zu gehen und eine Ausbildung zu beginnen, nicht mehr so gegeben, wie es sein müsste.
Das Handwerk selbst schreibt, dass es in den nächsten Jahren pro Jahr 6 000 Handwerker in Sachsen verlieren wird. Man schreibt, dass es auf 17 Jahre 100 000 sind. Dann sind das circa 6 000 pro Jahr. In den letzten fünf Jahren wurden nur etwa 4 200 neue Ausbildungsverträge geschlossen. Wir haben also ein Delta von 1 800 pro Jahr. Ebenso können wir feststellen, dass in den letzten Jahren im Jahresschnitt circa 600 Betriebe aus Altersgründen, gesundheitlichen Gründen oder anderen persönlichen Gründen nicht weitergeführt werden konnten, sprich: Die Nachfolge war nicht geregelt. Das ist pro Jahr 1 % des Bestandes der Handwerksbetriebe.
Diese Dinge sollten wir mit nennen, wenn wir uns für das Aufrechterhalten des Meisterzwangs einsetzen wollen. Wir sind bei Ihnen, auf EU-Ebene die Harmonisierungsbestrebungen, die mit dem Schreiben des Kommissionspräsidenten von Anfang Oktober sozusagen in die Welt gesetzt wurden, die Überprüfung der reglementierten Berufe in EU-Ländern voranzubringen und von den Staaten für 2015 und 2016 einen nationalen Aktionsplan zu fordern. Da sind wir bei Ihnen.
Dagegen muss man auf EU-Ebene ankämpfen, weil es richtig ist. Auf EU-Ebene wird immer wieder das duale
Ausbildungssystem als vorbildlich, als beispielhaft für andere Länder angeführt. Wenn ich in dem gleichen Zusammenhang den Meister in seiner Stellung abwerten will, ist das eine gegenläufige Bewegung. Dagegen können wir gemeinsam politisch agieren. Dafür haben Sie unsere volle Unterstützung.
Aber wir erwarten von Ihnen auch, dass Sie Ihre Hausaufgaben machen. Da sind wir nicht mehr bei der EU, sondern hier in Sachsen. Die Handwerkskammer Dresden hat im Namen ihres Präsidenten Jörg Dittrich erst eine Pressemitteilung herausgegeben.
Dann hebe ich mir das für die zweite Runde auf. Ich bedanke mich.
Ich beginne mit der Abstimmung mit dem Buchstaben M.
Befindet sich ein anwesendes Mitglied des Landtages im Saal, das nicht aufgerufen wurde? – Das kann ich nicht feststellen. Damit ist die Abstimmung beendet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Machen wir weiter Bundestagswahlkampf? Gut, es ist schönes Wetter, es ist Mai. Wir können ja den Bundestagswahlkampf einleiten. Gestern haben wir Bundestagswahlkampf zum Thema Steuerpolitik gemacht, heute machen wir Bundestagswahlkampf zum Thema Mindestlohn. Wenn es in Berlin hilft, tun wir Sachsen das doch gern.
Mich freut, dass wir über ein Thema sprechen, an dem in diesem Jahr zur Bundestagswahl mit Sicherheit keine Partei, die sich relevant um eine Stimme in Berlin bewirbt, vorbeikommt. Dass die gesellschaftliche Realität bei allen Parteien, zuletzt auch bei der FDP, angekommen ist – zumindest vom Thema her –, ist darauf zurückzuführen, dass DIE LINKE spätestens seit 2002 das Thema öffentlich gemacht hat, immer wieder gefordert hat und dafür als nicht zeitgemäß, nach hinten gerichtet und träumerisch verschrien wurde. Wir haben das Thema Mindestlohn auf die politische Agenda gesetzt, weil wir die Realitäten und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland richtig analysiert haben und den Mut hatten, auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften GEW bzw. Nahrung-Genuss-Gaststätten dieses Thema in die Diskussion zu bringen.
Es gibt andere Themen, die in den letzten Jahren auch wichtig waren: Atompolitik, Energiewende und Wehrpflicht. Das sind alles Bollwerke, die in den letzten Jahren gefallen sind oder neu bewertet wurden. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ist es mit dem Mindestlohn ebenfalls der Fall. Es ist ein Thema, zu dem sich alle Parteien positionieren müssen, um in der Gesellschaft politisch agieren zu können und gehört zu werden und nicht, wie es der FDP durch verschiedene politische Aktionen passiert ist, in der Sonntagsumfrage bei den Umfragewerten 3 oder 4 % sehen zu müssen. Es ist zumindest Herrn Rösler aufgefallen, dass sie zu diesem Thema eine konstruktive Haltung einnehmen müssen.
Sie möchten die Wahlen nicht gewinnen. Sie möchten wieder teilnehmen dürfen.
Sie möchten doch wenigstens im Bundestag dabei sein. Wenn Sie hier im Landtag die Große Koalition noch ein Jahr mitführen, möchten Sie doch im Bundestag nicht schon ausgeschieden sein. Das ist Ihr Thema.
Was auf Bundesebene bereits angekommen ist, ist bei Herrn Zastrow noch nicht unbedingt angekommen. Herr Zastrow ist der lauteste Durchhalter der reinen Lehre der FDP, die besagt, dass der Mindestlohn Teufelszeug wäre.
Ja, er benötigt die Unterstützung. Wie lange das auf Bundesebene halten wird, werden wir sehen. Schreien Sie weiter so. Sie haben die Betroffenheit im Land scheinbar noch nicht erkannt. Nach meiner Hochrechnung ist die Zahl der Höchstverdiener und Leistungsträger – im Sinne von Wiederfinden der hohen Leistungen im Gehalt – in Sachsen sehr begrenzt. Nicht begrenzt ist die Anzahl der Betroffenen, die für ihre Arbeit weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen und mit nach Hause nehmen. Das sind über 25 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen, die es betrifft. Das ist eine erhebliche Zahl. Genau für dieses Klientel und diese Gruppe möchten wir etwas tun.
Das ist genau der Punkt, den Kollege Dulig ansprach. Man muss von seiner Arbeit leben können. Man darf nicht auf verdeckte Kombilohnmodelle angewiesen sein. Es dürfen keine versteckten Subventionen notwendig sein. Jemand, dessen Arbeit ihm Spaß macht und Erfüllung gibt, muss auch nach der Arbeit die Erfüllung haben, von seiner Arbeit leben, seine Familie ernähren, seine Kinder großziehen und am gesellschaftlichen Vermögen teilnehmen zu können. Dafür benötigt man ein Einkommen, mit dem man zumindest über die Runden kommen kann. Deshalb benötigen wir den Mindestlohn.
Wir verwenden eine andere Berechnungsgrundlage. Wir sagen, dass 60 % des durchschnittlichen Einkommens nötig sind. Das wären 10 Euro. Deswegen sagen wir auf Bundesebene nach wie vor, dass 10 Euro Mindestlohn nötig sind. Wir haben aber Folgendes erkannt: Wenn wir die Möglichkeit haben, den Mindestlohn umzusetzen, einzuführen und ihn auf Landesebene in Zusammenarbeit mit der SPD 8,50 Euro durch eine Initiative im Bundesrat einzubringen, ist das ein erster Schritt, der uns auf den Weg bringen kann.
Das Original des Mindestlohnes ist DIE LINKE.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Staatsminister, Sie haben gerade angesprochen, dass Sie bei Arbeit auch an Aus- und Weiterbildung denken. Kann ich davon ausgehen, dass Sie sich in den nächsten Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen werden, dass gerade in diesem Bereich die Finanzierung, die über viele Jahre hinweg auf ESF-Mitteln beruhte, in eine Regelfinanzierung übergeht, damit dieser Bereich Sicherheit hinsichtlich der Finanzierung hat? Kann ich davon ausgehen oder ist das noch offen?
Herr Meyer, können Sie mir sagen, welche Braunkohlelagerstätten im sächsischen Gebiet für die stoffliche Nutzung überhaupt geeignet sind? Haben Sie darüber Kenntnis?
Sehr geehrter Herr Kollege Breitenbuch, ich gestehe ja zu, dass Sie versuchen, sich peu à peu in diese Region einzuleben und wieder heimisch zu werden, was sie auch zum Teil in Ihrer Region gut geschafft haben.
Können Sie mir aus der Geschichte heraus ein ausgekohltes Braunkohlenrevier aus der DDR zeigen, in dem nicht rekultiviert wurde?
Sie beziehen sich auf die Gebiete, die wie Mondlandschaften aussahen, das ist vollkommen richtig, gerade im Südraum von Leipzig, wo durch die veränderten wirtschaftspolitischen Ziele gerade im Braunkohlebereich ein erprobter Ausstieg aus der Braunkohle erfolgt ist. Nennen Sie mir ein Gebiet, das endgültig ausgekohlt und wo der
Braunkohlenabbau beendet war, das nicht rekultiviert wurde. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Michael Weichert für seine Vorrede und auch für seine bildhafte Darstellung am Beispiel des Plauener Rathauses, um zu zeigen, wie das neue Vergabe- und Tariftreuegesetz wirken könnte.
Mit der Beratung über den heute vorliegenden Gesetzentwurf möchten wir einen Beitrag leisten, der Sachsen wieder in den Reigen der Bundesländer einreihen lässt, die durch das Handeln der öffentlichen Auftraggeber einen Impuls für eine moderne soziale Marktwirtschaft geben. Deshalb haben wir schon im Titel eine Abweichung zum Titel des Koalitionsentwurfs, den wir hier vor kurzer Zeit beschlossen haben; denn wir nennen unseren Entwurf: „Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und fairem Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe im Freistaat Sachsen“.
Lieber Michael Weichert, wir sind mittlerweile schon das Schlusslicht, weil Baden-Württemberg als drittletztes Land in Deutschland ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat. Es sind also nur noch Sachsen und Bayern übrig, die sich außerhalb der Regelungen aller übrigen bundesdeutschen Länder bewegen. Wir sollten nicht das letzte Schlusslicht bleiben. Bauen wir dem Auto das eine Schlusslicht ab! Das könnte Sachsen sein. Dann bliebe nur noch eine „Heckleuchte“: Bayern. Das wäre ein Ansporn für uns; Sie wollen doch sonst immer gern vorneweg laufen.
Das alte sächsische Vergabegesetz von 2002 – genauso wie das kürzlich hier beschlossene Vergabegesetz der Koalition – wird dem Anspruch, den ich vorhin erwähnte, nicht gerecht. Das zeigt auch ein Vergleich mit den in jüngster Vergangenheit in Kraft getretenen Vergabegesetzen anderer Bundesländer: In der Mehrheit der Länder wurden Regelungen getroffen, die sich auch in unserem Vorschlag wiederfinden.
Wir streben mit der Neuausrichtung der gesetzlichen Regelung zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen folgende Ziele an: Zum einen soll eine Bewertung von Angeboten erreicht werden, sodass es öffentlichen Auftraggebern möglich wird, das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen – unter Berücksichtigung von sozialen und innovativen Zielstellungen sowie von Aspekten der Umweltverträglichkeit und der Energieeffizienz. Dabei möchten wir ein Höchstmaß an Transparenz und Rechtssicherheit für alle am Verfahren Beteiligten erreichen.
Des Weiteren zielt unser Vorschlag auf eine besondere Förderung des sächsischen Mittelstandes. Das Gesetz geht von einem einheitlichen Schwellenwert von 10 000 Euro aus und stellt im Weiteren auf die entsprechenden Regelungen der VOL und VOB ab.
Auf die besondere soziale Verantwortung der öffentlichen Auftraggeber stellen die Regelungen in den §§ 5 und 6 ab. Hier liegt mit Sicherheit der größte Widerspruch zu den Vorstellungen der Koalition. Wir möchten gesetzlich
regeln, dass bei öffentlichen Aufträgen zwingend tarifliche Regelungen eingehalten werden, und wo diese nicht greifen, muss ein Stundenmindestentgelt von 8,50 Euro durchgesetzt werden.
Entsprechende Angebote sollen auch so kalkuliert sein. Das ist gerade für Sachsen zwingend notwendig. Durch die jahrelang verfolgte Politik einer Niedriglohnstrategie gibt es doch gerade hier in Sachsen eine immer größere Zahl – ein Viertel aller Arbeitnehmer –, die unter 8,50 Euro verdienen und damit zum Teil mit ihrem Arbeitseinkommen nicht auskommen und dieses Arbeitseinkommen durch Sozialleistungen vom Staat ergänzen müssen.
Auf der anderen Seite sollen diese Regelungen – Herr Heidan, für Sie – auch Kleinunternehmen helfen, nicht weiter im ruinösen Wettbewerb unterzugehen. Wer eine faire Leistung anbietet, soll auch eine faire Chance erhalten, bei öffentlichen Aufträgen einen Zuschlag bekommen zu können.
Darüber hinaus soll es Auftraggebern möglich sein – und nicht zwingend in unserem Gesetz –, besondere soziale, umweltbezogene, innovative Anforderungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung formulieren zu können. Das soll den Auftraggebern völlig freigestellt werden. Wem das wichtig ist im Kreis, in der Kommune oder auch auf Landesebene, der kann das in der Leistungsbeschreibung formulieren. Deswegen schreiben wir „die Möglichkeit“, aber rechtlich sicher an dieser Stelle.
Zur speziellen Förderung des sächsischen Mittelstandes haben wir eine Reihe von Vorschlägen gemacht, zum Beispiel die gezielte Aufforderung der Angebotsabgabe bei beschränkten oder freiwilligen Aufgaben oder die Finanzierung von Lehrgängen für die Prüfung der Requalifizierung. Dort wollen wir mit dem Gesetz unterstützend eingreifen.
Ebenfalls finden sich in unserer Gesetzesvorlage Regelungsvorschläge für die Verfahrensweise bei einer Weitergabe von öffentlichen Aufträgen an Nach- bzw. Subunternehmer. Auch hier soll das Ziel angestrebt werden, mehr Rechtssicherheit und Transparenz herzustellen.
Die von uns vorgelegten Regelungen haben wir in den letzten beiden Jahren mit vielen gesellschaftlichen Akteuren besprochen und kritisch diskutiert. Gerade vor Ort in den Kommunen unter vielen kleinen Handwerkern und Beschäftigten haben wir große Unterstützung und gute Anregungen für diese Gesetzesinitiative erfahren. An dieser Stelle kann ich dem DGB Sachsen nur recht geben, der eine öffentliche Kampagne unter dem Motto „Billig kommt teuer“ geführt hat. Wer öffentliche Aufträge nur nach dem Prinzip „immer schön billig“ umsetzen will, hat sich von der Niedriglohnstrategie immer noch nicht verabschiedet und wird seinem gesellschaftlichen, zukunftsorientierten und nachhaltigen Gestaltungsauftrag in diesem Land nicht gerecht.
Aber sicher doch.
Herr Heidan, ich kenne sehr wohl den Unterschied zwischen wirtschaftlichstem und billigsten, aber die jetzigen Regelungen sind so weich und auslegungsfähig, dass in aller Regel die billigsten Anbieter genommen werden, sodass besondere Anforderungen wie Ortskenntnis, besondere Angebotssituation und Serviceleistungen in der Region nicht berücksichtigt werden können. Es bleibt eine ungeklärte und intransparente Verfahrensweise, wenn vor Ort so entschieden wird. Wir wollen klarstellen, dass per Gesetz die Möglichkeit eröffnet wird, solche Anforderungen vor Ort zu formulieren, in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, um dann in der Bewertung entsprechend rechtssicher urteilen zu können.
Das wird aber nicht gemacht, Herr Minister!
Letzter Satz: Da kann es auch kein Wertmaßstab sein, wie der Wirtschaftsminister Morlok gern darstellt, dass sein Gesetz nur wenige zehn Paragrafen hat. Wir haben ein zukunftsfähiges, wirtschaftsfreundliches, soziales, umweltorientiertes, innovatives Gesetz vorgelegt und bitten um Ihre Zustimmung.
Danke schön.
Ich möchte auf Ihre verschobene Wahrnehmung eingehen. Ist Ihnen klar, dass der Ausschuss eine Anhörung beantragt hat und es von Ihnen noch keinen Titel zu einem möglichen Gesetz gab? Der Gesetzesvorschlag von SPD und LINKE war bereits eingereicht. Ohne Bekanntgabe eines Gesetzestitels – geschweige eines Datums, wann das Gesetz vorliegen soll – wurden die Anhörungstermine beschlossen. Den Fachleuten, die zur Anhörung eingeladen wurden, wurde keine drei Wochen vor der Anhörung der Text vorgelegt. Können wir festhalten, dass unsere Regelungen wesentlich zeitiger als Ihre im Umlauf waren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt wieder das gewohnt leere Plenum vor uns. Da macht das Debattieren wieder Spaß. Da ist man schön unter sich. Da hören nicht allzu viele zu. Da kann man erzählen, was man will. Man kann eine lustige Debatte führen, meinetwegen auch zum Weiterbildungsscheck.
Zu dem Bericht, der in Punkt 1 gefordert ist, muss sich die Koalition fragen lassen: Lesen Sie eigentlich Ihre eigenen Dokumente?
Der Staatsminister hat in seinem Haus das zweite Mal in Folge im Strukturfondsbericht aktuell über die Erfolge und Nichterfolge des Weiterbildungsschecks berichtet, wie Sie das in Punkt 1 fordern.
Zum ersten Geburtstag gab es einen Bericht, im Januar gab es zum zweiten Geburtstag den nächsten Bericht. Darin ist zu lesen, 16,3 Millionen Euro sind dafür verausgabt worden, er wurde 7 000 Mal in Anspruch genommen; die Berufsstrukturen: 21 % für Verwaltung, 30,3 % für Gesundheitsbereiche usw. Wenn Sie Ihre eigenen Dokumente lesen würden, wäre der Punkt 1 als erledigt zu erklären.
Dem Punkt 2 kann sich meine Fraktion sogar anschließen: dass man den Weiterbildungsscheck auch in der neuen Förderperiode von 2014 bis 2020 einsetzt. Das ist ein Element in der Weiterbildung – und da unterscheiden wir uns nicht nur in der Weiterbildung, sondern in einem Gesamtkonzept eines Arbeitsmarktprogramms, das in Sachsen nach wie vor fehlt. Dort kann es ein Baustein, aber nicht der Baustein sein.
Natürlich kann man Mittel in der EU-Förderperiode einsetzen und soll das auch tun, weil das Instrument angenommen wurde. Das ist richtig. Es wurde nachgefragt. Es hat vielen Arbeitnehmern an dieser Stelle geholfen, entsprechende Weiterbildung umzusetzen.
Zum Punkt 3 frage ich mich schon: Was soll das Prüfen für Weiterbildung für befristet Beschäftigte im öffentlichen Dienst? Das schließt doch die EU-Förderung dezidiert aus. Im öffentlichen Dienst haben doch die Länder eigene Haushalte und müssen ihre Weiterbildungsaufgaben in ihrem Bereich auch wahrnehmen. Welches Signal soll denn damit ausgesendet werden, wenn ich EUgeförderte Weiterbildung über den Weiterbildungsscheck an befristet Beschäftigte im öffentlichen Dienst ausreichen möchte? Möchte ich zum Ersten das Signal setzen, wir machen dich jetzt fit und du bekommst dafür eine finanzielle Unterstützung, du hast sowieso keine Übernahmechance?
Oder soll das Signal ausgesendet werden, mit dem Weiterbildungsscheck, fremdfinanziert über die EU, können wir das Niveau als Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst noch einmal anheben und danach eventuell eine Übernahme realisieren? Das hat doch zur Folge, dass alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst nur noch befristet eingestellt werden und noch einmal aufgepeppt werden, um sie dann eventuell weiter einzusetzen.
Welches Signal wollen Sie damit senden, wenn Sie den öffentlichen Dienst selber über EU-Fördermittel kofinanzieren wollen? Der Bereich ist nicht durchdacht und nicht konsistent. Deswegen wird dieser Punkt von uns abgelehnt.
An der Stelle möchte ich anbringen, dass das Verfahren auch seine Probleme hat. Es ist unbürokratisch einfach, das ist richtig, aber bei den Auszahlungsmodalitäten ist sicher Nachsteuerungsbedarf notwendig, wenn Inanspruchnehmer des Programms ihre Weiterbildung vorfinanzieren und im Nachgang erst die Mittel überwiesen bekommen. Das kenne ich aus eigener Erfahrung im Bekanntenkreis, wo das genauso funktioniert. Da ist eine selbstständige Ergotherapeutin, die in Vorbereitung ihrer Praxiseröffnung war und wenig Mittel zur Verfügung hatte. Dazu hat sie eine Weiterbildung über den Weiterbildungsscheck für sich organisiert. Erst nach der zweieinhalbjährigen Ausbildung wurde die Auszahlung realisiert, als sie es nicht mehr so dringend brauchte, denn da war die Praxis gestartet, der Umsatz funktioniert und die Praxis entwickelt sich. Dann kann man das selber erwirtschaften. Nein, sie hätte am Anfang in der Phase der Praxiseröffnung die Realunterstützung gebraucht, um
nicht über die Bank oder das familiäre Modell zwischenfinanzieren zu müssen, um die Ausbildung erst einmal zu bezahlen. Da liegt im Verfahren das Problem. Dort müsste nachgesteuert werden, damit das Instrument erfolgreicher wird, als es jetzt ist.
Ansonsten gilt mein Plädoyer vom Anfang. Der Weiterbildungsscheck gehört eingebettet in ein gesamtes Arbeitsmarktprogramm für Sachsen. Das ist bitter nötig. Wenn das erfolgen sollte, dann wären wir auf einem guten Weg, aber da sehe ich die Koalition noch nicht. Auch wäre es zwingend nötig, die immer wieder von der Koalition abgelehnten Initiativen zur Bildungsfreistellung, wie im letzten Jahr durch die SPD-Fraktion eingebracht, oder durch ein novelliertes und aktualisiertes Weiterbildungsgesetz, was für Sachsen nötig wäre, wieder aufzunehmen. Wir sehen im Moment noch nicht, dass das auf dem Weg ist. Deshalb kann der Rückenwind, wie ihn Herr Krauß eingefordert hat, von unserer Fraktion nur darin bestehen, dass wir uns dem Antrag enthalten werden. Mehr Rückenwind ist leider von unserer Seite nicht möglich.
Danke schön.
Herr Präsident!
Herr Heidan, Ihr Engagement in allen Ehren, aber ich darf zuerst. – Es ist ja schön, dass diese Debatte so lebhaft ist und es viele Kurzinterventionen gab. Scheinbar haben wir ein Thema angesprochen, das nicht nur – –
Ich habe noch eine dritte Runde, wenn es sein muss. – Wir haben das Thema heute zur Aktuellen Debatte gesetzt, weil es wirklich aktuell ist. Die Initiative der acht Bundesländer im Bundesrat fand am 1. März statt. Wir wollten mit der Debatte den Landtag dazu auffordern, die Staatsregierung zum Nachdenken zu bringen, diese Initiative zu unterstützen, weil genau die Probleme, die damit angesprochen sind und gelöst werden sollen, für Sachsen sehr relevant und aktuell sind.
Den erfreulichen Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung haben wir vorherige Woche zusammen mit unserem Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi, also im Bundestag, bei Herrn Weise in Nürnberg diskutiert.
Gregor Gysi habe ich gesagt.
Auch das, ja. – Wir haben diskutiert, woher die zusätzlichen Arbeitsplätze kommen. Verdrängen sie wirklich die Regelarbeitsplätze, die normalen Arbeitsverhältnisse, und wie ist das Verhältnis zu den neu gewonnenen Arbeitsplätzen?
Herr Weise hat es uns dann bestätigt: Die Regelarbeitsplätze sind über die letzten zehn Jahre relativ konstant geblieben. Der Zuwachs und dadurch die Abnahme der Arbeitslosigkeit sind hauptsächlich durch das Anwachsen von prekärer Beschäftigung entstanden. Das ist für Sachsen ein maßgebliches Problem. Wenn wir bundesweit von 22 % sprechen, die sich im Niedriglohnsektor verdingen und nicht entsprechend zu auskömmlichen Löhnen bezahlt werden, sprechen wir in Sachsen von an die 25 %. Es gibt 100 000 Betroffene, die zusätzlich zu ihrer Arbeit ergänzende Sozialleistungen des Staates nachfragen, bei der ARGE ergänzende Leistungen beziehen müssen. Das kann so nicht weitergehen.
Ich denke auch nicht, dass zum Beispiel Sie als Steuerzahler, Herr Heidan, der vernünftige Löhne zahlt – in der Baubranche ist das geregelt –, mit Ihren Steuern dem Unternehmer, der keine ordentlichen Löhne zahlt, in Form von Kombimodellen den Lohn aufstocken. Durch Ihre Steuerleistung unterstützen Sie die Unternehmer, die
irreguläre Löhne, die unter Tarif bezahlen, und zwar dergestalt, dass man davon nicht leben kann.
Das wollen wir ordnungspolitisch regeln. Uns ist vollkommen bewusst, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro und auch ein Mindestlohn von 10 Euro, den wir bundesweit fordern, noch nicht das Land der Glückseligen entstehen lassen. Es bleiben immer noch niedrige Einkommen, die gerade einmal an der Grenze – das ist unsere Bemessungsgrundlage – zum Erlangen von Rentenansprüchen genügen, die oberhalb der Grenze der Sozialleistungen liegen. Da lebt doch noch keiner in Saus und Braus. Wir behaupten auch nicht, dass es irgendetwas löst.
Wir sind in eine gesellschaftliche Entwicklung hineingekommen, die durch geringe Tarifbindung dazu geführt hat, dass wir solche Forderungen aufmachen und Lösungen dafür finden müssen. Genau aus dem Grund gab es über die vielen Jahre, in denen wir das Thema seit 2002 – im Bundestag – transportiert haben, ein Umdenken in der Gesellschaft. Deshalb bemüht sich Ihre Arbeitsministerin seit einem Jahr nach Ihrem Bundesparteitagsbeschluss, Herr Krauß, eine Lösung zu finden, denn das ist die neue Dimension, die wir jetzt feststellen müssen. Sie werden nach der Bundesratsinitiative nicht einfach mit Ablehnung wegkommen. Es wird ein konstruktives Angebot Ihrer Seite kommen müssen, sonst kommen Sie vor der Gesellschaft politisch nicht davon.
Auf dieses konstruktive Angebot sind wir sehr gespannt – und auch darauf, wo es denn liegen wird. Sie sagen, Sie wollen nur die Bereiche regulieren – Sie nennen eine Untergrenze, der Name ist mir vollkommen egal –, die nicht durch tarifliche Untergrenzen geregelt sind. Jedoch gibt es in den elf Bereichen, in denen es einen Mindestlohn gibt, wenigstens vier Bereiche, die unter diesem Niveau von 8,50 Euro liegen, wo ergänzende Leistungen notwendig sind, wo also die ordnungspolitische Funktion nicht ausreicht.
Die anderen Mindestlöhne liegen darüber, sie werden davon gar nicht tangiert.
Es gibt ja verschiedene Rechenwerte. Die 8,50 Euro, die viele Jahre von der SPD transportiert wurden – wir haben immer 10 Euro gesagt –, gehen darauf zurück, dass man aus staatlichen Leistungen herauskommt –
wie? –, dass man mit 8,50 Euro –
– von staatlicher Unterstützung freikommt. Rechnet man beispielsweise mit 10 Euro, sind das die 60 % des Medianwerts nach EuroStat, was sozusagen –
– die Armutsgrenze betrifft, und das ist unser Ansatz, den wir in der nächsten Runde noch genau abklären.
Danke schön.
Frau Präsidentin! Ich wollte nur meine Rede zu Ende bringen. Herr Heidan, übrigens müssten Sie das Zählen lernen. Es sind 15 Länder, die darunter liegen, und fünf liegen darüber: Luxemburg, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Irland – für Sie noch einmal zum Mitschreiben. Sie liegen alle über 8,50 Euro. Dann geht es in die Bereiche unter 8 Euro. Ich habe auch nachgesehen, und ich denke, wir haben die richtigen Zahlen.
Ich wollte noch etwas anderes ansprechen: Warum wollen wir denn einen Mindestlohn für Sachsen haben, welches Zeichen wollen wir in der Gesellschaft setzen, und warum fordern wir Sie auf, es jetzt auf Bundesebene zu unterstützen?
Wir wollen, dass irreguläre und asoziale Bezahlung aus diesem Land verschwindet, dass es menschenwürdige Löhne gibt, von denen man leben kann, dass Selbstachtung bei denen entsteht, die jeden Tag zur Arbeit gehen.
Ja, auch die SPD muss sich diesen Schuh anziehen, ganz klar. Das haben sie auch getan. Die Richtigstellung ist doch erfolgt. Es geht darum, dass wir uns in Europa nicht mit denen vergleichen müssen, deren Wirtschaftsleistung wesentlich geringer ist. Unser Maßstab sind 60 % des Medianeinkommens. Das haben wir zur Berechnungsgrundlage genommen. Das ist für eine sozialpolitische und wirtschaftliche Entwicklung sinnvoll.
Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt: Die Entwicklung in Deutschland ist getragen von Bildung, Technologie und Hochlohnpolitik. Die hat Deutschland über viele Jahre stark gemacht, hat zu technologischer und wirtschaftlicher Entwicklung geführt und zu einem beträchtlichen Außenwirtschaftsanteil, der manchmal aber nicht mehr ökonomisch gesund ist, weil er die Länder, die unsere Waren importieren, schwächt.
Wir wollen, dass alle in der Gesellschaft mitgenommen werden. Man darf die Diskussion über die Einkommen und die Einkommensverteilung in Deutschland nicht nur in die Richtung führen, wie viel man verdienen und welche untere Grenze es geben muss, damit man am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilnehmen kann, sondern man muss die Diskussion auch in die Richtung führen: Wo begrenzen wir die Einkommen nach oben, um die Einkommensverteilung nicht weiter auseinandergehen zu lassen, wie das im Armutsbericht dargestellt ist, sondern um mehr soziale Gerechtigkeit und eine ökonomisch sinnvollere Einkommensverteilung zu erzeugen, die auch mehr Nachfrage indiziert? Wenn wir einen Mindestlohn von 8,50 Euro durchsetzen würden, wie es die Bundesländer fordern, dann würde das zu einer Mehreinnahme in den Haushalten in Höhe von 14,5 Milliarden Euro führen. Das wären 14,5 Milliarden Euro für die Haushalte, die jetzt noch von einem geringeren Einkommen leben müssen, und 14,5 Milliarden Euro, die dem inländischen Konsum zur Verfügung stehen würden, die der Wirtschaftstätigkeit im Land zugutekommen würden. Es ist auch in Sachsen dringend nötig, den inländischen Verbrauch anzukurbeln und zu steigern.
Herr Zastrow, Sie sagen immer, der Mindestlohn würde Arbeitsplätze vernichten. Es gibt aber nicht nur für das Baugewerbe eine Evaluierung, lieber Stefan, sondern das Bundesministerium hat selbst acht Branchen mit Mindestlöhnen evaluiert. Es hat festgestellt, dass es keine negativen Beschäftigungswirkungen gegeben hat. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Ihnen, Herr Zastrow, würde ich raten: Sagen Sie von der FDP laut und deutlich und immer wieder, dass Sie dagegen sind, gegen die Mehrheit der Gesellschaft. Dann werden wir schauen, ob die Arbeitsplätze oder aber die FDP von der politischen Landkarte verschwinden.
Danke schön.
Ich möchte nur kurz antworten, es aber nicht zu lange machen.
Das ist die generelle Frage, über die wir diskutieren: Soll man von Arbeit leben können oder nicht? Wir müssen über die Arbeitsbedingungen sprechen und darüber, wer den Lohn für die Arbeit zahlt. Oder wollen Sie ein Kombimodell? Ich habe Herrn Heidan angesprochen. Möchte er als Unternehmer seine Steuern dafür einsetzen, dass in den Bereichen, die Sie favorisieren, in denen keine auskömmlichen Löhne gezahlt werden.
Sie wollen das so. Wenn Sie das wollen, dann ist das eine andere Debatte. Die hat eine gesellschaftliche Dimension. Diese Debatte kann man führen. Darum geht es aber nicht.
Es geht um eine Absicherung nach unten, deshalb auch der flächendeckende Mindestlohn. Ein kleines Beispiel, was geregelt wurde: Es gibt seit Jahr und Tag ein Bundesurlaubsgesetz, eine Absicherung nach unten. Das hat niemand bestritten. Das gibt es in München wie in Rostock wie im Erzgebirge wie in Dresden.
Es wird in Tarifverhandlungen immer wieder behauptet, dass auch Urlaubsregelungen Arbeitsplätze vernichten würden, wenn sie zu weit ausarten. Es wurde eine Untergrenze gefunden, die nicht unterschritten werden darf. Mehr soll der Mindestlohn auch nicht regeln. Es soll eine Untergrenze geben, damit ordnungspolitisch geregelt ist, dass kein Wildwuchs entsteht und dass es kein Lohndumping ohne Grenzen gibt. Das ist der Grund, mehr nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche ganz bewusst an dieser Stelle als Mitglied des Wirtschaftsausschusses zum Thema und nicht als Mitglied des Schulausschusses, auch wenn das durch die Staatsregierung anders repräsentiert wird.
Wir können einleitend feststellen, dass sich die Situation für unsere Jugendlichen in Sachsen – was den Bereich der Chancen auf dem Ausbildungsmarkt betrifft – in den letzten Jahren wesentlich verbessert hat. Wir können uns darüber freuen. Das ist erfreulich für jeden Einzelnen, auch wenn es eher am demografischen Wandel liegt als an der Qualität der Ausgestaltung des Systems der Berufsausbildung.
Einführend möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass wir als LINKE die Initiative auf europäischer Ebene, allen Jugendlichen bis zu 25 Jahren eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz verbindlich zur Verfügung zu stellen, nur unterstützen können. Wir alle wissen, wie wichtig es ist, dass junge Menschen nach der Schule möglichst zeitnah und ohne Unterbrechung in die Ausbildung kommen, einen Beruf erlernen und somit ihren Lebensweg entsprechend vorbereiten können, damit sie am wirtschaftlichen Leben teilnehmen, ihren persönlichen Lebensweg und Wohlstand aufbauen und dadurch ein gesichertes Leben führen können.
Das war nicht in allen Zeiten so, gerade in Sachsen, wo viele Jugendliche keine Chance auf eine Ausbildung hatten.
Das hat sich in der letzten Zeit gewandelt. Wir hatten im letzten Ausbildungsjahr den ersten Jahrgang, in dem es mehr Ausbildungsstellen als Bewerber gab. Wir dürfen aber an der Stelle nicht vergessen, dass wir noch mehrere Tausend aus den Vorjahren im Überhang haben, die nach wie vor nicht im System angekommen sind und für die es keine adäquaten Lösungen gibt, sie in eine qualifizierte Ausbildung zu bringen.
Ein anderes Problem ist, dass mittlerweile 26 % der Ausbildungsverträge aus verschiedensten Gründen gelöst werden. Das führt sowohl zur Verunsicherung – für die Auszubildenden ist es teilweise eine komfortable Situation –, aber für die ausbildenden Betriebe wird es auch mehr und mehr zum Problem. Es muss steuernd eingegriffen werden. Es müssen Modelle entwickelt werden, um dieser Tendenz entgegenzuwirken; denn es nützt uns nichts, wenn die begehrtesten Betriebe und die begehrtesten Berufe in der Ausbildung gut versorgt sind. Dort, wo die Situation nicht so gut ist, müssen sich auch die Unternehmen in die Pflicht genommen fühlen. Sie müssen die Ausbildungssituation, die Ausbildungsvergütung und die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass es für junge Menschen attraktiv wird, auch in diesen Berufen einer Ausbildung nachzugehen.
Soweit zu der Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Was ist aber auf dem Weg, zu einer qualifizierten Berufsentscheidung zu kommen, geschehen? – Da haben wir die Berufsorientierung, wo es – die Kollegin Stange hat es angesprochen – ein Sammelsurium von Angeboten und Maßnahmen gibt – viel über ESF finanziert, kaum eigene Verantwortung des Freistaates. Den Arbeitskreisen Schule/Wirtschaft wird in der Beantwortung der Großen Anfrage eine überdimensionale Bedeutung beigemessen, weil es freie Zusammenschlüsse sind.
Ich erzähle kurz, wie der Arbeitskreis Schule/Wirtschaft im Kreis Nordsachsen wiederbelebt wurde. Den gab es in den Neunzigerjahren. Mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers der Sparkasse Delitzsch/Eilenburg, Herrn Föhrenbach, ist der Arbeitskreis eingeschlafen. Er wurde durch ein Zufallstreffen auf dem Parkplatz des Landratsamtes Delitzsch durch mich und Herrn Föhrenbach wieder ins Leben gerufen. Wir haben Herrn Penndorf als Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses dazugewonnen. So gab es 2007 überhaupt den Arbeitskreis wieder.
Wie kann sich die Staatsregierung auf die Arbeit der Arbeitskreise in der Region verlassen, wenn es keine strukturierte Vorgehensweise gibt, wie diese Arbeitskreise zur Koordinierung zwischen der Wirtschaft und den Schulen strukturell im Land organisiert werden, wenn es dem Zufallsprinzip überlassen bleibt und seitenweise ausgeführt wird, wie man sich auf diese Arbeit verlässt, um die Berufsorientierung auf den Weg zu bringen. Das ist doch ein Widerspruch, der haarsträubend ist!
Die Schulen sind teilweise maßlos überfordert. Auch die Unternehmen vor Ort werden oft durch den Aktionismus, der in diesem Bereich ausgebreitet wird, überfordert. Es gab eine Zeit, in der jede Schule versuchte, eine Ausbildungsmesse zu machen. Die Unternehmen wussten gar nicht, wen sie jede Woche zu diversen Messen schicken sollten, und es gab ein Sammelsurium von Angeboten von freien Unternehmern, von Anbietern im Weiterbildungsbereich. Alles Mögliche klopfte an der Schultür an und versuchte, dort irgendwo einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber es gab kein strukturiertes Vorgehen.
Es war nicht klar, ab welcher Klassenstufe Berufsorientierung eigentlich passieren soll. Jetzt einigt man sich ganz allmählich darauf, dass man frühzeitig in der 5. Klasse einführend damit beginnt. Aber es gibt keine klaren Strukturen und Kriterien. Dies ist immer noch ein offenes Feld, und es ist nicht abschließend geklärt, dass dort ein klarer und zielgerichteter Prozess erfolgen kann.
Zu einzelnen Maßnahmen, die wir vorschlagen, mit denen man eingreifen könnte, um dort etwas zu verbessern: Der Berufswahlpass ist ein qualitativ hochwertiges Element, das man in der Berufsorientierung gut einsetzen kann, der in vielen Bundesländern eingeführt ist, der aber in Sachsen nach wie vor nur punktuell und nach Bedarf und Interesse in einzelnen Schulen eingesetzt wird. Er wird nach wie vor privat bzw. durch Sponsoren finanziert, die in der Wirtschaft gewonnen werden.
Unser Vorschlag ist: Das Land Sachsen übernimmt die Finanzierung des Berufswahlpasses verbindlich für alle Schüler im Land. Damit könnte auch eine strukturierte Berufsorientierung nach Standards durchgeführt werden. Es gäbe zumindest einen Leitfaden, an dem man sich entlanghangeln könnte.
Des Weiteren ist ein offenes Thema, dass es einmal die Lehrerpraktika als Modellprojekte gab. Lehrerpraktika in Betrieben, in der schulfreien Zeit, werden punktuell angenommen. Sie gibt es als Angebot, aber keine Verbindlichkeit in der Weiterbildung oder eben im Nutzen von Lehrerpraktika, sodass sie in ihrem Schulunterricht dann den Schülern entsprechend auch vermitteln können, wo im Berufsleben die Herausforderungen, die spannenden Themen sind, sodass Berufsorientierung auch Thema der Schule sein kann.
Der nächste Punkt, auf den ich zum Thema eingehen möchte, ist: Chancen für Benachteiligte. Das große Auffangbecken ist nach wie vor das Berufsvorbereitungsjahr. Dort landen – Frau Stange hat auch darauf hingewiesen – landesweit circa 11 % unserer Schüler ohne Schulabschluss; in Leipzig, in der Armutshauptstadt Deutschlands, 15 %. Lassen Sie sich die Zahl auf der Zunge zergehen! 15 % des letzten Schuljahrgangs ohne Schulabschluss, wo dann versucht wird, diese im Auffangsystem BVJ, Berufsgrundbildungsjahr oder vielleicht über eine Einstiegsqualifizierung irgendwo ins System zu bringen. Das Berufsvorbereitungsjahr ist seit vielen Jahren in der Kritik: in der Durchführung, in der Umsetzung und in der Erreichung der Lernziele und des Übergangs in eine vernünftige Ausbildung.
Hier muss angesetzt werden, aber nicht nur auf Landesebene, weil das BVJ bundesweit geregelt ist. Hier muss die Landesregierung über den Bundesrat Initiativen ergreifen, um in dem Übergangssystem von Schule zu Beruf eine Qualifizierung auf Bundesebene zu erreichen, sodass das mangelhafte System des BVJ nicht die Grundlage dafür ist, jungen Leuten eine Chance im Arbeitsleben zu geben.
Sachsen versucht – jetzt ist der Minister ja da, wunderbar, ich begrüße Sie – mit den „Joblingen“ kleine Baustein
chen zu setzen, um Benachteiligten in kleinen Punkten eine Chance zu geben, wie bei BMW in Leipzig. Dort funktioniert das ganz gut. Aber das sind alles wieder neue Elemente im Flickenteppich eines unstrukturierten Vorgehens im Abarbeiten von Benachteiligungen für Jugendliche, die durch ihre sozialen Bedingungen oder eben schulischen Defizite einen schlechten Start hatten.
Viele dieser Projekte wurden auch über lange Jahre über den ESF gefördert, wo sich die Landesregierung aus der eigenen Verantwortung, mit eigenen Mitteln und einer Regelfinanzierung etwas zu entwickeln, schwergetan hat oder es gar nicht tut.
Ein exemplarisches Beispiel. Die Berufsausbildung in den JVA dieses Landes wird seit Jahren über ESF-Projekte finanziert. Es ist nach wie vor nicht abzusehen, dass diese Finanzierung in eine Regelfinanzierung überführt wird. Das wäre dringend nötig. Wir wissen – so schade, wie es ist: Viele Jugendliche sind in JVA gelandet, sind straffällig geworden, werden dort bei freien Trägern auf einem hohen Niveau auf eine berufliche Ausbildung vorbereitet, aber nach wie vor ist das seit Mitte der Neunzigerjahre ESF-finanziert und keine Regelfinanzierung.
Ein letzter Punkt, auf den ich an dieser Stelle eingehen möchte, ist die Struktur unserer Berufsschulzentren. Da warten wir nun schon seit 2009 auf das angekündigte Konzept zur Entwicklung der Berufsschulzentren zu Kompetenzzentren der Weiterbildung. Hier gibt es Nachholbedarf. Da können wir auch die Schulträger nicht allein lassen. Kollege Seidel hat recht, dass das nicht nur eine Frage der Schulträger ist, sondern das muss in Zusammenarbeit mit den Schulträgern, die inhaltliche Seite in Zusammenarbeit mit der Landesregierung, geschehen. Hier fehlt ein geschlossenes Konzept, wie die Berufsschulzentren mit einem hohen materiell
technischen Ausstattungsgrad, den sie in aller Regel haben, entsprechend genutzt werden können.
Hier ist die Frage zu klären: Wie können die Volkshochschulen in die Diskussion um ein solches Konzept in der beruflichen Bildung und Weiterbildung eingebunden werden? Sind hier Synergien möglich, dass man wirklich in der Fläche Weiterbildungszentren schafft?
Abschließend möchte ich an dieser Stelle erwähnen: Es war wahrscheinlich auch kein Zufall, dass das fast nur eine sächsische Debatte war. Wir müssen unsere Jugendlichen langsam suchen. Wir haben viele überdimensionierte Berufsschulzentren in der Landschaft stehen. Eine Aufgabe steht vor uns.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Ich möchte für unsere Fraktion zu dem Entschließungsantrag Stellung nehmen. Unsere Fraktion wird diesen Entschließungsantrag vollumfänglich unterstützen. Auf einige Punkte möchte ich eingehen, warum wir ihn unterstützen werden.
Die Antworten auf die Große Anfrage haben bewiesen, dass Quantität nicht gleich Qualität ist.
An der Quantität, dem Umfang, wurde offensichtlich, wo die Mängel im System der Berufsausbildung liegen. Ich beginne nur bei der Evaluierung, bei der Feststellung der Bedarfe für die Zukunft, wozu Aussagen des Wirtschaftsministeriums vorliegen: Man macht so etwas nicht und hat so etwas nicht vor, das macht die Wirtschaft allein. Das alles wird in dem Entschließungsantrag aufgegriffen. Ein Konzept für eine zweite und dritte Chance könnte in der Umsetzung beinhalten, dass man die Erstausbildung von Jugendlichen über 25 Jahre fördert. Das alles sind Dinge, die wir unterstützen, und deshalb unterstützen wir auch diesen Entschließungsantrag.
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.
Herr Präsident! Vielleicht sollten wir heute das Publikum entscheiden und abstimmen lassen; denn im Publikum sitzen mehr Personen als hier im Parlament. Das ist traurig. Wir sollten einmal über unsere Geschäftsordnung nachdenken, ob Gesetzeslesungen in 2. Lesung wirklich wichtig sind oder ob das nur eine Spaßveranstaltung ist, um sich gegenseitig ein paar nett aufgeschriebene Worte zu erzählen.
Weil Herr Heidan versucht hat, humoristisch zu enden, und diverse Weiterbildungsangebote aus Hessen zitiert hat, würde ich meinen Einstieg gern damit beginnen: Im vorigen Jahr hatte ich einen längeren Facebook- und Handykontakt mit einem Kraftfahrer, der in Sizilien unerwarteterweise als Trucker festsaß und nicht wusste, wie er wegkommt. An dieser Stelle hätte ihm sicherlich geholfen, wenn er nicht nur fachliche berufliche Weiterbildung wie ADR-Schein und andere Dinge, sondern die Möglichkeit gehabt hätte, über den Weg einer Bildungsfreistellung auch politische, demokratische Bildung erfahren zu können, wo er sich Angebote heraussuchen kann, um sich gezielt – seine Persönlichkeit und seinen beruflichen Werdegang miteinander verknüpft – weiterzubilden.
Das sind Möglichkeiten, die über das Bildungsfreistellunggesetz möglich werden.
Ich kann ein anderes Beispiel nennen. Es gibt – das kennen Sie auch als Handwerker – Monteure, die tagein, tagaus, jahrein, jahraus durch Europa fahren. Sie haben Baustellen in Spanien, in Polen, in Dänemark, springend in Holland – da kommt es nicht nur auf berufliche Weiterbildung an, nein, auch dort ist politische Bildung, Demokratiebildung wichtig, und das ist nicht nur mit beruflicher Weiterbildung, bezahlt über den Arbeitgeber, zu realisieren. Dafür wollen wir unter anderem das Bildungsfreistellungsgesetz.
Ich gestatte natürlich eine Zwischenfrage.
Sizilien liegt in Italien; auch Ihnen würde das helfen.
Wir können das gern vertiefen; das hätten wir auch gern im Ausschuss machen können – da bügeln Sie ja so etwas ab bzw. schweigen es eine Minute still und sagen, ausführlich darüber gesprochen zu haben – wie Kollege Mackenroth in der letzten Diskussion.
Aber gehen wir in der Sache tiefer. Ich meine, an der Stelle hätte er wissen müssen, wie zum Beispiel politische Strukturen in Europa funktionieren. Wie sind politische Systeme in anderen Ländern organisiert? Warum gibt es Massenstreiks in Italien, die anders aussehen als in Deutschland, wo diszipliniert gestreikt wird, wo es keine Massenstreiks in der Form gibt, Generalstreiks wie in Frankreich oder in Italien? Das kannte er nicht, er war unvorbereitet und war in dieser Situation maßlos überfordert.
Nach der ersten Woche waren übrigens die Supermärkte leer, es gab nichts mehr zu essen, es gab Unruhen unter den Fahrern, es waren über 20 Nationen, die auf Sizilien festsaßen, und auch Ihnen würde es in der Weiterbildung guttun; denn Sizilien liegt nach wie vor in Italien.
Aber beginnen wir mit dem, was ich eigentlich ausführen wollte: Ich wollte meine Rede eigentlich damit beginnen, Ihnen eine Frage zu stellen, und zwar, was unser größter Schatz in Sachsen ist, der unser gesellschaftliches, wirtschaftliches Weiterkommen ermöglicht. Es liegt – Sie sind vorhin selbst darauf eingegangen – auf Drängen unserer Fraktion eine Rohstoffstrategie in Sachsen vor. Aus der geht hervor, dass wir gewiss in Sachsen manch strategischen Rohstoff in verschiedener Mengenausprägung haben – Kohle ist noch etwas mehr da als seltene Erden; Kohle sollte man vielleicht nicht weiter verfeuern, da gibt es verschiedene politische Ansätze. Eines ist bezüglich dieser Strategie unbestritten, bis hin zur Koalition: Sachsen wird kein Rohstoffriese mehr werden. Also: Wir haben nur einen wichtigen Schatz – auch das wir in Sonntagsreden, in Tagungen, in Grußworten, bei Verbänden gern wieder angemahnt –, und das sind unsere Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wissen und ihrem Können.
Und es wird andauernd von Fachkräftemangel geredet, also sollten wir doch in dieser Richtung etwas tun, endlich Taten folgen lassen und den demografischen Wandel nicht nur bei Sonntagsreden beschwören, um dann im Nichts zu verharren.
Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen könnte der Freistaat einen Mosaikstein für die positive Beantwortung – nicht als Generallösung, jedoch als Gesetze – liefern, zumal an anderer Stelle gern von einer Vorreiterrolle Sachsens die Rede ist. Leider ist das bei diesem Thema mitnichten der Fall, weil: In Sachsen begleiten wir die Debatte wenigstens seit 1992, seit der Verfassungsdiskussion.
Auch auf anderer Ebene, auf der Bundesebene ist das Thema seit 1976 unaufgearbeitet, weil mit der Ratifizierung des vorhin schon angesprochenen Übereinkommens Nr. 140 der IAO sich Deutschland verpflichtet hat, die Weiterbildung zu fördern und zu stimulieren, gerade in den Bereichen, in denen die Weiterbildungswilligkeit durch äußere Zwänge, durch abhängige Beschäftigung nicht von sich aus gegeben ist. Das ist bis heute nicht umgesetzt, auch wenn Vertreter in der Anhörung versuchten, etwas anderes glaubhaft zu machen.
Bildungsfreistellungsgesetze gibt es mittlerweile in zwölf Bundesländern; nach meinem Kenntnisstand ist Thüringen in der Endabstimmung, Frau Kollegin. Wenn Sie mehr wissen, zum Beispiel, dass sie schon entschieden haben, dann ist mir das entgangen. Mein Kenntnisstand war, dass sie in der Koalition eine Entscheidung getroffen haben, es aber noch keinen Gesetzesrang erlangt hat. Also in zwölf Bundesländern gibt es Bildungsfreistellungsgesetze. Die Ausnahme bilden nur noch Baden
Württemberg, Bayern, Thüringen und – als krönender Abschluss, wo man darüber auch nicht diskutieren möchte – Sachsen.
In der Anhörung war auch von der Vertreterin aus Rheinland-Pfalz zu erfahren, dass von einem Missbrauch mitnichten zu reden ist, weil an dieser Stelle – da kann die Koalition ruhig einmal dem mündigen Bürger vertrauen – auf das in der Wirtschaftswissenschaft gern zitierte Prinzip des Homo oeconomicus Bezug genommen werden kann, wonach die Nutzer des Bildungsfreistellungsgesetzes schon Maßnahmen und Bildungsangebote für sich suchen, die ihnen in ihrer Persönlichkeit, im beruflichen Leben, aber auch in ihrer Entwicklung nützen und damit uns allen nützen werden.
Und in Zahlen; denn die Gesetzentwürfe schlagen das unter anderem vor, und in den Ländern, in denen das Gesetz Realität ist, wird es auch gelebt, es gibt eine regelmäßige Berichterstattung: Rheinland-Pfalz konnte darüber berichten, dass zu über 80 % – genau 83 % – für das letzte Berichtsjahr für berufliche Weiterbildung im beruflichen Kontext angebotene Weiterbildung genutzt wird. Das ist doch ein klares Zeichen dafür, dass von Missbrauch an dieser Stelle überhaupt nicht zu reden ist.
Auch das Argument – das kam in der Rede schon –, dass nur 1 bis 2 % erreicht werden, ist doch kein Totschlagar
gument, ist doch kein Argument, es nicht durchzuführen, weil: Man bietet ein Recht und keine Pflicht an, es zu nutzen. Was hindert uns, dieses Recht in Sachsen anzubieten, das im Rahmen der bundesdeutschen Entwicklung auf den Weg gebracht ist, uns da anzuschließen und an der Stelle Harmonisierung herzustellen?
Es könnte der Einwand kommen – aber intensiv wollen Sie sich damit gar nicht auseinandersetzen, sondern nur Klamauk machen, wie Herr Heidan hier vorgeführt hat –, dass kleine Betriebe das nicht realisieren können, dass bei knappen Stellen Personalengpässe entstehen, wo vielleicht nur ein Fachmann vorhanden ist. Aber genau das wird versucht, in den Gesetzen zu regeln: indem auf Abstimmung, auf Vorankündigung und auch auf Versagensgründe in einem Jahr abgestellt wird, wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen es nicht zulassen. Auch soziale Standards sollen geregelt werden. Sind Familienurlaube geplant, sind andere soziale Fälle da. Dann ist Bildungsurlaub nicht umzusetzen und muss entsprechend vertagt werden. Das sind alles Dinge, die geregelt werden sollen. Das findet auch unsere Unterstützung.
Es könnte abschließend – eigentlich als Rat an die Koalition – vielleicht ein kleines Fünkchen Standortvorteil sein, wenn es wirklich einmal um Fachkräftemangel geht, der bis jetzt nur als Szenario an die Wand geschrieben ist, aber real noch nicht eingetreten ist. Es gibt in einigen Sparten erste Engpässe, aber keinen generellen flächendeckenden Fachkräftemangel. Davon kann noch lange nicht gesprochen werden. Vielleicht kann es in nächster Zukunft auch ein Standortvorteil sein, wenn interessierte Bürgerinnen und Bürger sagen: Kann ich denn in Sachsen genauso Bildungsfreistellung in Anspruch nehmen, wie ich das vorher in Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern oder in Nordrhein-Westfalen konnte? – Wir unterstützen die beiden Gesetzesinitiativen und werden unsere Zustimmung geben.
Danke schön.
Herr Herbst, Sie stellen immer darauf ab, dass jegliche Weiterbildung, die ich in meinem beruflichen Leben wahrnehme, dem Arbeitgeber nützen muss. Nach meinem Kenntnisstand sind Arbeitnehmer nicht mehr die Sklaven von Arbeitgebern,
sondern sie sind nach wie vor freie Bürger. Gehen Sie davon aus, dass der Erholungsurlaub, den ein Arbeitnehmer nimmt, auch dem Unternehmer nützen muss? Legt der Unternehmer demnächst fest, in welches Betriebsferienheim, wie wir es früher hatten, gefahren wird? Ist das im Sinne des Unternehmers, oder darf das der Arbeitnehmer vielleicht noch selber entscheiden? Also darf er doch auch selber entscheiden, wo und wie er sich weiterbilden will, unabhängig von den beruflichen Weiterbildungen, die von der Firma ohnehin angeboten werden.
Frau Präsidentin! Die Tagesordnung ist ein Stück weit außer Rand und Band geraten. Wir wollen heute noch das Sommerfest feiern. Deshalb gebe ich meine Rede zu Protokoll. Meine Fraktion wird den Antrag der SPD-Fraktion unterstützen.
Die sächsische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen haben einen entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung. Ungeachtet von ökonomischen Rahmenbedingungen größerer europäischer Dimension – Stichwort Eurokrise – und deren möglichen Auswirkungen für die heimische Wirtschaft sprechen wir heute über ein Thema wie die Unternehmensnachfolge, welches nicht nur Sachsen betrifft.
Die Frage der Unternehmensnachfolge wird in der Wirtschaft und deren Interessenvertretungen schon über Jahre diskutiert; ebenso war es hier im Landtag in den letzten Jahren immer wieder Thema.
Ich verweise an dieser Stelle auf den Ifo-Dresden-Bericht 1/2007 oder die Broschüren der SAB und nicht zuletzt den Inforeport des Ostdeutschen Bankenverbandes vom Mai 2012. Letzterer geht von über 4 400 Unternehmensnachfolgen bis zum Jahr 2014 aus.
Dabei stehen wir in Sachsen vor Problemen, die wir mit vielen Regionen in der Bundesrepublik teilen. Das lässt sich kurz mit dem allgemeinen Demografieproblem beschreiben. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von speziellen sächsischen Herausforderungen bei der Gestaltung und Steuerung von erfolgreichen Unternehmensnachfolgen. Viele Unternehmen wurden im Zuge der wirtschaftlichen Veränderungen in den frühen Neunzigerjahren gegründet. Oft erfolgten diese Gründungen von Gründern, die in der Mitte ihres Berufslebens standen und durch eine selbstständige Tätigkeit die Chance sahen, sich in den damals wirtschaftlich unsicheren Zeiten eine eigene ökonomische Grundlage zu schaffen.
Für kleine und mittlere Unternehmen war und ist es immer besonders wichtig, die Unternehmensnachfolge in der Familie vorzubereiten. Dieser Weg steht für viele Familienunternehmer in Sachsen nicht offen, da aus der Gründungsspezifik oftmals folgte, dass mögliche Nachfolger eigene berufliche Wege gegangen sind, dabei oftmals auch außerhalb von Sachsen. Die Attraktivität für mögliche Übernahmen wird durch eine geringe Kapital
ausstattung bzw. zu geringe Gewinnerwartungen in den Unternehmen noch erschwert.
Ein weiteres und systematisches Hemmnis für erfolg
reiche Unternehmensnachfolgen besteht in dem allgemeinen Fachkräfteproblem, auf das wir in der nächste Zukunft zusteuern; denn wir werden die gut ausgebildeten jungen Fachkräfte nicht weiter bis zu 50 %, wie bei Jungakademikern immer noch normal, in andere Bundesländer ziehen lassen können, als möglichen Lehrernachwuchs verplanen oder für die technologischen Zukunftsbranchen mit Auslandsorientierung – nach FDP-Lesart – einsetzen wollen.
In Zeiten gestiegener Entwicklungschancen und offener Perspektiven werden Unternehmensnachfolgen nur dort positiv gelingen, wo sich echte Perspektiven ergeben. Vor dem Hintergrund der fehlenden potenziellen Nachfolger sollte das Augenmerk, neben vielen möglichen Übernahmeformen, auf Fusionen im Rahmen der Übernahme gelegt werden. Auch Übernahmen in Form von Genossenschaften von bisherigen Mitarbeitern könnten ein interessanter Weg sein, um erfolgreiche Unternehmensnachfolgen zu gestalten.