Sabine Friedel

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Debatte über freiwillige Feuerwehren ist auch eine Art Bilanz. Was hat die Staatsregierung, was hat der Sächsische Landtag in den letzten fünf Jahren geschafft?
Diese Bilanz beginnt – das hat Kollege Gebhardt schon gesagt – mit einem enttäuschenden Wahlversprechen. Es waren der Ministerpräsident, der vor der letzten Landtagswahl 2009 die Einführung einer Feuerwehrrente groß
versprochen hat, und die Staatsregierung, die dann ein Jahr später mit der „Verwirklichung“ dieses Versprechens in Form eines Sicherungsvertrages kam, den die Kommunen – auf eigene Kosten natürlich – abschließen könnten, um eine kleine Absicherung für die Kameradinnen und Kameraden zu erhalten. Nicht nur die freiwilligen Feuerwehren in Sachsen waren sehr enttäuscht, wir waren das auch und haben uns gefragt: Das soll wirklich alles gewesen sein, was aus dem großen Versprechen herausgekommen ist?
Aufgrund dieser Enttäuschung haben wir uns gesagt: Wir zäumen das einmal andersherum auf. Nicht von ganz oben wird etwas versprochen, sondern wir fragen einmal ganz unten: Was braucht ihr eigentlich? Wir haben in ganz Sachsen, in allen sächsischen Landkreisen Feuerwehrforen veranstaltet. Dabei sind wir mit vielen Kameradinnen und Kameraden ins Gespräch gekommen und haben aus dem, was gesprochen worden ist, aus dem, was vorgeschlagen worden ist, Ideenpapiere erstellt, die wir ständig fortgeschrieben haben.
Drei Ideenpapiere sind es insgesamt geworden. Schwerpunkt in unserem Ideenpapier im Jahr 2010 war das Thema „Einheitliche Ausbildungsunterlagen für die Standortausbildung“. Es hat sehr viel Energie gefressen, dass jede Feuerwehr ihre eigenen Ausbildungsunterlagen anfertigen musste, wo doch im Grunde in ganz Sachsen der gleiche Stoff zu behandeln ist. 2010 haben wir das zum Schwerpunkt gemacht. 2012 hat es die Staatsregierung geschafft, solche einheitlichen Ausbildungsunterlagen einzuführen.
Schwerpunkt unseres Ideenpapiers 2011 war die katastrophale Ausbildungssituation. Es gab nicht genügend – nicht genügend ist eigentlich ein Euphemismus –, es gab viel zu wenige Lehrgangsplätze an der Landesfeuerwehrschule, die von Beginn an zu klein geplant war. Das führte zu einem riesigen Ausbildungsstau in allen Landkreisen. Wir haben mit einer Anhörung 2012 hier im Saal nachgelegt, in der die Probleme, die daraus entstehen, noch einmal sehr drastisch geschildert worden sind. 2013 hat sich dann die Staatsregierung dazu durchgerungen, die Kapazität der Landesfeuerwehrschule zu erweitern.
Schwerpunkt unseres Ideenpapiers nach 2010 „Ausbildungsunterlagen“ und 2011 „Ausbildungssituation“ war dann 2012 das Thema „Tageseinsatzbereitschaft“. Herr Löffler hat es bereits angesprochen.
Wir haben nicht mehr nur an einigen, sondern an vielen Stellen Sachsens das Problem, die Tageseinsatzbereitschaft zu sichern. Unser Vorschlag – wir haben ihn mit einem Antrag untermauert – war, dieses Problem mit der Hilfe von Kooperationen der Wehren anzugehen. Das hat überhaupt nichts mit Kommerzialisierung zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, dass Feuerwehren zusammenarbeiten und dabei unterstützt werden müssen, um die Tageseinsatzbereitschaft zu sichern.
Unser Antrag in der Debatte zum Haushalt 2012 war, den Kommunen ein Budget zu geben, um die Entwicklung regionaler Brandschutzbedarfspläne zu unterstützen, weil
der Brandschutz eben keine rein kommunale Aufgabe mehr sein kann, sondern die interkommunale Zusammenarbeit passieren muss.
2014 – vor wenigen Wochen – hat der Innenminister endlich von einer Arbeitgruppe ein Papier erarbeiten lassen, in dem das ein ganz wesentlicher Punkt ist: Wir brauchen eine überregionale, eine überörtliche Brandschutzbedarfsplanung.
Mein Lob also: Die Staatsregierung und die CDUFraktion haben gezeigt, dass sie durchaus lernfähig sind. Aber sie handeln immer erst fünf nach zwölf. Das ist schlecht. Warum ist es schlecht?
Nicht nur, weil es um den Brandschutz in Sachsen geht, sondern weil es auch um Ehrenamt und Motivation geht, und weil man alles dafür tun muss, dieses Ehrenamt und diese Motivation zu unterstützen.
Damit bin ich beim Dauerbrenner Rauchmelderpflicht. Auch diese ist nicht nur dazu da, um frühzeitig Brände zu signalisieren, sondern um die Arbeit der Kameradinnen und Kameraden zu unterstützen. Wir haben jedes Jahr einen Antrag zur Einführung der Rauchmelderpflicht eingebracht. Wir werden es weiterhin tun.
Eine Bitte nach dem Lob – und der Kritik, dass Sie viel zu spät handeln: Falls Sie weiterhin ab Herbst in diesem Land Verantwortung tragen, dann verbessern Sie Ihre Lernfähigkeit. Erhöhen Sie die Lerngeschwindigkeit, und bitte beginnen Sie die neue Legislatur nicht erneut mit einem enttäuschenden Wahlversprechen. Sie schreiben in Ihrem Regierungsprogramm –
– ich komme zum Schluss –: „Wir wollen den Dialog mit den freiwilligen Feuerwehren intensivieren und ihre Ideen umsetzen.“ Das ist ein guter Anspruch. Wir haben diesen Dialog fünf Jahre lang geführt. Einen herzlichen Dank an alle Kameradinnen und Kameraden, die sich daran beteiligt haben! Hoffen wir, dass die nächsten fünf Jahre schneller und besser werden.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will Ihnen, Frau Präsidentin, sehr herzlich dafür danken, dass Sie am Anfang wichtige Teile aus dem gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU, LINKE, SPD, GRÜNE und FDP vom November 2011 zitiert haben. Das war etwas, was uns in der Sitzung des Landtages geeint hat. Wir alle waren sehr bestürzt und betroffen und haben es uns zur Aufgabe gemacht dahinterzukommen, wie es passieren konnte, dass fast zwölf Jahre lang ein Trio von – man kann es nicht anders sagen – mordenden Menschen in Sachsen einen sicheren Heimathafen gefunden hat.
Das war ein wichtiger Moment in diesem Landtag. Es wäre schön gewesen, wenn wir diesen wichtigen Moment auch heute mit einem gemeinsamen Antrag hätten noch einmal deutlich machen können. Immerhin ist das InErinnerung-Rufen schon ein wichtiger Punkt gewesen.
Die Aufgaben des Untersuchungsausschusses sind schon genannt worden. Ich will sie noch einmal praktisch und handfest zusammenfassen. Wir hatten die Aufgabe zu klären: Haben die sächsischen Behörden Versäumnisse und Fehlverhalten gezeigt? Sind Fehler in der Zeit ab Untertauchen des Trios 1998 bis zur Selbstenttarnung 2011 gemacht worden? Wir haben in dem Untersuchungsauftrag auch die Frage formuliert: Gab es neben Fehlern und Versäumnissen ein bewusstes Unterstützen, ein Decken, ein Vertuschen, die diese Verbrechen möglich gemacht haben?
Zum Fazit nach den Untersuchungsausschusssitzungen. Es ist schon deutlich geworden: Wir konnten weder alle
Zeugen vernehmen noch alle Fragen klären. Unser vorläufiges Fazit nach den Sitzungen des Untersuchungsausschusses lautet: Wir haben keine Hinweise für ein vorsätzliches Handeln sächsischer Behörden erkennen können. Wir haben nirgendwo Hinweise darauf – ich sage es jetzt einmal ganz einfach –, dass jemand in der sächsischen Polizei oder im Verfassungsschutz genau wusste, was Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt tun, wo sie sind und wie man sie kriegen könnte, es aber unterlassen hat, dem nachzugehen. Solche Hinweise haben wir nicht.
Sie wissen auch, dass das ein Fazit ist, was man angesichts geschredderter Akten nur mit einer gewissen Einschränkung ziehen kann. Wir haben auf der anderen Seite aber durchaus viele Erkenntnisse darüber, dass es Versäumnisse im Handeln sächsischer Behörden und Fehlverhalten gab.
Einzelne Beispiele sind schon genannt worden. Ich will sie einmal zusammenfassen: Worum geht es? Was haben sächsische Behörden 1998 bis 2011 falsch gemacht? Sie haben einen ganz großen Fehler begangen: Sie haben sich für nicht zuständig gehalten.
Diese Nichtzuständigkeit, dieses Empfinden, das haben wir nach dem November 2011 auch hier im Plenum sehr oft gehört. Wenn Sie sich erinnern, so gab es viele verschiedene Versuche, Aufklärungsinstrumente aufzulegen. Es gab viele Versuche zu sagen: Wie schaffen wir es denn jetzt, dass wir in Sachsen unseren Beitrag zur Aufklärung leisten?
Wir haben zum einen vorgeschlagen, dass eine sächsische Untersuchungskommission eingesetzt wird, analog der Schäfer-Kommission in Thüringen. Wir haben zum anderen vorgeschlagen, bei der Schäfer-Kommission in Thüringen mitzuarbeiten. Es gab den Vorschlag eines Sonderermittlers. All das wurde immer sowohl von der Staatsregierung als auch auch von der Koalition abgelehnt mit dem Verweis darauf, dass wir in Sachsen ja nicht zuständig seien und dass es ein thüringisches Trio war, dass alle Morde woanders passiert sind und dass wir in Sachsen daher gar nicht so richtig etwas beitragen können. Eine Bund-Länder-Kommission solle dann Aufklärung schaffen.
Wir haben uns dann dazu entschlossen, von dem Recht Gebrauch zu machen, was uns als Opposition bleibt: die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Ich will mich an dieser Stelle sowohl beim Vorsitzenden des Ausschusses als auch beim Obmann der CDU-Fraktion bedanken. Trotz dieser Nichtzuständigkeitsrhetorik am Anfang hier im Plenum haben sie genauso wie wir ein Interesse daran gehabt, diesen Ausschuss arbeiten zu lassen, für diesen Ausschuss Erkenntnisse zu gewinnen. Sie haben Fragen gestellt. Das war oftmals von großer Hilfe für den Fortgang der Beratungen im Ausschuss. Dort habe ich diese Unzuständigkeitsvermutung nicht entdecken können. Vielen Dank dafür.
Worin hat sich die Nichtzuständigkeit der sächsischen Behörden geäußert? Wir haben nie einen Zeugen gehört, der sagte: Ja, da haben wir uns selbst dahintergeklemmt.
Überall, wo wir gefragt haben, ob es die einzelnen Polizeidienststellen waren, ob es die SoKo „Rex“ war, ob es das Landesamt für Verfassungsschutz war – überall gab es das gleiche Erklärungsmuster. Es lautete: Die drei sind in Thüringen untergetaucht. Thüringen hat sie zur Fahndung ausgeschrieben. Thüringen ist die fahndungsleitende Dienststelle. Wir in Sachsen helfen, wenn Thüringen uns um etwas bittet.
So war es dann auch: Wenn Thüringen darum gebeten hat, dass Adressen ermittelt werden sollen, dann hat Sachsen Adressen ermittelt und sie nach Thüringen gegeben. Wenn Thüringen darum gebeten hat, dass bei einer Observation geholfen werden soll, dann hat Sachsen bei einer Observation geholfen und die Ergebnisse nach Thüringen zur Auswertung geschickt. Wenn Thüringen um nichts gebeten hat, dann hat Sachsen auch nichts gemacht – selbst dann nicht, als sich die Hinweise verdichtet haben, dass die drei sogar in Sachsen, im Raum Chemnitz, untergetaucht sein könnten.
Diese Nichtzuständigkeit ist ein ganz großes Problem, ein Versäumnis, ein Fehler, den man zugeben muss, wenn man über die Rolle der sächsischen Behörden spricht. Man hört ja immer das, was man hören will. Ich habe es bei Herrn Hartmann auch gehört; es war etwas anders formuliert. Da wurde gesagt: Eine größere Eigeninitiative wäre im Rahmen des Möglichen gewesen. Nichts anderes heißt es, wenn wir sagen: Es war falsch, sich nicht zuständig zu fühlen.
Der zweite große Punkt: Unwissenheit. Neben der Nichtzuständigkeit war die Unwissenheit in vielen Punkten ein Problem. Frau Köditz hat es angesprochen: die unzureichende Kenntnis der rechtsextremen Szene in Sachsen, Fehleinschätzungen zur Qualität von „Blood & Honour“ oder anderen Bewegungen. Einzelinformationen, die zweifelsohne überall vorlagen, zu einem Gesamtbild zusammenzutragen, sich somit einen Überblick zu verschaffen über ein sehr dichtes, gleichzeitig flexibles Netzwerk in ganz Sachsen, das hat keine Dienststelle in Sachsen geschafft – weder die zuständigen Polizeieinheiten noch das Landesamt für Verfassungsschutz.
Diese Nichtzuständigkeit, diese Unwissenheit sind unserer Ansicht nach die beiden größten Versäumnisse, die sächsische Behörden im Zusammenhang mit dem Untertauchen des NSU begangen haben.
Nun liest sich der Bericht von CDU und FDP etwa so: Es wurden Fehler in der Kommunikation gemacht, und wenn man das besser macht, dann ist alles wieder gut. Das allein erklärt unserer Ansicht nach zu wenig. Das verschiebt die Verantwortung allein auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden. Sie haben schlecht kommuniziert und das müssen sie künftig besser machen – das ist ein unzureichender Blick.
Die Frage ist: Gibt es denn auch Fehler im System? Wie passiert es? Welche strukturellen Hürden sind vorhanden, und wie muss man sie abbauen, damit Wissen angesammelt, ausgetauscht wird und man sich zuständig fühlen kann? Wir haben den Eindruck, dass diese Fehler im
System vorhanden sind und mit dem, was die Staatsregierung als Schlussfolgerung schon vor zwei Jahren vorgelegt hat, nicht behoben werden.
Das eine Thema wurde schon angesprochen: Wie viel Erfahrungswissen kann man ansammeln, wenn man heute für diesen, morgen für jenen und übermorgen für einen ganz anderen Phänomenbereich zuständig ist? Wie viel Erfahrungs- und Netzwerkwissen lässt sich ansammeln, wenn Beamte im Zweijahresrhythmus von Dienststelle zu Dienststelle versetzt werden? Die Art und Weise, wie wir Wissensmanagement in der sächsischen Polizei betreiben, wie wir die Strukturen momentan haben, lässt darauf schließen, dass weder die Ansammlung von Wissen noch die Ausbildung geregelter Kommunikationsnetzwerke wirklich stattfinden kann. Das ist ein Fehler im System.
Zweiter Fehler im System: Frau Kollegin Köditz hat darauf hingewiesen, dass schon frühzeitig Informationen vorlagen, dass das Trio in Sachsen untergetaucht sein könnte, dass Waffen besorgt werden sollen und dass ein Überfall geplant ist. Doch dieses Wissen ist nie zur Polizei gekommen. Dieses Wissen gab es im Landesamt für Verfassungsschutz. Es ist nicht nur eine Nachlässigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Amt, dass das Wissen nicht weitergegeben wird, sondern es ist ein strukturelles Problem. Das Wissen wird nicht geteilt, weil es aus V-Personen-Quellen kommt und der Quellenschutz höher wiegt als das Interesse, solche Straftaten zu verhindern. Das ist ein strukturelles Problem.
Wer ein Landesamt für Verfassungsschutz ernsthaft reformieren will, der kommt nicht umhin, sich die Frage zu stellen: Kann ich in diesem Bereich überhaupt V-Leute einsetzen oder ist der Preis an Strafvereitelung, den ich dafür zahle, nicht viel zu hoch und wesentlich höher als der Nutzen, den ich durch den Einsatz solcher Quellen bekomme? Wir meinen, der Preis ist zu hoch. Wir meinen, man sollte in dem Bereich auf die Führung von VPersonen verzichten.
Was lernen wir aus diesem Ausschuss? Was lernen wir aus den Versäumnissen und Fehlern bei sächsischen Behörden? Ich sage es mal ganz einfach: dass man sich nicht unzuständig fühlen darf. Das ist eine Erfahrung, die nicht nur wir und nicht nur die Kollegen von LINKEN und GRÜNEN und nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern viele in Sachsen seit Jahrzehnten gemacht haben: dass der Rechtsextremismus als Problem verkannt worden ist; dass die Gefahr Rechtsextremismus als wenig gefährlich, zum Teil als Dumme-Jungen-Streiche eingestuft wird, und zuständig sind dafür eigentlich auch die Schulen, die mehr Bildung machen müssen.
Das ist eine alte Klage, das ist jetzt auch nichts Neues, da hätten wir eigentlich keinen Untersuchungsausschuss gebraucht, um das herauszufinden. Die Quittung für das lange Untätigsein des Freistaates hatten wir alle miteinander 2004 hier bekommen.
Trotzdem ist es wichtig, das zu sagen. Etwas aus dem, was in den letzten Jahrzehnten passiert ist, zu lernen, das ist unsere Art und Weise, den Opfern, den Angehörigen
und all denen, die beteiligt sind, Respekt zu zollen mit unserer Arbeit.
Was bleibt, sind natürlich Fragen, die die Staatsregierung beantworten können muss. Wie wollen Sie künftig sicherstellen, Herr Staatsminister, dass so etwas nicht wieder passiert? Wie wollen Sie künftig sicherstellen, dass Wissen geteilt wird? Wie wollen Sie künftig sicherstellen, dass sich sächsische Behörden zuständig fühlen? Wie wollen Sie künftig sicherstellen, dass das Landesamt sagt, was es weiß? Und wie wollen Sie künftig sicherstellen, dass solches Untertauchen nicht mehr möglich ist in Sachsen? Das sind die Fragen, die bleiben.
Wir glauben nicht, dass der Abschlussbericht des Innenministeriums von vor zwei Jahren Antworten auf diese Fragen gibt. Wir glauben, dass noch nicht alle Fragen wirklich gestellt worden sind. Wir haben uns auch dafür ausgesprochen, in der nächsten Legislatur weiterzumachen, weil wir Eindrücke von dem bekommen haben, was die Polizei und das Landesamt getan haben. Wir möchten gern wissen, was in der Justiz in den letzten Jahrzehnten unternommen worden ist, um Strafverfolgung, Verfolgungsdruck aufzubauen. Und wir möchten ein genaueres Gefühl dafür bekommen, wie die Strukturen in den Kommunen ausgeprägt gewesen sind, um die Zusammenarbeit zwischen dem Land, zwischen den Sicherheitsbehörden und den Kommunen, um die Gefahr Rechtsextremismus richtig einschätzen zu können.
Das sind Fragen, denen sich der Ausschuss noch nicht widmen konnte – weder in Zeugeneinvernahmen noch mithilfe von Akten –, und die wollen wir auf jeden Fall in der nächsten Legislaturperiode klären. Wir hoffen, dass dann zumindest das Wissen über das, was es jetzt teilweise an Erkenntnisinteresse auch aus den Reihen der Koalition gab, im nächsten Landtag noch breiter wird, damit das gemeinsame Problem auch tatsächlich gemeinsam gelöst wird.
Vielen Dank.
Ich hatte einen kleinen Umweg genommen. Herr Präsident, vielen Dank! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf einen Aspekt dieses Gesetzentwurfs eingehen, der von den beiden Vorrednern schon gestreift worden ist; mir erscheint er sehr wichtig. Es geht um den sogenannten Haushaltsvorbehalt.
Wir finden in dem Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Paragrafen, denen die Formulierung angefügt ist, dass die Umsetzung unter dem Vorbehalt der Bereitstellung von Mitteln durch den Haushaltsgesetzgeber stehe. Ein Beispiel: In § 2 heißt es gleich am Anfang: „Die staatlichen Behörden … müssen die elektronische Kommunikation ermöglichen.“ Etwas später liest man, das stehe „unter dem Vorbehalt der Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Umsetzung durch den Haushaltsgesetzgeber“.
Das ist eine Form, Gesetze zu erarbeiten, die überhaupt nicht funktioniert. So kann man das nicht tun. Das Gesetz normiert eine Pflicht. Ich kann doch die Pflicht nicht gleichzeitig relativieren oder zurücknehmen, indem ich sage: „Diese Pflicht erfülle ich nur, wenn das Geld dafür vorhanden ist.“ Dort steht nicht „kann“ oder „soll die elektronische Kommunikation ermöglichen“, sondern „muss“. Wenn es „muss“ heißt, dann ist das Land verpflichtet, auch das Geld bereitzustellen. Oder wir dürfen das Gesetz nicht mit „muss“ verabschieden; dann sollten wir uns von der Aufgabe verabschieden.
Wir haben in diesem Haus schon bei einer Reihe von Gesetzen erlebt, dass in den Vorbemerkungen, in denen die Zielsetzung und der wesentliche Inhalt erläutert werden, steht, dass alles, was im Gesetz geregelt werde, wichtig sei; aber natürlich müsse das finanziert werden. Wie – das sei noch nicht ganz klar.
Das jüngste Beispiel, das mir in Erinnerung ist, betrifft das Strafvollzugsgesetz, in das viele schöne Formulierun
gen aufgenommen wurden. In der Begründung heißt es aber, da das Geld, das dafür eingesetzt werden solle, nicht mehr werden könne, müssten Prioritäten gesetzt werden, das heißt, manche Gefangene werden so, manche anders behandelt. Das jetzt nicht nur in die Begründung, sondern auch noch in den Gesetzestext zu schreiben, spottet jeder Beschreibung.
Was sollen sich die Bürgerinnen und Bürger dabei denken? Verabschieden wir auch Steuergesetze, in denen es heißt: „Die Bürger sollten Steuern zahlen, aber das steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass sie Geld haben. Wenn sie kein Geld haben, brauchen sie keine Steuern zu bezahlen“? Das wäre schön, aber wenn wir das forderten, würden Sie uns sicherlich etwas husten.
Wenn die gesetzliche Verpflichtung normiert wird, dann muss auch das Geld dafür bereitgestellt werden. Relativ weit vorn im Gesetzentwurf finden Sie auf dem Kostenblatt den Hinweis, dass in den nächsten Jahren null Euro zusätzliche Kosten zu erwarten seien. Das gilt demnach sowohl für das nächste als auch für das übernächste und das darauffolgende Jahr. So schön, wie das ist – wir werden vom Minister noch hören, dass er sich dafür lobt, dass er jetzt die elektronische Kommunikation in Sachsen einführt –: Wenn Sie das Vorhaben nur in das Gesetz schreiben, aber nicht finanzieren, wird es bei einem Lippenbekenntnis bleiben.
Diese Art und Weise, Gesetze zu erarbeiten, verdeutlicht, was in den vergangenen vier, fünf Jahren hier in Sachsen passiert ist. Das Geld war demnach das einzig entscheidende Mittel, und dann wurde geschaut, welche Aufgaben man mit diesem Geld erfüllen konnte. Es war nicht so, dass zuerst die Aufgabe beschrieben und dann gefragt worden wäre, wie wir deren Erfüllung finanzieren könnten. Aber so muss es doch gehen. Schreiben wir künftig in das Schulgesetz, dass Lehrerinnen und Lehrer vom Land bezahlt werden, sofern der Haushalt das zulässt? Praktisch läuft es schon so. Die Klassenbildung war schon öfter Gegenstand der Debatte im Landtag. Da haben Sie die Eltern in ganz Sachsen in ein Chaos gestürzt.
Im Polizeigesetz heißt es, dass die Polizei verpflichtet ist, Gefahren abzuwehren. Unter dem Vorbehalt, dass genügend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen? Na klar, praktisch läuft es so. Aber dass Ihre Ansprüche an Ihr eigenes Tun jetzt so gering werden, dass Sie das schon in den Gesetzestext schreiben – wir machen etwas, aber unter dem Vorbehalt, dass wir es vielleicht doch nicht machen –, ist schon sehr armselig.
Herr Kollege Schiemann, Sie haben vorhin gesagt, die Umsetzung des Gesetzes werde nur dann gelingen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung im Freistaat Sachsen weiterhin gute Arbeit leisten. Das stimmt so nicht. Schauen Sie sich den Haushaltsvorbehalt an!
Das wird nur dann gelingen, wenn der Freistaat bereit ist, Geld dafür zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle
kommt ein unfaires Element zum Tragen; wir werden noch über den öffentlichen Dienst reden. Die Umsetzung wird nur dann gelingen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es möglich machen. Sie gehen unfair mit den Bediensteten im Freistaat Sachsen um, wenn Sie einerseits die Ressourcen nicht zur Verfügung stellen, aber andererseits von den Beschäftigten verlangen, die Aufgaben zu erfüllen. Das Problem gibt es auch bei der Polizei und den Justizvollzugsbediensteten: zu wenige Ressourcen, aber die Aufgaben bleiben dieselben.
Heute soll sogar ein Gesetz mit neuen Aufgaben verabschiedet werden, ohne das Geld dafür bereitzustellen. Das ist keine Art und Weise, wenn man das Ziel hat, vernünftig, solide und ehrlich Gesetze zu machen. Auch aus diesem Grund lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank.
Herr Staatsminister, vielen Dank. Stimmen Sie mir zu, dass es hilfreich gewesen wäre, dies im Vorblatt unter dem Punkt „Davon im Haushaltsplan enthalten an Mitteln“ zu notieren? Hier steht überall eine Null.
Herr Präsident! Ich will darauf aufmerksam machen, dass all unsere Gesetzentwürfe ein Kostenvorblatt kennen. Auf diesem Kostenvorblatt steht „Kosten der in der Vorlage vorgeschlagenen Maßnahme“. Dann stehen da die Haushaltsjahre, die „Ausgaben“ und „davon bereits im Haushalt enthalten“. In diesem Kostenvorblatt ist zu lesen, dass in den Haushaltsjahren 2013, 2014, 2015 und 2016 bereits null Euro im Haushalt enthalten sind. Nun bitte ich Sie, Herr Staatsminister, aufzuklären, wer lügt: der Staatsminister oder der Gesetzentwurf des Staatsministers?
Frau Präsidentin! Vielen Dank. Ich will die zweite Runde nutzen, um noch einmal kurz auf die Rede von Herrn Michel einzugehen.
Herr Michel, Sie haben gesagt, dass es doch selbstverständlich und legitim sein muss, dass die CDU die Personalausgaben im Blick hat. Dagegen haben wir überhaupt nichts. Wir alle sollten die Personalausgaben und alle anderen Ausgaben eben auch im Blick haben. Im Blick haben heißt aber zu schauen: Läuft hier etwas richtig oder
läuft hier etwas falsch? Dieses Im-Blick-haben, das legen Sie nicht an den Tag, und das ist der Vorwurf, den unser Antrag macht. Ich glaube, den macht der Antrag auch zu Recht.
Sie sagen, Sie wollen einen stabilen und leistungsfähigen Freistaat. Das wollen wir auch. Nur zu Stabilität und Leistungsfähigkeit trägt es eben nicht bei, wenn wir überlange Verfahrensdauern haben. Dazu trägt nicht bei, wenn die Polizei 45, 50 Minuten bis zu einem Einsatz braucht, und dazu trägt erst recht nicht bei, wenn Eltern keine Benachrichtigung bekommen, an welcher Schule ihr Kind lernt, sondern das in einer Blitzaktion über Nacht gestoppt wird. All das macht keinen leistungsfähigen Freistaat aus.
Sie haben gesagt: „Sozial ist der, der dafür sorgt, dass es Geld zum Ausgeben gibt.“ Es tut mir leid, das stimmt so nicht. Sozial handelt, wer dafür sorgt, dass es gerecht in unserer Welt zugeht.
Da könnte ich Ihnen einen großen Vortrag halten. Diese Gerechtigkeit hat eben auch etwas mit gerechten Startchancen zu tun. Das hat wiederum etwas mit der Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern in unserem Land zu tun. All das, was Sie hier machen, ist nicht sozial.
Von Kollegin Jähnigen auf konkrete Probleme angesprochen, die man ja auch nicht wegleugnen kann, weil eben wirklich hier und da eine Stelle fehlt, sagen Sie dann, na ja, das sei sicher systematisch zu bereinigen, zu flexibilisieren, da könne man mit Nachsteuern etwas regeln, das passt schon. – Klare Worte sehen anders aus.
Wir halten den Antrag für wichtig, weil er eines deutlich macht: Wir möchten – und daran werden wir uns auch, sollten wir regieren, mit wem auch immer, messen lassen –, dass nicht das Finanzministerium bestimmt, wie viele Stellen es gibt, und dann der Zufall bestimmt, was die Leute dann noch erledigen können. Was wir hinbekommen müssen, und eben nicht nur bei der Polizei, sondern in allen Bereichen, ist: Wir müssen die Aufgaben beschreiben, die unser stabiler, leistungsfähiger Freistaat erfüllen soll. Dann müssen wir deutlich machen: Wie viele Stellen brauchen wir denn, damit diese Aufgaben erfüllt werden? Dann ist der Finanzminister Dienstleister. Er muss den Haushalt entsprechend vorbereiten, muss aufzeigen, ob die Einnahmen dazu ausreichen, um die Aufgaben zu bewältigen oder ob dafür mehr Einnahmen gebraucht werden oder ob die Aufgaben reduziert werden müssen. Das ist dann eine fachliche Debatte, die wir auf politischer Ebene miteinander führen müssen.
So wie es jetzt im Freistaat Sachsen ist, dass nämlich das Finanzministerium sagt, wie viel Geld vorhanden ist, dann 20 % davon abzieht, um es in irgendwelche Rücklagen zu stecken, damit auf jeden Fall nicht zu viel ausge
geben wird, und dann schaut, was mit diesem Geld noch machbar ist, läuft etwas falsch.
Wir sind uns, glaube ich, einig darin, deswegen haben alle demokratischen Fraktionen über das Thema Schuldenbremse miteinander gesprochen, dass wir die Verantwortung dafür haben, dass der Staat wirtschaftlich funktioniert und kein Geld zum Fenster hinausgeworfen wird. Niemand von uns will Schulden für Personalausgaben machen. Das ist überhaupt nicht so. Aber wenn jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, dann muss man Prioritäten setzen, und zwar sinnvolle Prioritäten. Die Prioritäten, die Schwarz-Gelb in den vergangenen Jahren gesetzt hat, sind die falschen. Das merken wir an den Zuständen, die wir beim Thema Bildung und beim Thema innere Sicherheit haben.
Deshalb noch einmal die Bitte: Geben Sie sich einen Ruck. Machen Sie Personalplanung so, wie man es eigentlich macht: erst die Aufgaben, dann das Geld.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, ich würde gern vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen.
Vielen Dank. – Da es Herrn Patt ja nicht möglich war, den Dialog mit mir zu führen, weil er meine Anfrage nicht beantworten wollte, machen wir es auf diese Art und Weise.
Ich habe in Ihrer Rede viele interessante Dinge gelernt. Ich habe zum einen gelernt, die Staatsregierung und Schwarz-Gelb verfolgen die Subtraktionspolitik – eine neue Vision für den Freistaat Sachsen. Ich habe gelernt, dass eine Medaille drei Seiten hat. Herzlichen Glückwunsch dazu! Vor allem aber habe ich gelernt, dass Sie mir nicht zugehört haben und dass Sie der Auffassung sind, die Bürgerinnen und Bürger hätten zu viele Wünsche an den Freistaat, zu viele Ansprüche an den Staat, die dieser erfüllen soll. Ich weiß nicht, mit welchen Bürgerinnen und Bürgern Sie zu tun haben. Ich kenne nicht viele Bürgerinnen und Bürger, die gesagt haben: Dieser Staat muss jetzt mal eine Imagekampagne für 32 Millionen Euro machen.
Ich kenne nicht viele Bürgerinnen und Bürger, die gesagt haben: Vor der Staatskanzlei muss diese 100 000-EuroTafel stehen, auf der aller drei Monate mal ein neues Plakat für die Imagekampagne hängt. Solche Bürgerinnen und Bürger kenne ich nicht. Aber ich kenne eine ganze Menge Bürgerinnen und Bürger, die den Anspruch an einen Staat haben, dass ihr Kind beschult wird, und zwar nicht ohne Unterrichtsausfall, aber mit so wenig Unterrichtsausfall wie möglich – in einer Schule, die in erreichbarer Nähe ist und in der gewährleistet ist, dass über das Jahr so viel Unterricht stattfindet, dass zum Halbjahr ein Zeugnis ausgestellt werden kann und nicht wegen fehlender Noten keines ausgestellt wird. Ich kenne auch eine ganze Menge Bürgerinnen und Bürger, die den Anspruch an den Staat haben, dass er für ihre Sicherheit sorgt.
Wenn Sie sagen, dass das für Sie überzogene Ansprüche sind, dann müssen wir das zur Kenntnis nehmen. Dann müssen die Bürgerinnen und Bürger es zur Kenntnis
nehmen und sich überlegen, ob Sie tatsächlich Verantwortung in der Politik ausüben können. Wir halten das für keine überzogenen, sondern für völlig legitime Ansprüche. Das, was überzogen ist, ist zuweilen die Ausgabenpolitik dieser schwarz-gelben Regierung in Aufgabenfeldern, die mit Prioritäten nichts zu tun haben.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Auch von der SPD ein herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro, natürlich auch an den Datenschutzbeauftragten selbst. Wir wünschen dem neuen Plenum die Weisheit, das Amt hier und da noch etwas zu stärken, beispielsweise mit einem Rederecht, einer weiter vorn platzierten Anordnung in der Tagesordnung oder mit einer den Aufgaben angemessenen Stellenausstattung.
Danke.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme zum vorherigen Redebeitrag. Ich bedanke mich erst einmal für das Lob, welches alle Ratsfraktionen trifft, dass sie sich dem Problem der steigenden Mieten in Dresden annehmen.
Das zeigt doch, dass wir ein Problem haben. Sie erzählen uns die ganze Zeit, dass wir in Sachsen kein Problem haben. Der Innenminister sagt, dass steigende Mieten überhaupt kein Thema seien. Wir erleben gerade in den Ballungszentren Dresden und Leipzig etwas anderes. Natürlich bemühen wir uns, mit verschiedenen Instrumenten Wohnraum herzustellen. Wir sind aber auf die Unterstützung des Landes angewiesen. Das wissen Sie ganz genau. Deswegen wäre es schön gewesen, hier von Ihnen zu hören, welche Unterstützung für die Kommunen geplant sind.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist, um steigende Mieten zu verhindern, das Wohnungsangebot zu vergrößern. In
Dresden gibt es quasi keinen Leerstand mehr. Das ist ein riesiges Problem. Deshalb benötigen wir neuen Wohnraum und Mehrgeschosswohnungen. Dies kann eine Kommune nicht alleine stemmen. Dafür benötigen wir die Unterstützung des Freistaates Sachsen.
Es wäre sehr gut, wenn die CDU die zweite Runde nutzen würde, um klar zu machen, wie Ihre Vorschläge und Konzepte aussehen, um mit dem Problem umzugehen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, Vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit seiner Regierungerklärung hat der Staatsminister eine Bilanz der Tätigkeit der Staatsregierung im Bereich Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau in den letzten fünf Jahren gezogen. Bei dieser Bilanz – ich habe vorher noch einmal den Koalitionsvertrag gelesen – ist mir aufgefallen: Wer sich von vornherein nicht viel vornimmt, der kann am Ende auch jubeln, wenn er nicht viel vollbracht hat. Insofern waren die Freude und Begeisterung des Staatsministers über das, was er alles tat, vollständig angemessen.
Was heißt „moderner Staat“ eigentlich? Geht es dabei wirklich um die Online-Bohranzeige beim Sächsischen Oberbergamt? – Ich denke nicht. Ich bin dankbar für den Entschließungsantrag der GRÜNEN – er wird später noch vorgestellt werden –; denn er macht ein wenig deutlich, worum es beim modernen Staat eigentlich geht. Modern heißt, auf der Höhe der Zeit zu sein. Er muss geeignete Antworten auf Fragen und Herausforderungen geben, die die Zeit stellt: Wie organisieren wir Bildung in einer technologischen Welt, in der immer mehr einfache Tätigkeiten wegfallen und die Anforderungen an uns Menschen immer komplexer werden? Wie organisieren wir Verkehr
und Energie in Zeiten des Klimawandels und stetig abnehmender Ressourcen? Wie organisieren wir gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten größerer Freiheit, aber auch viel größerer Ungleichheit? Wie organisieren wir Sicherheit in einer entgrenzten Welt, in der das Internet eine wichtige Rolle spielt?
Das sind die eigentlichen Fragen der Zeit, auf die ein moderner Staat Antworten finden muss. Ich denke, dass das, was hier zum Thema Staatsmodernisierung in Sachsen gesagt wurde, vollständig an dem vorbeigeht, was man sich eigentlich vornehmen muss.
Aber man will ja nicht ungerecht sein. Wir müssen die Staatsregierung ja nicht an dem messen, was wir in Sachen Staatsmodernisierung für richtig halten, sondern an dem, was sie selbst sich vorgenommen hat. Also schauen wir einmal in den Koalitionsvertrag. Ich will auch hier nicht ungerecht sein und bei den anderen nachschauen. Schauen wir einmal in den Bereich der Justiz. Was nimmt sich der Staatsminister für Justiz vor? – Zügige Verfahren an den Gerichten. Wie sieht es in der Realität aus? – Ich will ein Beispiel nennen, das hier schon häufig Gegenstand der Debatte war. Eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Freistaates hat sich zum Thema alterdiskriminierende Besoldung bei ihrem Arbeitgeber beschwert, weil sie nicht rechtmäßig behandelt werden.
11 000 Widersprüche wurden geschrieben, keinem wurde stattgegeben. Stattdessen lässt man die Leute klagen. Was heißt das für das Thema Bürokratieabbau? Wir haben einmal gefragt: Für eine solche Klage hat ein Richter im Durchschnitt 28 Minuten Zeit. Über 4 000 Klagen sind eingegangen. Ein Richter, 33 Jahre, wäre damit beschäftigt, und für die Vorbereitung und Bearbeitung all dieser Papiersachen muss das Landesamt für Steuern und Finanzen pro Klage 2 Stunden und 17 Blatt Papier aufwenden. Bei 4 000 Klagen ist das ein Kopierpapierpaketstapel von 100 Metern Höhe – und das bei einer kleinen innerorganisatorischen, internen Personalfrage, bei der es diese Staatsregierung nicht schafft, unbürokratisch und gesetzeskonform zu agieren. Uns dann etwas von Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung zu erzählen, ist schon recht vergnüglich.
Zweiter Punkt. Was haben Sie sich im Bereich Justiz – Moderner Strafvollzug – vorgenommen? Sie wollen einen modernen Strafvollzug organisieren, in dem die Resozialisierung und das Thema Übergangsmanagement, Vermeidung von Rückfällen die Hauptrolle spielen. Was haben wir in der Realität? Wir haben bis heute keine neue Justizvollzugsanstalt. Wir haben überlastete Bedienstete, einen Stellenabbau, der weit über das vertretbare Maß hinausgeht. Wir haben überfüllte Anstalten. Die JVA Dresden ist seit Monaten bei 110 bis 115 % Belegung.
Sie nannten das Thema Bürokratieabbau und das Standortegesetz. Dazu ist bereits einiges gesagt worden. Es soll
800 Millionen Euro einsparen. Das stimmt nicht. Der Stellenabbau, den Sie planen, spart 800 Millionen ein, aber eben auch die ganze Palette an Aufgaben, die nicht mehr erfüllt werden können. Sie sagten, ein Aufgaben- und Prozessmanagement sei eingeleitet worden, die Betreuungsverfügungen würden jetzt woanders aufbewahrt als früher, und beim Einkaufen der Kleidung für die Polizisten werde man neue Wege gehen. Das ist alles ganz interessant für die 4 Millionen Sächsinnen und Sachsen, glaube ich – aber eigentlich nicht so richtig. Das sind zum größten Teil Fragen der inneren Organisation Ihrer Verwaltung, das sind keine politischen Themen.
Respekt dafür, dass Sie versuchen, die innere Organisation Ihrer Verwaltung hinzubekommen! Aber das ist Ihr Job, dafür werden Sie bezahlt.
Ein Beispiel zum Thema Innere Organisation der Verwaltung und Bürokratieabbau, auch wieder ein winziges: Sie sagten, 2 800 Vorschriften seien es früher gewesen, 2 000 seien es jetzt. Sie hätten 800 staatliche Vorschriften abgebaut. Eine ist zum Beispiel die Verwaltungsvorschrift Ehrungen. Sie schrieb vor, wie Mitarbeiter in Staatsministerien und staatlichen Behörden, die beispielsweise ein Dienstjubiläum haben, geehrt werden. Diese Verwaltungsvorschrift ist weggefallen.
Super, nicht mehr 2 800, sondern 2 799! Allerdings hat dann sofort das Finanzministerium – denn irgendetwas muss ja geregelt werden – statt der Verwaltungsvorschrift ein Rundschreiben an alle Ressorts verfasst. Darin steht dann, wie die Grundsätze und Verfahren einzuhalten sind. Es heißt nicht mehr Verwaltungsvorschrift, das ist abgebaut. Ein Papier mit einer Regelung ist es trotzdem. Warum? Weil man solche Regelungen auch braucht.
Abschaffung der Vorkaufsrechte, Abschaffung der kommunalen Baumschutzsatzung – all dies wurde bereits erwähnt. Das, was Sie an vermeintlichem Bürokratieabbau betreiben, ist entweder keiner oder es verursacht tatsächlich mehr Probleme, als es löst. Beim Hochwasserschutz für die Kommunen haben wir wirklich ein Problem, dass Vorkaufsrechte nicht mehr ausgeübt werden können.
Aber wo Schatten ist, da ist auch Licht. Ich will die Online-Bohranzeige im Sächsischen Oberbergamt noch einmal hervorheben. 2 000 Online-Bohranzeigen – das ist ein großer Erfolg.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister, selbst wenn man die Regierung an ihren eigenen Zielen misst, ist die Bilanz eher dürftig und kein Grund
zum Beifall, erst recht nicht, wenn es darum geht, was ein moderner Staat eigentlich tun und leisten müsste. Der Trost für Sie, Herr Staatsminister, ist: Sie sind daran nicht allein schuld. Sie sind Teil der Staatsregierung, Teil der Koalitionsfraktionen, die eine solche Regierungsvereinbarung beschlossen haben. Das ist Ihr Trost. Der Trost für alle anderen ist der 31. August 2014, der Termin der nächsten Landtagswahl.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf eine Rede noch mal kurz eingehen, die mir sehr gut gefallen hat. Das war die Rede von Herrn Kollegen Hartmann von der CDUFraktion. Er sagte, wir brauchen Prävention, wir brauchen Beratung, wir brauchen Repression. All das, was er dazu ausgeführt hat, war sehr vernünftig.
Das Problem ist: Zwischen den Worten und den Taten, die Sie unternehmen, klaffen Welten. Sie sagen, wir brauchen Prävention. Aber von ursprünglich über 200 Präventionsbeamten bei der Polizei gibt es künftig nur noch 35. Wie soll denn der schöne Punkt der Rede von Herrn Hartmann erfüllt werden?
Dann kommt: Dann müssen das die Schulen irgendwie machen. Meine Kollegin Frau Neukirch hat es angesprochen. Schulsozialarbeiter in allen Schulen lehnen Sie aber genauso ab.
Schöne Worte, keine Taten!
Zum Thema Repression: Verfolgung durch Polizei und Justiz sei erforderlich, ein hoher Kontrolldruck usw. usf. Sie haben da völlig recht. Herr Hartmann, der so redet, kennt sich aus – er war bei der Polizei. Drogendelikte sind Holkriminalität. Da muss die Polizei unterwegs sein, muss eine Kontrolle machen. Wer heute die Zeitung gelesen hat, hat das mitbekommen. Eine Fahrradstreife hier in Dresden wollte eigentlich kontrollieren, ob die Leute ordentlich Fahrrad fahren, und schnappt einen Drogendealer auf.
Wenn aber so wenig Polizei da ist, dass anlasslose Kontrollen gar nicht mehr durchgeführt werden können, dann können Sie diesen hohen Kontrolldruck gar nicht entfalten.
Das Problem ist, dass die schönen Worte, die Herr Hartmann hier gebracht hat, mit Ihren Taten überhaupt nicht übereinstimmen. Sie bauen bei der Polizei Stellen ab, Sie schließen 30 von 70 Revieren in Sachsen. Dann kommt Herr Karabinski und sagt: Da muss die Bundespolizei ran; da müssen die Tschechen irgendetwas machen. Das ist dann immer der Ruf nach den anderen, die Forderung, dass irgendjemand erkennen muss, dass es hier in Sachsen ein Problem gibt.
Es ist aber Aufgabe einer Regierungskoalition zu erkennen, dass es ein Problem gibt, und dieses Problem dann auch zu lösen. Diesen Aufgaben kommen Sie überhaupt nicht hinterher. Bei der FDP ist das jetzt nicht so verwunderlich.
Zur CDU kann ich nur sagen: Entschuldigung, Sie haben früher anders Politik gemacht, als Sie noch nicht die
Werbeagentur zum Koalitionspartner hatten. Da haben Sie auch umgesetzt, was Sie gesagt haben.
Heute sind es schöne Worte, aber nichts dahinter. Das ist unehrlich und unanständig. Ich bitte Sie nur herzlich, wenn wir alle miteinander über den August kommen, dass sich diese Art von Politik wieder ändert, dass man nicht nach außen hin sagt, man würde tolle Dinge tun, und in Wirklichkeit aber genau das Gegenteil verzapft und versucht, alles unter den Teppich zu kehren. Wer Crystal bekämpfen will, der muss eine starke, leistungsfähige Polizei in Sachsen erhalten.
Vielen Dank.
Herr Präsident, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde im Grunde wahrscheinlich dasselbe sagen wie Herr Kollege Bartl, nur ein wenig kürzer. Wir halten die von der Fraktion GRÜNE vorgeschlagenen Änderungen für sinnvoll. Wir halten es auch grundsätzlich für richtig, die Sächsische Verfassung bei Bedarf öfter als einmal im Vierteljahrhundert zu ändern. Wir haben aber auch den Eindruck, dass sowohl der Zeitpunkt als auch die Art und Weise, wie das Unterfangen gestartet wurde, nicht auf hundertprozentige Ernsthaftigkeit schließen lässt und halten es für wenig fruchtbringend, wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode eine solche Verfassungsdiskussion zu führen.
Wir haben im Zuge der Debatte um die Schuldenbremse deutlich gemacht, dass auch wir uns weitere Änderungen an der Verfassung wünschen. Sie gehen in ähnliche Richtung beim Thema Bürgerbeteiligung und der Vereinfachung der direkten Demokratie. Ein ganz wichtiges Thema ist für uns die Sicherung der kommunalen Finanzausstattung. Das haben wir ja schon geschafft mit dem, was bei der letzten Verfassungsänderung beschlossen worden ist. Ich würde mich freuen, wenn wir in der nächsten Legislaturperiode einen weiteren Entwurf von uns oder von anderen Fraktionen zur Grundlage nähmen, um in ähnlicher Weise konsensorientiert die Debatte in Ruhe und über alle Bereiche der Verfassung hinweg führen zu können.
Wir würden uns heute aus diesen Gründen bei diesem Tagesordnungspunkt nur der Stimme enthalten und freuen uns auf die nächste Legislaturperiode und eine tiefgründige Diskussion.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Herrmann hat vorhin auf eine Entwicklung hingewiesen, die ihr in Bezug auf diese Aktuelle Debatte sehr wichtig erscheint – ich teile diese Einschätzung –: Bei uns im Freistaat Sachsen hat ein Umdenken stattgefunden, was den Umgang mit Menschen betrifft, die geflüchtet sind, die in Not sind und unsere Hilfe suchen.
Dass dieses Umdenken stattgefunden hat, ist das Verdienst vieler, auch vieler engagierter Bürgermeister – Herr Staatsminister, Sie waren ganz vorn mit dabei –, die gesagt haben: Wir müssen hier etwas tun, wenn wir in Sachsen weltoffener werden und mehr Willkommenskultur zeigen wollen. Das ist auch das Verdienst der von unserem Haus gewählten Ausländerbeauftragten, die immer wieder dafür gekämpft haben. Das gilt nicht nur für Herrn Gillo, sondern auch für seine Vorgänger. Schließlich ist es ein Verdienst der vielen Initiativen und Vereine, letztlich aller Menschen, die sich engagieren, ob aus humanistischen Idealen oder aus christlicher Nächstenliebe. Das alles hat dazu beigetragen, dass wir hier in
Sachsen einen neuen, anderen, verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema „Flüchtlinge und Asyl“ gefunden haben.
Absurderweise tragen auch die Hasstiraden der NPD dazu bei, dass wir Flüchtlinge besser, menschenwürdiger behandeln; denn die NPD führt uns jedes Mal vor Augen, wohin wir kämen, wenn wir mit diesem Denken unterwegs wären.
Das Unterbringungs- und Kommunikationskonzept liegt uns nicht formal als Drucksache vor. Insofern können wir nur auf das zurückgreifen, was die Staatsregierung in einer Presseerklärung mitgeteilt hat und was uns der Staatsminister hier vorgetragen hat. Die wichtigen Themen sind schon angesprochen worden.
Ich habe es so verstanden, dass der Finanzierungsvorbehalt bei der Sozialarbeit nur formal bestehe. Ich hoffe sehr, dass dem wirklich so ist; aber das glaube ich erst, wenn ich den neuen Haushalt sehe.
Den Schlüssel 1 : 150 halte ich für nicht besonders glücklich. Man kann sich vorstellen, dass Menschen in Not viel Beratungsbedarf haben; angesichts dessen ist dieser Schlüssel ein sehr niedriger.
In dem Konzept heißt es – das ist ein großer Schritt –, dass Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft und Kultur integriert werden sollten. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist Spracherwerb. Wir machen so lange halbe Sachen, solange wir Asylbewerberinnen und Asylbewerbern den Spracherwerb nicht ermöglichen bzw. sie dabei nicht unterstützen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der noch fehlt.
Zum Frühwarnsystem: Wir hören, dass es das Ziel sei, Spannungen frühzeitig zu erkennen, damit man eher auf sie reagieren und ihnen vielleicht sogar vorbeugen könne. Das halte ich für einen wichtigen Ansatz. Ich verstehe auch unser Plenum als Frühwarnsystem und spreche jetzt eine frühe Warnung aus: Es ist zwar an sich gut, dass der Freistaat Sachsen neue Erstaufnahmeeinrichtungen
schafft. Der für die neue Erstaufnahmeeinrichtung in Dresden ins Auge gefasste Standort – zwischen Justizvollzugsanstalt, Mülldeponie und Polizeipräsidium – ist aber denkbar schlecht. Wenn wir es ernst meinen mit Integration und mit dem Ziel, wie es im Konzept niedergelegt ist, dass sich Flüchtlinge ehrenamtlich in Vereinen engagieren und generell in Austausch mit der Gesellschaft kommen, dann dürfen wir sie nicht am Stadtrand, in der Schmuddelecke der Landeshauptstadt, verstecken.
Das wäre absolut das falsche Signal.
Die zentralen Akteure hat der Staatsminister benannt: Bürgerinitiativen, Feuerwehren, Sportvereine. Das sind alles wichtige Akteure.
(Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine totale Diskreditierung der deutschen Bevölkerung! – Karl Nolle, SPD: Pöbeln Sie doch einfach in Ihrem Parteibüro! – Jürgen Gansel, NPD: Was willst du denn? Geh in die Kantine!)
Wir freuen uns sehr, dass diese Akteure diese Aufgaben annehmen und sich gemeinsam engagieren wollen.
Ein weiterer zentraler Akteur sind und bleiben staatliche Behörden. Diese senden immer wieder Signale, wenn es darum geht, wie Flüchtlinge behandelt werden bzw. wie sie nicht behandelt werden sollten. Insofern freue ich mich einerseits, dass sich der Freistaat Sachsen mit diesem Konzept auf den Weg macht. Andererseits – Stichwort: neuer Standort – habe ich das Gefühl, dass dieser gemeinsame Weg noch sehr lang ist. Wir müssen ab und an aufpassen, dass wir nicht aus der Kurve getragen werden.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor knapp zwei Jahren, im Juli 2012, hat die schwarz-gelbe Koalition hier im Landtag eine Novelle des Rettungsdienstgesetzes beschlossen. Wesentlicher Bestandteil dieser Novelle war die Verankerung einer Ausschreibungspflicht. Künftig muss der Rettungsdienst in allen sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten vom Träger europaweit ausgeschrieben werden. Der Wettbewerb, so hieß es damals in den Reden, sei nicht nur europarechtlich vorgegeben, sondern auch gut und vernünftig, denn er werde die Qualität des Rettungsdienstes verbessern.
Es gab durchaus kritische Stimmen zu diesem Gesetzentwurf. Die Befürchtung war, dass der Wettbewerb nicht das Positive hervorbringe, was von der Koalition so benannt worden ist, sondern – im Gegenteil – dass er die Qualität im Rettungsdienst gefährdet, weil er zu Lohndumping führen wird; denn bei den Ausschreibungen entscheidet über den Zuschlag im Wesentlichen der Preis.
Über viele Wochen hat deshalb damals die Initiative „Rettet den Rettungsdienst“ mobil gemacht. Wir haben geholfen, Unterschriften gesammelt, am Ende eine mit 30 000 Unterschriften ausgestattete Massenpetition im Landtag eingereicht. Auch das hat nicht geholfen, den Gesetzentwurf wesentlich zu verändern. Es gab ein paar kleine Zugeständnisse – immerhin –, doch die Ausschreibungspflicht blieb bestehen.
Ich habe mir noch einmal das Protokoll der Sitzung von damals angeschaut. Herr Karabinski und Herr Hartmann sprachen für die Koalition. Herr Hartmann machte uns deutlich, dass der Preis nicht entscheide. Er sagte, es entscheide nicht nur der Preis. Es sei eine Angstmacherei, was hier im Hinblick auf das Preisdumping passiere. Herr Karabinski war noch ein bisschen ausführlicher und deutlicher. „Das von Ihnen an die Wand gemalte Lohndumping im Rettungsdienst“, so sagte er, „wird es nicht geben. Hören Sie endlich auf, den Mitarbeitern Sand in die Augen zu streuen.“ Weiter sagte Herr Karabinski: „Wie alle bisherigen Horrorszenarien der Opposition, von der Schließung aller Schulen und Hochschulen über die Abschaffung der Polizei bis hin zur Stilllegung aller ÖPNV-Strecken, wird auch der Zusammenbruch des Rettungsdienstes nicht eintreten.“
Da haben Sie recht, Herr Karabinski. Der Zusammenbruch des Rettungsdienstes ist nicht eingetreten, die Polizei wurde nicht abgeschafft, die Schulen wurden nicht geschlossen und der ÖPNV wurde nicht überall stillgelegt.
Aber schauen wir uns die anderen Themenbereiche einmal an: Bei der Polizei haben Sie ganz schön gepflügt und 30 von 70 Revieren geschlossen. Was die Stilllegung von ÖPNV-Strecken angeht, so können Sie sich auch einmal im ländlichen Raum umhören, um zu erfahren, wie das ankam. Das Thema Schulen und Hochschulen spreche ich lieber nicht an. Da haben wir oft genug hier im Plenum die Probleme zusammenkehren müssen, die Sie verursacht haben.
Und wir kehren weiter – heute beim Rettungsdienst. Solange eine Struktur nicht vollständig zusammenbricht, ist sie also gut? Das, was Sie damals getan haben, nämlich das Land herunterzuwirtschaften und die Dinge schönzureden, das kenne ich eigentlich eher aus DDR-Zeiten, die auch ich erlebt habe.
Also, wir haben im Februar dieses Jahres eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Wir wollten wissen, was das Ergebnis der Ausschreibungen ist, die schon gelaufen sind. Sind denn die Aussagen von damals, man brauche keine Angst vor Lohndumping zu haben, der Wettbewerb würde keinen Schaden verursachen, zutreffend? Die Staatsregierung konnte uns das nicht beantworten. Die Staatsregierung sagte uns: „Der Staatsregierung liegen keine Erfahrungen aus den bisherigen Ausschreibungen des bodengebundenen Rettungsdienstes vor.“
Eigentlich ist es ja schlau, sich darüber kundig zu machen, welche Folgen Gesetze haben, die wir hier beschließen. Man muss ja gar nicht selbst auf Erkundung gehen; es würde reichen, wenn die Staatsregierung Zeitung lesen würde.
Die „Sächsische Zeitung“ schrieb am 1. Februar zur Ausschreibung im Landkreis Meißen: „Zwei Wochen nach der Übernahme hat der erste Mitarbeiter seine Kündigung erhalten.“ Den MDR-Bericht haben Sie möglicherweise zur Kenntnis genommen.
Wir haben aber nicht nur im Landkreis Meißen eine Ausschreibung gehabt, sondern auch eine in Nordsachsen. Ich möchte gern aus dem Arbeitsvertrag zitieren, der mir aus dem Landkreis Nordsachsen zugegangen ist und der den Mitarbeitern dort angeboten wird. Darin heißt es: „Zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht Einvernehmen darüber, dass der Arbeitnehmer
aufgrund des Betriebsübergangs das Recht hat, sämtliche Vertragsbedingungen beim neuen Arbeitgeber uneingeschränkt fortzuführen. Es ist jedoch der ausdrückliche Wunsch des Arbeitnehmers, einen neuen Anstellungsvertrag mit dem Arbeitgeber zu den nachfolgend beschriebenen Konditionen abzuschließen.“
Was unter den „nachfolgend beschriebenen Konditionen“ zu verstehen ist, kann man sich leicht vorstellen: eine niedrigere Eingruppierung in einen Tarifvertrag mit einer zweifelhaften Gewerkschaft, eine erneute Probezeit von sechs Monaten für altgedientes Personal, die Möglichkeit zur Überlassung in Tochtergesellschaften. Das ist das, was Mitarbeitern dort angeboten worden ist.
Da kann man natürlich sagen: Okay, die müssen ja nicht so doof sein und das unterschreiben. Das mag sein. Sie müssen das nicht. Viele machen es trotzdem aus Sorge um den Arbeitsplatz, aus Sorge darum: Was wird mit mir, was wird mit meiner Familie, was wird mit meiner Existenz, wenn ich dieses Angebot nicht annehme? Als Rettungssanitäter kann ich nicht einfach irgendwo anders hingehen. Das gesamte Los ist ausgeschrieben, zum neuen Anbieter übergegangen, und es gibt auch in der Region keinen anderen Arbeitgeber, zu dem ich alternativ wechseln könnte.
Sie alle hat in den letzten Tagen ein Brief erreicht, den uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst geschrieben haben. Er ist anonym geschrieben. Ich habe es in den letzten Jahren oft erleben müssen, dass mir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzählen, wie die Lage ist, aber auch sagen: Bitte verwenden Sie meinen Namen nicht, bitte erzählen Sie nicht weiter, dass ich das gesagt habe, ich habe hier schon Schwierigkeiten genug.
Ich will Ihnen einige Passagen aus diesem Brief vorlesen: „Mit Bekanntwerden der Ausschreibungsergebnisse
sollten Mitarbeiter schon vor dem 01.01.2014“ – da ist der Übergang zum neuen Anbieter erfolgt – „neue Verträge unterschreiben. Gehaltsunterschiede von 300 bis 600 Euro und der Verlust der Besitzstandszulagen sind damit verbunden. Am Neujahrstag erfolgte die Bekanntgabe, dass Gehälter über Monate nur als Abschlag, 1 200 Euro brutto, gezahlt werden. Nur unter starkem Protest unsererseits erfolgten richtige Gehaltszahlungen. Mitarbeitern werden bis heute falsche Gehaltsgruppen bezahlt oder einfach mal gekürzt, und das wird dann als Missverständnis hingestellt. Zustehende Kindergeldzulagen werden nicht oder nur teilweise bezahlt. In den zwei Monaten seit dem 1. Januar gab es so viele Abmahnungen und ‚nette Gespräche‘ mit Geschäftsleitungen, wie die rund 80 Mitarbeiter im Laufe des alten Berufslebens nicht erfahren hatten.“
„Wir Rettungsdienstmitarbeiter,“, so heißt es weiter, „die durch den Betriebsübergang nach § 613 a eigentlich im Recht sein müssten, lassen uns seit Jahresbeginn von vielen Rechtsanwälten vertreten, um unser Recht zu bekommen. Eigentlich wollten wir nach Jahren und Jahrzehnten Berufserfahrung trotz Arbeitgeberwechsels nur unsere Arbeit zum Wohl des Notfallpatienten fortfüh
ren, ohne zusätzliche Belastungen. Aber die Kraft, die wir für unsere Arbeit brauchen, geht zurzeit vielen verloren.“
„Sehr geehrte Damen und Herren des Sächsischen Landtags,“ – so heißt es weiter in dem Brief – „wir als Wähler in diesem Land fragen alle Parteien im Landtag: Ist das gewolltes Recht? Geht es im Land Sachsen bei der Notfallrettung nur um günstige Anbieter, oder sind es andere Gründe? Wir wollen eigentlich nur unsere Arbeit weitermachen, egal, in welcher Organisation.“
Ich halte diesen Brief nicht für an den Haaren herbeigezogen; denn das, was hier berichtet steht, finden wir auch in anderen Briefen, die uns zugehen, und auch in Interviews in der Zeitung, die mit Geschäftsführern von Wohlfahrtsverbänden geführt werden. Da ist der Geschäftsführer eines Verbandes darauf angesprochen worden, dass es nach dem Übergang Gehaltsunterschiede gibt, dass es Mitarbeiter mit alten und mit neuen Verträgen gibt, die in einem Auto sitzen, wobei der eine 500 Euro mehr als der andere verdient, weil er sich rechtlich gewehrt und das Glück hatte, seinen alten Vertrag zu behalten.
Dieser Geschäftsführer sagt – ich glaube, auch in der „Sächsischen Zeitung“ –: „Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und doch werden diese Gehaltsunterschiede in einem langen Prozess herauswachsen müssen. So werden Mitarbeiter, die ihre alten Verträge behalten wollen,“ – das sind die, die dann mehr Geld bekommen –, „ihren Besitzstand auch wahren können. Die Unterschiede werden sich dann über Jahre annähern, weil diese Mitarbeiter eben keine Tariferhöhungen mitmachen.“ Im Klartext: Die Gehälter passen sich an – nach unten.
Das ist die Perspektive, vor der wir vor zwei Jahren gewarnt haben. Das ist die Perspektive, die 30 000 Leute dazu gebracht hat zu unterschreiben. Das ist die Perspektive, die wir Ihnen aufgezeigt haben, bevor das Gesetz verabschiedet worden ist. Sie haben sich in der Koalition mit Ihrer Mehrheit anders entschieden. Das ist so. Damit müssen wir leben. Für uns ist das kein hartes Schicksal, aber für die Leute, die zu diesen Bedingungen arbeiten müssen, für die Leute, die jetzt übergehen, deren Arbeitsverhältnisse zu wesentlich schlechteren Konditionen neu sortiert werden, ist das ein Riesenproblem.
Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass sich die Staatsregierung kundig macht, sodass wir nicht auf anonyme Briefe angewiesen sind, um herauszufiltern, welche Auswirkungen die Ausschreibungen in den Landkreisen hatten. Wir möchten außerdem erreichen, dass die Staatsregierung und Sie als Regierungskoalition etwas tun, was Sie vor zwei Jahren auch vorgegeben haben zu tun, nämlich europäische Vorgaben zu erfüllen.
Vor zwei Jahren haben Sie uns erzählt, wir müssten die Ausschreibungspflicht einführen, denn das sei europapolitisch so vorgesehen und gewollt. Mag sein. Kein halbes Jahr, nachdem wir, nachdem Sie das Gesetz verabschiedet haben, fiel in der Europäischen Union eine große Debatte über das Thema Rettungsdienste an, unter anderem angestoßen durch eine Bundesratsinitiative, die der
Freistaat Sachsen mit unterstützt hat. Jetzt haben wir von der Europäischen Union einen Beschluss vorliegen, der sagt, die Rettungsdienste sind von der Ausschreibungspflicht ausgenommen. Lassen Sie uns bitte diese Chance nutzen und die Rettungsdienste auch im Freistaat Sachsen wieder von der Ausschreibungspflicht ausnehmen.
Ich will zum Schluss noch einen Absatz aus dem Plenarprotokoll von vor zwei Jahren zitieren, der auch Herrn Karabinski zu verdanken ist. Dieser lautete: „Frau Friedel, ich muss Ihnen noch etwas zu Ihrem Vortrag sagen. Es ist nicht sachgerecht, wenn Sie hier auf die Tränendrüse drücken. Sie müssen uns nicht acht Mal sagen, dass es hier um Menschen geht. Das wissen wir selbst. Es geht um die Mitarbeiter des Rettungsdienstes, die Patienten und diejenigen, die den Rettungsdienst rufen. Das wissen wir alles.“ Das haben Sie vor zwei Jahren gesagt.
Handeln Sie doch bitte jetzt auch danach und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf das Negativbeispiel Chemnitz eingehen, das Herr Karabinski angesprochen hat. Herr Hartmann hatte gesagt: Wir haben mit dem Gesetz einen Handlungsrahmen geschaffen, in dem sich die Kommunen bewegen können. Das ist so nicht ganz richtig.
Der Handlungsrahmen ist ausgesprochen eng. Herr Kollege Bartl hat den entsprechenden Paragrafen vorgelesen. Selbst wenn man hier und dort noch etwas machen kann, wissen Sie, dass die Vergaben nicht nur nach dem BRKG erfolgen, sondern sie müssen natürlich auch mit dem Sächsischen Vergabegesetz konform sein. Sie erinnern sich vielleicht an die Debatte, die wir zum Sächsischen Vergabegesetz mehrfach geführt haben. Dieses Vergabegesetz lässt keine sogenannten vergabefremden Kriterien zu. Das lässt es nicht zu und ist etwas anderes, da nur der Preis in Anschlag kommt, wenn es um die Vergabe von Leistungen geht.
Sie haben sich immer dagegen gewehrt, dass dieses Vergabegesetz geändert wird: Wir wollten eine Änderung des Vergabegesetzes und haben einen entsprechenden Antrag gemeinsam mit den GRÜNEN und den LINKEN eingebracht. Es nützt hier nichts, über Negativbeispiele zu diskutieren. Das Gesetz haben Sie gemacht.
Sehr gern.
Nein, Herr Hartmann, ich kann Ihnen das leider nicht bestätigen. Ich war bei zahlreichen Gesprächen dabei, die sich genau um diese juristische Materie rankten. Die Kommunen haben sich auch – das wissen Sie – von Anwaltskanzleien im Zuge der Ausschreibung des Rettungsdienstes beraten lassen. Diese haben deutlich gemacht, dass hierbei der rechtliche Spielraum sehr gering ist.
Insofern kann ich Ihnen Ihre Frage leider nur mit einem Nein beantworten. Der Grund dafür sind Ihr Rettungsdienstgesetz und Ihr Vergabegesetz.
Ich komme zum zweiten Punkt, der angesprochen worden ist. Mir geht es um die Diskreditierung einer Hilfsorganisation.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht haben Sie heute die Zeitung gelesen. Dort habe ich noch einmal deutlich gemacht: Mir geht es nicht um die Hilfsorganisationen, mir geht es um die Koalition. Dass diese keine Hilfsorganisation ist, haben wir in den letzten vier Jahren mit der Politik, die Sie machen, kennengelernt.
Die Hilfsorganisationen können sich doch nur in dem Rahmen bewegen, den Sie mit Ihrem Gesetz vorgeben. Ihr Gesetz hat die Logik des Preiswettbewerbs. Es ist völlig nachvollziehbar, dass die Hilfsorganisationen in dieser Logik agieren müssen. Deswegen mache ich weder dem Deutschen Roten Kreuz noch irgendjemand anderem den Vorwurf, dass sie so handeln, wie Ihr Gesetz es vorsieht. Der Vorwurf geht an Sie als Koalition. Sie machen die Rahmenbedingungen zur Ausschreibung des Rettungsdienstes. Sie sind so einseitig wirtschaftlich orientiert, dass den Hilfsorganisationen gar nichts anderes übrig bleibt, als gegen ihr gutes Image mit solchen Methoden die Vergaben zu erlangen.
Zum dritten Punkt, Herr Hartmann: Sie haben gefragt, was denn Lohndumping sei. Ich kann Ihnen sagen, was Lohndumping ist. Ich kann mir auch nicht erklären, wie die Differenz zwischen dem, was die Kassen erstatten, und dem, was ein Rettungsdienstmitarbeiter auf dem Lohnzettel stehen hat, zustande kommt. Ich habe es noch nicht verstanden. Fakt ist aber: Das, was auf dem Lohnzettel steht, ist nicht besonders „doll“. Es sind im Durchschnitt 1 800 Euro brutto für einen Job mit 48 Wochenstunden, der physisch und psychisch extrem anstrengend ist.
Wenn Sie nun fragen, was Lohndumping ist, dann sage ich Ihnen: Ich habe Arbeitsverträge und auch Gehaltsabrechnungen von Mitarbeitern bei Kreisverbänden gesehen, bei denen Haustarifverträge abgeschlossen worden sind. Da stehen auf diesem 48-Wochenstunden-Lohnzettel am Ende des Monats nicht 1 800 Euro, sondern 1 300 Euro brutto für einen Schichtdienst, in dem man kranken Leuten hilft, Leute von der Unfallstelle auf der Straße holt und alte Menschen hin- und herfährt. Das kann nicht sein. Sie haben alle selbst gesagt, dass das eine verantwortungsvolle und anstrengende Tätigkeit ist. Da darf niemand mit 1 300 oder 1 500 Euro brutto nach Hause gehen.
Nebenbei: Sie sagen, dass uns pauschale Kritik nicht weiterbringt. Ich habe versucht, Ihnen die Einzelfälle – Meißen, Nordsachsen, dieser Kreisverband – aufzuzählen; das ist Lohndumping.
Noch ein Wort zum Schluss, und dann nehme ich das auch als Schlusswort, es sei denn, die Staatsregierung fordert mich noch sehr heraus. Sie haben gesagt, der Antrag erzeuge eine Erwartungshaltung. Das stimmt so nicht. Der Antrag transportiert eine Erwartungshaltung. Die Erwartungshaltung besteht bereits. Sie besteht seit vielen Jahren. Sie besteht seit mindestens zwei Jahren, als wir das letzte Mal über das Gesetz diskutiert haben. Die Erwartungshaltungen bestehen bei den Rettungsdienstmitarbeitern, seit sie gelesen haben, es sei gar nicht mehr so, dass die EU uns vorgibt, dass wir ausschreiben müssen. Warum macht denn der Landtag dann nichts? Die Erwartungshaltung ist da. Wir geben ihr hier lediglich eine Stimme. Wir machen sie öffentlich. Das ist genau der richtige Platz und nicht der Facharbeitskreis der CDU; da komme ich auch gern einmal vorbei und erkläre Ihnen das.
Aber hier gehört die Erwartungshaltung aus der Bevölkerung hin. Sie hierher zu bringen und verantwortlich damit umzugehen, das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Deshalb bitte ich Sie noch einmal: Stimmen Sie doch wenigstens dem Anliegen zu, dass ein Bericht erstellt werden soll und dass die Staatsregierung – die übrigens nicht der Diskontinuität unterliegt – für das Vorbereitungen trifft, was auch Sie angekündigt haben: nämlich eine Novellierung des Gesetzes im Anschluss an die Landtagswahl.
Vielen Dank.
Vielen Dank. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Terminierung des CDU-Parteitags auch schon erfolgt, bevor der Termin offiziell durch die Staatsregierung bekannt gegeben worden ist, weil faktisch schon klar war, wann es stattfindet. Es ist aus dieser Perspektive auch klug, sich auf zu erwartende Entscheidungen vorzubereiten.
Wäre es nicht klug, wenn sich auch die Staatsregierung auf die zu erwartenden Entscheidungen vorbereitet?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, das haben wir jetzt gehört, hat die wesentliche Forderung, das Verhandlungsmandat neu aufzusetzen, um zu erreichen, dass so verhandelt wird, dass die geltenden Standards im sozialen Bereich, im Umwelt- und in anderen Bereichen in der Europäischen Union bei einem Abkommen nicht aufgeweicht werden, dass eine öffentliche Beteiligung erfolgt und dass kein Schiedsverfahren zum Investorenschutz stattfinden soll. Diese Punkte unterstützt die SPD-Fraktion sehr. Wir sehen nur nicht die Notwendigkeit, dass dafür die Verhandlungen aufgegeben und neu gestartet werden sollen.
Wir wissen, dass es erstens eine öffentliche Beteiligung geben wird. Man hat sich darauf verständigt, dass es eine dreimonatige öffentliche Konsultationsphase zu Beginn dieses Jahres zur Klärung des Vorgehens zum Investitionsschutz in den Verhandlungen mit den USA geben wird, und die Ergebnisse werden in die Verhandlungen einfließen. Insofern sehen wir diesen Punkt als aufgenommen an.
Zweitens. Die geltenden Standards nicht zu unterschreiten ist immer die Position der SPD gewesen, die als Bestandteil der Bundesregierung nicht verhandelt, sondern nur auf die Kommission Einfluss nimmt. Die SPD hat im Bundestag immer sehr deutlich gemacht, dass die geltenden Standards nicht unterschritten werden sollen und dass das ein Maßstab sein wird, an dem die SPD das Verhandlungsergebnis misst.
Drittens. Zum umstrittenen Schiedsverfahren beim Investorenschutz haben wir schon im September 2013 – das war also nicht die Entdeckung der GRÜNEN – öffentlich sehr deutlich gemacht, dass es das mit uns nicht geben wird, und ich lese Ihnen gern aus einer Pressemit
teilung der SPD-Bundestagsfraktion vor: „Wir haben den EU-Kommissar aufgefordert, im Kooperationsabkommen keine Schiedsverfahren zwischen Investoren und dem jeweiligen Gaststaat zuzulassen. Dieses Streitverfahren“ – so heißt es darin meines Erachtens völlig zu Recht – „bietet die Möglichkeit von Schadenersatzklagen vor privaten internationalen Schiedsgerichten und ist häufig einseitig auf die Interessen der Investoren ausgerichtet. Es besteht die Gefahr, dass die öffentliche Hand bei solchen Schiedsverfahren in Haftung für private Investitionen in Milliardenhöhe genommen wird. Deswegen spricht sich die SPD gegen solche Schiedsverfahren aus. Für alle Investoren müssen der ordentliche Rechtsweg und das Rechtsschutzsystem in dem Staat, in dem investiert wird, bindend sein.“
Das sind die drei Punkte, die Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben. Sie sehen, wir unterstützen alle drei Punkte. Wir sehen nicht, dass es dafür erforderlich ist, eine Bundesratsinitiative zu starten und die Aussetzung auf den Weg zu bringen, sondern diese Punkte spielen bereits bei den Verhandlungen eine Rolle. Wir werden sehr genau hinschauen, dass sie am Ende so eingehalten werden, wie wir das für richtig halten.
Insofern werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, uns aber gern enthalten, da wir ihn grundsätzlich unterstützen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die SPD-Fraktion wird dem Antrag ihre Zustimmung erteilen. Auch wenn wir gerade von Herrn Kollegen Schiemann gehört haben, dass niemand in diesem Hohen Hause dem Antrag zustimmen könne – meine Vorrednerin hat erklärt, dass die Linksfraktion dem Antrag zustimmt –, scheint das nicht ganz der Wahrheit zu entsprechen.
Was war Ihr Argument? Ihr Argument war, man könne dem Antrag der GRÜNEN, der ohne Zweifel zum Teil schon erledigt ist, uns zum Teil aber auch Aspekte in Erinnerung ruft, die wichtig sind, nicht zustimmen, weil er gegenüber den Strafverfolgungsbehörden eine Anklage formuliere. Ich weiß nicht, ob das die Antragstellerin so intendiert. Ich verstehe den Antrag nicht so. Wir reden über rechtsextreme Gewalt, und anzuklagen sind allein die, die Gewalttaten begehen oder deren Propaganda solche Gewalttaten verursacht. Die sind anzuklagen – niemand sonst.
Was wir aber alle gemeinsam tragen – wir als Abgeordnete genauso wie die Strafverfolgungsbehörden; ich glaube, darum geht es der Antragstellerin –, ist die Verantwortung, solche Taten zu ahnden, und die Verantwortung, ein gesellschaftliches Klima und eine Struktur der Strafverfolgung zu erschaffen, das Prävention ermöglicht und Prävention betreibbar macht.
Nun haben Sie gesagt, Sie können nicht erkennen, dass es im Freistaat Sachsen ein Wegschauen gibt, ein Wegschauen gebe es im Freistaat Sachsen nicht. Dazu kann man sicher verschiedener Meinung sein. Wir haben in den letzten 20 Jahren den Eindruck gewonnen, dass es Zeiten gab, in denen sehr stark weggeschaut worden ist.
Wir haben aber auch den Eindruck, dass sich das gewandelt hat. Was man, glaube ich, gemeinsam feststellen muss, ist, dass sich Fragen eröffnen – egal, ob nun weggeschaut worden ist oder nicht. Wenn man sich die polizeiliche Kriminalstatistik anschaut, stellt man fest, dass wir bei der politisch motivierten Kriminalität rechts im Jahr 2011 84 Gewalttaten zu verzeichnen haben. Die zivilgesellschaftliche Opferberatung registrierte im
gleichen Zeitraum aber 186 rechts motivierte Angriffe gegen Menschen. Das ist eine große Differenz. Die Frage ist: Wie kommt diese zustande? – Vielleicht ist es ein statistischer Zufall, aber 2012 lese ich dasselbe Bild: PMK-rechts-Gewaltdelikte in unserer staatlichen Statistik und Erfassung: 58. Gemeldete Angriffe rechtsextrem motiviert auf Personen bei der Opferberatung: 155. Da muss uns doch eine Frage wachrütteln: Woher kommt diese Differenz? Wie kommt es, dass ungefähr drei Mal so viele rechtsextreme politisch motivierte Gewaltdelikte bekannt werden, als bei uns in der Statistik auftauchen? Wir haben gemeinsam die Verantwortung, der Frage nachzugehen – ich glaube, darum geht es den GRÜNEN –: Kann es an den Methoden unserer Erfassung liegen?