Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Diätenentwicklung, meine Damen und Herren, ist damit vollständig vom wirtschaftlichen Erfolg Sachsens abhängig, und sie ist vollständig an die Entwicklung der Einkommen sächsischer Arbeitnehmer, Rentner und ALG-II-Empfänger geknüpft. Uns als FDP ist besonders wichtig, dass dieses Indexmodell eben keine Einbahnstraße ist. Anders als alle anderen Indexmodelle in anderen Bundesländern können die Diäten nach dem sächsischen Modell steigen, sie können aber ganz genauso sinken. Der Grund dafür, dass dies geschehen kann, ist einzig und allein die Einbeziehung des Bruttoinlandsproduktes in einer maßgeblichen Größenordnung. Dadurch würde unser Modell beispielsweise bei den uns im Moment bekannten guten Zahlen für das Jahr 2010 vielleicht eine Erhöhung von 95 Euro im nächsten Jahr bedeuten. Aber hätte unser Modell beispielsweise 2009 bereits gegolten, als die wirtschaftliche Entwicklung auch im Freistaat schlechter war, dann hätte das dazu geführt, dass die Diäten der sächsischen Landtagsabgeordneten gesunken wären, meine Damen und Herren.

In Sachsen können die Diäten also auch stagnieren, sie können sogar sinken. Das macht uns keiner nach, und es zeigt, dass wir als Abgeordnete hier im Sächsischen Landtag nicht über dem Volk stehen, sondern die Realitäten im Freistaat respektieren und achten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir hätten das – wahrscheinlich werden dann auch entsprechende Vorschläge kommen – auch anders machen können. Wir hätten es so machen können, wie viele andere Bundesländer. Sie wissen das sicherlich: Die meisten Bundesländer haben inzwischen auch selbst Indexmodelle gewählt. Aber allein die Tatsache, dass sie Indexmodelle haben, ist die einzige Gemeinsamkeit mit dem, was wir in Sachsen haben. Denn die anderen Bundesländer betreiben, wenn wir ehrlich sind, eine ziemliche Rosinenpickerei mit dem Ziel, dass die Diäten immer steigen, ganz egal, ob wir uns in guten oder in schlechten Zeiten befinden.

Manche nehmen beispielsweise nur die Lohnentwicklung in ihre Modelle auf, wohl wissend, dass die Verdienste selbst in schlimmen Krisenzeiten, wie in den Jahren 2008 oder 2009, wenn man den Schnitt bildet, trotzdem gestiegen sind. In wirtschaftlich guten Zeiten einigen sich die Tarifpartner in der Regel auf Steigerungsraten für Löhne und Gehälter oberhalb der Inflationsrate. In wirtschaftlich negativen Zeiten kommt es meistens trotzdem zu Kompromissen, die zumindest für einen Inflationsausgleich sorgen.

Andere Bundesländer wiederum koppeln die Entwicklung sogar nur an bestimmte Gehaltsgruppen – natürlich im öffentlichen Dienst, ähnlich, wie das bisher in Sachsen gemacht worden ist –: Man sucht sich bestimmte Besserverdienende heraus, wohl wissend, dass damit Steigerungsraten besonders hoch sind. Das, meine Damen und Herren, machen wir in Sachsen nicht mehr mit!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wieder andere Bundesländer – dazu möchte ich einmal das Beispiel des hier in diesem Hause oft gelobten Nordrhein-Westfalens nennen – nehmen sogar die Entwicklung der Verbraucherpreise in ihre Diätenberechnungsmodelle auf. Das halte ich, mit Verlaub gesagt, für eine ziemlich große Frechheit; denn selbst im Falle einer Nullrunde aller anderen für eine Berechnung zugrunde liegenden Kriterien sichert der Verbraucherpreisindex natürlich in jedem Fall eine erhebliche Steigerung der Diäten. Das hat man sich dort so ausgesucht. Damit privilegieren sich die nordrhein-westfälischen Abgeordneten beispielsweise sehr stark gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihrem Land, und deshalb kommt solch ein ungerechtes Modell für uns in Sachsen nicht infrage.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir in Sachsen, meine Damen und Herren, machen das nicht so. Ich bin froh, dass CDU und FDP den Mut haben, einen anderen, einen ehrlicheren Weg zu gehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Stefan Brangs, SPD: Oh!)

Der zweite Teil des Gesetzes ist die Neuordnung – Kollege Brangs, hören Sie zu! – der Altersversorgung für Abgeordnete. Dafür gibt es sicherlich auch aus den Reihen Ihrer Fraktion viel Beifall, das vermute ich einmal. Ich sage ganz klar: In der Bewertung dessen, was wir heute vorlegen, kann man unterschiedlicher Meinung sein, und anders als bei unserem neuen Indexmodell bietet es mit Sicherheit auch Anlass zu Kritik.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Die kommt dann gleich!)

Es ist immer noch außerordentlich üppig, auch wenn wir in Sachsen den niedrigsten Basisanspruch aller Bundesländer haben und auch wenn wir das gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 Jahren – anders als die meisten anderen Bundesländer – respektieren. Aber ich erinnere auch daran, wieso wir heute schon wieder, nach nur drei Jahren, über die Altersversorgung sprechen müssen.

Leider musste man feststellen, dass das einst so hoch gelobte Abgeordnetenversorgungswerk aufgrund der geringen Zahl der Einzahler – sprich: der geringen Zahl der Abgeordneten – eben nicht funktioniert und ein wirtschaftliches Risiko darstellt.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Genau dies hatten wir als FDP schon vor drei Jahren in der Debatte vermutet und deshalb dem Versorgungswerk damals auch nicht zugestimmt. Ich will klar sagen: Leider haben wir recht behalten, und die Ironie der Geschichte ist, dass gerade die FDP-Abgeordneten heute selbst hier stehen müssen und selbst in der Pflicht sind, dieses Versorgungswerk zu beerdigen und einen Ausweg aus dem Dilemma, das mit Sicherheit keiner so gewollt hat, zu suchen.

Wir haben uns dieser Aufgabe als Koalition gemeinsam gestellt, auch in Verantwortung für die vielen neuen Abgeordneten hier im Sächsischen Landtag, weil auch sie einen Anspruch auf eine sichere und verlässliche Altersversorgung haben – und dies nicht irgendwann später einmal, sondern jetzt sofort, meine Damen und Herren. Was wir Ihnen vorlegen, ist kein Königsweg; aber unser Gesetz schafft erstmals eine echte Wahlfreiheit, die die unterschiedlichen Berufsbiografien und die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Mandatsträger berücksichtigt und respektiert.

Durch die Wahl von drei verschiedenen Wegen gelingt es uns jetzt besser, unterschiedlichen parlamentarischen Laufbahnen gerecht zu werden. Es gibt Angebote für jemanden, der sich auf eine kurze Mitgliedschaft in einem Haus wie diesem einstellt, genauso wie für jemanden, der länger in diesem Parlament aktiv sein möchte, und es gibt Angebote – das ist uns als FDP besonders wichtig – auch für diejenigen, die aus einer ganz normalen Berufstätigkeit kommen und in absehbarer Zeit wieder in diese

zurückkehren möchten bzw. Berufstätigkeit und Mandatstätigkeit verbinden wollen.

Ich hoffe, dass dieses neue, flexible Altersversorgungsmodell eine Tätigkeit als Abgeordneter für viele Bürgerinnen und Bürger aus normalen Berufen oder aus der Selbstständigkeit interessanter macht und ich hoffe, dass vielleicht in Zukunft mehr Menschen aus unserer Mitte motiviert sind, zu kandidieren, um vielleicht auch einmal Abgeordneter zu werden, und dass im Ergebnis dessen, meine Damen und Herren, der Landtag noch bunter wird, als er schon ist. Allein dies wäre bereits ein großer Erfolg für dieses Modell.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Fraktion DIE LINKE, bitte; Herr Abg. Tischendorf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wurde gebeten, jemanden zu loben. Dies möchte ich ausdrücklich am Anfang tun. Ich möchte den Kollegen Piwarz für diese staatsmännische Rede loben. Das war ja sehr überzeugend.

(Christian Piwarz, CDU: Ich bedanke mich herzlich!)

Ich möchte den Kollegen Zastrow loben, der mit gefalteten Händen vorn stand wie ein von mir sehr geschätzter Pfarrer. Alles sehr geläutert, alles großes Kino, was Sie mit diesem Gesetzentwurf hier leisten. Aber vielleicht kommen wir mal wieder zur Sache zurück; denn ich sage Ihnen: Wenn es überhaupt eines Beweises bedurfte, welches Demokratieverständnis CDU und FDP haben, dann ist es wohl mit der Entstehungsgeschichte dieses Entwurfes des Abgeordnetengesetzes der Änderungen ein klares Paradebeispiel, wie Sie gedenken, in diesem Landtag mit der Opposition umzugehen. In Gutsherrenmanier wird hier ein Gesetzentwurf durch das Parlament gepeitscht, der die ureigensten Interessen aller Abgeordneten betrifft.

(Christian Piwarz, CDU: Fragen Sie mal Ihre Fraktion!)

Es wurden einige Punkte angesprochen. Im Kern geht es um die eigenen Bezüge und um die persönliche Altersabsicherung.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Über Letzteres hätten wir reden können!)

Darüber hätten wir gern reden können, da haben Sie recht.

Es war im Übrigen bisher immer guter parlamentarischer Stil, dass solche grundlegenden Änderungen, die alle Abgeordneten betreffen, auch möglichst im Vorfeld, in der Vorbehandlung mit den anderen Fraktionen abgesprochen werden sollten, zumindest vorbesprochen. Diesen Weg hat die Koalition diesmal ohne erkennbaren Grund

verlassen. Das sehen Sie schon allein daran, wann dieses Gesetz eingereicht worden ist. 14 Tage vorher ist es angekündigt worden. Da war es noch nicht einmal fertig, und man hat schon eine Pressekonferenz dazu durchgeführt.

Ich sage Ihnen auch, damit ich nicht falsch verstanden werde: Bei mir kommt durchaus keine Schadenfreude auf, dass 2007 mit anderen Mehrheitskoalitionen der beschlossene Vorschlag hinsichtlich der Einrichtung des Abgeordnetenversorgungswerkes klar Schiffbruch erlitten hat. Das bringt keine Freude. Vorausgesagt hatten es damals schon viele Sachverständige und nicht wenige Abgeordnete in diesem Saal. Dass wir aber insbesondere wegen unserer Verantwortung gegenüber der in den letzten Jahren neu in den Landtag gewählten Kolleginnen und Kollegen hierbei Veränderungsbedarf haben, bestreiten wir als LINKE auch nicht.

CDU und FDP führten ihre Geheimverhandlungen, ohne auch nur ansatzweise mit den anderen Fraktionen darüber ins Gespräch zu kommen, und wenn meine Informationen stimmen, die ich noch im Ausschuss erhalten habe, die von den Reihen der Koalitionäre zu mir herübergedrungen sind, so ging es offensichtlich eigentlich nur um einen Kuhhandel, und den wollen wir einmal klar benennen. Der springt Ihnen übrigens beim Lesen des Gesetzentwurfes ins Auge: Die neuen Abgeordneten erhalten die ihnen nach der Verfassung zustehende Altersabsicherung nur, wenn sie im Gegenzug einer regelmäßigen, möglichst geräuschlosen Diätenerhöhung zustimmen. Das ist der Kompromiss, der in diesem Gesetzentwurf steht. Ohne Not haben die Fraktionsspitzen von CDU und FDP durchgesetzt, dass mit völlig überstürzter Eile gleich auch noch die erst 2007 eingeführte Koppelung der Diäten an die Richtergehälter abgewickelt wird.

(Christian Piwarz, CDU: Das haben Sie doch damals gemacht! – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Die haben Sie wieder gekippt. Erinnern Sie sich doch nur einmal, was wir vor drei Jahren an dieser Stelle für eine salbungsvolle Lobhudelei über die Einführung gehört haben. Die damals von der CDU gehaltenen Reden sind nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Stimmt’s, Kollege Schiemann? Wenn ich daran denke, wer das hier immer verteidigen durfte. Schauen Sie noch einmal nach, was das noch wert ist, was Sie vor drei Jahren hier erzählt haben!

So richtig Schwung kam wohl erst in die Angelegenheit, als in der Koalition die Idee reifte, den Beamten die Sonderzahlung zu streichen, meine Damen und Herren. Jetzt drohte ganz real eine öffentliche Debatte über die Senkung der Diäten, da ja die Anbindung auch an die Richtergehälter besteht. Das heißt im Klartext: Dann müsste man ja auch die Diäten um diesen Betrag senken.

(Holger Zastrow, FDP: Na und?!)

Zwar versuchte Finanzminister Prof. Unland in seinem Brief vom 8. September noch, die ängstlich anfragenden

Fraktionsvorsitzenden Flath und Zastrow zu beruhigen – in Frage 12. Das könne ja nur passieren, wenn die Koalition das Abgeordnetengesetz anpasst. – So seine Antwort. Bis zum heutigen Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist jedoch in der Koalition niemand zu finden, der sich bereit erklärt hätte, einen entsprechenden Artikel in das Haushaltsbegleitgesetz hineinzuschreiben; denn dies wäre ja erforderlich gewesen.

Was macht man nun? Um aus dieser Sackgasse wieder herauszukommen, flüchtet man sich in die vorliegende Indexregelung. Die Botschaft der Koalitionäre in dieser Plenarwoche an die Öffentlichkeit ist dabei klar: Sozialleistungen müssen gekürzt werden. Den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wird per Gesetz das Gehalt gekürzt. Nur bei den Abgeordneten geht es nach kurzem Innehalten in den nächsten Jahren weiter bergauf – dank der Kreation Indexregelung.

Die eilig anberaumte Sachverständigenanhörung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss hat die Idee der Indexregelung für ebenso machbar erklärt wie die bisherige Anbindung an die Richtergehälter. Beides ist legitim. Handwerklich jedoch wurde dieser Schnellschuss der Koalition von den geladenen Experten – zumindest aus meiner Sicht – durchweg kritisiert. Am besten ist dabei noch die Berechnungsgrundlage der aufgenommenen Einbeziehung der Bruttogehälter weggekommen. Sie wurde zumindest akzeptiert. Da wir am 11.11. getagt haben, wurde es von vielen durchweg als Faschingsscherz verstanden, dass die 45-prozentige Aufnahme des Bruttoinlandproduktes in unserem Abgeordnetengesetz erscheinen soll. Da kann man auch über die kosmetischen Veränderungen in der Beschlussempfehlung sprechen, aber sie ändern das Problem nicht und teilen es auch nicht.

Der von der Koalition bestellte Sachverständige Prof. Dr. Karpen führte diesbezüglich aus, dass das Bruttoinlandsprodukt eine Messgröße für die gesamte wirtschaftliche. Aktivität, aber eben kein Maßstab für das Einkommen privater Haushalte ist. So spielt beim Bruttoinlandsprodukt beispielsweise die Pendlerfrage mit hinein. Wörtlich schrieb er der Koalition ins Stammbuch – ich zitiere –: "Wissen Sie, woher die Arbeitnehmer kommen, die beim Bruttoinlandsprodukt hier mitproduziert haben? Es geht um Produktionsindices. Sie können auch aus Thüringen oder aus Bayern kommen, jedenfalls aus irgendwelchen Nachbarländern, oder aus Tschechien. Das hat jedenfalls mit Einkommen von Erwerbsbevölkerung nichts zu tun. Unterm Strich kann ich sagen: Bruttoinlandsprodukt ist völlig ungeeignet. Ich halte es höchstens für ein Ablenkungsmanöver.“ – So weit der Sachverständige zu Ihrem Vorschlag.

(Zurufe der Abg. Uta Windisch, CDU, und Holger Zastrow, FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel der Übung ist doch klar: Hiermit soll gesichert werden, dass die Diäten in schöner Regelmäßigkeit stetig steigen, ohne dass real die Gefahr besteht, dass aufgrund des sozialen Kahlschlages, den wir in den nächsten Tagen hier erleben

werden, die Diäten auch einmal nach unten gehen. Wer von Ihnen das nicht glaubt, der schaue in die weiteren Bezugsgrößen dieses Gesetzes. So sollen der Eckregelsatz für Hartz-IV-Empfänger und der aktuelle Rentenwert nur mit jeweils 5 % zur Berechnung herangezogen werden.

Damit diese Vorgaben nicht allzu sehr die Erhöhungsorgien bremsen, ist man gleich einmal davon abgewichen, die Realitäten in Sachsen zur Kenntnis zu nehmen. Sie sind doch so für Statistik, Herr Zastrow!

So kann man aus der Statistik erfahren, dass in Sachsen der Anteil an Arbeitslosengeld-II-Empfängern circa 12 % und an Rentnerinnen und Rentnern 30 % beträgt. Nun schauen Sie einmal, welche Vorschläge Sie dazu gemacht haben. Es ist mehr als scheinheilig und eine Doppelmoral, die Realität an dieser Stelle auszublenden. Damit Sie sich wegen der Ungerechtigkeit in Ihrer Berechnungsgrundlage in der Öffentlichkeit nicht ständig rechtfertigen müssen, soll sich der Landtag zukünftig bei Diätenerhöhungen nicht einmal mehr damit befassen.

Es reicht einfach eine Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt. Auch dafür gab es reichlich Kritik von den Sachverständigen. Wir lehnen das ebenso ab.