Ich denke, das ist für die Studierenden ein tatsächlicher Vorteil, denn die bisherige volle Anrechnung leistungsbezogener Stipendien war doch demotivierend. Die bestehende dreijährige Orientierungsphase zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn der Kindererziehung soll aufgehoben werden. Das ist für Studierende, die aus familiären Gründen den Beginn des Studiums verschieben mussten, ebenfalls ein wesentlicher Fortschritt.
Auch bei der Ausbildungsförderung für Schüler sollen Verbesserungen vorgenommen werden. Die Auslandsaufenthalte von Schülern an Schulen, die nach zwölf Jahren das Abitur ablegen, aber auch von Fachoberschülern und Fachschülern werden gefördert.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich weise darauf hin, dass mit dem 23. BAföGÄnderungsgesetz auf den Freistaat Sachsen zusätzliche Belastungen zukommen. Die nicht unerheblichen Mehrkosten für den Landeshaushalt sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Bedarfssätze um 2 % angehoben werden und die Freibeträge um 3 % steigen. Der Bund zahlt davon 65 %, die Länder 35 %.
Doch die Anstrengung ist wesentlich. Die bereits zitierte 19. Sozialerhebung des deutschen Studentenwerkes zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 kommt zu dem Ergebnis, dass die wichtigste Quelle der Studienfinanzierung neben den Eltern und dem Jobben das BAföG ist. Und vergessen wir nicht: Der Anteil der BAföGEmpfänger an der Gesamtzahl der Studierenden im Freistaat Sachsen ist überdurchschnittlich hoch.
Die jetzt anstehende Anhebung der Bedarfssätze stellt eine Anpassung an die wirtschaftliche Situation der Studierenden dar. Eine weitergehende Erhöhung hält die Staatsregierung nicht für gerechtfertigt; dies auch vor dem Hintergrund, dass erst mit dem Beginn des Wintersemesters 2007/2008 die Bedarfssätze um 10 % und die Freibeträge um 8 % angehoben worden sind. Viel wichtiger ist es, dass durch die Erhöhung der Freibeträge um 3 % mehr junge Menschen aus sozial schwachen Familien in den Genuss des BAföG kommen.
Ich weiß, für viele ist das nur ein kleiner Schritt. Aber aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation, die auch den Freistaat Sachsen nicht verschont, ist die Erhöhung der Freibeträge um 3 % durchaus angemessen, und sie wird dem Ziel gerecht, dass mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen können.
Das ist gerade in Sachsen und in den anderen neuen Bundesländern wichtig, in denen die Gehaltssituation der Elternhäuser nach wie vor vielfach nicht so positiv ist wie in Westdeutschland.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf zur Schaffung eines von Bund, Ländern und Privaten finanzierten nationalen Stipendienprogramms begabte Studierende aufgrund ihrer Leistungen in der Schule, im Studium, im Beruf sowie ihres persönlichen Werdegangs durch ein Stipendium fördern.
Bei der Auswahl der geförderten Studierenden setzt die Bundesregierung jedoch nicht nur auf Begabung und Leistung, sondern auch auf gesellschaftliches Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Auch andere besondere Umstände sollen berücksichtigt werden, die sich beispielsweise – es wurde bereits erwähnt – aus der familiären Herkunft oder einem Migrationshintergrund ergeben. Darüber hinaus soll durch das Stipendienprogramm Interessierten, die sich bislang aus
ökonomischen Gründen nicht für ein Studium entscheiden konnten, die Entscheidung für eine Hochschulausbildung erleichtert werden.
Schließlich ist es der Bundesregierung ein Anliegen, dass die Studierenden an Fachhochschulen, die häufiger als Studierende an Universitäten aus einem bildungsfernen familiären Hintergrund kommen, nun auch in den Genuss eines Stipendiums kommen.
Der Vorteil: keine Anrechnung auf das BAföG. Da bei der Auswahl der Studierenden nicht nur auf Begabung und Leistung abgestellt wird, sondern das Stipendienprogramm leistungsbereiten jungen Menschen aus allen Schichten unserer Gesellschaft offensteht, wird das Stipendium nicht auf das BAföG angerechnet. Das bedeutet eine klare Verbesserung der Situation begabter leistungswilliger Studierender aus wirtschaftlich und sozial schwächeren Familien. Hier also das Argument der Gerechtigkeit.
Es ist mir daher nicht erklärlich, warum die Oppositionsfraktionen die Ansicht vertreten, dass das Stipendienprogramm gerade den Kindern aus sozial schwachen Familien, die wohlgemerkt generell einen Anspruch auf BAföG haben, nicht zugute kommen soll. Begabte Studierende, die aus einfachen finanziellen Verhältnissen stammen, erhalten auf diese Weise zusätzlich zum BAföG eine Leistungsprämie, die nicht zurückgezahlt werden muss.
Stipendien ermutigen somit junge Menschen aus allen sozialen Schichten bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit durch Bildung.
Auch das Argument, Studierende könnten in der Regelstudienzeit nicht zum Ziel kommen, weil sie neben dem Studium jobben und deshalb das Leistungskriterium eines Stipendiums nicht erfüllen können, ist für mich nicht nachvollziehbar. Denn gerade Studierende, die neben dem BAföG ein Stipendium erhalten, werden dann kaum noch auf einen Nebenjob angewiesen sein.
Schließlich überzeugt auch nicht die Argumentation, dass das Stipendienprogramm Studierende in den Studiengängen, die nicht im unmittelbaren Interesse der Wirtschaft stünden, aber für die Gesellschaft und den öffentlichen Dienst von großer Bedeutung seien, benachteilige. Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich vor, dass die Mittel für die Stipendien nicht nur von der Wirtschaft einzuwerben sind, sondern auch von privaten Mittelgebern wie Stiftungen, Vereinen, Kammern oder auch Alumni.
Auch hier zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen, dass viele Stipendien von privaten Mittelgebern eingeworben
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Das Ziel der Bundesregierung, langfristig die Zahl der Stipendiaten in Deutschland zu erhöhen und das System der Studienfinanzierung zu verbessern, begrüßen wir sehr. Es ist auch ein Anliegen der Staatsregierung, die Stipendienkultur in Sachsen zu verbessern und noch mehr leistungsstarke Studierende für die sächsischen Hochschulen zu gewinnen, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Beide Gesetzentwürfe durchlaufen derzeit das parlamentarische Verfahren. Bei beiden Vorhaben wurden noch keine abschließenden Festlegungen getroffen. Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung ist offen. Das betrifft auch das Argument Verwaltungsaufwand. Auf der 532. Sitzung des Ausschusses für Kulturfragen des Bundesrates am 17. Mai 2010 wurde ein Antrag der Länder BadenWürttemberg und Bayern, den Verwaltungsaufwand betreffend, gestellt. Darin wurde vertreten, „mindestens eine hälftige Beteiligung des Bundes sei erforderlich an den entstehenden Umsetzungskosten des Gesetzes, das erscheine, geboten“, so der Antrag, da die Akquise, Zweckausgaben und die Vergabe – Verwaltungsausgaben – von Stipendien einen hohen Ressourceneinsatz erfordern.
Sie sehen, das Verfahren ist im Fluss. Die Bereitstellung der ab 2011 vorgesehenen Mittel bleibt den Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2011/2012 vorbehalten. Deshalb wird sich die Staatsregierung erst im Laufe des Gesetzgebungsvorhabens endgültig positionieren.
Ich danke Ihnen, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren! Ich frage Sie, ob in der Aussprache eine dritte Runde gewünscht wird. – Das kann ich nicht feststellen. Wir kommen zu den Schlussworten. Zunächst die Fraktion DIE LINKE, Herr Prof. Besier; bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise noch einmal darauf, dass die meisten der genannten Argumente vonseiten der Oppositionsfraktionen nicht eigene Erfindungen darstellen,
sondern von Fachleuten mit empirischen Untersuchungen unterlegt wurden. Es ist hier mit der Art der Stipendien mehrfach durcheinandergegangen. Darauf will ich aber nicht eingehen.
Frau Staatsministerin, das Problem bei Leistungsstipendien ist, dass wir damit gewisse Erfahrungen gemacht haben. Daher die Skepsis der Fachleute, dass diese Leistungsstipendien tatsächlich allen zugute kommen können. Nach den bisherigen Erfahrungen ist das nicht so gewesen.
Wir haben doch nichts gegen Eliten, Herr Kollege Schneider, aber wir haben etwas gegen die Undurchlässigkeit in dieser Gesellschaft.
Es kann nicht sein, dass sich Eliten aus Eliten rekrutieren. Das ist in einem pluralistischen, demokratischen Verfassungsstaat nicht möglich. Eliten rekrutieren sich aus der Gesamtheit der Bevölkerung.
(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Ganz genauso! – Volker Bandmann, CDU: Das ist allerdings richtig!)
Den Dissens möchte ich kurz bezeichnen – und darin sind wir uns einig, wie ich hoffe. Wir können das Geld nur einmal ausgeben. Frau Staatsministerin, Sie haben klar gesagt, die Anhebung der Bedarfssätze – 2 % – und der Freibeträge – 3 % – sei „ein kleiner Schritt“. Das ist genau der Punkt. Hier liegt der Dissens. Wir sagen, dieser Schritt ist zu klein. Wenn es uns gelänge, hier einen weiteren Schritt voranzugehen, dann könnten wir auch über Leistungsstipendien reden. Das ist aber nicht der Fall. Solange wir das BAföG in der von Ihnen beschriebenen Weise nur in kleinen Schritten ausbauen, so lange wird dieser Dissens erhalten bleiben.
Noch einmal: Wir können das Land Sachsen selbstverständlich nicht mit Nordrhein-Westfalen vergleichen. Dass sich in Nordrhein-Westfalen über 60 Jahre hinweg so etwas wie eine Alumni-Kultur, ein privates Mäzenatentum entwickelt hat, ist doch kein Wunder. Das ist doch ein ganz anderer Hintergrund. Das können wir in Sachsen doch jetzt noch nicht erwarten.
Vielen Dank, Herr Prof. Besier. – Ich frage die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Kein Schlusswort. Die Fraktion der SPD, Herr Mann; bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatsministerin, zunächst möchte ich Ihnen danken, dass Sie – im Unterschied zu der Sie stützenden Regierungskoalition – auf Argumente eingegangen sind.
Ich möchte Ihnen auch dafür danken, dass Sie ein Zitat aus dem Protokoll des Bundesrates verlesen haben, das einen Bericht eines noch schwarz-gelb geführten Bundeslandes, nämlich Nordrhein-Westfalen, enthält. Das, was
Sie von CDU und FDP uns als Argument abgesprochen haben, hält es fest, nämlich dass die Akquise und Vergabe von Stipendien einen hohen Ressourceneinsatz erfordern.
Ich möchte den anderen Satz noch einmal verlesen, um Ihnen einen Denkanstoß zu geben: „Der Bundesrat geht dabei von den Erfahrungswerten aus, die für die Festlegung des Overhead bei anderen Förderprogrammen maßgeblich sind. So liegt beispielsweise die Programmpauschale bei der DFG bei circa 20 %.“ Auf gut Deutsch heißt das: Mindestens 20 % gehen in den Verwaltungsaufwand eines solchen Stipendiatenprogramms. Das ist nicht nur mein Argument, sondern auch das der schwarzgelb und schwarz regierten Bundesländer im Bundesrat.
Für die SPD möchte ich noch einmal feststellen, dass wir Ihr Stipendiatenprogramm ablehnen, weil es die Hochschulen bisher ohne Kostenersatz mit einem Mehraufwand an Administration versieht, der unserer Meinung nach in keinem vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis steht, weil es Studierende an die stipendiengebende Hochschule und an den Sponsor aus der Wirtschaft bindet und damit Mobilität verhindert. Vor allen Dingen ist es nicht berechenbar. Beispiele zeigen, dass ein Stipendium, das von der Wirtschaft abhängig ist, auch vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig ist. Herr Prof. Schneider, in Zwickau haben wir uns das Beispiel anhören müssen, dass, als Qimonda bankrottgegangen ist, kooperative Studiengänge dort deshalb geschlossen werden mussten.