Protokoll der Sitzung vom 04.11.2010

Die Fraktion DIE LINKE hat im Frühjahr diesen Anlass genutzt, einen Antrag zur Bedeutung und Perspektive der Musikschulen im Freistaat Sachsen in den Landtag einzubringen, um die Staatsregierung berichten zu lassen – wie jetzt auch die Kollegen von der CDU-Fraktion – und eine öffentliche Anhörung im Wissenschaftsausschuss durchzuführen.

Diese Anhörung fand am 27. September in diesem Haus statt, nachdem seitens der Regierungskoalition ein Antrag zu den Musikschulen, über den wir heute diskutieren, vorlag. Wer der Anhörung beigewohnt hat, weiß, dass alle Sachverständigen übereinstimmend die Forderungen des Städtetages zur Förderung der öffentlichen Musikschulen bestätigt haben und dessen Sorgen hinsichtlich der Entwicklung des Personals und der Finanzierung teilen. Wer die Leitlinien des Städtetages gelesen hat, wird sich

erinnern, dass diese auf Punkte hinweisen, die auch die 25 öffentlichen Musikschulen im Freistaat Sachsen betreffen.

Nun zum Antrag von CDU und FDP. Punkt 1 verlangt einen Bericht der Staatsregierung zum Beitrag der Musikschulen zur kulturellen Bildung in Sachsen bis zum 30. September. Frau Fiedler hat bereits erklärt, dass der Punkt entfällt.

Ich will trotzdem kurz darauf eingehen. Der Punkt ist aus unserer Sicht durch die Stellungnahme der Staatsregierung bereits erfüllt, wobei anzumerken ist, dass sich das SMWK aus unserer Sicht keine besondere Mühe beim Verfassen der Stellungnahme gegeben hat. Es hat Allgemeinplätze zum Besten gegeben, die nichts oder nur wenig über die Situation der einzelnen Musikschulen in den Landkreisen und in den Kulturräumen aussagen. Die oberflächliche Antwort ist dem Schaufenstercharakter des Punktes in diesem Antrag selbst geschuldet.

Genauso fragwürdig ist Punkt 2 des Antrages der Koalition. Hierin wird gefordert, die Richtlinie des SMWK zur Förderung entsprechend der Qualitätsrichtlinie des Verbandes Deutscher Musikschulen mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung anzupassen. Frau Fiedler ist bereits darauf eingegangen. Die aktuell in Sachsen gültige Richtlinie enthält aber bereits wesentliche Punkte der Qualitätsrichtlinie des Verbandes Deutscher Musikschulen, zum Beispiel die Verpflichtung zum Angebot von Ensemblefächern und die Beschäftigung musikalischer Fachkräfte. Ich kann Ihnen das gern vortragen, denn ich habe die Richtlinie dabei. Darin ist genau definiert, welche Abschlüsse die Musikpädagogen haben müssen. Letztendlich enthält die gegenwärtige Richtlinie auch den Punkt der überwiegend hauptamtlichen Beschäftigung von Musikpädagogen gegenüber Honorarkräften.

Dass sich die Situation in den 25 öffentlichen Musikschulen in Sachsen zum Teil aber auch für die Musikschulen und deren Leiter selbst unbefriedigend darstellt, ist jedoch nicht der Förderrichtlinie des SMWK geschuldet, sondern der finanziellen Situation. Das wurde in der Anhörung am 27. September von mehreren Sachverständigen ausführlich dargestellt, insbesondere von Nancy Gibbson von der Chemnitzer Musikschule.

Jetzt kommen wir auf den Punkt zu sprechen: Wenn die öffentlichen Zuschüsse seit Jahren gedeckelt sind, aber die Sach- und Personalkosten für Gehälter, Instrumente, Instrumentenbeschaffung und Betriebskosten steigen, dann bleibt den Musikschulen nur, ihr hauptamtliches Personal zugunsten der preiswerteren Honorarkräfte abzubauen. Diese Umkehrung in der personellen Ausstattung hat negative Folgen hinsichtlich der öffentlichen Aufgaben, die die Musikschulen zusätzlich über den reinen Instrumentalunterricht hinaus erbringen, zum Beispiel die Organisation von Konzerten der Schülerinnen und Schüler, das Ensemblespiel, die Teilnahme an Wettbewerben und die Betreuung der Kinder und Jugendlichen.

In Punkt 3 verlangen CDU und FDP, die Mitfinanzierung der Musikschulen aus Landesmitteln langfristig zu ge

währleisten. Das ist sehr nett von Ihnen, Frau Fiedler und Herr Tippelt, aber es ist nicht mehr als Kosmetik, wenn Sie nicht erklären, was Sie mit „angemessen“ meinen. Folgt man den Leitlinien des Städtetages für Musikschulen, erkennt man nämlich, dass die öffentlichen Musikschulen eine hinreichende institutionelle Förderung brauchen, um ihre Aufgaben und den Qualitätsrichtlinien, auf die sie auch hinwirken wollen, gerecht werden zu können.

Mit Ihrem Haushaltsentwurf, den Sie gerade angepriesen haben, haben Sie das Gegenteil bewiesen: indem Ihre eigene Regierung vorschlägt, die Zuschüsse für Musikschulen von 5 auf 3,5 Millionen Euro zu kürzen. Dass Sie sich eines Besseren besonnen haben, ist löblich und vermutlich auf die zahlreichen Proteste, auf die Anhörung hier im Landtag und auf Ihr Interesse an der vermuteten Wählerklientel zurückzuführen.

Aber ich sage, 4,8 Millionen Euro sind auch 200 000 Euro weniger, die die Musikschulen zunächst kompensieren müssen. Das führt letztendlich zu Beitragssteigerungen für die Eltern oder auch zum Einschnitt im Bereich der Angebote und der Musikschulstandorte.

Herr Tippelt – jetzt ist er leider weg – –

(Tino Günther, FDP: Nein, er ist da!)

Entschuldigung! – Es wundert mich schon sehr, wenn Sie sich noch rühmen, dass die Fraktionsspitzen von CDU und FDP dafür gesorgt haben, dass offensichtlich überhaupt noch Geld für die Musikschulen eingeplant wird.

(Nico Tippelt, FDP, steht am Mikrofon.)

Frau Klepsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich durfte vorhin auch nicht fragen.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN)

So, wie ich Sie verstanden habe, muss ich davon ausgehen, dass die Staatsregierung ursprünglich überhaupt keinen einzigen Euro mehr für die Musikschulen einstellen wollte. Wenn dem so ist, ist das ein Armutszeugnis für diese Regierung.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich komme zum Fazit. Insgesamt spricht wenig dafür, Ihrem Antrag zuzustimmen, auch wenn wir beste Bedingungen für die Musikschulen gewährleisten wollen. Punkt 1 Ihres Antrages hatte sich ja, wie bereits gesagt, erledigt. Dem Punkt 2 können wir nicht zustimmen, weil es keine von Ihnen benannte Notwendigkeit für eine Novellierung der Richtlinie gibt. Punkt 3 ist so allgemein, dass es unschädlich ist, dem zuzustimmen.

Ich beantrage deshalb punktweise Abstimmung. Meine Fraktion wird sich bei den Punkten 1 und 2 enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Tippelt, Sie wollen sicher von dem Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen?

Der Zuschuss des Freistaates für die Musikschulen in diesem Jahr beläuft sich eben nicht auf diese 5 Millionen Euro, sondern auf round about 4,6 Millionen Euro. Also sind die 4,8 Millionen Euro eine leichte Steigerung im Ansatz.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, geht zum Saalmikrofon.)

Frau Klepsch, Sie möchten sicher auf die Kurzintervention von Kollegen Tippelt antworten. Dazu haben Sie Gelegenheit.

Vielen Dank. – Selbstverständlich möchte ich darauf Bezug nehmen, was Herr Tippelt gesagt hat, um es noch einmal klarzustellen: Die 4,6 Millionen Euro sind das Ergebnis der Haushaltsbewirtschaftung in diesem Jahr. Veranschlagt waren nämlich 2010 5 Millionen Euro. Am Beispiel des Dresdner Schütz-Konservatoriums sind es 76 000 Euro, die diese Musikschule kompensieren musste, weil das Land dort Geld herausgezogen hat.

Insofern ist es unverschämt, hier zu behaupten, dass es da noch einen Aufwuchs gibt.

(Beifall bei den LINKEN)

Die nächste Rednerin in der allgemeinen Aussprache ist Frau Dr. Stange für die SPD-Fraktion.

(Interne Gespräche zwischen Sabine Friedel, SPD, und Nico Tippelt, FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Frau Friedel versucht immer noch, Herrn Tippelt das mathematische Wunder zu erklären; vielleicht schaffen Sie es noch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, ich habe am Anfang nicht ganz verstanden, warum Sie diesen Antrag überhaupt gestellt haben, und ich habe bis heute Morgen gedacht, Sie ziehen ihn zurück, weil Sie, Frau Fiedler und Herr Tippelt, in den mühseligen Nachverhandlungen Erfolg hatten.

Ich kann nur sagen, es ist ein wenig ein Schaulaufen, was Sie heute machen; denn dieser Antrag diente einzig und allein dazu, Ihnen die Möglichkeit zu geben, heute darzustellen, dass Sie das wieder repariert haben, was der Finanzminister einkassiert hatte.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich bin sehr dankbar dafür, dass das gelungen ist, und ich weiß, dass dieser Versuch des Finanzministeriums und einiger Kreise der CDU in den vergangenen Jahren schon

sehr hartnäckig gewesen ist, das vollständig zu kommunalisieren und letztlich vollkommen aus den Möglichkeiten eines Landeszuschusses herauszunehmen. Dennoch haben wir es mit Kürzungen zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Punkt hat sich bereits erledigt, denn wir hatten eine sehr ausführliche Anhörung, die allen Anwesenden die Augen darüber geöffnet hat, welche Bedeutung die Musikschulen haben. Ich möchte kurz Herrn Dr. Anders zitieren, was er in den zehn Punkten zum Nutzen der Musikschulen gesagt hat: „Musikschulen ermöglichen jedem Kind, gleich welcher sozialen Herkunft, das Erlebnis eines Repertoires elementarer künstlerischer Ausdrucksformen. Unsere Gesellschaft kann auf kein Kind verzichten.“

Daran anknüpfend, gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir auch zukünftig ein dichtes Netz an qualitativ guten kommunalen Musikschulen benötigen; denn sonst laufen viele unserer gut gemeinten Maßnahmen zur Bildung der Kinder ins Leere. Die Musikschulen sind heute ein nicht mehr wegzudenkender außerunterrichtlicher, außerschulischer Lernort, der teilweise leider auch das ersetzen muss, was in der Schule nicht mehr geleistet wird.

Wo waren denn die CDU- und FDP-Abgeordneten am Vorabend der Anhörung zum 20. Jahrestag des Musikschulverbandes, wenn sie immer noch die Frage am 17.09. wie auch heute aufrechterhalten haben, man solle darlegen, welcher Anteil zur kulturellen Bildung, zur Breiten- und Begabtenförderung geleistet wird? Gerade an diesem Jahrestag konnten wir in wunderbarer Weise erleben, dass Spitzenleistungen nicht nur in den ehemaligen drei Landesmusikschulen gebracht werden, sondern dass die Musikschulen – und zwar auch die kommunalen Musikschulen – eine hervorragende Arbeit leisten, wofür ich mich bei allen, die diese Arbeit zum Teil unter schwierigen Bedingungen leisten, herzlich bedanken möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem zweiten Punkt kann ich nur zustimmen. Ja, die Richtlinien müssen überarbeitet werden, sie müssen angepasst werden, auch wegen der notwendigen Eingliederung der ehemaligen Landesmusikschulen und wegen der schon lange geforderten Einordnung der Qualitätskriterien des Verbandes der Deutschen Musikschulen in die Förderrichtlinien.

Aber bedenken Sie bitte auch: Das hat Konsequenzen, denn die Qualitätsrichtlinien sehen vor, dass 70 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Musikschulen hauptamtlich Beschäftigte sind und 30 % Nebenamtliche. Wenn Sie in der Anhörung aufmerksam zugehört und sich in den Musikschulen umgesehen haben, dann – ist zu erkennen – sind wir in einigen Musikschulen leider aufgrund der finanziellen Situation davon weit entfernt.

Ich möchte an dieser Stelle kurz zitieren, was Prof. Klemm, der Rektor der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden in der Anhörung sagte: „Es kann nicht Ziel sein, dass Musikschullehrerinnen und -lehrer freiberuflich über das Land rasen und an drei, vier verschiedenen Schulen zu niedrigsten Lohnbedingungen,

denen jeder Handwerker spottet, unter Stress Musikunterricht geben.“

Wenn Sie also die Qualitätskriterien in die Richtlinie einarbeiten wollen, dann müssen Sie auch die Musikschulen mit dem notwendigen Rüstzeug, mit den notwendigen Finanzen ausstatten, damit sie diese Qualitätskriterien umsetzen können.

Nachdenklich stimmt mich allerdings ein Satz in der Antwort der Landesregierung – vielleicht kann, wenn sie dann erwidert, die Frau Ministerin etwas dazu sagen – bei der Änderung der Förderrichtlinien – ich zitiere: „Auch ist die bisher geltende Berücksichtigung sozialer Aspekte auf Inhalt und Aktualität zu prüfen.“ Da leuchten bei mir alle Alarmsignale auf Rot, was das bedeuten soll; denn in Anbetracht des Zitates von Herrn Anders ist es notwendig, dass die Musikschulen auch zukünftig für jedes Kind zugänglich sind. Das heißt, sie müssen die Gebühren so halten, dass jedes Kind diese Möglichkeit hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)