Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

Interessant fand ich es, dass der Ministerpräsident am Freitag beim Demografiegipfel in Chemnitz davon gesprochen hat, man müsse Fachkräfte nach Sachsen holen und man brauche ein konkurrenzfähiges Lohnniveau. Dazu sage ich: Das hat der Ministerpräsident gut verstanden, das Problem ist nur, dass er anscheinend solche Festlegungen immer außerhalb des Plenarsaals trifft. Hier im Plenarsaal tut er genau das Gegenteil: Er kämpft gemeinsam mit der Koalition gerade dafür, dass das konkurrenzfähige Lohnniveau bei den Beamtinnen und Beamten gesenkt wird.

Ich vermute, dass die FDP dahintersteckt. Sie ist der Meinung, dass die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst sowieso viel zu viel Geld verdienen und sich an die anpassen müssten, die die Klientel der FDP sind. In diesem Falle meint die FDP nicht die Ärztinnen und Ärzte, sondern diejenigen, die im Handwerk tatsächlich nicht immer die beste Bezahlung haben.

Dazu muss ich Ihnen, liebe Kollegen von der FDP, aber sagen, dass Sie bei Ludwig Erhard etwas falsch verstanden haben. Wenn Sie das richtig gelesen hätten, was Ludwig Erhard als seinen Maßstab verkündet hat, müssten Sie den Leuten Geld in die Hand geben, damit sie das Geld hier im Land Sachsen ausgeben können, das Sie ihnen im Moment gerade wegnehmen wollen, indem Sie den Beamtinnen und Beamten die Sonderzulage streichen.

In dieser Situation erklärt dann die Polizeigewerkschaft, dass man nur noch Dienst nach Vorschrift machen will. Das hat beim Innenminister zu einem Aufschrei geführt, und er wies auf die böse, böse Polizei.

Dazu kann ich nur sagen, dass Sie, Herr Minister, es verursacht haben, dass die Polizeigewerkschaft zu diesem letzten Mittel greifen muss. Dann können Sie sich doch nicht darüber beklagen und behaupten, dass die Polizei

gewerkschaft im Freistaat Sachsen die Situation ausnutzen und den Leuten Angst machen würde. Nachdem die Polizisten Überstunden anhäufen mussten, die jegliches Maß überschreiten, nachdem es zu einem Krankenstand in ungeahnter Höhe gekommen ist – jeden Tag fehlen im Freistaat Sachsen 1 500 Beamte –, nachdem es bei der Bereitschaftspolizei, obwohl sie acht Hundertschaften haben müsste, nur sieben Hundertschaften gibt, von denen eigentlich nur sechs voll einsatzbereit sind, weil 161 Beamtinnen und Beamte fehlen, ist das für uns ein sicherheitspolitisches Unding. Und was bieten Sie dafür als Gegenleistung?

Herr Gebhardt, Ihre Redezeit ist erst einmal abgelaufen.

Danke schön. Den Rest mache ich nachher.

(Beifall bei den LINKEN)

Die CDUFraktion; bitte, Herr Abg. Bandmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig ist der Hinweis, dass die Sonderzahlung, also das sogenannte Weihnachtsgeld, im Jahr 2010 gezahlt wird. Es wird in der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck erweckt, als ob genau diese Sonderzahlung bereits in diesem Jahr weggefallen wäre. Das entspricht nicht den Tatsachen. Wenn das einzelne Abgeordnete hier wissen, dann ist das sicher gut, in der Öffentlichkeit ist jedoch ein anderer Eindruck vermittelt worden. Von daher ist auch die Aktion der Gewerkschaften, die mit einer tränenreichen Stimmung und mit Särgen einherging, eine Nummer, die völlig neben der Spur lag. Ich will das als CDU-Vertreter ganz klar erklären.

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Dass – erstens – eine Landesbezahlung der sächsischen Beamten ins Haus steht und dies auch möglich und rechtlich zulässig ist, war doch spätestens seit dem Zeitpunkt klar, als der Bund mit den Ländern vereinbart hat, dass die Länder diese Besoldung eigenständig aufgrund ihrer länderspezifischen Situation vornehmen können. Das heißt, es ist ein völlig rechtmäßiges Verfahren.

Das Zweite ist – das wurde von dem Antragsteller schon angesprochen –, dass in der Tat im nächsten Jahr die Dienstrechtsreform ansteht. An dieser Stelle wird es darum gehen, mehr Leistungsgerechtigkeit bei den Beamten einzuführen. Die Polizeirechtsreform „Polizei Sachsen 2020“ wurde durch den Innenminister ja bereits auf den Weg gebracht. Im Moment läuft innerhalb der Polizei die Diskussion zu diesem Thema.

Wenn jetzt eine einzelne Polizeigewerkschaft erklärt – das hat nicht das Innenministerium getan, sondern die Polizeigewerkschaft –, dass man jetzt Dienst nach Vorschrift macht, kann ich als Bürger nur sagen: Ich bin bisher davon ausgegangen, dass Polizisten immer Dienst nach

Vorschrift machen, dass die Vorschriften eingehalten werden und dass der Bürger sachgerecht behandelt wird. Wenn damit aber etwas anderes gemeint ist als eine ordnungsgemäße Dienstableistung, wenn damit also eine mögliche Dienstverweigerung gemeint ist, muss ich sagen, dass diese Gewerkschaft im Grunde genommen den Kontext dessen bereits verlassen hat, was anständig ist. Ich sage das ganz klar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Damit sind wir bei den Fragen der Bezahlung. Auch das Handwerk wurde ja bereits angesprochen. Wie sind denn die Zahlen? Ist denn die sächsische Polizei als einer unserer Leistungsträger so schlecht bezahlt? Ist deswegen, weil die Polizei so hervorragend bezahlt ist, die Kriminalitätsrate anders, als sie sein sollte? Und hat nicht der Innenminister in hervorragender Weise die Haushaltsverhandlungen so geführt, dass genau in dem Bereich des Dienstes zu ungünstigen Zeiten, also im Bereich der Polizeibediensteten, die in besonderer Weise draußen auf den Straßen sind, zu ungünstigen Zeiten arbeiten, nachts immer wieder hinaus müssen, Zusatzdienste leisten, bereits im Vorgriff auf die Dienstrechtsreform beim Haushalt in Vorleistung gegangen und eine Vorlage eingebracht wurde, die in den nächsten Tagen hier beschlossen wird?

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Wir als Koalition werden diesen Beschluss fassen. In dieser Vorlage wurden auch bereits die Gefahrenzuschläge erhöht – auch ein Vorgriff auf die zu erwartende Reform. Dazu kommt, dass 3 Millionen Euro für die Polizei zusätzlich verhandelt worden sind.

Ich denke, das sind Dinge, die der Bürger wissen sollte. Wir stehen als Koalition dazu und werden uns auch der Diskussion an dieser Stelle überhaupt nicht verweigern. Allerdings werden wir nicht zulassen, dass Unsicherheit ins Geschäft getragen und dass die eine Gruppe gegen die andere Gruppe ausgespielt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die SPD-Fraktion, bitte; Frau Abg. Friedel.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bandmann, ich habe vor ungefähr einem Jahr hier einen Debattenbeitrag gehalten und dabei von gleichzeitigen Belastungen gesprochen, die auf unsere Polizeibeamten im Freistaat Sachsen zukommen, und ich will die Gleichzeitigkeit der Belastungen noch einmal in Erinnerung rufen.

Wir haben zum Ersten nach wie vor das Thema fehlende Aufgabenkritik. Das 20-seitige Anfangspapier „Polizei Sachsen 2020“ macht dazu die eine oder andere Andeutung, ist aber noch keine Aufgabenkritik im eigentlichen Sinne, wie sie auch von den Beschäftigten immer wieder gefordert wird.

Wir haben zum Zweiten nach wie vor keine Strukturentscheidungen. Es ist nicht klar, in welchem Umfang die Polizei in den nächsten Jahren in der Fläche präsent sein wird. Die Befürchtung ist, dass der Rückzug aus der Fläche erfolgt. Diese Befürchtung konnte bisher nicht ausgeräumt werden. Nach wie vor haben wir keine Strukturentscheidungen. Im Gegenteil, jetzt wird sogar ein Haushalt mit einem zusätzlichen Stellenabbau beschlossen, der kein Wort über die zukünftige Dienststellenstruktur aussagt.

Wir haben zum Dritten eine hohe Belastung, einen hohen Krankenstand, viele Überstunden. Herr Gebhardt hat das schon angesprochen.

Zum Vierten kommt jetzt die Erhöhung der Pensionsaltersgrenze über den Horizont.

Was ist seit meinem letzten Debattenbeitrag passiert? Immerhin hat die Staatsregierung in zwei Punkten draufgesattelt. Sie hat zum einen noch einen zusätzlichen Abbau von Stellen beschlossen, und sie hat zum anderen die Streichung der Sonderzahlungen ab dem nächsten Jahr angekündigt. Ich glaube, Herr Bandmann, es ist irrelevant, ob das in diesem oder im nächsten Jahr erfolgt. Die Aufregung ist dieselbe.

(Volker Bandmann, CDU: Für die Betroffenen ist das sehr wohl relevant!)

Ich denke, für die Betroffenen ist das von großer Wichtigkeit, ob diese Sonderzahlung kommt oder nicht. Aber da haben sie mit diesem Almosen in diesem Jahr keine wirkliche Freude, wenn sie wissen, dass das ab dem nächsten Jahr entfällt. Für die Betroffenen ist es deswegen relevant, weil diese Sonderzahlung für einen Beamten im mittleren Dienst im Grunde ein kleines Nettomonatsgehalt ist, während es für andere Beamte, beispielsweise den Ministerpräsidenten, nur etwas mehr als 10 % seines Dezembergehalts ausmacht, worauf er jetzt verzichten muss.

Herr Bandmann, Sie haben gesagt, Sie erachten es als schlimm, dass eine hohe Verunsicherung in den Polizeidienst hineingetragen wird. Das sehen wir ganz genauso. Wir müssen aber schauen, woher diese Unsicherheit kommt. Diese Unsicherheit kommt daher, dass seit einem Jahr nichts passiert ist, nichts von dem, was ich gerade angesprochen habe – fehlende Aufgabenkritik, keine Strukturentscheidung, hoher Krankenstand, Erhöhung der Pensionsaltersgrenze, steigende Aufgaben bei gleichzeitigem Stellenabbau –, so bearbeitet worden ist, dass der ganz normale, einfache Polizeibeamte das Gefühl hat: Mensch, meine Staatsregierung, mein Dienstherr kümmert sich um mich und weiß, wo es langgeht, hat bei dem, was sie tut, einen Plan; ihr kann ich vertrauen. Das ganze Gegenteil ist der Fall. Seit einem Jahr wird mit immer neuen Nachrichten Unsicherheit gesät, in einer Situation, in der die Arbeit der Polizeibeamten wirklich nicht einfach ist.

Deswegen erwarte ich von dem Redebeitrag der Staatsregierung, dass ein wenig von dieser Unsicherheit wegge

nommen wird. Ich bin sehr gespannt darauf, Herr Ulbig, was Sie uns nach einem Jahr Diskussion über die Polizei in Sachsen nun kurz vor Weihnachten sagen können, was vielleicht auch in einem Weihnachtsbrief an die Beamtinnen und Beamten stehen wird, wie viel von dieser Unsicherheit noch da ist oder wie viel Sie durch eine kluge Innenpolitik nehmen können. Ich freue mich auf diesen Redebeitrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SDP, den LINKEN und den GRÜNEN)

Die FDP-Fraktion, bitte. Herr Karabinski, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir, die Koalitionäre, haben es uns bei der Entscheidung nicht leicht gemacht, ob wir das Weihnachtsgeld, die Sonderzulage streichen oder nicht. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass es natürlich auch in unseren Reihen viele Abgeordnete gab, die es lieber anders gemacht hätten, die lieber auf die Streichung verzichtet hätten. Aber auch wir haben einsehen müssen, dass diese Streichung alternativlos ist, meine Damen und Herren.

Sie alle wissen, dass ab 2011 die Einnahmen des Freistaates Sachsen stärker als je zuvor sinken. Das Niveau der Steuereinnahmen von 2007 und 2008 wird mittelfristig nicht mehr erreicht werden. Der Grund dafür ist die Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir haben es mit dem schrittweisen Auslaufen des Solidarpakts zu tun. Das sind jährlich 200 Millionen Euro, die wir weniger in der Kasse haben. Wir haben mit einem Bevölkerungsrückgang von circa 25 000 Einwohnern pro Jahr zu kämpfen. Das bedeutet geringere Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich und dauerhaft sinkende Steuereinnahmen. Sie alle wissen das.

Meine Damen und Herren, wir können nur das Geld ausgeben, das wir auch haben. Neue Schulden kommen für uns nicht infrage. Anders als für Sie kommen neue Schulden für uns nicht infrage, denn die würden den Spielraum kommender Generationen weiter einschränken, noch weiter als ohnehin schon. Dennoch, meine Damen und Herren, wird im Polizeibereich investiert. Trotz dieser angespannten Haushaltslage wird investiert. Der Fuhrpark wird weiter modernisiert.

(Zuruf von der SPD)

Die Finanzierung eines dritten Polizeihubschraubers wird gestemmt. 300 Polizeibeamte werden jährlich eingestellt. Der 2006 beschlossene Stellenabbau, meine Damen und Herren, wird bis ins Jahr 2020 gestreckt, und im Rahmen des Projektes „Polizei 2020“ wird eine Aufgabenkritik erfolgen. Ich versichere Ihnen, Frau Friedel – ich weiß, Sie glauben es mir trotzdem nicht –, der Stellenabbau wird von einem Aufgabenabbau begleitet werden.

(Sabine Friedel, SPD: Das höre ich seit einem Jahr!)

Die Aufforderung zum Dienst nach Vorschrift von der Deutschen Polizeigewerkschaft, die heute schon mehrfach hier im Raum stand, meine Damen und Herren, ging eindeutig zu weit. Aus sachlicher und vielleicht auch angemessener Kritik an der Stelle wurde reine Polemik, die an der Ziellösung völlig vorbeigeht.

(Beifall bei der NPD)

Die Realität muss auch von der Deutschen Polizeigewerkschaft gesehen und anerkannt werden und auch von der Opposition. Ein Großteil der sächsischen Bevölkerung in der freien Wirtschaft erhält zum Beispiel kein Weihnachtsgeld. Ein Großteil der Bevölkerung in der freien Wirtschaft verdient oftmals weniger als Polizeibeamte, und der Großteil der sächsischen Bevölkerung muss im Gegensatz zu Beamten grundsätzlich um seinen Arbeitsplatz bangen.

Meine Damen und Herren! Ich will keineswegs die Leistungen der sächsischen Polizeibeamten schmälern,

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

aber man muss an dieser Stelle schon die Frage stellen, ob die Arbeit einer Krankenschwester wirklich so viel weniger wert ist.