Und, Frau Clauß, nach acht Monaten Zuständigkeit für Verbraucherschutz könnte das langsam auch einmal auf dem Eingangsschild Ihres Ministeriums bekannt gegeben werden. Bis gestern Abend war das aber noch nicht der Fall.
Das alles macht Verbraucherinnen und Verbraucher zu Randfiguren des Regierungshandelns und sorgt für Frust und Politikverdrossenheit.
Werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Laut Umfragen sehen nur 14 % die CDU/CSU und nur 4 % die FDP als verbraucherpolitisch kompetent.
Hier wurde offensichtlich belohnt, dass wir uns seit jeher für die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher stark machen. Das ist angekommen.
Statt Kürzungen das Wort zu reden, hat die Fraktion der GRÜNEN bereits im Doppelhaushalt 2009/2010 vorgeschlagen, die Mittel für den wirtschaftlichen Verbraucherschutz um 150 000 Euro pro Jahr zu erhöhen. Die Summe ist ein Klacks im Vergleich zum Milliarden Euro schweren Rettungsschirm, den deutsche Politiker über den Banken aufgespannt haben.
Zurück nach Sachsen. Es wird höchste Zeit, dass die Staatsregierung endlich konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Freistaat ergreift.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Ihren Vorstoß begrüße ich außerordentlich. In etlichen Punkten, wie zum Beispiel bei der Einschätzung des Verbraucherschutzinformationsgesetzes, bei Ihrer Forderung nach einer Ampelkennzeichnung oder bei der Einführung des sogenannten Smileys für besonders hygienisch arbeitende Betriebe, steht meine Fraktion auf Ihrer Seite; denn das ist die Seite der Fortschrittlichen, nämlich derjenigen, die verstanden haben, dass es der Wirtschaft nur dann gut geht, wenn es auch den Verbrauchern gut geht. Wenn ich mich aber umschaue, befürchte ich, dass Sie in Ihrer Koalition damit noch ziemlich allein dastehen.
Inwiefern die vereinbarten Neuerungen mehr als reine Symbolik werden, bleibt abzuwarten und hängt ganz entscheidend von Ihrer Durchsetzungskraft ab, Frau Ministerin. Ich wünsche Ihnen diese Kraft vor allem im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger. Deren Situation als Verbraucher hat sich in den zurückliegenden Jahren deutlich verschlechtert, denn unser Alltag ist komplexer und unübersichtlicher geworden.
Zum Beispiel können wir rund um die Uhr Tausende Produkte kaufen und müssen zwischen 750 Telefontarifen oder 530 verschiedenen privaten Haftpflichtversicherungen auswählen. Zum Beispiel gibt es trotz des Oligopols von vier primären Energieanbietern insgesamt 15 000 Tarife. Zum Beispiel werden im Internet personenbezogene Daten erfasst, verarbeitet und an Dritte weiterverkauft. Die Details entziehen sich meist unserer Kenntnis und sind für Laien kaum noch nachvollziehbar. Zum Beispiel können Sonderregelungen im Kleingedruckten von Verträgen zu bösen Überraschungen werden, oder denken Sie – als letztes Beispiel – an die Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Analogkäse, ESL-Milch und Klebeschinken.
Meine Damen und Herren! Ohne Beratung drohen Fehlentscheidungen mit schwerwiegenden Folgen. 30 Milliarden Euro Schaden in Deutschland allein durch falsche Anlageberatung! Laut dem Creditreform-Schuldneratlas sind mehr als 10 % aller Haushalte in Deutschland bereits heute überschuldet. Privatinsolvenzen erhöhen durch die Mehrbelastung der Sozialkassen den Druck auf den Staat und bremsen die Binnennachfrage – und damit unsere Wirtschaft – aus.
Ungesunde Lebensmittel gefährden die Gesundheit und sorgen für den Vormarsch ernährungsbedingter Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes. Laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sind in Deutschland knapp zwei Millionen Kinder und Jugendliche zu dick, 70 Milliarden Euro pro Jahr fallen als Folgekosten ernährungsbedingter Krankheiten in Deutschland an.
Um in puncto gesunde Ernährung etwas zu tun, sollten sächsische Schüler am europäischen Schulobstprogramm teilnehmen. Die Staatsregierung hatte vor den Wahlen diesem Programm im Bundesrat bereits zugestimmt, doch gemeinsam mit der FDP machte Umweltminister Kupfer kurz darauf eine Rolle rückwärts und bescherte uns die „schwarz-gelbe Vitaminblockade“, um die Eigenmittel des Landes in Höhe von 300 000 Euro nicht aufbringen zu müssen.
Schließlich ließ der Freistaat lieber 900 000 Euro verfallen, als die Gesundheit sächsischer Kinder zu fördern.
Ein weiteres Armutszeugnis ist die Umsetzung des Verbraucherinformationsgesetzes; wir sprachen bereits davon. Mit ihm sollte jeder Bürger das Recht bekommen, bei den Behörden Informationen zu Lebensmitteln, Futtermitteln sowie Gegenständen des täglichen Bedarfs
abzufragen. Doch statt auf Verbraucherinformationen stoßen interessierte Bürgerinnen und Bürger auf verschlossene Akten. Zwar wird von den Behörden vor groben Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit gewarnt, wer aber konkret Namen und Lieferant bzw. Hersteller wissen möchte, um zum Beispiel beim Einkauf darauf zu achten, tappt weiter im Dunkeln.
Zu diesem Schluss kam die Verbraucherzentrale Sachsen nach einer Anfrage bei der Landesuntersuchungsanstalt zu irreführend gekennzeichneten Schinkenimitaten. Deren Antwort kam übrigens „schon“ nach sechs Monaten und enthielt eine allgemeine Übersicht von sehr geringem Nutzen. Meine Damen und Herren, so wird aus dem Informationsrecht ein Pseudorecht.
Wer Transparenz erwartet: Fehlanzeige. Das dicke Ende kam dann noch in Form einer Kostennote in Höhe von knapp 1 000 Euro.
Frau Clauß, auf der Website ihres Staatsministeriums heißt es zu den Kosten der Verbraucherinformation – ich zitiere –: „Die Höhe der Gebühr richtet sich dabei nach dem Aufwand, den die jeweilige Anfrage auslöst. In der Regel wird zur Deckung des tatsächlich entstehenden Verwaltungsaufwandes eine Gebühr im unteren Bereich des Gebührenrahmens ausreichend sein.“
1 000 Euro sind bei mir jedenfalls keine Gebühr im unteren Bereich des Gebührenrahmens, und Sie wissen doch ganz genau, dass sich so etwas herumspricht und die Verbraucherinnen und Verbraucher von weiteren Anfragen abhält. So kann man ein ganzes Gesetz ad absurdum führen und sich lästige Arbeit vom Hals schaffen!
Meine Damen und Herren! Ich stimme mit der Forderung der Verbraucherzentrale überein, die den kostenfreien Zugang zu solchen Informationen zum Inhalt hat. Wer Lebensmittel irreführend kennzeichnet, verstößt gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Das VIG sieht vor, dass Auskünfte über Verstöße gebührenfrei zu erteilen sind. Deutschlandweit ergaben Kontrollen bei fast jedem vierten Betrieb Mängel – von Missständen bei der Hygiene bis hin zu bewusster Irreführung in der Kennzeichnung. So war jede fünfte Fleischprobe nicht einwandfrei.
Wir brauchen ein System, bei dem es sich für Betriebe nicht lohnt, Verbraucher zu täuschen. Solange keine Namen genannt und Betriebe Informationen über Beanstandungen als Betriebsgeheimnisse einstufen, die nicht an die Öffentlichkeit gegeben werden, kommen wir nicht voran. Die Ergebnisse der Überprüfung müssen öffentlich gemacht werden.
Das von Ihnen angesprochene Smiley-Projekt ist ein gutes Beispiel. Im Berliner Bezirk Pankow funktioniert es bereits. Unternehmen, die überdurchschnittliche Qualität und Hygiene nachgewiesen haben, erhalten dort ein Zertifikat. Gleichzeitig werden die „Schmuddelkinder“ namentlich auf einer Internetseite veröffentlicht. Das
haben Sie vorhin nicht erwähnt, es ist jedoch die zweite Seite derselben Medaille und gehört eben auch dazu. Nur so werden die aus Steuern finanzierten Kontrollen zu einer echten Hilfe für die Verbraucher.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion fordert diese Transparenz ein, weil wir gut informierte und selbstbestimmte Verbraucherinnen und Verbraucher wollen. Sie haben es in der Hand, die Welt mit ihrem Einkaufskorb ein Stück zu verändern. Sie haben es in der Hand, unsere Lebensgrundlage zu schützen und die eigene Lebensqualität zu sichern. Sie haben es in der Hand, die Ausbeutung von Arbeitern in den Entwicklungsländern, Kinderarbeit, Tierquälerei, Agrogentechnik und Umweltzerstörung zu ächten.
Gut informierte Verbraucherinnen und Verbraucher haben Macht und Einfluss – so viel, dass mancher Politiker und die schwarzen Schafe unter den Unternehmern spürbar Angst haben. Diese Angst führt dazu, dass sie alles versuchen, um die Verbraucher im Unklaren zu lassen. Aktuelles Beispiel ist die Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln, gegen die sich die Industrie mit Händen und Füßen wehrt; und wir werden sehen, wie heute in Straßburg entschieden wird.
Meine Damen und Herren! Während sich Nestlé & Co. nicht gern in die Karten sehen lassen, sammeln sie fleißig sämtliche Informationen über das Konsumverhalten der Verbraucher. Da werden Profile angelegt, Datensätze miteinander verknüpft und personenbezogene Daten gehandelt – alles hinter unserem Rücken. Oft ist nicht ersichtlich, welche Daten erhoben werden, was mit ihnen geschieht und an wen sie weitergegeben werden. Das aktuelle Beispiel Google Street View zeigt, wie lax der Datenschutz gehandhabt wird.
Die intensive Zusammenarbeit von Staatsregierung und Verbraucherzentrale ist ein erster Schritt, den wir begrüßen. Die Schrittweite ist allerdings davon abhängig, wie die finanzielle Ausgestaltung ausfällt. Wir sind eben keine Kängurus, die auch mit leerem Beutel große Sprünge machen können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als einige der sensibelsten Teilbereiche des Verbraucherschutzes sind wohl die Themen Lebensmittelsicherheit, -hygiene und -kennzeichnung anzusehen.
Durch zahlreiche Anfragen hat die NPD-Fraktion in der Vergangenheit die Irreführung und die gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher angeprangert und thematisiert – ob es nun um den Einsatz von sogenanntem Ana
Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des NPDAbgeordneten Winfried Petzold vom Dezember 2009 geht hervor, dass im Jahr 2009 bis dahin durch die Behörden im Freistaat Sachsen 194 Verstöße gegen das Lebensmittelrecht festgestellt wurden – nur bezogen auf die Verletzung der Kennzeichnungspflicht beim Einsatz von Analogkäse, also bei Käseimitaten. In lediglich einem dieser Fälle wurde ein Strafverfahren eingeleitet, ansonsten nur Ordnungswidrigkeitsverfahren. In vielen Fällen beließ es die Behörde bei einer Ordnungsverfügung zur Abstellung der Mängel. Vielleicht sollte die Sächsische Staatsregierung auch einmal über eine etwas strengere und angemessenere Ahndung lebensmittelrechtlicher Verstöße nachdenken.
Ähnlich sieht es bei Verstößen gegen fleischhygienerechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit den sogenannten Döner-Imbissen aus. Obwohl im Jahr 2008 in 210 Betrieben in Sachsen Verstöße in insgesamt 5 894 Fällen festgestellt wurden, führte dies nur in 2,3 % aller Fälle zur Einleitung von Bußgeldverfahren und nur in 0,3 % aller Fälle zu einem Strafverfahren. Obwohl die Staatsregierung mittlerweile wissen müsste, dass solche Verstöße sehr häufig in Betrieben festgestellt werden, deren Inhaber, Betreiber oder Mitarbeiter ausländischer Herkunft sind, weigert sie sich nach wie vor beharrlich, die Nationalität des Personals bei der statistischen Erfassung zu berücksichtigen.
Trotz der offensichtlichen und lange bekannten Missstände werden nach unserem Kenntnisstand die Überprüfungsintervalle in der lebensmittelrechtlichen Überwachung nicht verkürzt; und auch wenn die Kontrollen risikoorientiert sind, wie es Frau Staatsministerin vorhin sagte, so ist es doch eine Einbuße, wenn beispielsweise im Jahr 2008 eine Viertelmillion weniger Kontrollen durchgeführt wurden als noch im Jahr 2002.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Sie kündigen an, ein sächsisches Smiley-System einführen zu wollen, das eine lebensmittelrechtliche Kennzeichnung gastronomischer Betriebe darstellen soll. Damit soll die notwendige Transparenz für den Verbraucher hergestellt werden. Diesem Zweck soll auch eine gemeinsame Internetplattform dienen. Sie kündigen in diesem Zusammenhang an, für eine verbraucherfreundlichere Ausgestaltung des Verbraucherinformationsgesetzes eintreten zu wollen und hierfür auf Bundesebene initiativ zu werden. Das ist löblich, Frau Clauß, und es findet unsere volle Unterstützung.
Allerdings bin ich schon der Meinung, dass es ohne Weiteres möglich gewesen wäre, eine entsprechende Internetplattform schon früher auf Landesebene einzuführen. In Dänemark ist beispielsweise seit 1996/97 ein eigenständiges Ministerium für Lebensmittelfragen, also im Sinne des Verbraucherschutzes, zuständig. In Deutschland wurde erst zum 01.05.2008 das Verbraucherinformationsgesetz in Kraft gesetzt, mit dem jeder natürlichen oder juristischen Person Zugang zu Informationen über
Ziel des Verbraucherinformationsgesetzes – so ist es auch auf den Internetseiten des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz nachlesbar – ist – Zitat –: „... die Gewährung einer umfassenden Verbraucherinformation im Sinne der modernen Verbraucherpolitik durch Zugang zu amtlichen Informationen. Dies geschieht durch radikalen Wechsel vom bisher geltenden Grundsatz der Verschwiegenheit (Amtsgeheimnis) bzw. der beschränkten Aktenöffentlichkeit hin zu einer nahezu unbeschränkten Aktenöffentlichkeit.“
Mittlerweile beklagen allerdings Experten die zurückhaltende Informationspolitik deutscher Behörden bei der Umsetzung des Gesetzes. Auf „Spiegel Online“ vom 23.05.2010 wird der Greenpeace-Experte Redelfs mit den Worten zitiert – Zitat –: „Unternehmen deklarieren erst mal jede Information, die ihnen unangenehm werden könnte, zum Geschäftsgeheimnis.“ Dagegen könne man zwar Widerspruch einlegen, aber welcher Verbraucher macht diesen Verfahrensweg mit?
Auch das SMS schreckt den informationsbedürftigen Verbraucher mit langatmigen Erläuterungen zum Antragsprozedere eher ab und weist darüber hinaus erst einmal auf die vielen möglichen Ausschlussgründe hin, die einer Auskunftserteilung zu lebensmittelrechtlichen bzw. -hygienischen Fragen entgegenstehen. Dem gleichen Zweck dient im Endeffekt auch die abschließende Kostenwarnung von 5 bis 250 Euro. Somit ist die Anfrage doch wohl eher unerwünscht.
Dabei drängen mittlerweile selbst die Gerichte auf eine strengere Umsetzung des Gesetzes und halten den Behörden immer wieder eine falsche Abwägung vor. Das Verbraucherinformationsgesetz ziele auf ein hohes Maß an Transparenz und eine möglichst rasche Information der Öffentlichkeit ab, urteilte etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Dezember 2009. Das Gesetz begründe kein Schutzrecht zugunsten des kontrollierten Betriebes. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt ging im März 2010 noch einen Schritt weiter – Zitat –: „Mögliche Absatzeinbußen der betreffenden Firmen sind im Falle der Überschreitung von dem Verbraucherschutz dienenden Normwerten nicht schutzwürdig.“
Im Übrigen: Der Berliner Bezirk Pankow zeigt bereits seit Februar 2009, dass eine verbraucherfreundliche Umsetzung des Verbraucherinformationsschutzgesetzes möglich ist, und versieht Betriebe, die sich durch besonders penible Einhaltung hygienischer und lebensmittelrechtlicher Vorgaben auszeichnen, mit einem entsprechenden Qualitätssiegel, das – in den Betrieben gut einsehbar – zusammen mit einer Urkunde dem Verbraucher die notwendige Sicherheit gibt.
Gleichzeitig existieren für jedermann auch im Internet einsehbare Positiv- und Negativlisten, in denen sowohl die ausgezeichneten als auch die beanstandeten Betriebe mit Beispielbildern und – in letzterem Fall – mit konkreten Beanstandungen aufgeführt sind. Dabei schreckt die