Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daseinsvorsorge ist ein schönes Wort. Es hat etwas mit dem Eintreten für Lebensgrundlagen zu tun, die zur Daseinssicherung nicht nur des einzelnen Menschen, sondern des gesamten solidarischen Gemeinwesens notwendig sind. In diesem Sinne verbinden wir mit dem Begriff auch ein aktives Engagement für das Gemeinwohl und das Bestreben, in einer Gemeinschaft die wichtigsten gemeinsamen Lebensgrundlagen gemeinsam und in gemeinsamer Verantwortung zu gestalten.

Ich vermute, dass solche Vorstellungen mehr oder weniger bewusst auch die Verfasser des vorliegenden SPDAntrages geleitet haben. Allerdings sind die Verfasser dabei einigen Missverständnissen erlegen.

Erstens müsste wohl das Telekommunikationsgesetz ganz neu konzipiert werden, wenn man dort die flächendeckende Internetversorgung als eine Art Staatsziel verankern wollte. Dieses Gesetz basiert ja, wie so viele andere

Gesetze auch, auf EU-Richtlinien, die mit der nationalen oder regionalen Versorgungssicherheit und Daseinsvorsorge kaum etwas zu tun haben, sondern vielmehr mit der Durchsetzung der Brüsseler Ordnungspolitik, insbesondere des Wettbewerbsrechts.

Im Übrigen wäre eine allgemeine Verpflichtung zur informationstechnischen Daseinsvorsorge besser im Grundgesetz als im Telekommunikationsgesetz aufgehoben. Sinnvoll wäre aber, dass das Telekommunikationsgesetz im Rahmen des ausschließlichen Gesetzgebungsrechtes des Bundes die Länder ermächtigen würde, den Kommunen bestimmte Aufgaben im Bereich der Breitbandvernetzung als Pflichtaufgabe aufzuerlegen; denn gerade die derzeitige sehr mangelhafte Breitbandförderpraxis – ich komme gleich darauf zu sprechen – zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Initiative auf kommunaler Ebene einfach ungeheuer wichtig ist, wenn eine flächendeckende Struktur überhaupt durchgesetzt werden soll.

Meine Fraktion hat in der vorigen Legislaturperiode etwas Ähnliches für die Energievorsorge vorgeschlagen, und zwar in Form eines Entwurfes eines sächsischen Energievorsorgegesetzes. Bei den erneuerbaren Energien – das lehrt die Erfahrung – ist es bekanntlich ebenfalls eine gesicherte Erkenntnis, dass nichts läuft, wenn sich die Kommunen nicht engagieren. Allerdings werden derzeit fast alle Bemühungen um eine Politik zur Gestaltung der eigenen, innergesellschaftlichen Lebensverhältnisse auf nationaler und regionaler Ebene durch die in alle Bereiche hineinregierende EU-Bürokratie zunichte gemacht. Das können wir auch im Zusammenhang mit der Breitbandförderung sehr gut feststellen, und zwar anhand der schleppenden Durchführung der Breitbandförderung im Rahmen der nationalen Gemeinschaftsaufgaben GAK und GRW von Bund und Ländern.

Angesichts dieses Trauerspiels ist Daseinsvorsorge wirklich das Allerletzte, das einem zur Beschreibung der Vorgänge einfällt; denn obwohl die genannten Programme seit 2008 bzw. 2006 laufen und sich die Fördermittel sehr in Grenzen halten, war beispielsweise von den bis einschließlich 2010 aufgelaufenen circa 2 850 000 Euro zweckgebundenen GRK-Mitteln bis Ende 2010, also nach drei Jahren Förderung, höchstens ein Fünftel abgerufen worden. Dabei reicht der jährliche Gesamtförderbetrag von circa 950 000 Euro ohnehin nur für maximal zehn kommunale Förderanträge, wenn es hoch kommt – normalerweise für deutlich weniger Anträge. Sachsen hat laut Breitbandatlas Hunderte von Kommunen, die breitbandmäßig unterversorgt sind.

Den geringen Stellenwert der Breitbandförderung konnte man auch dem Doppelhaushalt 2009/2010 entnehmen, in dem die zweckgebundenen Mittel für die Breitbandförderung in einem Titel mit vielfach höherem Gesamtbetrag versteckt waren, wobei diese höheren Mittel bezeichnenderweise für die Deckenerneuerung von Gemeindestraßen vorgesehen waren.

Dies alles weist ganz deutlich darauf hin, dass es der Staatsregierung keineswegs darum geht, im Sinne der

Daseinsvorsorge die benachteiligten Regionen in Sachsen mit schnellem Internet zu versorgen, sondern vielmehr darum, den demokratisch in jeder Hinsicht illegitimen EU-Vögten genügend Zeit zu geben, um auch in diesem Bereich ihre ordnungspolitische Agenda durchzusetzen.

Inzwischen finden in der Oberlausitz, im Erzgebirge und in vielen anderen sächsischen Regionen viele Betriebsgründungen nicht statt, weil es Probleme mit den Breitbandverbindungen gibt. Andere Betriebe und Geschäfte geben aus demselben Grund auf und ziehen anderswohin. Die Abwanderung junger Leute geht weiter usw. usw. – bis eines Tages der Verfall wirklich unumkehrbar geworden ist.

Ist uns die EU das wert, meine Damen und Herren? Wir, die NPD, sagen: Nein. Dem Antrag werden wir aber zustimmen; denn einen Vorstoß auf Bundesebene, um die flächendeckende Versorgung mit Internet als eine Art Fürsorgepflicht des Staates für seine Bürger zu propagieren, halten wir auf jeden Fall für richtig und wichtig.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde in der allgemeinen Aussprache vor. Ich frage trotzdem die Abgeordneten. – Ich kann nicht erkennen, dass es eine Wortmeldung gibt. Ich frage die Staatsregierung. – Sie möchte das Wort ergreifen. Herr Staatsminister Morlok, Sie haben nun dazu Gelegenheit.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jurk, Sie haben zu Beginn Ihres Redebeitrages den – ich sage mal – „Erfolg“ der Telekom in Dresden-Striesen mit einer gewissen Ironie und Häme begleitet und kommentiert, und ich kann ausdrücklich sagen, dass ich dies teile, weil sich die Telekom in diesem Bereich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Aber auch hier zeigt sich, dass der Wettbewerb durchaus geeignet ist, entsprechenden Erfolg hervorzubringen.

Aufgrund der Debatte gehe ich davon aus, dass wir noch einen umfangreichen Bericht der Staatsregierung zum ITGipfel vor diesem Parlament haben werden. Ich möchte deshalb auch nicht komplett über den IT-Gipfel berichten, sondern über das Mittagessen anlässlich des IT-Gipfels, an dem unter anderem auch der Telekom-Chef Obermann teilgenommen hat. Herr Obermann verkündete im Rahmen dieses Mittagessens doch sehr stolz, dass die Telekom in Kürze die Errungenschaften und Vorteile der digitalen Dividende der 4. Generation des schnellen Internets – Sie haben es angesprochen, Herr Jurk –, Long Term Evolution, mit einem ersten Projekt umsetzen werde. Der IT-Gipfel fand am 7. Dezember 2010 statt. Ich habe darauf Herrn Obermann zu seinem großen Erstaunen erklärt, dass bereits am 1. Dezember der Konkurrent

Vodafone in Rammenau für den Landkreis Bautzen Selbiges getan hat. Sie können sich vorstellen, Herr Obermann war nicht sehr begeistert. Das zeigt aber auch, dass die Telekom, vielleicht der große Platzhirsch, etwas hinterherhinkt.

(Lachen des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Was ich damit sagen möchte, ist: Es gibt sehr wohl andere, private Anbieter – Vodafone war ein Beispiel –, die auch mit deutlich schnellem mobilem Internet – ich konnte das selbst beobachten –, mit 20 Megabit pro Sekunde, ein wirklich akzeptables Angebot für den ländlichen Raum gemacht haben. Man muss zur Ehrenrettung der Telekom sagen: Sie hat sich nicht nur in Dresden engagiert, auch wenn es groß in der Zeitung stand. Es gibt inzwischen auch Projekte in Döbeln, Torgau und Großenhain, die nicht im Stadtzentrum liegen.

Gerade die digitale Dividende, das mobile Internet, ist eine wichtige Möglichkeit, die Breitbandversorgung auch in den ländlichen Räumen voranzubringen. Dies wird auch von der Bundesnetzagentur aus guten Gründen mit entsprechenden Versorgungsauflagen verbunden. Das heißt, zuerst müssen die Angebote in den ländlichen Räumen geschaffen werden, bevor man den Vorteil im wirtschaftlich lukrativen Ballungsraum nutzen kann.

Auch der Freistaat fördert sowohl in meinem Hause als auch im Hause des Kollegen Kupfer den weiteren Ausbau des mobilen Internets. Sie selbst, Herr Jurk, haben das Thema Vogtlandkreis angesprochen. Der Vogtlandkreis ist ein Beispiel dafür, dass genau diese Förderung des Freistaates funktioniert. Gerade im Vogtlandkreis zeigt sich, wie sinnvoll es ist, auch technologie- und anbieteroffen auszuschreiben. Das ist genau das, was im Vogtlandkreis passiert ist.

Es ist so, dass der Freistaat Sachsen 90 % dieser Wirtschaftlichkeitslücke, die im ländlichen Raum entsteht, durch die Bereitstellung von Förderungsleistungen füllt, weil es im ländlichen Raum zunächst aufgrund der geringeren Anzahl der Nachfrager unwirtschaftlicher ist. Das ist auch ein wichtiger Beitrag, um im ländlichen Raum schnelles Internet zu ermöglichen. Auf die Haushaltsansätze ist in der Debatte bereits eingegangen worden. Das möchte ich nicht wiederholen.

Wir diskutieren dieses Thema in diesem Hause auch nicht zum ersten Mal. Es gab bereits in der letzten Legislaturperiode einen Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD zu diesem Thema. Darin war auch ein Prüfantrag enthalten. Es hieß darin: "Die Staatsregierung möge prüfen, welche Chancen und Risiken mit der Einbeziehung von Breitbandanschlüssen in die Grundversorgung verbunden sind." Die Staatsregierung hat zu dieser Prüfbitte in ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag umfangreiche Ausführungen gemacht und dieses Thema über vier Seiten abgewogen. Ich möchte das jetzt nicht im Einzelnen vortragen. Sie kam am 18.07.2008 zu dem Ergebnis – ich zitiere –: "Unter Abwägung all dessen setzt die Staatsregierung daher auf einen individuellen Lösungsansatz,

der im Hinblick auf Erschließungsgeschwindigkeit, Wirksamkeit und Kosten einer Universaldienstlösung überlegen ist." Diese Position der Staatsregierung aus dem Jahr 2008 ist richtig und wird von der Staatsregierung fortgeführt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Dieses übernimmt Herr Abg. Jurk. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bandmann von der CDU und Herr Karabinski von der FDP, ich weiß nicht, wer Sie berät bzw. Ihnen die Rede schreibt. Sie haben sich vehement dagegen ausgesprochen, unseren Punkt der Daseinsvorsorge aufzunehmen.

Ich will einmal aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP der aktuellen Bundesregierung zitieren: „Eine flächendeckende Breitbandversorgung gehört für uns zur Daseinsvorsorge.“

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

„Moderne Kommunikationsnetze schaffen verstärkten Zugang zu Informationen und damit mehr wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität. Für die Entwicklung von Industrienationen sind sie daher entscheidend.“

Ich sage Ihnen: Das ist richtig. Sie können einfach zustimmen, weil es Ihre Parteioberen in Berlin genau so sehen wie die SPD-Landtagsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Bandmann, Sie sollten im Kreis der Union einmal mit der CSU sprechen. Die hat nämlich an dieser Stelle ein FDP-Problem. Der CSU geht das auch alles viel zu langsam. Die Landesgruppe der CSU hat bei ihrer Beratung in Wildbad Kreuth auch über dieses Thema diskutiert und gesagt: Wir brauchen den Universaldienst.

So wie Sie es dargestellt haben, muss ich Ihnen sagen, ist das sehr verkürzt. Im Telekommunikationsgesetz ist es nicht exakt definiert und in der Telekommunikationsuniversaldienstleistungsverordnung ist es auch nicht exakt formuliert. Ich denke, da gehört das schnelle Internet hin, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ein weiterer Punkt ist: Wer bezahlt eigentlich diese Grundversorgung? Dabei kann ich Sie nur daran erinnern – Sie haben es ja selbst erwähnt: Der Staat nimmt richtig viel Geld in die Hand: europäisches Geld, vielleicht auch eigenes Geld. Wir bezahlen den Unternehmen ihre Wirtschaftlichkeitslücke in den Regionen, wo sie sich ausbauen wollen, weil es sich für sie nicht rechnet.

Die Ausschreibung von Frequenzen macht doch aber deutlich, dass es milliardenschwere Unternehmen sind,

über die wir gerade reden. Sie zahlen Milliarden Euro, um Frequenzen zu bekommen. Das ist die Wirklichkeit.

Deshalb, sehr verehrte Kollegen von den GRÜNEN, habe ich seinerzeit im Ministerium gesagt: Warum sollen wir die Lücke der Unternehmen schließen, die dicke Gewinne in den Ballungsräumen machen, aber nicht bereit sind, auf dem flachen Land zu investieren. Dass ich am Ende gesagt habe, wenn es dem Ziel hilft, nehmen auch wir Geld in die Hand, ist die andere Geschichte.

Herr Karabinski, weil Sie mich gefragt haben, was ich in der Vergangenheit so gemacht habe, sage ich Ihnen deutlich: Natürlich wollte ich das schnelle Internet ausbauen. Ich habe aber auch deutlich gemacht, wo die Grenzen staatlicher Förderung liegen.

Mich hätte zum Beispiel sehr interessiert, was Ihr Staatsminister von der FDP im Beirat der Bundesnetzagentur zu diesem Thema sagt. Ich weiß es nicht. Sie fragen ihn sicherlich. Sie kennen vielleicht den Pilotversuch von Vodafone/Ericsson in Oberwiesenthal, als es um die Nutzung der digitalen Dividende ging, nämlich dort, wo wir mit der Nutzung von Fernsehfrequenzen im Bereich von 790 bis 862 Megahertz versuchen, über Funk Lösungen zum Beispiel für Jens Weißflog hinzubekommen, die allerdings – das gebe ich gern zu –, was Funklösung betrifft, auch ihre Grenzen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war in der Vergangenheit aktiv und ich bin es auch heute noch. Sie können guten Gewissens diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen zwei Änderungsanträge vor. Zunächst der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 5/4704, der den ursprünglichen Antrag ersetzt. Hierzu ist punktweise Abstimmung verlangt worden. Ich stelle Punkt 1 des Antrages zur Abstimmung und bitte um die Dafür-Stimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist Punkt 1 des Antrages einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 2 des Antrages. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat Punkt 2 des Antrages nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 3 des Antrages. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat Punkt 3 des Antrages nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 4 des Antrages. Ich bitte auch hier um die Dafür-Stimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hierzu stelle ich das gleiche Abstimmungsverhalten fest: zahlreiche Stimmen dafür. Dennoch hat Punkt 4 nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag liegt in einer neuen Fassung vor, sodass ich darüber abstimmen lasse. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag in der neuen Fassung einstimmig angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Es liegt noch ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Ich frage Sie, wie zu verfahren ist.

(Miro Jennerjahn, GRÜNE, steht beim Präsidium und spricht die Verfahrensweise ab.)