Protokoll der Sitzung vom 02.09.2010

Herr Lichdi, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Clemen, Sie können jetzt Ihre Zwischenfrage stellen.

Es handelt sich um keine Zwischenfrage, sondern um eine Richtigstellung. Ich bin Präsident der Deutschen Äschengesellschaft, und dieser Fisch ist zu 80 % durch den Kormoranüberbestand ausgerottet worden. Herr Lichdi, können Sie das vielleicht noch einmal nachlesen?

Herr Clemen, Sie müssen eine Frage stellen.

Meine Frage ist, ob Herr Lichdi bereit ist, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr geehrter Herr Kollege Clemen, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie der Präsident irgendeines Verbandes – was für eines Verbandes? –, des Äschenverbandes sind.

(Zuruf von der CDU: Das ist nicht der Baum, Herr Lichdi!)

Ich weiß, die Äsche, die Herr Clemen meint, schreibt sich mit Ae und die Esche, die Sie vielleicht meinen, mit E.

Aber vielleicht sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass nach Aussagen des NABU – ich gebe gerne zu, dass ich diesem eher glaube als dem Vertreter eines Interessenverbandes, als der Sie sich gerade geoutet haben – die Auffressrate durch den Kormoran gerade bei Äschen vernachlässigbar ist. So jedenfalls meine Information.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Ich denke, dass ich dieser eher glauben kann als der Information eines Lobbyvertreters.

Meine Damen und Herren! Diese allgemeine Heiterkeit, die auch schon andere Redebeiträge begleitet hat, zeigt nur, dass wir wieder vor einem interfraktionellen Bündnis sämtlicher Angler in allen Fraktionen stehen, die hier selbstverständlich die Klientelpolitik à la FDP und Robert Clemen gerne unterstützen.

Worum geht es? Betreiber von Teichwirtschaften können Kormorane, so heißt es in der Verordnung, „zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden“ sowie

zum Schutz der heimischen Tierwelt, wie es heißt, „in einem Umkreis von 200 Metern vom Teich“ töten.

(Beifall der Abg. Dr. Martin Gillo und Marko Schiemann, CDU)

Ausgenommen sollen zwar Brut- und Schlafplätze sowie der Nationalpark Sächsische Schweiz werden, aber eben nicht Vogelschutz-, Naturschutz- und FFH-Gebiete. Es handelt sich also um nicht weniger als um ein Sonderrecht zugunsten der Angler, das hier auch noch heftig beklatscht wird. Ich frage mich, wie die ohnehin schwach besetzten Naturschutzbehörden – und die, wie wir wissen, nach Ihrer famosen sogenannten Verwaltungsreform noch schwächer besetzten Naturschutzbehörden – das denn kontrollieren wollen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Kormorane noch vor einigen Jahrzehnten sehr stark dezimiert waren und sich die Bestände erst in den letzten 20 Jahren erholt haben. Kormorane sind nach der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und der Artenschutzverordnung geschützt. Sie unterliegen nicht dem Jagdrecht, sondern dem Naturschutzrecht, und dies wäre eigentlich auch bei der Anwendung der Kormoranverordnung zu beachten. Aber Sie wollen das ja unterlaufen. Sie unterlaufen es mit dieser Kormoranverordnung und Sie unterlaufen es auch mit dem Management der Kontrolle, des Monitorings und des Einsatzes der Naturschutzbehörden.

Nein, meine Damen und Herren, es geht hier eindeutig um die kaum kaschierte Freigabe des Abschusses und um ein einkalkuliertes Vollzugsdefizit, das dabei helfen soll. Ich frage mich – ich weiß nicht, ob mir der Staatsminister diese Frage beantworten kann; ich glaube, Sie sind jetzt gerade eingesprungen –, wann denn ein erheblicher teichwirtschaftlicher Schaden nach der Verordnung vorliegen soll. Sie nehmen damit die bundesrechtliche Regelung auf, aber mir ist nicht bekannt geworden, dass dies überhaupt geprüft wird.

Wann denn sind Abschüsse zum Schutz der heimischen Tierwelt notwendig, wie insbesondere Herr Kollege von Breitenbuch immer wieder betont hat? Nach meiner Kenntnis sind die Eingriffe bzw. die Fraßraten durch den Kormoran gerade bei Tieren der heimischen Tierwelt absolut vernachlässigbar. Leider gibt die Stellungnahme der Staatsregierung keine Auskunft dazu, wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff in Sachsen ausgelegt und gehandhabt wird.

Wie hat sich denn nun die Lizenz zum Kormoranabschuss auf die Population ausgewirkt? – Die Anzahl der Individuen ist absolut von gut 20 000 im Jahr 2007 in nur zwei Jahren auf 13 000 zurückgegangen. Meine Damen und Herren, dies ist die höchste Veränderung seit 20 Jahren. Es geht seit 20 Jahren immer etwas nach oben und nach unten, aber eine solche steile Abnahme hatten wir noch nie.

Mit der Einführung der Kormoranverordnung 2007 verdoppelten sich die Abschusszahlen. Ja, sie stiegen im Jahr 2009 auf sage und schreibe 2 500 Abschüsse. Nimmt

man die Populationszahl im Jahr 2009 von 13 000 hinzu, so wird deutlich, dass im letzten Jahr 17 % der gesamten Population abgeschossen wurden.

Deswegen, meine Damen und Herren von der Linken, kann ich den Satz in der Begründung Ihres Änderungsantrages nicht nachvollziehen, dass hier die Populationszahlen nur allmählich hin- und herschwanken würden. Diesen Satz haben Sie einfach aus dem Text der Staatsregierung übernommen. Nein, wir haben seit Geltung der Kormoranverordnung 2007 einen massiven Rückgang der Population.

Wenn jetzt diese Verordnung entfristet wird, dann wird dieses Kormoranmassaker weitergehen

(Widerspruch bei der CDU und der FDP – Robert Clemen, CDU: Da tropft ja Blut aus Ihrer Rede!)

und in wenigen Jahren könnten wir uns dann wieder vor das Problem gestellt sehen, einen Zusammenbruch der Kormoranpopulation verhindern zu müssen.

Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht zeigt die Anwendung der Kormoranverordnung, dass die Abschüsse zunehmen und bald bestandsgefährdend werden würden. Wenn die Verordnung jetzt entfristet wird, dann dürfte sich diese verhängnisvolle Entwicklung beschleunigen. Daher wird die Fraktion GRÜNE diesen Antrag ablehnen.

Herr Kollege von Breitenbuch hat immer sehr stark auf den Biotopschutz und auf den Schutz der heimischen Tierwelt abgestellt. Ich hatte es schon angesprochen. Ich glaube, da greifen Sie wirklich viel zu kurz. Die heimische Fischwelt oder die Biotope sind dadurch gefährdet, dass wir noch viel zu wenig naturnahe Gewässer haben, dass die Flüsse nicht barrierefrei sind. Dann hätten wir nämlich einen Fischbestand, der sich natürlich entwickeln könnte, und dann würden sich auch die Kormoranbestände dorthin bewegen.

Darum geht es doch gar nicht. Selbstverständlich gefährdet der Kormoran nicht die heimische Fischwelt, sondern er gefährdet die Intensivteichwirtschaft. Darum geht es. Die Intensivteichwirtschaft ist mit eine der naturfernsten Landwirtschaftsmethoden, die es gibt. Diese Intensivfischteiche, die Sie schützen wollen – ich weiß nicht, ob Sie selbst einen haben; wahrscheinlich –, sind mit der üblichen Agrarsteppe in der Agrarlandschaft zu vergleichen, in der im Grunde auch nichts mehr wächst außer dem, was der Landwirt gerade wachsen lassen will.

Nein, meine Damen und Herren, das ist unausgewogen. Ihr Antrag zeigt, dass Sie ein falsches Naturverständnis haben, dass Sie nicht bereit sind, Geschöpfen – Mitgeschöpfen, sage ich jetzt einmal in Ihrer Diktion, die Ihnen eigentlich geläufig sein sollte – ihr Lebensrecht anzuerkennen, sondern dass Sie sie nur als Schädlinge ihrer überbordenden Nutzungsinteressen verstehen. Deswegen können wir Ihrem Antrag nicht folgen.

Herr Präsident! Ich spreche gleich noch zum Antrag der Linksfraktion.

Sie wollen § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ändern. Diesen kann ich in der Kormoranverordnung nicht finden. Sie meinen wahrscheinlich die Nr. 2. Vielleicht stellen Sie das bei dem Änderungsantrag noch einmal klar.

Zum Zweiten habe ich schon angesprochen, dass wir mitnichten von einer Stabilisierung der Population ausgehen können. Vielmehr müssen wir vom Gegenteil ausgehen, Frau Kagelmann.

Ansonsten sind die Punkte, die Sie aufgeschrieben haben – Einbeziehung der Naturschutzvereine, Monitoring, Managementkonzept – okay. Deswegen werden wir Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat keinen Redebedarf. Damit haben wir die erste Runde beendet. Ich frage: Möchte jemand in der zweiten Runde sprechen? – Herr von Breitenbuch.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Änderungsantrag der Linken. Frau Kagelmann hatte ihn vorgestellt und ich wollte jetzt etwas dazu sagen.

Wir wollen ganz klar entfristen, und was Sie wollen, noch einmal drei Jahre Probe, halten wir für nicht zeitgemäß. Wir flankieren die Entfristung mit einem Monitoring, halten damit Kontakt zur realen Entwicklung und denken, damit tun wir gut.

Ihre Alternative, die Sie ja nicht aufgezeigt haben, kann ich nicht erkennen. Wenn wir nicht die jetzigen Kormoranbestände an den Gewässern, die diese Gewässer überfordern – es handelt sich sowohl um Teiche wie auch um Fließgewässer –, reduzieren, bedeutet das: Es gibt eine Abwärtsspirale, es gibt keine Fische mehr in den Teichen, die Fischer können ihr Geschäft nicht mehr machen. Ich weiß nicht, ob Sie wollen, dass dann diese gesamten Gewässer nur noch biologisch, ökologisch, naturnah nicht bewirtschaftet werden, dass damit die Fische, die Nahrung des Kormorans sind, woanders gekauft und dort eingesetzt werden müssen, damit der Kormoran sie dann fressen kann.

Dieser Kreislauf ist kostenmäßig nicht zu rechtfertigen. Ich denke, genau der andere Weg ist das Ziel. Herr Lichdi, da sind wir sicher im Dissens: Ich denke, wir haben eine Kulturlandschaft in Sachsen, die Rücksicht nehmen kann auf den Kormoran. Aber dass wir dem Kormoran alle Türen öffnen und ihn damit durchmarschieren lassen auf Kosten aller anderen darum lebenden Arten – Pflanzen- und Tierarten –, davon halte ich überhaupt nichts, und das ist auch nicht unser Verständnis von Schöpfung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieses staatliche Geld ist dann – denn dann wird es irgendwann im staatlichen Säckel, in den staatlichen Kosten, in staatlicher Anstrengung landen – nicht im Sinne der Sache. Wenn die Kulturlandschaft den Kormo

ran verträgt – und wir versuchen das ja gerade mit der Kormoranverordnung wieder ins Gleichgewicht zu bringen –, ist allen kostengünstig wie auch für das Gesamtbiotop am meisten geholfen.

Dass Sie, Frau Kagelmann, in Ihrem Punkt 2 die Ausübungsberechtigten des Fischereirechtes gerade ausnehmen, sprich, die freilaufenden Fließgewässer nicht mehr hier drin haben wollen, zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, dass der Kormoran auch in den Fließgewässern Schaden anrichtet. Auch wenn Sie sagen, dass, wenn der Kormoran den herrenlosen Fisch frisst, keine Kosten entstehen, ist das natürlich eine Milchmädchenrechnung. Letztendlich wollen wir den Fischbestand auch in den Fließgewässern. Es werden große Anstrengungen unternommen, über Fischtreppen die gesamten Fließgewässer bis zum Erzgebirgskamm für jeden Fisch erreichbar zu machen. Genau das konterkarieren wir dann, indem wir dem Kormoran da freie Bahn lassen und ausgerechnet dort eine Vergrämung nicht zulassen wollen. Ich halte davon nichts und kann darin auch keine Sinnhaftigkeit erkennen.

Dass natürlich ein wissenschaftlich fundiertes Monitoring erfolgen muss, ist uns allen klar. An diesem Niveau sollten wir nicht rütteln. Wenn Sie Zweifel haben, werden wir sehen, wenn der Bericht vom Jahr 2009 da ist, ob diese berechtigt sind.

Herr Lichdi, ich habe hier eine Untersuchung aus dem Jahr 2007, die aussagt, dass Fische in Fließgewässern gefährdet sind. Ich werde sie Ihnen demnächst zukommen lassen, damit wir unseren interessanten Wissensaustausch fortsetzen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr von Breitenbuch.