Protokoll der Sitzung vom 04.11.2010

Angesichts des insgesamt guten Standes beim Ausbau der Platzangebote kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Prognose in diesem Antrag unrealistisch ist. Berechnungen des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und Sport haben ergeben, dass die Senkung des Betreuungsschlüssels auf 1 : 4 unter Annahme eines Betreuungsgrades von 66 % im Jahr 2011 eine nicht zu bewältigende Mehrbelastung von circa 177 Millionen Euro für Kommunen, Eltern und den Freistaat mit sich brächte.

Über Details zur Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes des Bundes hat die Staatsregierung in Beantwortung der vier Kleinen Anfragen mit den Drucksachennummern 5/365 bis 5/368 der Fraktion der NPD bereits berichtet.

Was Forderungen finanzieller Art betrifft, ist der Landtag mit Beratungen zum Haushaltsgesetz für 2011 und 2012 beschäftigt.

Zu II. Was die Forderung nach einer Aufstockung des Finanzierungsanteils des Bundes beim Ausbau der Kindertagesbetreuung betrifft, ist eine solche Aufforderung

aus Sachsen nicht zielführend. Sachsen hat bereits jetzt einen insgesamt guten Ausbaustand erreicht und das auch als Empfänger überproportionaler Leistungen des Bundes aus dem Solidarpakt und als Nehmerland im Länderfinanzausgleich. Die alten Bundesländer tragen derzeit wesentlich höhere Lasten beim Ausbau und hätten hier mit viel größerer Berechtigung dem Bund gegenüber Forderungen anzumelden.

Zu III. Eine Initiative mit dem Ziel, eine Konnexitätsregelung ins Grundgesetz einzubringen, wird von der Staatsregierung abgelehnt. Der zweistufige Aufbau der Finanzverfassung hat sich bewährt. Kommunen leiten ihre Aufgaben von den Ländern ab, eine direkte Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen ist dem Grundgesetz grundsätzlich fremd. Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006 wurde eine direkte Aufgabenübertragung des Bundes auf die Kommunen ausgeschlossen. An dieser Regelung sollte auch weiterhin festgehalten werden.

Im Übrigen ist es schon ein eklatanter Widerspruch, Kindertageseinrichtungen mit dem Terminus „Fremdbetreuung“ abzuwerten, stärkere „Eigenbetreuung“ zu fordern und gleichzeitig den Antrag zu stellen, den Ausbau der „Fremdbetreuung“ erheblich finanziell zu unterstützen. Dies spricht für sich, wenn es um die Beurteilung der Ernsthaftigkeit des Antrages geht.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Jahresbericht 2009

Drucksache 5/1562, Unterrichtung durch den Sächsischen Ausländerbeauftragten

Drucksache 5/3962, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Besprechung dieses Tagesordnungspunktes eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt. Wir gehen wir folgt vor:

(Andreas Storr, NPD steht am Mikrofon.)

Oh, ich bitte um Entschuldigung. Das kommt davon, wenn man nicht hochschaut. Bitte, Herr Storr.

Ich möchte einen Antrag zur Geschäftsordnung hinsichtlich der Beschlussempfehlung stellen. Ich möchte beantragen, dass die Beschlussempfehlung zurück an den Innenausschuss überwiesen wird.

Die Begründung lautet wie folgt: Ich habe mich bei den Beratungen im Innenausschuss auch zu der Unterrichtung durch den Sächsischen Ausländerbeauftragten geäußert. Allerdings wird das in dem Bericht und in der Beschlussempfehlung in keiner Weise erwähnt, obwohl die Stel

lungnahme der Vertreter aller anderen Fraktionen Erwähnung finden. Insofern bitte ich um Rücküberweisung, um den Bericht entsprechend korrigieren zu können. – Danke.

Meine Damen und Herren! Das war ein Antrag zur Geschäftsordnung. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Möchte sich zunächst jemand dazu äußern? –

(Dr. Johannes Müller, NPD: Allgemeine Sprachlosigkeit!)

Das kann ich nicht feststellen. Wer für den Antrag stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine Stimmenthaltungen. Diesem Antrag ist mit großer Mehrheit nicht entsprochen worden.

Wir können also in der Tagesordnung fortfahren. Ich war dabei zu verkünden, welche Reihenfolge für die Aussprache ich vorschlagen möchte. Zunächst möchte ich dem Sächsischen Ausländerbeauftragten das Wort erteilen, im Anschluss daran den Fraktionen in der gewohnten Reihenfolge CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und sodann der Staatsregierung, so sie das Wort wünscht.

Meine Damen und Herren! Ich erteile dem Sächsischen Ausländerbeauftragten, Herrn Prof. Dr. Gillo, das Wort. Herr Gillo, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Mein Vater, Waldemar Gillo, war ein lebenslanger Anhänger von jiddischem Humor. Er hätte diese Rede wahrscheinlich wie folgt begonnen:

Sehr geehrtes Präsidium! Ich danke für die mediengerechte Platzierung dieses Punktes in der Tagesordnung des Landtages ganz hinten. Ich bin erleichtert über die leeren Tribünen ohne Schüler, die ich womöglich verängstigen könnte.

Aber im Ernst, der besondere Platz entspricht selbstverständlich nicht der Wichtigkeit des Themas „Weltoffenheit im Freistaat Sachsen“.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich werde oft gefragt, meine Damen und Herren: Was ist die Rolle des SAB, des Sächsischen Ausländerbeauftragten?

(Alexander Delle, NPD: Steuergeldverschwendung!)

Ich antworte dann, gerade auch den Schülern: Der Sächsische Ausländerbeauftragte ist Reisebegleiter auf der sächsischen Reise zu mehr Weltoffenheit, und das ist eine endlose Reise wie „Die unendliche Geschichte“. Dabei gibt es Gutes zu ermutigen und Schlechtes anzumahnen, und ich muss mich daran gewöhnen – das habe ich auch schon –, dass man mir normalerweise mit etwas Ambivalenz begegnet: Auf der einen Seite die Freude über das, was ich ermutigend über Dinge sagen kann, die wir gut

bewirken, bei denen wir nach vorn gehen, und auf der anderen Seite die Tränen oder der Ärger, wenn ich über Unerreichtes oder über Unbequemes spreche.

Der Jahresbericht 2009 reflektiert die solide Arbeit meiner Vorgängerin Friederike de Haas.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Der Bericht zeigt viel Bewährtes, zum Beispiel die Einbürgerungen im Freistaat Sachsen, Tendenz leider fallend, und die gute Arbeit der Härtefallkommission, bei der wir das Prinzip Menschlichkeit beachten, wenn die Bürokratie am Ende ist. Er berichtet auch über Neues, über den Integrationspreis im Freistaat Sachsen im letzten Jahr. Diesen hat der Gemeindedolmetscherdienst in Dresden gewonnen. Das sind Freiwillige, die sich engagieren, indem sie Migranten helfen, den Schwierigkeiten der deutschen Sprache zu entkommen, um ihre Anliegen tatsächlich den Behörden gegenüber vorzutragen. Das haben wir belobigt und unterstützt.

Es gibt auch eine Unterstützung der Initiative gegen Zwangsheirat mit einer Ressourcendatenbank, bei der sich Menschen über Organisationen, die ihnen zur Hilfe bereitstehen, informieren können.

Dann sprachen wir über die erfolgreiche Aufnahme christlicher Iraker. Hier haben wir gezeigt, dass wir wissen, wie man Integration machen kann, wenn man es will.

Frau de Haas hat auch über eine inakzeptable Gemeinschaftsunterkunft berichtet und empfohlen, diese zu schließen. Denn sie sagt völlig zu Recht: Die Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften, also in den Asylbewerberheimen, müssen unserem eigenen Wertekanon entsprechen. Unserem!

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Deshalb hat sie angeregt und empfohlen, die Gemeinschaftsunterkunft Seeligstadt zu schließen. Ich habe alle Heime, alle Gemeinschaftsunterkünfte besucht und kann mich dieser Empfehlung nur anschließen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich bin bei dem Besuch immer wieder gefragt worden: „Sind wir denn die schlimmste Gemeinschaftsunterkunft im Freistaat Sachsen?“ – Als ich geantwortet habe: „Nein, Sie sind die zweitschlechteste“ führten sie Freudentänze auf, weil sie sehr froh waren, dass sie nicht völlig am Ende standen.

Nun haben wir gehört, dass diese Gemeinschaftsunterkunft im Jahr 2011 endlich geschlossen werden soll. Ich gehe davon aus. Kollege Brangs sagte, dass es jetzt einen Antrag des Heimbetreibers gibt, in dem er sagt, er sei bereit, bei Abschluss eines 15-Jahres-Vertrages die eine oder andere Verbesserung einzuführen. Ich hoffe, dass wir

tatsächlich bei dem Ziel bleiben, in dem Landkreis das Heim Seeligstadt durch ein besseres zu ersetzen.

Wie ist das eigentlich mit der Menschenwürdigkeit der Heime im Freistaat Sachsen? – Diese Menschenwürdigkeit gibt es. Es gibt sehr gute Heime im Freistaat Sachsen und darüber werde ich im nächsten Jahresbericht, über das Jahr 2010, berichten. Diesen Bericht werde ich im Januar 2011 vorstellen.

Meine Damen und Herren! Vielleicht auch im Hinblick auf den Antrag der LINKEN Folgendes: Die Rollen des Landtagspräsidenten, des Datenschutzbeauftragten und des Ausländerbeauftragten verstehe ich als zur Überparteilichkeit aufgerufen. Das heißt, dass wir beim Thema Weltoffenheit und wie wir mit Ausländern im Freistaat Sachsen umgehen, im Konsens arbeiten und nicht Parteipolitik machen sollten,

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

was in den verschiedenen Parlamenten nicht so einfach ist.

Die parlamentarischen Regeln, wir kennen Sie alle. Ich wiederhole sie kurz: Die Regierungsmehrheit setzt sich immer mit all ihren Anträgen durch. Die Opposition wird in 99 % der Fälle erleben, dass ihre Anträge abgelehnt werden. Ich muss auf zwei Anträge der Opposition in dieser Legislaturperiode hinweisen, die tatsächlich akzeptiert wurden: Der eine Antrag ist der Antrag der GRÜNEN für schnellere Eisenbahnverbindungen zwischen Dresden und Berlin und der zweite ist der Antrag zum Rundfunkgebührenstaatsvertrag, den wir gerade mit einigen Modifikationen unterstützt haben. Aber das sind die Ausnahmen.

Normalerweise ist es so: Wenn die Opposition einen Antrag stellt und darin sagt: „Das Meer ist blau“, dann antwortet die Regierungsmehrheit „Das Meer ist grün“.