Protokoll der Sitzung vom 02.09.2010

Dennoch will ich ein paar Worte dazu sagen, weil ich glaube, dass einigen noch nicht ganz klar ist, welche Dimension mit dem vorliegenden Arbeitsentwurf – der, wie gesagt, hoffentlich nie als Gesetz das Licht der Welt erblicken wird – verbunden ist.

Zuallererst alarmiert wurde ich nicht aus Sachsen, sondern vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, dort insbesondere vom 1. Vorsitzenden des Vorstandes der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, Prof. Weiß. Die Landesdenkmalpfleger verfolgen als Erste sehr aufmerksam – natürlich auch vor dem Hintergrund unserer unsäglichen Diskussion über den Schutz des UNESCOWeltkulturerbes „Dresdner Elbtal“ –, was in Sachsen passiert. Sie waren vor allen Dingen deshalb entsetzt – ich will nicht wiederholen, was Herr Dr. Gerstenberg zu einigen Punkten schon gesagt hat –, weil sie gerade mit dem damals sehr modernen, fortschrittlichen Gesetz von 1993, das mit der Fachwelt gemeinsam erarbeitet wurde, eine bundesweite Ausstrahlung für den Denkmalschutz gesehen haben, den sie nunmehr aus dem Ursprungsland, nämlich aus Sachsen heraus, in Gefahr sehen.

Deshalb hat es ein Alarmsignal aus der Fachwelt – nicht nur aus der nationalen Fachwelt, sondern auch aus der internationalen Fachwelt – gegeben, nicht aus politischen Parteien und nicht zuallererst aus Sachsen. Das muss uns doch zum Nachdenken bringen. Herr Schneider, da kann ich nicht so darüber hinweggehen und sagen, Sachsen gilt als Vorbild. In diesem Fall würde es als negatives Vorbild gelten.

Ja, es ist eben in den letzten 20 Jahren viel an Denkmalschutzsubstanz gerettet worden und nicht nur gerettet worden, sondern auch, meine Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, unter dem Kriterium der Zumutbarkeit und der Wirtschaftlichkeit sowohl in die Privathand als auch in die unternehmerische oder Gewerbe treibende Hand überführt worden. Wenn Sie das Kriterium der Zumutbarkeit und der Wirtschaftlichkeit so ansetzen, wie Sie es immer wieder verstehen, dann dürfte man keine Kirchen und keine Klöster, wie zum Beispiel Sankt Marien, erhalten. Dann haben keine Parks und Friedhöfe Nutzen. Dann haben Museen, Theater und Fachwerkbauten, schon wegen der notwendigen Heiz- und Sanierungskosten, aber auch Schlösser und Burgen, die nicht vollständig wirtschaftlich genutzt werden können, mit Ausnahme des Dresdner Schlosses, weil das geschützt ist, keine Existenzberechtigung als Denkmäler. Das halte ich für eine zerstörerische Wirkung, die in diesem Arbeitsentwurf stand.

(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Das kommt ja nicht!)

Damit will ich auf einen zentralen Punkt, Herr Schneider, aufmerksam machen und darauf bitte ich Sie – Sie haben

ja mit Sachkompetenz gesprochen – zu achten: Es geht um die Zerschlagung des Substanzschutzes.

(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Das wollen wir beide nicht!)

Wenn diese vom Tisch ist, kann man sicherlich über das eine oder andere an bürokratischen Hindernissen sprechen. Aber der fehlende Substanzschutz ist im Prinzip das, was das Denkmal zur leeren Hülle macht, was letztlich dazu führt, dass es, wie einer der Experten gesagt hat, zu einer „Kulturrevolution“ im Denkmalschutz kommen würde. Dieser würde dann das Negativbild, das von Sachsen ausgeht, in die Bundesrepublik ausstrahlen.

Mein Appell deshalb – ich richte mich an beide Minister, weil ich nach wie vor noch der Meinung bin, dass Denkmalschutz eigentlich zur Kultur gehört –, dass es uns hier gelingt, weiterhin das, was uns 1993 gelungen ist und in der Verfassung steht, so weiterzuentwickeln, dass der Denkmalschutz in Sachsen tatsächlich Vorbild für Deutschland ist, aber im positiven Sinne und nicht in dem von mir beschriebenen gefährlichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. Für die FDP-Fraktion Herr Abg. Karabinski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, wir führen hier eine Phantomdebatte. Zu diesem Zeitpunkt ist die Debatte um den Denkmalschutz eine reine Phantomdebatte, denn – das ist bei den Vorrednern angeklungen – es geht hier lediglich um einen Arbeitsentwurf. Es ist noch nicht einmal ein Referentenentwurf, geschweige denn ein Gesetzentwurf. Es ist nur ein Arbeitsentwurf.

Frau Dr. Stange, Sie haben gesagt, man hat das Gesetz 1993 gemeinsam mit der Fachwelt erarbeitet. Das ist völlig richtig. 1993 hat man ein neues Gesetz erarbeitet. Heute geht es nur um dessen Novellierung. Wir erarbeiten kein neues Gesetz. Das ist ein Unterschied. Die Fachwelt wird natürlich einbezogen werden, aber doch nicht schon bei dem Arbeitsentwurf. Vermischen Sie doch nicht zwei Dinge. Wir sind fast 20 Jahre später. Das muss man auch bedenken.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es ist völlig richtig, CDU und FDP haben sich dazu bekannt, wir wollen ein mittlerweile 17 Jahre altes Gesetz novellieren und überarbeiten. Deswegen haben wir uns auch im Koalitionsvertrag darüber verständigt. Darüber kann man heute debattieren. Ob das, was im Koalitionsvertrag steht, richtig ist, darüber kann man reden, aber nicht über den Arbeitsentwurf.

Im Koalitionsvertrag steht: „Das Sächsische Denkmalschutzgesetz wird mit dem Ziel einer Harmonisierung mit tangierenden Rechtsgebieten, einer Vereinfachung des

Förderrechts und einer Erleichterung im Verfahrensablauf weiterentwickelt.“

Meine Damen und Herren! Ich sage es noch einmal: Harmonisierung, Erleichterung, Vereinfachung – das sind die Schlagworte. Ich weiß gar nicht, wie Sie dazu kommen, dass hier ein Abriss droht. Wir wollen es harmonisieren, erleichtern und vereinfachen. Weiter steht im Koalitionsvertrag: „Wir werden das Denkmalschutzgesetz mit dem Ziel der Deregulierung novellieren und die Verfahren im Denkmalschutz beschleunigen.“

Wenn man das zusammenfasst, ist es eine Stärkung der Denkmallandschaft, aber doch keine Abrissbirne.

(Beifall bei der FDP)

Noch kurz einige Details zum Vorhaben: Es ist natürlich völlig richtig, die Eigentümer mit einzubinden und sie zu beteiligen, statt über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden, wie es in der Vergangenheit der Fall war, denn die Denkmäler leben auch vom Engagement der Besitzer. Das ist in den letzten Jahren oftmals nicht der Fall gewesen. Wir müssen uns heute auch die Frage stellen: Wie gehen wir 20 Jahre nach der Wende mit ruinösen, aber denkmalgeschützten Gebäuden um?

Herr Karabinski, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Nein! – Wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen: Stimmt der Denkmalschutz überein und was passiert, wenn der Denkmalschutz übereinstimmt? Wir sehen das in vielen Städten in Sachsen. In Hunderten von Innenstädten gibt es heute noch ruinöse Gebäude, die deswegen ruinös sind, weil der Denkmalschutz eine einfache, sachgerechte Sanierung verhindert, weil die Auflagen viel zu hoch sind. Das führt an vielen Stellen zum Abriss oder auch zum Einsturz. Wir wissen, jeder Einsturz und jeder Abriss sind ein unwiederbringlicher Verlust. Wir müssen nach Alternativen suchen. Genau das wollen wir tun. Wir fragen: Wie kann man Abrisse und Einstürze vermeiden? An der einen oder anderen Stelle muss man vielleicht darauf verzichten, eine originalgetreue Sanierung zu machen. Vielleicht muss nicht an jeder Stelle ein Fenster sein, wie es 500 Jahre zuvor war. Das würde ich gern akzeptieren, wenn dadurch das Gebäude und das Ensemble an sich erhalten blieben. Dann verzichte ich auf eine originalgetreue Wiederherstellung.

Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist gleich abgelaufen. Deshalb will ich noch einmal sagen: Wichtig ist an dieser Stelle, was wir tun. Wir machen eine Novellierung. Wir wollen nicht den Denkmalschutz abschaffen, sondern wir setzen auf Harmonisierung, Vereinfachung und Erleichterung.

Meine Damen und Herren, die Abrissbirne droht noch lange nicht.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der NPD Herr Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Innenstadt von Meißen besucht, dem fallen vielerorts graue Schautafeln auf, die den Zustand der Gebäude im Jahre 1990 zeigen. Heute sind diese Gebäude mustergültig restauriert und stellen Schmuckstücke der städtischen Denkmalkultur dar.

In Meißen fällt aber gleichermaßen auf, dass ein Viertel der historischen Altbausubstanz unbewohnt ist und Stück für Stück verfällt. Diese verrottenden Gebäude befinden sich zwischen liebevoll restaurierten Häusern und trüben so den Gesamteindruck der Meißner Altstadt. Deshalb sind nach Auffassung der NPD-Fraktion nicht weniger, sondern mehr denkmalpflegerische Anstrengungen notwendig, um die historisch wertvolle Altbausubstanz der Innenstädte zu erhalten.

Wenn nun aber der Denkmalschutz geschleift wird, wie es die schneidigen Sparkommissare von CDU und FDP planen, werden die großartigen Leistungen der letzten 20 Jahre bei der Kernsanierung der sächsischen Altstädte zunichte gemacht.

Die friedliche Volkserhebung vor 20 Jahren hat zwar vielen Sachsen nicht das gebracht, was sie sich erhofft hatten, aber für die Altbausubstanz war sie die Rettung in letzter Stunde. Hätte die Vernachlässigung durch rote Mangelwirtschaft und Geschichtsvergessenheit noch einige Jahre angedauert, wären große bauhistorische Werte in Sachsen unwiderruflich verloren gewesen.

Umso befremdlicher ist die geplante Novellierung des Denkmalschutzgesetzes von 1993, die den Denkmalschutz de facto zu einem Nebenplatz der Finanzpolitik degradieren würde und nichts anderes als ein Angriff auf die kulturhistorische Identität der Sachsen wäre. Wie zu DDR-Zeiten soll mit dem neuen Gesetz eine Klassifizierung von Denkmälern vorgenommen werden. Es soll die Kategorie „Denkmale von herausragender Bedeutung“ geben, wozu zum Beispiel der Dresdner Zwinger oder der Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau gehören würden.

Für 80 bis 90 % der Denkmale in Sachsen würde der staatliche Schutz aber massiv eingeschränkt werden und damit einer groß angelegten Denkmalvernichtung Vorschub geleistet werden. Darin liegt eine unvermutete Ironie, denn 20 Jahre nach der Wende würden ausgerechnet CDU und FDP den staatlich nicht nur geduldeten, sondern verordneten Denkmalverfall der DDR wiederbeleben und damit indirekt das Zerstörungswerk der Kommunisten fortsetzen. Hier zeigt sich, dass sich Kommunisten und Neoliberale in der Verachtung des kulturellen Erbes und des heimatbezogenen Gemeinschaftsgefühls treffen. Auch verbindet beide die Reduzierung des Lebens auf wirtschaftliche Aspekte und finanzielle Kategorien.

In der DDR war es die finanziell-ökonomische Unfähigkeit, die Denkmallandschaft zu hegen und zu pflegen. In der BRD ist es das Bemühen wirtschaftsnaher Politiker, Bauherren den roten Teppich auszurollen und die privat

wirtschaftliche Verfügungsgewalt über das denkmalschützerische Gemeinwohl zu stellen. Wird diese vom Rotstift beherrschte Staatsregierung in ihrem Reformeifer nicht gebremst und setzt sie tatsächlich die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes durch, werden demnächst 80 bis 90 % der Denkmäler in Sachsen aus der besonderen Fürsorgepflicht des Staates herausfallen.

Nach NPD-Auffassung darf es aber keine denkmalpflegerische Zweiklassenpolitik geben, die zum Beispiel mittelalterliche Kellergewölbe, Brunnenanlagen oder andere Bodendenkmäler preisgibt, während einige Spitzendenkmäler für einen kommerziellen Eventcharakter herausgeputzt werden. Es kann nicht sein, dass kommunalpolitische Denkmal-Laien nach haushaltspolitischen Kriterien über den Erhalt oder den Abriss einzelner Häuser oder gesamter Straßenzüge entscheiden, ohne von einer übergeordneten Landesbehörde kontrolliert zu werden.

Es darf nach unserer Auffassung auch nicht sein, dass Privatleuten das Recht eingeräumt wird, sich wirtschaftlich unrentabler Altbausubstanz einfach mithilfe des Abrissbaggers zu entledigen. Es geht auch nicht an, dass sich nun noch im Denkmalbereich eine Art Leuchtturmpolitik mit einigen „Premiumobjekten“, wie Schlössern, Burgen und Kirchen, herausbildet, während andere zumeist im Privatbesitz befindliche Denkmäler ohne jede staatliche Förderung auskommen müssen und damit mittelfristig verschwinden werden.

Dieser denkmalpolitische Kahlschlag mit Ansage wird das historische Gesicht Sachsens nicht nur verändern, sondern entstellen. Wenn die Damen und Herren der Staatsregierung schon alles einer profanen Kosten-Nutzen-Rechnung unterwerfen müssen, sollten sie wenigstens bedenken, welcher massive Schaden für den sächsischen Tourismus entstehen würde, wenn ihre Pläne umgesetzt würden, die letztendlich zu einer Versteppung und Verödung der Denkmallandschaft in Sachsen führen würden.

(Benjamin Karabinski, FDP: So ein Quatsch!)

Wenn die Touristenzahlen erst einmal infolge der absehbaren Denkmalarmut sinken, wäre mit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes –

Bitte zum Schluss kommen.

– noch nicht einmal finanziell etwas gewonnen. Lassen Sie wenigstens das tourismuspolitische Argument auf sich wirken, wenn Sie anderen Argumenten zum Thema Denkmalschutz schon nicht zugänglich sind.

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Wir kommen zur zweiten Runde. Gibt es noch Redebedarf? – Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Prof. Schneider, es ist eine alte politische Erfahrung. Politische Themen werden nicht erst dann relevant, wenn sie als Antrag oder als Gesetzentwurf in den Sächsischen Landtag kommen. Das Thema Denkmalschutz und Denkmalpflege ist relevant, es kocht. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, meine Erfahrung mit der Gesetzgebung sagt mir: Wehret den Anfängen!

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Beifall bei der Linksfraktion)

Am Anfang muss man eingreifen. Wenn der Gesetzentwurf im Landtag ist, gibt es nur noch minimale Änderungen. Deshalb halte ich diese Debatte für so wichtig und nicht zur Unzeit kommend.