Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

ich Ihnen auch noch einmal sagen, dass 300 Neueinstellungen pro Jahr erstens lächerlich sind, da nur 260 davon ankommen, und zweitens ungefähr 460 jedes Jahr aus Altersgründen ausscheiden. Sie können damit überhaupt nichts ausgleichen, erklären aber permanent, dass 300 Neueinstellungen eine tolle Leistung sind. Es ist ein Nichts! Deswegen kann ich Sie nur auffordern, dass Sie an dieser Stelle zukünftig viel effektiver agieren! Hören Sie mit der Streichung der Sonderzahlungen auf! Das ist meine große Bitte und ist ein großer Wunsch von uns.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion nun Herr Abg. Hartmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gebhardt, wenn man Ihnen so zuhört, meint man: Viel Lärm um nichts. Gestatten Sie mir, vielleicht einmal grundsätzlich in das Thema einzuführen, da es manchmal förderlich ist, über den Tellerrand hinauszuschauen. Dabei bietet es sich durchaus an, ein paar andere Länder anzusehen. Ihre Betroffenheit motiviert mich, auch einmal dorthin zu schauen. Wie sieht es denn eigentlich in Brandenburg aus, wo Sie regieren? Wie sieht es denn eigentlich in Berlin aus? Man kommt dabei zu erstaunlichen Erkenntnissen. Da haben Sie den Brandenburger Beamten – Herr Gebhardt, dort sind Sie in der Regierung – im letzten Jahr noch 500 Euro Weihnachtsgeld gezahlt. Dieses Jahr haben Sie mit der Bemerkung, der Haushalt gebe es nicht her, auch diese 500 Euro gestrichen.

(Steffen Flath, CDU: Hört, hört!)

In Brandenburg haben Sie dann festgestellt, dass die Personalstärke des Landes Brandenburg über dem Durchschnitt der Flächenländer West liegt. Deswegen haben Sie in Brandenburg einen Stellenabbau von 2 000 Stellen beschlossen. Das heißt, die brandenburgische Polizei wird von knapp 9 000 dann auf 7 000 Stellen reduziert.

Wie sieht es denn in Berlin aus? In Berlin zahlen Sie in der Tat 600 Euro Weihnachtsgeld an jeden Beamten. Das müssen Sie aber auch, da Sie seit 2004 den Beamten in Berlin keine Besoldungserhöhungen zugestanden haben.

(Christian Piwarz, CDU: Wer ist seitdem an der Regierung?)

Zudem muss man feststellen, dass ein Berliner Polizist unter Ihrer Regierungsverantwortung gegenüber einem sächsischen Polizisten 150 Euro bis 180 Euro weniger verdient.

(Christian Piwarz, CDU: Hört, hört!)

Man kann das noch fortsetzen. Wie sieht es denn nun eigentlich in Sachsen-Anhalt aus? In Sachsen-Anhalt hat man 2 500 Stellen gestrichen. Zudem stellen wir fest, dass das Weihnachtsgeld ebenfalls eingefroren wird. Darüber hinaus überlegt man, in der Zukunft eine weitere Reform durchzuführen. Dort ist Herr Bullerjahn, SPD, in der Regierung.

Und nun im Sächsischen Landtag zeigen Sie sich betroffen bei all dem, was Sie in den anderen Ländern gestalten. DIE GRÜNEN sind auch nicht ganz frei, da sie bis vor Kurzem in Hamburg mitregiert und die Reduzierung des Weihnachtsgeldes beschlossen haben, nämlich in Form einer Halbierung. In all den Ländern, in denen Sie die Regierungsverantwortung tragen, treffen Sie solche Entscheidungen.

(Christian Piwarz, CDU: Richtig!)

In Sachsen kommen Sie zur großen Betroffenheitslyrik.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Eva Jähnigen, GRÜNE, steht am Mikrofon)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Jähnigen, bitte.

Um einmal auf Sachsen zu kommen: Wenn in unserer Polizei der Überhang an Führungskräften und Verwaltungskräften so groß ist, halten Sie dann die letzte Polizeireform für erfolgreich? Wenn nein, was sind die Konsequenzen aus dem Misserfolg?

Ich sage Ihnen, dass ich im Ergebnis die letzte Polizeireform für nicht erfolgreich halte. Ich denke, wir haben hier Nachbesserungsbedarf, den wir übrigens gerade wahrnehmen. Ich glaube, dass das vorliegende Papier, das jetzt in der Diskussion mit den Basisdienststellen und der Öffentlichkeit ist, die wesentlichen Problemstellungen benennt und wir auf dem Weg sind, daraus eine vernünftige Aufgabenkritik und vernünftige Organisationsstruktur zu entwickeln.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Können Sie mir sagen, auf welchen Seiten des Papiers ich die dafür erforderliche Analyse finde?

Frau Jähnigen, wir haben jetzt ein mehrseitiges Kritikpapier vorliegen, welches Themen benennt und sich in der weitergehenden Diskussion befindet. Nachdem die Polizeidienststellen, die Gewerkschaften, die Öffentlichkeit und auch dieser Landtag ihre Anregungen und Hinweise gegeben haben, denke ich, dass wir im Ergebnis ein abschließendes aufgabenkritisches Papier vorliegen haben und das Innenministerium diese Zuarbeiten entsprechend ergänzen wird. Wir haben jetzt einen Diskussionsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist.

Nachdem ich einmal einen kleinen Ausblick auf die Entwicklung in den anderen Ländern gegeben habe, möchte ich noch einige andere Punkte ansprechen, die nicht selbstverständlich sind. Ein sächsischer Polizeibeamter – das muss man immer wieder betonen – bekommt nach wie vor freie Heilfürsorge. Das ist eine Selbstverständlichkeit in Sachsen, und das ist gut so. Nur gibt es das in anderen Bundesländern eben nicht mehr. Wenn Sie eine solche Diskussion führen – wie Sie sie gerade führen, finde ich nicht sonderlich geglückt –, den Ausverkauf der sächsischen Polizei zu propagieren und in den anderen Ländern Ähnliches und Schlimmeres mitzutragen; wenn wir das diskutieren, müssen wir genau diesen Blick halten.

Wie sieht es nun konkret in Sachsen aus? Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sächsische Staatsministerium des Innern hat ein aufgabenkritisches Papier vorgelegt. Dieses aufgabenkritische Papier enthält einige entscheidende Schlüsselpositionen und Schlüsselargumente. Das ist die Frage der Entlastung des Polizeivollzugsdienstes von nicht polizeilichen Aufgaben. Das ist auch die Frage zu mehr Verantwortung von Ortspolizeibehörden. Es ist auch die richtige Fragestellung zur zukünftigen Organisationsstruktur.

Ich verstehe Folgendes nicht: Meine sehr geehrten Damen und Herren von links, wenn Sie sich Ihr brandenburgisches Reformpapier anschauen, haben Sie die Zusammenlegung von Direktionen und Revieren in völligem Umfang betrieben, jedoch hier fangen Sie eine Betroffenheitsdiskussion an. Möglicherweise wäre es hilfreich gewesen, einmal in den Ländern nachzufragen, in denen Sie mehr Verantwortung tragen müssen.

Wir werden die sächsische Polizei reformieren müssen, weil wir es genau nehmen, was ich an dieser Stelle noch einmal betonen möchte: Innere Sicherheit ist keine Frage des Geldes, aber sie muss immer noch mit dem verfügbaren Geld bezahlt werden, sodass wir auch die sächsische Polizei an die Herausforderungen, die Sachsen in den nächsten Jahren erwarten, anpassen müssen. Wir werden das tun. Natürlich ist es selbstverständlich, dass wir investieren. Wenn Sie den Personalbestand reduzieren, müssen Sie in Medientechnik, Informationstechnik, Fahrzeuge und auch in die Sicherheitsausstattung investieren.

Wir gehen davon aus, dass wir auch den Digitalfunk im Jahre 2013 in die Umsetzung bekommen und damit einen weiteren entscheidenden Schritt nach vorn tun. Natürlich werden wir die sächsischen Polizeibeamten auf ihrem Weg begleiten. Dabei ist der entscheidende Punkt die Diskussion um die Dienstrechtsreform. Daran wird sich diese Koalition messen lassen. Wir werden diesen Diskussionsprozess auch mit den Gewerkschaften betreiben, zumindest mit denen, die mehr in die Diskussion einzubringen haben als Betroffenheitspolemik und den Schrei nach Weihnachtsgeld.

Ich danke Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wird von der SPD noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Die FDP-Fraktion; Herr Karabinski bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben mich ja geradezu aufgefordert, noch einmal etwas zu sagen. Ich habe das Beispiel mit der Krankenschwester nicht einfach so gewählt, sondern ich habe es gewählt, weil ich in einem Haushalt aufgewachsen bin mit einem Vater als Polizeibeamter und einer Mutter als Krankenschwester. Nun raten Sie einmal, wer das höhere Einkommen hatte. Natürlich der Polizeibeamte, deutlich mehr als doppelt so hoch – mittlerer Dienst übrigens. Nun raten Sie einmal, wer mehr Freizeit hatte. Nicht meine Mutter als Krankenschwester, es war der Vater, der Polizeibeamte.

Diese Vergleiche – auch wenn Sie es Neiddebatte nennen – müssen wir machen. Es gibt Berufsgruppen in diesem Land, die verdienen wesentlich schlechter als Polizeibeamte. Es gibt Menschen, die müssen um ihren Arbeitsplatz bangen – Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Es gibt einfach auch Berufsgruppen, die deutlich länger arbeiten und auch zu ungünstigeren Zeiten, die Schichtdienst machen, wie Polizeibeamte auch, dies aber wesentlich schlechter vergütet bekommen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Das müssen Sie anerkennen. Tun Sie bitte nicht so, als ginge es hier lediglich um Beamte. Das ist nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wird von der Fraktion der GRÜNEN noch einmal das Wort gewünscht? – Die NPD-Fraktion? – Wird von der Staatsregierung das Wort gewünscht? – Herr Minister Ulbig, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Grundsätzlich bin ich Ihnen dankbar, dass Sie diese Debatte beantragt haben, selbst wenn der Auslöser, nämlich diese Initiative, vermeintlich nur noch Dienst nach Vorschrift im Bereich der Polizei zu tun, nicht geeignet ist und ich dazu meine Meinung schon klar und deutlich vorgetragen habe.

Trotz alledem möchte ich Ihnen zuerst einige Dinge vortragen, die ich bei meinen Gesprächen mit den Revierleitern und meinen Revierbesuchen erlebe. Das macht nämlich deutlich, dass einige von Ihnen, obwohl Sie hier den Eindruck erwecken wollen, etwas von sächsischer Polizei zu verstehen, offenkundig die sächsische Polizei gar nicht oder nicht hinreichend kennen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Ich möchte klar und deutlich sagen, dass für die Kolleginnen und Kollegen die Arbeit, das Dienst- und Treueverhältnis gegenüber dem Freistaat kein hohler Paragraf ist. Nein, es ist für sie selbstverständlich und sie leben es tagtäglich mit ihrer Arbeit. Ich bin sicher, dass auf die sächsischen Kolleginnen und Kollegen in der Polizei Verlass war und auch in Zukunft sein wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie sprechen konkret die Kürzung des Weihnachtsgeldes an. Das ist natürlich ein schmerzhafter Einschnitt. Das ist keine Frage. Aber das betrifft alle Beamten im Freistaat Sachsen. Der Freistaat muss seine Ausgaben seinen Einnahmen anpassen. Die Argumente hierzu sind hinreichend ausgetauscht worden. Die Regierung und damit letztlich auch ich als Fachminister stehen hier in der Gesamtverantwortung.

Aber eines möchte ich deutlich sagen: Die besondere Belastung der Polizei, ganz besonders, was die Streifendienste und die Dienste zu ungünstigen Zeiten betrifft, ist mir bewusst. Herr Bandmann, deswegen bin ich dankbar, dass diese Veränderung in den Entwurf des Haushaltsplanes hineingekommen ist. Herr Gebhardt, ich kann überhaupt nicht verstehen, wie Sie sagen können, das sei ein Witz. Ich sage, es ist lange nötig, dass diese Zuzahlungen angepasst werden. Das Gleiche gilt für die Spezialeinheiten. Es geht hier um die hervorragende Arbeit unserer Beamten, und diese muss auch auf diesem Weg anerkannt werden.

Ein letztes Wort zum Papier Sachsen 2020. Da ist mir wichtig, dass die Polizei langfristig sehr gute Arbeitsbedingungen hat, und dabei ist Planungssicherheit ein zentrales Element. Deshalb reden wir von „Polizei Sachsen 2020“ und schauen auf diesen Zeitpunkt im Jahr 2020. Es kommt darauf an, dass wir auf die Veränderungen, die vor unserer Gesellschaft stehen, vorbereitet sind. Die Stichworte Bevölkerungsrückgang und Auslauf des Solidarpaktes sind angesprochen worden. Damit die Polizei in zehn und auch in 20 Jahren noch handlungsfähig ist, beginnen wir schon heute mit den notwendigen Anpassungen. Deshalb liegt dieses Aufgabenkritikpapier vor.

Anders, als Sie das empfunden und wahrgenommen haben, kann ich aus den Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen sehr deutlich sagen, dass es ein großes Interesse gibt. Es gibt mehr als 18 000 Zugriffe im Intranet. Es gibt eine ganze Menge an positiven, aber durchaus auch kritischen Stellungnahmen. Die Inhalte werden als wichtige Grundlage für die Reform „Polizei Sachsen 2020“ angesehen.

(Thomas Jurk, SPD, tritt ans Saalmikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Einen kleinen Moment, ich möchte gern noch diesen Gedanken zu Ende führen.