Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

In den Haushaltsberatungen werden wir über die Gegenfinanzierung sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kulturelle Bildung ist das Herzstück einer zukunftsorientierten Kulturpolitik. Dazu gehört der chancengleiche Zugang zu kulturellen Angeboten. Frau Ministerin, genau das war Ausgangspunkt für den kostenfreien Zugang zu den staatlichen Museen.

Ich muss deswegen fragen – das bezweckt der Antrag –: Welche Schwerpunkte setzt die Landesregierung in der Kulturpolitik? Im Koalitionsvertrag heißt es – das hat mich schon ein bisschen erschreckt –: „Kulturelle Vielfalt zu bewahren und zu entwickeln heißt, das Land attraktiv und lebenswert zu erhalten. Kultur“ – jetzt hören Sie genau zu! – „umfasst so unterschiedliche Bereiche wie Brauchtumspflege, historische Bildung, Denkmalschutz, die sächsischen Museen, Theater oder Orchester, aber auch neue Formen künstlerischer Kreativität.“

Ich finde darin nicht ein Wort über kulturelle Bildung. Dass man noch den Schlenker zu „künstlerischer Kreativität“ hinbekommen hat, finde ich schon beachtlich.

Zeitgenössische Kunst und Kultur scheinen gar nicht vorzukommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund soll unser Antrag Anlass geben, an einen offenen Dialog über die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft in Sachsen anzuknüpfen bzw. ihn wieder zu eröffnen. Unser Antrag bietet die Möglichkeit, über Prioritäten nachzudenken. Wir haben die Fragen zu beantworten: Wie untersetzen wir in Sachsen das Ziel, Kultur als öffentliches Gut zu erhalten, wenn gleichzeitig bei den Bibliotheken, zum Beispiel der Sächsischen Landesbibliothek – das ist zugegebenermaßen ein anderer Bereich, der sonst nicht zur Kultur zählt –, die Personalstellen weiter gekappt werden? Wie soll künftig das Verhältnis zwischen historisch gewachsener Kulturlandschaft und zeitgenössischer Kultur, das Verhältnis zwischen Breiten- und Hochkultur gestaltet werden? Wie wird das Ziel erreicht, dass Kultur für alle mit allen und von allen umgesetzt werden soll? Wie kann kulturelle Partizipation, die auch unsere Verfassung vorsieht, tatsächlich umgesetzt werden? Wie wird die Arbeit der Kulturverbände gestärkt? Deren Evaluation hat verdeutlicht, dass sie mit wenigen Mitteln hervorragende Arbeit leisten und Wirksamkeit entfalten. Schlussendlich: Wie will man in diesem Land die Kulturdenkmäler schützen, wenn gerade das Denkmalschutzgesetz derart verändert werden soll, dass man Sorge haben kann, ob das Ziel der Pflege historischer Bildung und des Denkmalschutzes ernst gemeint ist? Dazu werden wir sicherlich auch hier noch Debatten führen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir halten es für dringend notwendig, gerade in Anbetracht der finanziellen Situation des Landes und der öffentlichen Diskussion über das Verhältnis von freiwilligen und Pflichtaufgaben auf der kommunalen und auf der Landesebene Klarheit darüber zu bekommen, welchen Kurs die Landesregierung in der Kulturpolitik einschlägt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Herr Dr. Gerstenberg, Ihr Begehr?

Ich würde gern eine Kurzintervention machen, wenn Sie gestatten.

Bitte.

Frau Dr. Stange, ich habe Ihnen mit großer Aufmerksamkeit zugehört. Sowohl den Eckpunkten Ihres Antrags als auch weiten Teilen Ihrer Ausführungen ist zuzustimmen. Ich möchte das insbesondere auf die Kulturräume erstrecken. Dort sehe ich eine ausgesprochene Gefahr. Momentan ist aufgrund der kommunalen Finanznot die kommunale Kultur bedroht. Der Deutsche Kulturrat empfiehlt sogar einen Nothilfefonds. Es wird also in einer Situation, in der

Kulturraummittel gekürzt werden, nicht einfach sein, von kommunaler Seite aus nachzubessern. Was die Auswirkungen auf die Musikschulen angeht, sehe ich es ganz ähnlich.

Im Gegensatz zu Ihnen vertraue ich aber darauf, dass genau in diesen beiden Punkten der Sächsische Landtag im Rahmen der Haushaltsberatungen nachbessern kann. Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen hier, die das Kulturraumgesetz mit der derzeitigen Förderhöhe verabschiedet haben. Wir sollten darum kämpfen. Auch das Interesse an den Musikschulen ist hoch.

Ich habe jedoch zwei zentrale Fragen: Warum fordern Sie in Ihrem Antrag – und das in schwammiger Form – nur Eckpunkte? Warum fordern Sie nicht – in Anlehnung an den Hochschulentwicklungsplan – einen verbindlichen Kulturentwicklungsplan für Sachsen? Ferner: Warum wollen Sie nur die Staatsregierung beauftragen? Ein solcher Prozess muss umfassender geführt werden. Ich erinnere an meine Heimatstadt Dresden: Das Kulturleitbild und der Kulturentwicklungsplan sind im Prozess vorbildlich geführt worden. Es gab eine breite Diskussion, Workshops, Bürgerwerkstätten, Politiker waren dabei. Ein solcher Prozess ist in ganz Sachsen notwendig. Wir brauchen eine breite öffentliche Diskussion, keine Delegierung an die Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Herr Dr. Gerstenberg, der mit Fragen intervenierte. Frau Dr. Stange, Sie möchten antworten?

Ich antworte gleich vom Saalmikrofon aus. – Herr Dr. Gerstenberg, ich teile Ihre Auffassung insofern, als auch ich darauf vertraue, dass der Landtag die Möglichkeit hat, die vorgelegten Eckpunkte in vernünftiger Art und Weise zu korrigieren. Ferner stimme ich Ihnen zu – das ist unter Punkt 2 unseres Antrags angedeutet –, dass ein Kulturentwicklungsplan des Landes eines breiten Dialogs mit der Öffentlichkeit und den Verbänden bedarf. Ich vertraue auf das Ministerium, dass genau dieser Dialog auch eingeleitet wird.

Vielen Dank. – Herr Bläsner, Sie möchten auch intervenieren?

Dann bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Dr. Stange, Sie haben vorhin behauptet, dass durch die geplanten Absenkungen der Mittel für Ganztagsangebote externe Kulturanbieter aus den Schulen herausgedrängt würden. Diese Behauptung entbehrt jeder Grundlage. Sie wissen, dass der BTV ausgelaufen ist. Sie wissen auch, dass zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer schon jetzt Unterrichtsangebote im Rahmen des Ganztagssystems machen. Die Absenkungen sollen weitgehend

dadurch kompensiert werden, dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr auf Honorarbasis, sondern im Rahmen ihres normalen Deputats eingesetzt werden. Externe sind davon – entgegen Ihrer Behauptung – meiner Kenntnis nach nicht betroffen. Ihnen ist ferner bekannt, dass die Planung für das nächste Schuljahr schon anläuft. Auch aus Gesprächen mit Schulleitern wissen Sie, dass Ihre Behauptung eigentlich falsch ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Frau Dr. Stange, auch hierauf können Sie erwidern.

Gerade aus Gesprächen mit Schulleitern weiß ich, dass das, was Sie gesagt haben, nicht stimmt. Die Reduzierung der Mittel für Ganztagsangebote – deren ganze Dramatik kennen wir noch nicht, ich zumindest nicht, weil sie nicht im Zusammenhang mit den Eckpunkten veröffentlicht worden ist – führt dazu, dass die Angebote faktisch nur von Lehrerinnen und Lehrern unterbreitet werden können. Wir haben bisher versucht, externe Anbieter mit Honorarmitteln an die Schulen zu bekommen; das betraf insbesondere die kulturelle Bildung. Künftig kann das nicht mehr finanziert werden.

Wenn der Kultusminister etwas anderes sagt – er ist besser informiert, was in den Haushaltsverhandlungen beraten wurde –, dann bin ich beruhigt. Ich sehe es zurzeit anders und habe es gerade im Jahr 2010 anders erlebt.

Vielen Dank, Frau Dr. Stange.

Meine Damen und Herren! Wir setzen in der Aussprache fort. Die Fraktion der CDU ist an der Reihe. Es spricht Frau Abg. Fiedler. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Jubiläumsausstellung „Triumph der blauen Schwerter“ im Japanischen Palais, die Ausstellung „Stein der Weisen“ auf Schloss Albrechtsburg, die Sonderausstellung „450 Jahre Staatliche Kunstsammlungen“, die Eröffnung des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig, die Feierlichkeiten zu 300 Jahren Meissner Porzellan, die Eröffnung der Landesmusikakademie auf Schloss Colditz, die Gewinnung von Christian Thielemann als neuen Chefdirigenten der Staatskapelle, die Eröffnung des Bachmuseums in Leipzig, die Eröffnung der Türkischen Kammer im Dresdner Schloss, die Museumseröffnung im Schloss Lichtenwalde, die Eröffnung der Artico Harlem im Grassi Museum Leipzig sind allein die neuen kulturellen Akzente der vergangenen sechs Monate. Sie verdeutlichen, was sächsische Kultur prägt: Breiten- wie Hochkultur, Kultur in den ländlichen Räumen wie in den großen Städten zur Wahrung des Alten und Öffnung zum Neuen.

(Beifall bei der CDU)

Der kostenlose Eintritt ist ein Beweis dafür, dass wir die Verpflichtung aufgenommen haben, das kulturelle Erbe auch an die nächste Generation weiterzutragen.

In zwei Tagen wird die Landeshauptstadt der kulturelle Mittelpunkt Deutschlands sein. Mit der Wiedereröffnung erfährt das Albertinum in seinen Meisterwerken wie durch seine Bauweise europaweite Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen ist das Land der Kunst und Kultur. Dies ist für die CDU Überzeugung und wichtiges politisches Anliegen. Kunst und Kultur prägen dieses Land. Das erleben wir bereits seit der Wiedervereinigung. Unter den CDU-Regierungen hat Sachsen die höchsten Kulturausgaben deutschlandweit, viel Geld in die Sanierung der Einrichtungen investiert und die Kulturschätze überall im Land wieder zum Strahlen gebracht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sachsen genießt deutschlandweite Anerkennung nicht nur für den Verfassungsrang der Kulturförderung, sondern auch für sein Kulturraumgesetz, in dem übrigens steht, dass über die Verteilung der Mittel in den Kulturräumen die Kulturräume selbst entscheiden und nicht der Sächsische Landtag.

Auch in schwierigen Zeiten wollen wir dieses kulturpolitische Erbe weitertragen. Das können wir machen, weil wir eine verantwortungsvolle Finanzpolitik betreiben, in der wir die künstlerische Entwicklung nicht nur auf hohem Niveau präsentieren können, sondern indem sie auch weiter vorangetrieben wird. Eine kluge und solide Finanzpolitik und eine gestaltungsfreudige Kulturpolitik sind hier keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig. Für diesen Schulterschluss, der sich bei allen Schwierigkeiten – das will ich nicht verhehlen – beim Vorschlag der Staatsregierung im nächsten Doppelhaushalt abbildet, sind wir der Kunstministerin, aber auch dem Finanzminister sehr dankbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Beide haben sicher harte Verhandlungen hinter sich, aber sie haben dem Parlament einen klugen Vorschlag vorgelegt, der eine gute Grundlage für unsere Debatte bildet. Deshalb ist der auch im SPD-Antrag formulierte Punkt 3, dass hier die Entwicklungsmöglichkeiten im Haushalt nicht durch die Staatsregierung aufgezeigt werden, erfüllt. Das Parlament ist jetzt am Zug. Dabei stehen wir vor keinen einfachen Entscheidungen, aber es wird kein Raten mehr geben und keine Schließungsdebatten wie in anderen Bundesländern.

Aber wir müssen leider auch noch einige Hausaufgaben erledigen. So hat bereits im Jahr 2008 Frau Dr. Stange auf eine Anfrage von Herrn Gerstenberg über die Landesbühnen geschrieben: „Im Juli 2007 beschloss die Staatsregierung unter Beachtung der Aufgabenverteilung, eine schrittweise steigende Mitfinanzierung der kommunalen Seite an den Landesbühnen einzufordern und in den

Haushaltsentwürfen zu veranschlagen.“ Es ist leider so, dass zur Erfüllung dieser Hausaufgaben Frau Dr. Stange nicht mehr in der Lage sein wird, sondern das muss jetzt die neue Kunstministerin erledigen. Sie kann leider nicht den großen Wunschzettel aufmachen, sondern muss die überreichten Aufgaben erst einmal erfüllen, bevor sie dann die Wünsche, die Sie hier vorgetragen haben, abarbeiten kann. Ich denke, wir sollten ihr Respekt dafür zollen, dass sie diese Arbeit aufnimmt, statt die neuen Wunschvorschläge vorzustellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau von Schorlemer und wir werden die finanziellen Herausforderungen der jetzigen Kulturpolitik meistern. Das gelingt, weil wir einen klaren kulturpolitischen Kompass haben, der von Pluralität und Zentralität geprägt ist, denen die Einrichtungen mit herausgehobener landespolitischer Bedeutung genauso wichtig sind wie die vielen wunderbaren Kleinmuseen, regionalen Theater und Kulturvereine in der Fläche.

Wir haben und wir brauchen Spitzen- genauso wie Breitenkultur. Unser Anliegen, die Vermittlung von Kunst und Kultur an die junge Generation zum zentralen Aufgabenbereich der öffentlich geförderten Einrichtungen zu machen, werden wir weiter angehen, ein wichtiges Thema, das sich übrigens in den von Ihnen formulierten Grundsätzen im Antrag nicht widerspiegelt. Überhaupt scheinen diese Grundsätze sehr schnell formuliert worden zu sein. So ist der Satz: „Kunst und Kultur sind Räume der Freiheit, der Kreativität und des Experiments“ sicher richtig. Nur leider gilt er nicht überall für SPD und Linke, wie gerade die unqualifizierte Debatte in Dresden über die Kultureinrichtung Festspielhalle Hellerau zeigt. Hier wird gerade von der SPD und den Linken die Auflösung des Vertrages mit dem dort engagierten Wilhelm Forsythe gefordert.

(Zuruf von der SPD)

Ja, das ist auch ein Landesvertrag, Herr Kollege. Das ist mir schon durchaus bewusst, aber wenn Sie eine Frage haben, stellen Sie doch bitte eine Zwischenfrage. Das ist auch gut für das Klima hier.

(Beifall bei der CDU)

Er ist einer der renommiertesten Choreografen für zeitgenössischen Tanz. Er erhielt unter anderem 2008 für die beste Choreografie den deutschen Theaterpreis „Faust“ für ein übrigens in Hellerau gezeigtes Stück. Ich will nicht falsch verstanden werden: Es ist durchaus legitim, auch in Zeiten knapper Kassen über finanzielle Ausstattungen von Kultureinrichtungen zu sprechen, aber es ist nicht die Debatte über die Kultureinrichtungen zu führen, sondern mit ihnen und es ist auch nicht legitim, sie grundsätzlich infrage zu stellen. Es ist kein politischer Stil und es ist unschön, die Forderung nach Kreativität und Experiment in einen Antrag zu schreiben, aber diese nicht innerhalb der eigenen Partei durchsetzen zu können.