Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung, bezogen auf die Frage der Hochschulvereinbarung und der Abbauverpflichtung von 300 Stellen. Die Botschaft ist korrekt. Innerhalb dieses Doppelhaushaltes wird es nicht zum Abbau von Stellen an unseren Hochschulen kommen. Die 300 Stellen, die Sie aus der Hochschulvereinbarung kennen, werden ebenfalls nicht abgebaut.

(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: So weit zur Wahrheit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Überschrift dieser Aktuellen Debatte „Sächsische Forschungslandschaft stärken – Innovationskraft der Unternehmen steigern“ bringt es auf den Punkt: Das sind die beiden wichtigsten technologie- und forschungspolitischen Ziele des Freistaates. Insofern ist diese Aktuelle Debatte hochaktuell; sie bringt es auch inhaltlich auf den Punkt.

Wenn wir davon ausgehen, dass uns diese Thematik in die Zukunft führt, dann ist es so, dass wir uns hier letztlich auf die schon erwähnte Aussage des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft beziehen können. Dieser hat klargelegt, dass der Freistaat Sachsen im Bundesvergleich wieder einmal eine Spitzenstellung einnimmt. 5,9 % unserer Nettoausgaben fließen in Forschung und Entwicklung.

Das mag die einen mit Freude, ja, mit Stolz erfüllen, die anderen aber doch auch fragen lassen: Muss das denn sein? Können wir uns das auch künftig weiterhin leisten? Die Antwort auf diese Frage möchte ich Ihnen am Ende meiner Ausführungen als zuständige Ministerin für Forschung und Technologie geben.

Lassen Sie mich aber auf dem Weg dahin einige wenige, doch durchaus bemerkenswerte Fakten resümieren. Der Freistaat Sachsen hat im Jahr 2007 2,59 % des sächsischen Bruttoinlandsprodukts – 2,5 Milliarden Euro – für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Das waren von den Geldgebern her gesehen die Europäische Union, der Bund, der Freistaat und die sächsische Wirtschaft. Diese Summe insgesamt erreicht noch nicht das im Rahmen der Lissabon-Strategie formulierte 3-%-Ziel – ein Ziel übrigens, welches im bundesdeutschen Vergleich bisher ohnehin nur von Baden-Württemberg und von Berlin erreicht wird. Nichtsdestotrotz liegt der Freistaat Sachsen mit diesem Wert über dem bundesdeutschen Durchschnitt, und das allein ist schon eine kleine Sensation.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wir liegen im Vergleich zu den neuen Ländern ohnehin vorn.

Dieses gute Zwischenergebnis, wenn ich es einmal so formulieren darf, ist dem Zusammenwirken von drei Akteuren zu danken, und dieses Zusammenwirken im Freistaat Sachsen findet offensichtlich durchaus erfolgreicher statt als an anderen Standorten: Erstens die Wissenschaft – sie steht für wissenschaftliche Exzellenz –, zweitens die Unternehmen als Akteure – sie stehen für unternehmerischen Mut und für Spürsinn –, und drittens, durch dieses Zusammenwirken mit der Politik in den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft auch verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese drei Akteure gemeinsam handeln zu lassen ist die erfolgreiche sächsische Rezeptur.

Blicken wir auf die Forschungs- und Hochschullandschaft im Freistaat Sachsen: Hier haben wir eine beeindruckende Dichte der vorab skizzierten Einrichtungen. Wir haben nicht nur vier Universitäten und fünf Fachhochschulen, sondern wir haben auch sechs Max-Planck-Institute, 16 Fraunhofer-Einrichtungen, ab 2011 zwei Helmholtzinstitute und die Einrichtung von Gottfried Wilhelm Leibniz und im Übrigen auch zehn Landesforschungseinrichtungen – also eine Dichte von Denkfabriken in unserem Lande, die ihresgleichen sucht.

Diese unsere Einrichtungen – das ist wichtig – wirken an technologieorientierten Netzwerken in der ganzen Breite mit. Denken wir an Fraunhofer-Einrichtungen für keramische Technologien und Systeme. Sie wirken mit im Bereich Solar Valley – denken wir an die FraunhoferEinrichtung Nanoelektronische Systeme –; sie wirkt mit im Bereich Cool Silicon. Beiden Spitzenclustern zusammen ist es gelungen, erfolgreich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung Millionenbeträge abzurufen – Forschungsbeiträge, die hier in Sachsen investiert werden.

Die Voraussetzung für diese erfolgreiche Spitzenclusterbildung ist in jedem Fall das Prinzip der bewährten Zusammenarbeit zwischen unseren Hochschulen und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Hier, so scheint es mir, hat es in den letzten Tagen und Wochen einige Missverständnisse gegeben; deshalb möchte ich auf diesen Aspekt gesondert eingehen. Es ist so, dass die Zusammenarbeit zwischen den außeruniversitären Einrichtungen und den Hochschulen nicht in einem Prinzip der ungesunden Konkurrenz steht; ganz im Gegenteil, wir haben hier vielfältige Kooperationsbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen.

Schauen wir es uns einmal im deutschlandweiten Maßstab an. Die deutsche Wissenschaftslandschaft, die von Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen geprägt ist, gilt als Vorbild, als Beispiel für viele andere Länder, zum Beispiel auch in Frankreich. Frankreich ist gerade dabei, sein eigenes Forschungs- und Wissenschaftssystem nach dem Vorbild Deutschlands umzubauen. Auch die französische Politik erachtet die Beziehungen zwischen Hochschulen einer

seits und außeruniversitären Einrichtungen andererseits als vorbildlich.

Blicken wir weiter auf die Strukturen dieser Forschungslandschaft. Wir wissen, unsere Hochschulen werden von den Ländern finanziert, und zwar in eigener Verantwortung. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden gemeinschaftlich finanziert, und zwar vom Bund, den Ländern und dem betreffenden Bundesland gemeinsam. Auf der Basis dieser Struktur wurden in den letzten Jahren im Freistaat Sachsen Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen. An den Hochschulen haben wir etwa 9 300 hochwertige Arbeitskräfte bzw. Forscher und im Bereich der außeruniversitären Forschungseinrichtungen 7 130 Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gut die Hälfte von ihnen sind drittmittelfinanziert, und das, meine Damen und Herren, sind die klugen Köpfe, die wir im Freistaat Sachsen haben wollen und auch besitzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unsere sächsischen Unternehmen profitieren von diesen Forschungsstrukturen. Zu Beginn der Neunzigerjahre, als man unter Ministerpräsident Biedenkopf begonnen hat, Sachsen als Fraunhofer-Land zu etablieren, gab es durchaus einige skeptische Stimmen, ob das denn tatsächlich den kleinen und mittleren Unternehmen des Freistaates zugute kommen würde, gerade im Hinblick auf die anfänglich notwendige teure Anschubfinanzierung, die für diese Einrichtungen erforderlich ist. Damals, im Jahr 1992, waren sächsische Unternehmen mit einer Summe von 0,6 Millionen DM am Industrieumsatz der Fraunhofer-Einrichtungen beteiligt. Diese Summe, meine Damen und Herren, hat sich bis zum heutigen Tag verdreißigfacht. Im Jahr 2007 waren es 19 Millionen Euro Industrieumsatz der Fraunhofer-Einrichtungen mit sächsischen Unternehmen. Das bedeutet, unsere Unternehmen profitieren in wachsendem Maße von der öffentlich finanzierten Forschungsinfrastruktur.

Wenn wir auf das Jahr 2008 blicken, stellen wir fest: Schon damals stand Sachsen in einem Wettbewerb der Innovation. Das hat sich durch die Krise der Jahre 2008/2009 weiter verschärft. Unsere Antwort auf die Krise kann nur Innovation heißen; Innovation ist der Weg.

Diese Linie wird sowohl von den Forschungseinrichtungen als auch von den Unternehmen beherzigt. Im Rahmen der Technologieförderung haben wir im Jahr 2009 einen neuen Rekord erreicht: 438 Projekte in Höhe von 127,5 Millionen Euro. Die Effekte, die daraus resultieren, sind vielfältig. FuE-Projekte, die sonst nicht verwirklicht würden, können realisiert werden. Das kommt insbesondere der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen im Freistaat zugute. Es werden im Rahmen der Technologieförderung Anreize dafür geschaffen, dass Unternehmen junge Wissenschaftler gewinnen und diese zusätzlich mit FuE-Aufgaben betrauen. Wertschöpfungsketten werden geschlossen, sowohl unternehmensintern wie auch unternehmensübergreifend.

Wichtig ist auch: Es gelingt uns, unseren Unternehmen zu helfen, damit sie an den Forschungsprogrammen der Europäischen Union und des Bundes partizipieren können. Sie können sich in Technologiekooperationen integrieren und erfolgreich an Forschungskooperationen teilnehmen.

Es gelingt, die Attraktivität des Standortes für Investoren aus dem In- und Ausland zu steigern, denken wir nur an Globalfoundries. Nicht zuletzt werden Effektivität und Effizienz des Ressourceneinsatzes und der Produkte insgesamt gesteigert, auch unter dem Aspekt der Energieeinsparung.

Es gibt also zahlreiche positive Effekte der Technologieförderung. Vergessen wir nicht: Von den 467 deutschen mittelständischen Unternehmen, die sich als Weltmarktführer bezeichnen, haben 29 ihren Sitz in Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, Herr Präsident.

Sehr geehrte Frau Ministerin, bei dem Stichwort „Energie und Ressourcen“ kam es mir dann doch wieder hoch.

(Heiterkeit)

In den letzten Monaten wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, in Freiberg das Kompetenzzentrum für Ressourcen zu etablieren. Meine Frage an Sie: Welche Anstrengungen haben Sie unternommen, dass Wirtschaft und Wissenschaft in die Vorbereitung der Einrichtung dieses Kompetenzzentrums eingebunden werden, damit es erfolgreich durch den Bund etabliert wird?

Vielen Dank für die Frage. Wir haben dieses Projekt, das auch im Koalitionsvertrag angesprochen wird, in den letzten Wochen und Monaten intensiv begleitet, unter anderem im direkten Kontakt mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie mit dem Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft, Prof. Mlynek. Selbstverständlich haben wir auch die Antragsvorbereitung der TU Bergakademie Freiberg in Zusammenarbeit mit Magnifizenz unterstützt. Die Zukunft dieses Ressourceninstituts allerdings wird sich in die beschlossenen Planungen zum Doppelhaushalt einschreiben müssen. Insofern kann ich nur sagen: Wir, das SMWK, haben alles dafür getan, dass dieses Projekt erfolgreich starten kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Blicken wir auf die Zukunft! Es ist unser Ziel, Sachsen bis 2020 zu finanzieller Unabhängigkeit zu führen. Der Weg dorthin heißt „Bildung und Innovation“. Auf diesem – richtigen – Weg sind wir. Wir dürfen uns allerdings nicht ausruhen, sondern müssen unsere Anstrengungen

fortsetzen und vor allen Dingen die Zeit nutzen, in der die Mittel des Solidarpaktes noch zur Verfügung stehen, um mehr Wissen zu generieren und die Wertschöpfung zu steigern.

Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage: „Können wir es uns leisten, auch künftig kräftig in Forschung und Entwicklung zu investieren?“ lautet ganz klar: Wir müssen uns das leisten. Wir können es uns nicht leisten, dies nicht zu tun.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Eine letzte Anmerkung sei mir gestattet. Eine moderne und erfolgreiche Technologie- und Forschungspolitik ist ganz wesentlich auf Weltoffenheit und Internationalität angewiesen. Ich darf deswegen deutlich hervorheben, dass diejenigen, die Menschen mit anderer Herkunft mit Deutschtümelei, Abneigung oder auch Gewalt begegnen,

(Jürgen Gansel, NPD: Reden Sie zum Thema!)

nicht nur ihre beschränkte Gesinnung offenbaren, sondern auch dem Forschungs- und Hochtechnologiestandort Sachsen Schaden zufügen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Für die Staatsregierung sprach die Staatsministerin Frau von Schorlemer.

Wie im Präsidium vereinbart, weise ich darauf hin, dass die Frau Staatsministerin ihre Redezeit überschritten hat. – Aber ich sehe, dass das – –

Ich möchte gern von meinem Interventionsrecht Gebrauch machen. Ich finde es ungeheuerlich, was die Staatsministerin zum Schluss gesagt hat. Ich habe den Eindruck, dass sie ihre eigene Familiengeschichte aufarbeiten muss, und das zulasten der Deutschen, der deutsch Denkenden. Ich bitte doch, dass hier in diesem Hause ein etwas anderer Stil auch mit anderen Meinungen – –

(Widerspruch bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Es ist eine Unverschämtheit, Nationalbewusstsein als „Deutschtümelei“ zu verunglimpfen. Davon distanziere ich mich. Ich finde, wir sollten hier einen Stil der sachlichen Auseinandersetzung entwickeln.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD – Christian Piwarz, CDU: Sie ganz besonders!)

Das war eine Kurzintervention des Abg. Storr, NPD-Fraktion. Wollen Sie darauf erwidern, Frau Staatsministerin? – Das ist nicht der Fall.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Damit ist diese Aktuelle Debatte abgeschlossen.

Wir kommen nun zu