Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich das hier anhört, ist man erst einmal ein bisschen betroffen. Aber natürlich macht mich auch die Schilderung extremistischer Gewalt betroffen, und zwar unabhängig davon, ob das Opfer Susanne H. oder Kamal K. heißt oder ob es ein sächsischer Polizist ist, der am Connewitzer Kreuz von einem im Schneeball versteckten Stein getroffen wird.
Die Fraktionen von CDU und FDP lehnen den vorgebrachten Antrag ab. Dabei ist das Entscheidende gesagt, jedoch möchte ich das, was Sie hier dargestellt haben, nicht unwidersprochen lassen, und ich möchte auch unsere Position dazu darstellen.
Sie versuchen auf unterschiedlichen Wegen und auf äußerst populistische und infame Weise, das Thema Ausländerfeindlichkeit nach Sachsen zu tragen.
Wenn wir uns auch den Fakten zuwenden, einen Blick in das Flächenland Sachsen werfen und auf den sachlichen Hintergrund schauen, dann sehen wir einen Ausländeranteil von 2 bis 3 %.
Natürlich gibt es auch in einigen städtischen Bereichen, beispielsweise im Leipziger Osten, einen höheren Anteil der Bevölkerung mit Migrationsgeschichte, Menschen, die in diesem Stadtteil leben und auch mit diesem oder jenem Integrationsdefizit zu kämpfen haben. Dessen sind wir uns durchaus bewusst, und wir sind durchaus sensibel für dieses Thema. Aber das, was Sie hier versuchen, diesen Flächenbrand der Ausländerfeindlichkeit zu entfachen, das werden wir nicht zulassen.
Nun haben Sie in Ihrem Antrag nicht die Frage der Ausländer im Freistaat Sachsen im Allgemeinen betrachtet, sondern Sie versuchen, eine Debatte zum Thema Asyl vom Zaune zu brechen, auch wenn Sie die Fragen der Zuwanderung und Migration darunter subsumieren, was grundsätzlich nicht sachgerecht ist.
Dass Sie dabei sowohl in Ihrer schriftlichen Antragsbegründung als auch in Ihrem mündlichen Vortrag so weit gehen, Artikel 16 Grundgesetz – „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – infrage zu stellen, ist infam, überrascht jedoch nicht.
Wir sind vor dem Hintergrund auch unserer historischen Verantwortung oder, wenn man es näher an der Lebenswelt der Menschen oder jedes Einzelnen hier im Land orientieren möchte, schlicht aus Gründen der Menschlichkeit dazu verpflichtet. Wir werden also an Artikel 16a Grundgesetz selbstverständlich festhalten.
Natürlich – das will ich hier klar erklären – stellen wir uns den Schwächen und in diesem und jenem Fall auch negativen Randerscheinungen der Ausgestaltung der Asylpolitik. Lassen Sie mich daher aus aktuellem Anlass aus der Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 191. Sitzung der ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder vom 18. und 19.11.2010 in Hamburg zitieren. Dort heißt es unter Beschluss Nr. 19, Integration, unter Punkt 4: „Ferner bitten Sie den Bundesminister des Innern, die Durchsetzbarkeit von Rückführungsentscheidungen zu verbessern, indem insbesondere die Aufklärung der Identität und Herkunft illegal eingereister Personen durch möglichst frühzeitige Maßnahmen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie der Ausländerbehörden intensiviert wird.“
In der dazugehörigen Protokollnotiz auf Seite 33 heißt es ferner auf Einlassung der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und auch Thüringen: „Die genannten Länder bitten den Bundesminister des Innern, die Ausweisungstatbestände mit dem Ziel zu überprüfen, die Ausweisung von Straftätern zu erleichtern. Darüber hinaus lehnen die genannten Länder eine generelle Bleiberechtsregelung ab.“
Abschließend noch einmal deutlich zu unserer Position und damit zum Kern Ihres Antrages: Mit uns, das heißt ,der Koalition aus CDU und FDP, gibt es kein Deuteln am Grundrechtsanspruch auf Asyl in der Bundesrepublik Deutschland.
Die nächste Rednerin in der allgemeinen Aussprache ist Frau Klinger für die Opposition. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Im Artikel 14 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es:
Die Menschenrechtserklärung deklariert Rechte, die jedem Menschen zustehen, und zwar „unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“, und das auch unabhängig davon, in welchem rechtlichen Verhältnis er zu dem Land steht, in dem er sich aufhält.
Heute Vormittag hat die NPD versucht vorzugaukeln, dass sie Demokraten sind. Der Antrag der NPD ist so gesehen ehrlicher; denn er beweist klar, dass die NPD die humanistischen Grundwerte unserer Gesellschaft nicht nur in massiver Weise infrage stellt, nein, sie will sie sogar abschaffen.
Das heutige Recht auf Asyl in Deutschland hat seinen Ursprung in der Verankerung im Grundgesetz von 1949. Damit trug die Bundesrepublik Deutschland den Erfahrungen des Nationalsozialismus sowie des Zweiten Weltkrieges Rechnung. Zu Zeiten des Nationalsozialismus waren über 700 000 Deutsche gezwungen, in verschiedenen Ländern Schutz zu suchen. Demzufolge sollte in der Bundesrepublik Deutschland jeder Person, die wegen ihrer politischen Auffassung Angst um Leib und Leben hat, eine Zuflucht geboten werden.
Zu Anfang der Neunzigerjahre kam es dann zu einer erneuten Debatte zum Thema Asyl- und Ausländerpolitik. Die Auseinandersetzung führte schließlich 1993 zum sogenannten Bonner Asylkompromiss, dessen Kernpunkt die neue Drittstaatenregelung war und ist. Damit wird das Recht auf Asyl in Deutschland bis heute praktisch auf Personen beschränkt, die im Besitz eines gültigen Visums und/oder auf dem direkten Luft- oder Seeweg nach Deutschland einreisen. Diese de facto-Abschaffung des Grundrechts auf Asyl erklärt auch die geringen Anerkennungsquoten, die die NPD hier perfiderweise zum Asylmissbrauch umdeuten will. Sie suggeriert Flüchtlingsströme, wo keine sind, auch weil die Grenzen der EU immer stärker abgeschottet werden.
Sie unterstellt per se Missbrauch des Asylrechts und der Sozialsysteme. Sie kriminalisiert Menschen und spricht von Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit Migranten, um dies wirklich belegen zu können. Sie unterstellt praktisch jedem Flüchtling, ein Terrorist zu sein. Sie diskreditiert sogar das gemeinsame europaweite Vorgehen gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution und verdreht es. Ihr einziges Ziel ist es, Ängste zu schüren. Dabei kennen sie keine Skrupel; denn es ist klar, bei Menschen, die ohne Angst vor Fremd- und Andersartig
keit sind, haben sie und ihresgleichen keine Chance. Sie schrecken wirklich vor nichts zurück. Sie demonstrieren das ganze Ausmaß der Menschenfeindlichkeit, ihres Rassismus, ihrer Xenophobie. Dieser Antrag ist eine Negierung der Menschenrechte.
Was die Sache noch absurder macht: Neonazis und Anhänger der NPD bzw. auch Organisationen, mit denen sie gerne auch mal in Wahlkämpfen zusammenarbeiten, diese Menschen verfolgen selbst politisch Andersdenkende und versuchen, sogenannte no-go-areas gegen Migrantinnen und Migranten und gegen Obdachlose zu schaffen.
Es ist von Ihnen eine unglaubliche Dreistigkeit, hier einen solchen Antrag zu stellen. Dieser Antrag ist eine Verhöhnung von Asylsuchenden;
(Beifall bei den LINKEN – Holger Apfel, NPD: Heuchlerin! – Jürgen Gansel, NPD: Wohl zu viel gekifft?)
und sogar noch mehr als das. In Ihrem Vorschlag zur Unterbringung wird es ganz deutlich: Sie wollen neue Lager schaffen. Das, was Sie Menschen zugestehen, die als Flüchtlinge kommen, ist gerade noch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das geben Sie jedenfalls vor. Ich möchte sogar das infrage stellen. Aber alles, was – –
Herr Gansel, Sie haben zu der Abg. Klinger gerade gesagt, dass sie zu viel gekifft habe. Ich sehe das als eine persönliche Beleidigung der Abgeordneten und erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.
Jedenfalls alles, was über das Recht auf körperliche Unversehrtheit hinausgeht, wird den Menschen abgesprochen, also auch die Bedürfnisse, die einen Menschen eigentlich erst zum Menschen machen: gesellschaftliche Teilhabe, soziale, kulturelle und politische Interaktion. Diese Rechte sprechen Sie Menschen ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will keine Gesellschaft, in der Menschen aufgrund eines beliebigen Merkmals, sei es die Augenfarbe oder die Staatszugehörigkeit
ausgegrenzt, kriminalisiert, inhaftiert oder sogar getötet werden können. Eine solche Gesellschaft ist nicht lebenswert. Eine klare Ablehnung dieses Antrages ist deshalb mehr als selbstverständlich.
Meine Damen und Herren! Gibt es noch Redebedarf von den Fraktionen, die in der ersten Runde bisher nicht gesprochen haben? – Das kann ich nicht erkennen. Ich rufe eine zweite Runde auf. Hierzu ist mir bisher ein Redner gemeldet, Herr Gansel, für die NPD-Fraktion. Herr Gansel, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich die Stolperfalle meines Fraktionskollegen überwunden habe, kann ich jetzt noch einmal zu Ihnen sprechen.