Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Wir wollen erstens – dazu bekennen wir uns – eine neue IT-Strategie im Freistaat Sachsen, die sich zum Ziel stellt, mittelfristig teilweise und langfristig, möglichst – so weit es geht – vollständig eine Migration zu Freier Software durchzuführen.

Wir wollen zweitens – das ist nahe liegend und liegt auf der Hand – vorrangig eine Umstellung der Serverinfrastruktur aufgrund der hohen Kosten, aufgrund der einfacheren Umstellung in diesem Bereich und aufgrund der hervorragenden Potenziale der Freien Software.

Es ist aber mit Sicherheit auch richtig, bereits im Vorfeld einer solchen Umstellung und im Vorfeld einer Erarbeitung einer solchen Strategie Maßnahmen zu treffen, die Sachsen nicht notwendig immer tiefer in die Sackgasse proprietärer Softwareanwendung führen. Eine solche Maßnahme muss erst einmal sein, dass sich die Staatsregierung einen Überblick über alle Lizenzen in Ministerien und in den nachgeordneten Behörden verschafft. Diesen gibt es ausweislich der Antwort nicht.

Zweitens brauchen wir – das schreiben wir auch im Entschließungsantrag – eine neue Studie, die die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Migration zu Freier Software aufgrund der aktuellen technischen Möglichkeiten untersucht. Herr Staatsminister, ich setze einige Hoffnungen in Sie. Vielleicht sind wir uns einig: Das kann nicht die Studie von 2005 sein. Freie Software hat seit dieser Zeit einen mächtigen Sprung in Bezug auf Vielfalt, auf Nutzerfreundlichkeit, auf Sicherheit und auf Stabilität hingelegt. Das heißt neue Erkenntnisse gewinnen, diese zugrunde legen und in der Zwischenzeit schon einen Austausch mit Bundesbehörden und anderen Ländern pflegen, um nicht weiter in die Sackgasse von proprietärer Software und nicht weiter in die Abhängigkeit eines einzelnen oder einiger weniger Hersteller zu geraten.

Das ist der Inhalt unseres Entschließungsantrages.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion)

Wer möchte gern zum Antrag sprechen? – Frau Abg. Bonk, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich halte es für richtig, dass unter Punkt I im Entschließungsantrag der Status quo, wie er sich uns auch in der Debatte gezeigt hat, genannt wird. Ich halte es auch für wichtig festzuhalten, dass die Staatsregierung Open Source Software als Alternative absolut nicht ausreichend geprüft hat. Denn, Herr Minister, wir erwarten, dass Sie die Grundlage Ihrer Erwägungen, die Sie hier angeführt haben, Sie hätten ein Berechnungsmodell mit vier Optionen, dem Parlament als Diskussionsgrundlage zur Verfügung stellen. Wie anders soll das geschehen als im Zuge von Kleinen und Großen Anfragen? Das hätte es zur Grundlage und zur Ehrlichkeit gebraucht. Einen ganz anderen Eindruck als jetzt haben Sie in der Beantwortung der Kleinen Anfrage gezeigt, und das ist, glaube ich, keine gute gemeinsame Diskussionsgrundlage.

Gerade vor dem Hintergrund von Haushaltsknappheit stellt der Betrag von 21 Millionen Euro pro Jahr für lizenzierte Software die Notwendigkeit dar, in diesem

Bereich umzusteuern. Angesichts der hohen Kosten und der fehlenden Vergleichszahlen erwarten wir von der Staatsregierung in Reaktion auf diese Debatte, dass die Fallstudien zu der Frage vorgelegt werden, was der Umstieg auf nicht lizenzierte Software kosten würde.

Die Kollegen von der FDP haben eingeräumt, dass womöglich Freie-Software-Lösungen zunehmend stärker in das Verwaltungshandeln integriert werden sollen. Aber das heißt, dass das auch forciert werden muss. Ich hoffe, dass wir in Zukunft gemeinsam darauf drängen werden, damit ein Umsatteln auch in der Sächsischen Staatsregierung stattfinden kann. In diesem Sinne werden wir das Thema weiter begleiten und dem Entschließungsantrag zur Großen Anfrage zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Biesok, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das eigentlich Entscheidende an diesem Entschließungsantrag steht unter Punkt II, Ihr Ersuchen an die Staatsregierung. Da habe ich schon erhebliche Bedenken, ob wir diese Punkte jetzt aus der Hüfte geschossen beschließen können, insbesondere bei Punkt I: Die Staatsregierung soll eine möglichst vollständige Migration auf Open Source Software vornehmen. – Um eine solch weitgehende Entscheidung derart kurzfristig zu treffen, reicht mir erstens das, was Sie der Großen Anfrage entnommen haben, und zweitens das, was hier in der Debatte ist, nicht aus.

Wer schon einmal ein Migrationsprojekt bei IT mitgemacht hat, weiß: Sie fangen immer kurzfristig an, alles soll schnell gehen, alles ist ganz einfach, alles funktioniert. – Es dauert dann das Dreifache und es kostet das Fünffache. Jetzt einfach zu sagen: „Es gibt Studien aus Städten, in denen man das schon gemacht hat, und man überträgt das auf den ganzen Freistaat“, das ist mir zu schnell geschossen. Da muss man sich, wie Staatsminister Martens ausgeführt hat, genau anschauen, welche Anwendungen es gibt, wo man sie einsetzen kann, und kann dann im Einzelfall migrieren, aber keine generelle Migration vornehmen.

Wer sich gern ansehen möchte, was passiert, wenn man ein komplettes IT-System mit der ungefähr gleichen Anzahl von Stationen migriert, der kann sich im Wirtschaftsteil anschauen, was derzeit die Hypovereinsbank mit ihrem Betriebssystem mitmacht. Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Es ist meines Erachtens auch zu weitgehend, eine Umstellung der Server, wie im Entschließungsantrag unter Punkt II gefordert, möglichst zeitnah vorzunehmen. Sicherlich, bei der Serversoftware gibt es einige Softwareprodukte, die einen relativ guten Ruf genießen. Aber ob sie die Komplexität einer Landesverwaltung wie beim Freistaat Sachsen abdecken können, das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Aber das ist zentral für diesen Freistaat. Wenn wir uns Betriebrisiken in der EDV ins Haus holen, dann bekommen wir erhebliche Probleme, die wir nicht ohne Weiteres korrigieren können.

Der dritte Punkt, den ich an diesem Entschließungsantrag kritisiere, ist die Ausrichtung der Schulen. Wir müssen in unseren Schulen die Schüler so ausbilden, dass sie, wenn sie mit ihrer Schulausbildung fertig sind und in Unternehmen und Betriebe kommen, die Standardsoftware entsprechend beherrschen. Da ist nun einmal Microsoft im Moment der Standard und auf diesen Standard möchte ich gern unsere Schüler vorbereiten. Deshalb sehe ich es nicht, dass wir die Schule bevorzugt mit Freier Software ausstatten sollen.

Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich jetzt abstimmen über die Drucksache 5/2536, Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer möchte die Zustimmung geben? – Und die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist dennoch der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Sächsische Hochschullandschaft weiterentwickeln – zukunftsfähige Strukturen schaffen

Drucksache 5/2340, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

In der Reihenfolge der ersten Runde beginnt die CDU, danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und die NPD sowie die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. – Herr Prof. Schneider, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das uns heute eher selbstverständlich erscheinende Recht auf Bildung ist ein wertvolles und ein lang erkämpftes Gut. Schon Platon wusste, ein Mensch sollte ein Leben lang lernen. Er

dachte dabei nicht an das Erlernen weltfremder oder praxisferner Inhalte, sondern es ging ihm um die Frage, welches Wissen den jungen Menschen nahegebracht werden soll, damit sie öffentlich und privat, aber auch öffentlich ein gutes und gelingendes Leben vor sich haben würden.

Die ersten Universitäten haben sich um das Jahr 1200 in Salerno, in Bologna, in Oxford und in Paris gegründet. Sie wuchsen eher – ich möchte sagen – organisch auf, weniger, wie wir das heute sehen, institutionell gegründet. Man traf sich aus Liebe zum Wissen, aber auch aus Liebe zur Diskussion. Wir würden heute sagen: zum Streit. Schüler gruppierten sich um bedeutende, herausragende Lehrer ihrer Zeit. Ich möchte an Thomas von Aquin erinnern, später an Martin Luther, an Melanchthon.

Wissenschaft als solche war zunächst eine brotlose Kunst. Dann aber kristallisierten sich in relativ kurzer Zeit mit wachsender Geschwindigkeit gute Verdienstmöglichkeiten für Lehrende heraus.

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

Nach und nach wurde ein Studium zu einer notwendigen Qualifikation für spätere gute bis sehr gute Erwerbschancen, die unabhängig vom Stand und von der Herkunft waren.

Meine Damen und Herren! Der Blick in die Geschichte hilft. Beim Blick in die Geschichte werden Sie sehen, dass Bildungsideale immer wieder neu formuliert worden sind. Sie sind ergänzt und mitunter verworfen worden. Sie wurden angepasst. Es gab einen ständigen Handlungsbedarf.

Die prominenteste Formulierung eines Bildungsideals im deutschen Sprachraum gelang an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert Wilhelm von Humboldt. Das von ihm entworfene Bildungsideal beinhaltet die ganzheitliche Ausrichtung, die ganzheitliche künstlerische Ausbildung in Verbindung mit der jeweiligen Studienrichtung. Es vereint in sich die beiden Prinzipien zum einen des autonomen Individuums und zum anderen des Weltbürgertums. Heute steht der Begriff des humboldtschen Bildungsideals in erster Linie für die Idee der Einheit von Forschung und Lehre an den Universitäten.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Damit zur Gegenwart. Sachsen ist das Land der Wissenschaft und der Ideen. Das war so und das wird auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die sächsische Hochschullandschaft, meine Damen und Herren, so wie wir sie heute vorfinden, ist das Ergebnis unserer gemeinsamen intensiven Bemühungen um den Wissenschaftsstandort Sachsen in den vergangenen 20 Jahren.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das hat Humboldt nie gesagt!)

Die Universitäten, die Fachhochschulen, die Berufsakademien, aber auch die außeruniversitären Forschungsein

richtungen sind Lehr-, Lern- und Forschungsstätten für unsere Akademiker, für viele Studierende, die gern nach Sachsen kommen. So soll es auch bleiben. Von deren Bildung profitiert die gesamte Gesellschaft.

Das alles ist das Ergebnis einer nachhaltigen intensiven Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure. Ihnen, den in Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien tätigen Verantwortlichen, sage ich namens der CDUFraktion aufrichtigen und herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zum Antrag: Unser Antrag dient der Weiterentwicklung des Hochschulstandorts Sachsen. Wir stehen vor großen Herausforderungen, wie wir in diesen Zeiten alle wissen. Das zeigen auch die folgenden Eckpunkte. Ich nenne die vorläufig konstanten, in Zukunft aber wohl rückläufigen Studentenzahlen bei gleichzeitig wachsendem Fachkräftebedarf. Der Hochschulstandort Sachsen muss im bundesweiten Rahmen, aber zunehmend auch im globalen Wettbewerb auch künftig exzellent aufgestellt bleiben.

Die Entwicklung im Hochschulbereich wird von sinkenden Finanzmitteln des Freistaates Sachsen flankiert. Die Notwendigkeit bevorstehender Einschnitte im sächsischen Landeshaushalt ist nicht unbekannt. Dem müssen wir – dazu dient auch unser Antrag – mit einer intelligenten, Schwerpunkte setzenden Hochschulpolitik begegnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Kernfrage ist: Wie gehen wir mit diesen Rahmenbedingungen um? In der Antwort auf diese Frage liegt, wie wir meinen, eine große Chance. Wir haben gerade jetzt bei dem wachsenden Finanzdruck, bei dem wachsenden Handlungsbedarf die Chance zur Weiterentwicklung unseres Hochschulstandortes. Wir lassen uns dazu von den folgenden Zielsetzungen leiten.

Erstens. Wir wollen auch künftig ein leistungsfähiges, breit angelegtes Hochschulsystem.

Zweitens. Wir wollen, dass alle jungen Menschen, die bei uns heute und in Zukunft ihre akademische Ausbildung beginnen, die aus dem nationalen, aber auch dem internationalen Bereich kommen, die gleichen guten Bedingungen vorfinden werden, wie sie schon Generationen vor ihnen genossen haben.

Drittens. Wir bekennen uns ausdrücklich – ich erinnere dabei auch an die gestrige Diskussion – zur Exzellenz und Spitzenforschung.

Meine Damen und Herren! Die sächsische Hochschullandschaft wollen wir auf der Basis des Dreiklangs unseres differenzierenden Hochschulsystems weiterentwickeln.