Wir haben uns auf einen tragfähigen Kompromiss geeinigt. Dieser liegt Ihnen heute zur Beschlussfassung vor. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, auf die aus unserer Sicht grundsätzlichen Dinge einzugehen.
Erstens. Wir wollen die regelmäßigen Öffnungszeiten an Werktagen in der bisherigen Form von 06:00 bis 22:00 Uhr belassen, obwohl auch eine Öffnung von 00:00 bis 24:00 Uhr denkbar gewesen wäre. Aber die Anhörung hat gezeigt, dass selbst die Vertreter der IHKs und der Handwerkskammern das nicht wünschen.
Mit der Öffnungsmöglichkeit für Bäcker ab 05:00 Uhr schließen wir aus, dass regelmäßig Ausnahmeanträge und deren Genehmigungen notwendig sind. Dies trägt zum Bürokratieabbau bei.
Wir hätten uns durchaus vor dem Hintergrund der tatsächlichen Entwicklung der Öffnungszeiten nicht nur in Sachsen eine völlige Freigabe vorstellen können, was auch den bürokratischen Aufwand im Zusammenhang mit den Eventshoppingmöglichkeiten vermieden hätte.
Zweitens. Die Möglichkeit der Sonntagsöffnung für ganze Stadtgebiete oder die Stadt selbst bleibt auf jährlich vier Sonntage beschränkt. Dies sehen wir auch mit Blick auf die Struktur unserer Städte und Gemeinden als ausreichend an. Auch die Öffnung selbst in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr ist zeitlich sinnvoll begrenzt.
Die Freigabe dieser Öffnungszeiten erfolgt durch Rechtsverordnung der jeweiligen Gemeinde. Damit stellen wir weiterhin sicher, dass die Entscheidung darüber dem höchsten kommunalpolitischen Gremium, dem Gemeinde- oder Stadtrat, vorbehalten bleibt. Allerdings haben wir aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Ladenöffnungsgesetz für Berlin und in der Anhörung zum Gesetzentwurf im Sächsischen Landtag die notwendigen und richtigen Schlüsse für die konkrete Ausgestaltung der Sonntagsöffnung gezogen und die Frage der Reihung und Rhythmisierung beachtet.
Werden also zwei aufeinander folgende Sonntage für eine Öffnung von Verkaufsstellen freigegeben, so sind diese an den beiden vorausgehenden und nachfolgenden Sonntagen geschlossen zu halten. Dies hat gegenüber dem bisherigen Gesetz und dem Gesetzentwurf eine neue Qualität und schützt aus unserer Sicht Kommunen sowie Händler ausdrücklich vor Rechtsunsicherheiten und Klagen, und man wird sich auch noch einmal die Entscheidung und die Begründung des OVG anschauen müssen. Hierin sehen wir auch in Übereinstimmung mit den Sozialpartnern und besonders der sächsischen Landeskirche sowie der katholischen Kirche volle Übereinstimmung.
Drittens. Die Schaffung weiterer Möglichkeiten der Sonntagsöffnung, wie sie im Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgeschlagen wurden, haben wir von Anfang an kritisch gesehen. Das dürfte ein offenes Geheimnis sein.
Mit der nun vorliegenden Regelung, wie sie auf Empfehlung der Koalition durch den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr dem Landtag zur Beschlussfassung empfohlen wurde, legen wir eine für Sachsen tragfähige Lösung vor.
Beschränkt auf einzelne Gebiete unter der Maßgabe einer deutlichen und stringenten Gebietsdefinition ist dies möglich. Die Rechtsverordnung einer Gemeinde muss so gestaltet werden, meine Damen und Herren, dass zu einem besonderen örtlichen Ereignis oder einem traditionellen Fest die von dieser Veranstaltung unmittelbar betroffenen Einzelhandelsgeschäfte einmalig im Jahr zwischen 12 und 18 Uhr öffnen dürfen. Diese räumlich eingeschränkte Möglichkeit kann die Gemeinde an bis zu acht Sonntagen im Jahr für Veranstaltungen – und damit eindeutig zuordenbaren Gebieten – zulassen.
Damit ist der Sonntagsschutz gesichert und den Gemeinden ist die Möglichkeit eröffnet, die betroffenen Händler in bedeutende örtliche Veranstaltungen einzubeziehen. Für größere Gemeinden ist dies sicherlich eine gute Möglichkeit, den verschiedenen städtischen und stadtteilbezogenen Interessen gerecht zu werden, ohne dass es, wie nach dem Gesetzentwurf zu befürchten, zu einer immensen Unterwanderung des Sonntagsschutzes kommt. Ich denke, unser Koalitionspartner wird zu den weiteren Änderungen im vorliegenden Gesetzentwurf sicher noch Stellung nehmen.
Der Gesetzentwurf stellt mit den Änderungen aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr eine sinnvolle und praxisnahe Fortsetzung der Regelungen zu den Ladenöffnungszeiten in Sachsen dar. Er ist, wie auch das bisherige Gesetz, ein Kompromiss von Koalitionspartnern und zeigt die teils abweichenden politischen Auffassungen. Das muss in einer Koalition auch sein, auch in einer konservativen. Er ist aber auch Ausdruck des Willens und der Bereitschaft, in der Sache nach tragfähigen Lösungen für unseren Freistaat zu suchen, und daher bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung Ihre Zustimmung zu erteilen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bisher gültige Ladenöffnungsgesetz ist zeitlich begrenzt –
aus gutem Grund; Sie wissen das: Man hat damals gesagt, man will die Wirkung des Ladenöffnungsgesetzes noch einmal überprüfen, und ich denke, das ist ein guter Anlass, dass man dies auch tut. Ich habe es bis jetzt vermisst. Außer Floskeln habe ich nichts gehört.
Wenn man es ernst nimmt und wenn ich die Debatte von 2006 noch einmal aufgreife, was damals alles versprochen worden ist, dann ist völlig klar: Die Umsätze sind nicht gestiegen. Da hat das Gesetz vor drei Jahren überhaupt nichts bewirkt. Die Verkaufszeiten wurden zeitlich verlagert. Dafür steigen in den Verkaufsstellen die Betriebskosten. Den Anstieg der Betriebskosten wälzen die Unternehmer auf die Beschäftigten ab. Wir haben mittlerweile mehr Minijobs im Handel, deren Zahl ungleich schneller steigt als die der Vollzeitarbeitsplätze. Das ist Realität.
Auch Service- und Beratungsqualität bezüglich der Waren werden für die Kundschaft schlechter, wenn kleine Fachgeschäfte in städtischen Zentren nicht mehr konkurrenzfähig sind. Diese werden dann durch die stärkeren Handelskonzerne weiter verdrängt. Ganz klar ist: Für mehr Umsatz braucht der Handel mehr Nachfrage und keine längeren Öffnungszeiten. Mehr Nachfrage gibt es aber nur, wenn die Löhne wieder steigen. Das weiß hier mittlerweile jeder.
Die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, die Freizeitangebote und die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht mit den immer wieder geforderten flexiblen Öffnungszeiten der Beschäftigten kompatibel. Immerhin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind 70 % der Beschäftigten im Einzelhandel Frauen, und Sie wissen es auch: Aufgrund der weiter bestehenden Ungleichheit bei der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung im Haushalt sind es insbesondere die Frauen, die versuchen, die zusätzlichen Belastungen, die aus den Arbeitsbedingungen resultieren, für ihre Familien abzufedern.
Nimmt man also das Gesetz von 2007 und den aufgegebenen Prüfauftrag ernst, dann kann man diesem Gesetzentwurf wirklich nicht zustimmen. Wir haben im Wirtschaftsausschuss einen umfangreichen Änderungsantrag vorgelegt, ähnlich wie die SPD. Darin haben wir uns, bis auf einige Punkte, nicht sehr stark unterschieden.
Aber es wurde doch sehr schnell klar, dass es bei dieser Beratung eher darum ging, dass die Mehrheitsfraktionen froh waren, dass ihr Feilschen endlich einen Abschluss gefunden hat und sie zu einem fraktionsinternen Kompromiss bei den Erfordernissen gekommen sind, bei dem sie denken, mit diesem Gesetz durch die nächsten Jahre zu kommen. Dazu kann ich Ihnen versprechen: Sie haben im Wirtschaftsausschuss so völlig blind unsere Änderungsanträge und die der SPD abgelehnt. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Darauf können Sie sich schon freuen. Das sage ich Ihnen auch als Landesbezirks
Meine Damen und Herren! Was sind die Hauptkritikpunkte an diesem Gesetz? Beginnen wir doch einmal mit dem Late-Night-Shopping, das Sie wieder möglich machen wollen. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung sind diese Sonderöffnungszeiten an besondere regionale Ereignisse oder gar an Versorgungsinteressen geknüpft. Das haben Sie völlig herausgenommen.
Darüber hinaus sollen die jeweiligen Tage nicht mehr von den Gemeinden im Wege der Rechtsverordnung festgelegt werden – hören Sie ruhig zu, Herr Günther! –, vielmehr sollen die Verkaufsstellen jetzt selbst bestimmen und den Gemeinden nur noch angezeigt werden. Die Gemeinde kann der Durchführung der Veranstaltung widersprechen. Da aber an die Regelung – das ist das erste große Problem – überhaupt keine Voraussetzungen im Gesetz gebunden sind – suchen Sie mal eine! –, warum die Zulässigkeit der Veranstaltung versagt werden soll, haben wiederum die Gemeinden überhaupt keine Rechtsgrundlage, in Widerspruch zu gehen. Das finde ich ja besonders lustig. Das heißt, man kann grundsätzlich von den fünf Tagen ausgehen. Die Gemeinde kann sich drehen und wenden, wie sie will. Am Ende hat sie nur die Gerichtskosten, sie wird auf jeden Fall verlieren, wenn nicht drin steht, was die Versagungsgründe sind.
Das bedeutet in der Praxis: Solche Öffnungen sind immer zulässig. Ich sage Ihnen: Wir haben den Antrag gestellt. Wir wollen auf dieses Eventshopping verzichten. Die Kommunen würden damit nicht nur in rechtliche Bedrängnis geraten, auch die Versorgungsnotlage, dass ein Versorgungsengpass eintritt oder bei dem sogenannten Event vielleicht das Nachtshopping mit einer Buchlesung verbunden wird, sehen wir nicht als dringend notwendig an, um so viel Rechtsunsicherheit für die Gemeinden hineinzubringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn Sie es nicht gern hören wollen: Wir haben ganz bewusst die Forderung der Beschäftigten des Einzelhandels und ihrer Gewerkschaften beantragt, nämlich dass die Öffnungszeiten der Verkaufsstellen montags bis sonnabends auf 6 bis 20 Uhr begrenzt werden. Ich verspreche Ihnen: Kein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz würde dadurch verloren gehen. Ganz im Gegenteil, die Arbeitsbedingungen für die jetzt Beschäftigten würden sich verbessern, auch die Arbeitszeiten und natürlich die Freizeit für die Familien.
Wir wollten außerdem – das ist der nächste Punkt – auch ein Problem entschärfen, das in den letzten Monaten immer in den Medien für negative Schlagzeilen gesorgt hat: Sie kennen sicher die Berichterstattung von Überfällen auf Einkaufsmärkte, und das insbesondere zur Abend
zeit, weil für den Dienst im gesamten Markt nur noch eine Person anwesend war, die aber dann für die Kasse, das Einräumen und für alles Weitere zuständig ist, und das verleitet geradezu zu Raubüberfällen, es provoziert sie direkt. Bei denen wird dann meistens nicht nur die Kasse geplündert, sondern auch die einzige Verkäuferin, die anwesend ist, in arge Bedrängnis und Not gebracht.
Wir wollen dem entgegenwirken und hatten den Antrag gestellt, dass Verkaufsstellen, in denen mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind, nach 18:00 Uhr nur geöffnet sein sollten, wenn mindestens zwei Verkäuferinnen anwesend sind.
Bedauerlicherweise haben Sie das ohne irgendeine Begründung abgelehnt, ohne inhaltlich darauf einzugehen, ohne das zu verinnerlichen, was in den letzten drei Jahren gelaufen ist.
Dann kommen Sie auch noch darauf, die bisherige Regelung, die sich als lebensfremd erwiesen hat, unangetastet zu lassen. Bleiben wir einmal bei der Bahnhofsöffnung. Dort steht darin, dass vor allem solche Geschäfte geöffnet haben sollen, die Waren anbieten und verkaufen, die nicht dem Begriff „Reisebedarf“ zuzuordnen sind. Diese dürfen öffnen, die anderen nicht.
Da aber auch die neue Regelung – das war schon ein Fehler in der vorherigen Regelung – auf den Verkauf und nicht auf das vorhandene Sortiment abstellt, ist eine Kontrolle nahezu ausgeschlossen. Stellen Sie sich das einmal für den Leipziger Hauptbahnhof vor. Wie wollen Sie das kontrollieren? Eine effektive Kontrolle würde bedeuten: Man müsste sich hinstellen und beobachten, was konkret im Laden gekauft wird und was unter den sogenannten Reisebedarf nach § 2 Abs. 4 fällt. Es ist völlig unpraktisch. Das kann im Übrigen auch keine Behörde leisten. Das funktioniert nicht.
Nun kann man das inhaltlich ablehnen. Aber was Sie im Ausschuss gemacht haben, nämlich praktisch gar nichts zu tun, obwohl man das doch überprüften wollte, ist für alle Beteiligten die schlechteste Lösung. Wer eine wirksame Aufsichtskontrolle der vorgegebenen Regelungen durchsetzen will – damit bin ich beim nächsten Punkt –, muss sich genau überlegen, wem er die Rechtsaufsicht überträgt und wo er sie anbindet. Hier genügt ein Blick zurück, um festzustellen, dass gerade die Kommunen der falscheste Ansprechpartner sind. Nicht selten haben die Kommunen ein eigenes Interesse, dass die Läden geöffnet haben. Insofern ist ihr Interesse bei der Durchsetzung einer effektiven Aufsicht meistens nicht gegeben.
Deshalb stand in unserem Antrag, es den Landesdirektionen zu übertragen. Auch das haben wir beantragt. Keine
Aber gerade in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 1. Dezember 2009 ist es dringend geboten, denn durch diese Entscheidung – sie wurde schon angesprochen – haben die Kirchen, die Beschäftigten und die Gewerkschaften mehr Rechte bei der Durchsetzung. Das ist das Problem bei der Sache. Herr Heidan hatte es vorhin angesprochen. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit deshalb nicht nur in Dresden, sondern auch anderswo eine zunehmende Zahl von gerichtlichen Verfahren geben. Wir hatten aus diesem Grund beantragt, dass die Landesdirektionen die Aufsicht und die Ordnungswidrigkeiten verfolgen. Das ist aus unserer Sicht die sachgerechtere Lösung.
Die bisher bestehende Regelung für die Beschäftigten zu den Arbeitszeiten – ganz im Sinne der FDP – hat man einfach herausgestrichen. Das finden wir falsch, denn es gibt überhaupt keinen Grund, dies herauszustreichen. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob den Ländern durch die Föderalismusreform die Kompetenz zugewachsen ist, die Arbeitszeit der Beschäftigten in Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen zu regeln.
Auch hierzu hat meine Fraktion gemeinsam mit der SPD dafür plädiert, diese Arbeitnehmerschutzregelung im Gesetz zu belassen. Es gab niemanden, der sich darüber beklagt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Herumbasteln an den Sonntagsöffnungszeiten durch die Koalition ist mir klar geworden, dass die Mehrheit in diesem Haus von jeder rechtlichen Kenntnis befreit ist, welche verfassungsrechtlichen Schranken vorhanden sind. Die geschützte Sonntagsruhe ist keine politische Verhandlungsmasse, und damit das gleich klar ist: Das gilt für mich in Berlin, in Brandenburg und anderswo, aber heute haben wir in Sachsen darüber zu entscheiden. Das will ich deutlich sagen.
Das Bundesverfassungsgericht sagt klar: Es kann Ausnahmen für Sonntage geben, es müssen aber Ausnahmen bleiben, und diese brauchen einen Sachgrund. Welcher Sachgrund ausreicht, hängt von der zeitlichen, der räumlichen und der inhaltlichen Ausweitung der Ausnahmen ab. Das heißt konkret: Wenn Sie sagen, für eine ganze Gemeinde wollen Sie eine Sonntagsausnahme haben, dann ist das ein viel größerer Sachgrund, als wenn Sie sagen, Sie wollen diese Ausnahme für ein Geschäft.
Und – um weiter beim Bundesverfassungsgericht zu bleiben – ein Sachgrund ist – das sagt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich – weder das wirtschaftliche Interesse des Handels noch das Einkaufsinteresse der Bürgerinnen und Bürger. Beides rechtfertigt keine Sonntagsöffnung.