Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Sie saß noch nicht einmal auf der Toilette, als verhandelt wurde.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Nein, meine Damen und Herren, sehen wir uns das doch einmal genau an. Dieses Atomkonzept, der Streit innerhalb der Fossilindustrie, zwischen der Atomindustrie und

der Kohleindustrie, ist entschieden, und zwar zugunsten der Atomindustrie. Die Braunkohle und die Steinkohle haben wirtschaftlich keine Chancen mehr. Das ist das Ergebnis dieses Konzepts. Sie müssen einfach nur die Meldungen lesen.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Haben Sie wahrgenommen, was Vattenfall macht, was Vattenfall plant, was in Schweden die politische Debatte ist? Vattenfall zieht sich aus Europa zurück. Sie sagen noch: Wir haben ja noch die Atomkraftwerke. Ja, in Norddeutschland. Die werden sie nach dem Atomkonzept weiter betreiben. Ich prophezeie Ihnen, spätestens ab dem Jahr 2013, wenn der EU-weite Emissionshandel greift, wird Vattenfall die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke abschalten, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen, weil es sich nicht mehr rechnet.

(Torsten Herbst, FDP: Sie wollen das doch!)

Dann stehen Sie nackt da und Ihre Rede vom Energieland Sachsen können Sie sich irgendwohin stecken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nein, meine Damen und Herren! Jetzt geht es darum, – –

Herr Lichdi, bei aller Härte in der Sache, achten Sie auf Ihre Wortwahl.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der NPD – Unruhe)

Vielen Dank Herr Präsident! Ich gehe jetzt aber davon aus, dass Ihre Ermahnung nicht auf meine Redezeit geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Lichdi, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, weil Sie mich hier korrigieren.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der NPD – Zuruf von den GRÜNEN: Das ist ja lächerlich hier!)

Herr Präsident! Ihre Debatte hat mich jetzt eine Minute gekostet. Ich gehe davon aus, dass ich diese Minute noch habe.

(Alexander Krauß, CDU: Er kann ja noch mal reden!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den letzten Punkt kommen – die Braunkohlen-Debatte. Was ist denn jetzt hier genau passiert? Die süddeutschen Länder, in denen Atomkraftwerke stehen – Bayern, Baden-Württemberg und Hessen –, haben sich industriepolitisch einen massiven Vorteil für die nächsten 20 Jahre gesichert. Das, was Sie hätten tun sollen, nämlich hier für die ostdeutsche, die sächsische Fotovoltaik- und Windindustrie zu kämpfen, das haben Sie nicht getan! Das heißt, was hier passiert, ist ein massiver industriepolitischer Nachteil des Ostens. Hier sollten Sie Ihre Stimme erheben

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

und nicht so tun, als ob Sie für die Braunkohle irgendetwas erreicht hätten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE sprach der Abg. Lichdi. – Für die NPD-Fraktion spricht der Abg. Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Jede Seite ist die falsche“ – dieser Buchtitel des „Focus“-Redakteurs Michael Klonovsky lässt sich auch hervorragend auf die laufende energiepolitische Debatte beziehen.

Die eine Seite, das ist die schwarz-gelbe AKW-Laufzeitverlängerung, die am Dienstag beschlossen wurde. Dieses Szenario ist für den Freistaat Sachsen unzweifelhaft schädlich, denn der Freistaat gehört zu den führenden Ländern auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Daraus folgt, dass unsere Unternehmen, die im Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten, noch nicht mit hoch subventioniertem Atomstrom konkurrieren können. Deshalb blockiert die AKW-Laufzeitverlängerung diese Branchen in ihrer Entwicklung.

Die andere Seite, das ist die neue Anti-AKW-APO, deren Haupteigenschaft die Verlogenheit ist. Es war nun einmal der grüne Umweltminister Jürgen Trittin in einer rotgrünen Bundesregierung, der den völlig verpfuschten Atomkompromiss des Jahres 2000 ausgehandelt hat, in dem kein gesetzlich festgelegter Abschalttermin festgeschrieben war, sondern nur windelweiche Regelungen über sogenannte Reststrommengen, die sogar noch zwischen den einzelnen Atommeilern hin- und hergeschoben werden können.

Kein Wunder, dass sich damals Initiativen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland oder auch die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg vollkommen entsetzt über diesen sogenannten Atomkompromiss zeigen und diesen zu Recht als Bestandsgarantie für die laufenden Atomkraftwerke bezeichnet haben. Gerade vor dem Hintergrund einer sich immer aggressiver gebärdenden neuen Anti-AKW-Bewegung muss daran erinnert werden, dass unter dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin rot-grüne Castoren durch Deutschland geprügelt wurden.

Sachsen braucht zwar eine sichere und saubere Energiepolitik, aber weder den schwarz-gelben Atomlobbyismus noch die rot-grüne Industrie- und Innovationsfeindlichkeit, die am Ende immer nur dazu führt, dass Deutschland Atomstrom aus irgendwelchen nuklearen Schrottbuden aus Osteuropa oder Frankreich importieren muss.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Schrottbuden?!)

Die Schrottbuden stehen vor allem in Frankreich und Osteuropa. Dort kaufen wir Atomstrom hinzu. Das ist nicht mehr rational begründbar.

Sachsen braucht eine dezentrale und regionale Energieerzeugungsstruktur, wie sie von der NPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf aus der 4. Legislaturperiode gefordert wurde. In diesem Gesetzentwurf wollte die NPD-Fraktion die Energieversorgung zur kommunalen Pflichtaufgabe machen und die Kommunen auch mit den dafür notwendigen Mitteln ausstatten. Damit hatte die NPD-Fraktion nachträglich das eingefordert, was auch die DDRBürgerrechtler der letzten DDR-Volkskammer des Jahres 1990 wollten: nämlich eine Übergabe der damals 17 Energiekombinate an die einzelnen Stadtwerke, also eine konsequente Kommunalisierung. Um dieses Ziel heute zu erreichen, muss endlich die gigantische Subventionswelle, die derzeit noch auf den Mühlen des Atomkartells fließt und es diesen beispielsweise erlaubt, steuermindernde Rückstellungen in gigantischer dreistelliger Millionenhöhe für sich zu verbuchen, abgestellt werden. Stattdessen müssen die Gewinne des Atomkartells stärker abgeschöpft und in den Dienst der von der NPD geforderten Kommunalisierung der Energiepolitik gesteckt werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war der Abg. Schimmer für die NPDFraktion. Wir treten jetzt, da ich noch keinen Redebedarf bei der Staatsregierung sehe, in eine weitere Runde ein. Die einbringenden Fraktionen beginnen erneut. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Abg. Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lichdi, die Schauvorführung, die Sie eben mit Ihrem Redebeitrag gebracht haben, überbietet alle Heuchelei. Sie wären doch gerade derjenige, der fröhliche Urständ hier in diesem Raum feiern würde, wenn die Kohlekraftwerke frühzeitig abgeschaltet worden wären.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich darf an den Redebeitrag von Herrn Jurk erinnern. Ich unterstütze sehr, dass Sie sich für die Braunkohle einsetzen. Gerade die rot-grüne Regierung hat doch den Atomausstieg beschlossen.

(Lachen und Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Was haben wir letztendlich in Europa für einen Erfolg? Rings um Deutschland herum werden Atomkraftwerke gebaut, die die Grundlast für die Industrie und für den Privatbereich sichern. Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich darf noch einmal eines sagen: Ich bin sehr froh, dass sich nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch der

Wirtschaftsminister gerade für die Verwendung der Braunkohle für die Grundlastsicherung einsetzen. Die Braunkohle ist für uns genauso Brückentechnologie

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

wie die Atomkraftenergie. Das, meine Damen und Herren, müssen wir uns doch einmal deutlich vor Augen führen. Wir wollen keine Verteuerung des Stromes. Sie haben unter Rot-Grün bestens bewiesen, wie teuer es geworden ist für das Transportwesen

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und für energieintensive Industriezweige.

Ich kann Ihnen genug aus meiner Heimatstadt Plauen berichten, in der sehr viele Industriebetriebe – und hauptsächlich in der Textilindustrie – genau diese Dinge bezahlen müssen, die Sie verteuert haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

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