Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

Der zweite Punkt ist, um das Ganze auch ökonomisch zu gestalten: Wir brauchen eine – das betone ich ausdrücklich – privatwirtschaftlich organisierte Breitbandgesellschaft, die übrigens nicht gegen die Telekommunikationsunternehmen gezielt werden soll, sondern indem man gemeinsam miteinander spricht. Dann können in diese Breitband AG durchaus auch staatliche Förderungen bis hin zu Steuererleichterungen einfließen, um das Ganze auch praktisch handhabbar zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich finde, Sachsen sollte seinem immer wieder verlauteten Anspruch gerecht werden, Spitze in Deutschland werden zu wollen. Deshalb haben wir in unserem Antrag auch deutlich gemacht: Wir wollen mehr als das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung für das Jahr 2014, nämlich 75 % der Haushalte an 50 Megabit pro Sekunde anzuschließen. Wir wollen das flächendeckend schaffen. Dass das anderenorts schon längst geplant und verabschiedet ist, macht deutlich, dass wir in Südkorea heute bereits Verpflichtungen von 20 Megabit pro Sekunde haben. Man glaubt es kaum, in Finnland hat man gerade gesetzlich beschlossen, dass man bis zum Jahr 2015 100 Megabit pro Sekunde anbieten will – wie gesagt, gesetzlich beschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben einen Antrag geschrieben, der deutlich macht, dass wir das technische Potenzial haben. Wir brauchen die politische Bereitschaft, um diesen Punkt umzusetzen. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung für diesen Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Wir fahren in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache fort. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Volker Bandmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Jurk hat in seiner Antragsbegründung den Landrat Lenk nicht erwähnt, obwohl er den Vogtlandkreis gelobt hat. Das will ich gern nachholen. Er war es, der sich an die Spitze gesetzt hat, um die technischen Möglichkeiten des Netzes und anderer Dinge auszuloten. Dem Kreis steht der Landrat Lenk vor, sofern ich richtig informiert bin. Deshalb ist es sicherlich nicht falsch. Deswegen sage ich: einen herzlichen Dank für dieses Lob.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Jurk, Sie haben nur teilweise auf Ihren Antrag Bezug genommen. Sie haben nicht erwähnt, dass Sie einen ersetzenden Änderungsantrag mit vier Punkten eingebracht haben. Der Vollständigkeit halber beziehen Sie sich

in Ihrem ersten Punkt auf einen Bericht über den nationalen IT-Gipfel. Dieser fand im Dezember in Dresden unter großer internationaler Beteiligung statt.

(Thomas Jurk, SPD: Das habe ich gesagt!)

In diesem Punkt ist enthalten, dass Sie einen Bericht über diesen Punkt haben wollen.

Wir als Koalition beantragen eine punktweise Abstimmung. Wir sind durchaus der Meinung, dass der Punkt 1 geeignet ist, die Strategien und bereits erreichten Dinge im Freistaat Sachsen vorzutragen.

Es ist nicht umsonst in unserem Koalitionsvertrag enthalten, dass der Ausbau – insbesondere im ländlichen Raum – für uns einen wichtigen Punkt darstellt. Insbesondere der schnelle Internetzugang ist genauso wie vielfältige Bildungsangebote vor Ort einer der Punkte, die wir zum Ziel haben.

Bleiben wir einmal bei dem IT-Gipfel. Dieser IT-Gipfel hat klar herausgestellt, dass die Bundesregierung in ihrer Strategie „Deutschland digital 2015“ wichtige Ziele und Maßnahmen für die Stärkung des Standortes genannt hat. Was Sie fordern, ist auf diesem IT-Gipfel bereits deutlich formuliert worden.

Sie fordern, dass diese Punkte früher umgesetzt werden sollen. Sie sagen allerdings nicht, woher Sie das Geld nehmen wollen. Sie sagen außerdem nicht, welche technischen Parameter darüber hinaus zur Realisierung dieses Projektes notwendig sind.

Im Telekommunikationsgesetz, auf das Sie Bezug genommen haben, steht Folgendes – das Gesetz stammt vom 17. Februar 2010: „… die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen.“ Dies ist bereits im Gesetz als Zielstellung verankert. In Bezug auf die Universaldienstleistungen sind Mindestangebote an Diensten für die Öffentlichkeit festgelegt worden.

Sachsen hat in den vergangenen Jahren bereits knapp 10 Millionen Euro für den ländlichen Raum – als Zuschussbetrag – eingesetzt. Sie waren zu diesem Zeitpunkt selbst noch Minister. Sie konnten vieles, was Sie heute fordern, zum damaligen Zeitpunkt mit umsetzen: durch die ILE-Richtlinie aus dem Jahr 2005 und die Europäische Förderrichtlinie.

Wir sind der Meinung, dass das Thema für den ländlichen Raum wichtig ist. Wir wollen es massiv vorantreiben.

Wir unterscheiden uns allerdings bei der Frage nach der Daseinsvorsorge. Sie wollen dieses Thema in der Daseinsvorsorge verankern. Sie wollen den Leuten suggerieren, dass man nur mit dem Finger schnipsen müsste und die Sache umgesetzt wäre.

Herr Jurk, die Daseinsvorsorge ist ein verwaltungsrechtlicher Begriff für die Bereitstellung von Gütern und Leistungen der Grundversorgung durch den Staat. Dazu zählen: das Verkehrs- und Beförderungswesen, die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, die Müllabfuhr, die

Abwasserbeseitigung, die Bildung und Kultur oder die Krankenhäuser. Dabei handelt es sich größtenteils um Betätigungen, die heute von kommunalwirtschaftlichen oder privaten Anbietern wahrgenommen werden.

Der genaue Umfang des verfassungsrechtlichen Schutzes der Daseinsvorsorge ist allerdings umstritten. Es gibt im Rahmen des Grundgesetzes keinen abgeschlossenen Begriff der Staatsaufgabenlehre. Somit kann die Daseinsvorsorge nicht als verfassungsgemäße Staatsaufgabe bezeichnet werden. Das ist die Definition.

Aufgrund seiner juristischen Unschärfe ist der Begriff der Daseinsvorsorge als ein soziologischer Begriff zu verstehen, der vorrangig eine problemverdeutlichende, weniger eine problemlösende Funktion hat.

In dem Ziel, für den Freistaat Sachsen schnell ein leistungsfähiges Internet anzubieten, sind wir überhaupt nicht auseinander. Die Staatsregierung unter der Führung des Ministerpräsidenten versucht alles, um dieses Ziel zu erreichen. Was allerdings nicht unsere Zustimmung findet, ist, den Menschen Märchen von technischen Dingen zu erzählen, die im Rahmen von technischen Details auf Schwierigkeiten stoßen.

Sie wissen, wie oft es Diskussionen vor Ort gibt, wenn es um Mobilfunkmasten geht. Jeder möchte ein schnelles Internet haben. Jeder möchte eine gute Mobilfunkverbindung nutzen. Niemand möchte allerdings einen Mobilfunkmast in seiner unmittelbaren Nähe stehen haben. In diesem Zusammenhang sind Planfeststellungsverfahren, Bürgereinsprüche, Gerichtsverfahren und ähnliche Verfahren zu bewältigen. Diese werfen das Thema in Bezug auf Kosten und Zeit zurück.

Herr Jurk, als Sie noch Minister waren, habe ich Folgendes beklagt: Wenn ich mit dem Auto von Dresden in meine Heimatstadt Görlitz unterwegs bin, die Ihre Geburtsstadt ist, kann ich mit dem Telefon nicht ununterbrochen im Auto telefonieren. Zwischendurch ist das Funknetz immer wieder unterbrochen.

Um vieles weniger geht es in der Eisenbahn. Dort ist die Internetversorgung in keiner Weise gewährleistet. Das unterstellt allerdings Ihr Antrag.

Deswegen können wir dem Antrag in der von Ihnen vorgelegten Form nicht zustimmen. Er unterstellt etwas, das er nicht leisten kann. Wir stimmen dem Punkt 1 zu. Das sagte ich. Die anderen Punkte sind meines Erachtens ein Teil, indem wir bestrebt sein müssen, unter den heute bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten die Wettbewerbssituation zu nutzen.

Ich erinnere Sie: Sie wohnen in der Nähe der Neiße. Manche Einwohner in Ihrer Heimat werden unmittelbar über das polnische Netz versorgt. Das polnische Netz weist sowohl im Mobilfunkbereich als auch bei der Sicherstellung des Internets derzeit bessere Leistungen als unser heimisches Netz auf. Wir haben in der Tat viele Aufgaben vor uns.

Ich bitte darum, dass wir das Thema nicht aus den Augen verlieren. Wir sollten den Menschen allerdings nichts suggerieren, was die Opposition versucht, in irgendeiner Weise zu besetzen. Das hilft uns letztendlich nicht weiter.

Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich sind in Deutschland nötig, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Wenn es um das Geld geht, wird es konkret. Wir müssen den Nachweis liefern, in welchen Schritten was investiert wird und woher das Geld stammt. Wir sind gespannt, wenn die nächsten Haushaltsberatungen im Infrastrukturbereich anstehen, ob wir dann die Unterstützung von Ihnen bekommen oder ob Sie sich enthalten oder dagegen stimmen. Mit dem Beitrag für ein modernes und leistungsfähiges Sachsen sind wir angetreten, den Freistaat Sachsen zu modernisieren. Der Staatsminister hat daran auch in der Vergangenheit keinen Zweifel aufkommen lassen, dass genau dies umgesetzt werden soll.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Bonk. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bandmann, Sie sind am Beispiel Ihrer Herkunftsregion auf die Probleme beim Netzausbau jetzt schon eingegangen. Natürlich muss das Internet als Aufgabe der Daseinsvorsorge begriffen werden. Neben den von Ihnen schon genannten Beispielen ist es für mich so: Wie jeder Mensch Anspruch auf ein Bankkonto hat, um an der gesellschaftlichen Interaktion und Organisation teilnehmen zu können, genauso sollte die Internetnutzung als ein grundlegendes Recht aller begriffen werden. Das hat meine Fraktion auch schon 2009 als Position festgehalten.

Um zu unterstützen, wie wichtig das Internet für die Teilhabe am Leben ist und wie durchdringend das Internet die Lebensorganisation bereits prägt, möchte ich Ihnen einen Eindruck vermitteln. Das geht zwar auch privat, aber als Beispiel hier im Haus. Stellen Sie sich vor, Pressemitteilungen müssten per Brief versendet werden. Für die Drucksachenrecherche müssten Sie in die Landtagsbibliothek gehen. Hotelbestellungen würden sich zum Telefonmarathon auswachsen. Für Behördenfragen müssten Sie zu den jeweiligen Sprechzeiten drei Orte weiter fahren, wenn zum Beispiel die Internetverbindung hängt. Für die Terminplanung in diesem Zusammenhang stünde Ihnen nur der alte Papierkalender zur Verfügung. Die sozialen Kontakte müssten Sie offline ausbauen und pflegen. Dagegen ist zumindest bei Letzterem nichts einzuwenden. Aber davon abgesehen ist für uns Kommunikation und soziale Interaktion ohne das Internet und ohne schnelles Internet kaum noch vorstellbar.

Die gesamte Arbeits- und Lebenswelt hat sich in den letzten Jahren durch das Internet derart gewandelt, dass es manch einen ganz ohne Netz dastehen ließe, müsste er

oder sie plötzlich ohne Internet sein. Und doch gibt es auch diese Realität in Sachsen. Nicht jeder und nicht jede kann sich zum einen einen Breitbandanschluss leisten und zum anderen steht er nicht überall in Sachsen zur Verfügung.

Schauen wir doch einfach mal auf die Zahlen. 70 % der Bevölkerung benutzen regelmäßig das Internet. Von diesen 70 % verfügen 68 % über einen schnellen Internetanschluss. Die übrigen 32 % müssen sich über einen ISDN-Anschluss bzw. analogen Anschluss einwählen. Sie können sich vorstellen, was damit möglich ist, wie nervig das ist, was damit geht und was damit nicht geht.

Der Netzausbau wird darüber hinaus als wichtiger Standortfaktor für die gleichberechtigte Entwicklung aller Landesteile gesehen. Somit kommt auch dem Land eine wichtige Steuerungsfunktion zu. Aber fast noch wichtiger erscheint mir dabei der Umstand, dass – wie eben geschildert – für die Bürgerinnen und Bürger eine wirklich gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben kaum noch möglich erscheint. Vor allem unter diesem Gesichtspunkt können und dürfen wir es uns nicht leisten, ganze Regionen und soziale Gruppen vom schnellen Internet abzukoppeln. Momentan geschieht aber genau das.

Das ist auch für die Demokratie im Land eine Gefahr. Das Internet ist zunehmend als Leitmedium anerkannt, das im Unterschied zu den klassischen Medien vielfältige Möglichkeiten der demokratischen Interaktion eröffnen würde. Wenn der Zugang zum Internet zur Daseinsvorsorge gehört, müssen wir fragen, mit welchem Ziel die Staatsregierung die Steuerung verfolgt.

Zum Vergleich: Neben den internationalen Beispielen, die Kollege Jurk angebracht hat, möchte ich noch darauf verweisen, dass in Frankreich der zuständige Minister für Wirtschaft, Innovation und Netzausbau es als Devise ausgegeben hat, dass an jedem Wohnort zwei leistungsfähige Netze mit schnellem Internet anliegen sollen. Das nenne ich Politik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger als Verbraucherinnen und Verbraucher. So stellen wir uns einen Netzausbau auch vor.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Daseinsvorsorge und Zugang zum Internet als Daseinsvorsorge bedeuten natürlich mehr. Es heißt auch, ein flächendeckendes Netz an zugänglichen Computern in Bibliotheken und öffentlichen Gebäuden zur Verfügung zu stellen. Es bedeutet die Ausbildung von Medienkompetenz und dazu den Netzaufbau. Sie sehen, entsprechend der gesellschaftlichen Bedeutung ist es natürlich eine Querschnittsaufgabe. Darum wirkt der Antrag der SPD im ersten Schritt auch etwas mager, fast als hätte man es sich ein bisschen zu leicht gemacht. Weil wir das Grundverständnis aber teilen, werden wir dennoch zustimmen.

Ich möchte auf den Punkt Netzausbau in der Betrachtung einen Schwerpunkt legen. Als Punkt der Daseinsvorsorge muss es bedeuten, dass er eben nicht nur dort vorangetrieben wird, wo er sich lohnt und wo er wirtschaftlich ist. In

dieser Situation befinden wir uns aber in Sachsen. Außerhalb der urbanen Gebiete gibt es immer noch weiße Netzflecken. In den kleineren Ortschaften liegt noch immer kein DSL an. Der Erfolg der Breitbandinitiative lässt – außer merkwürdigerweise im Vogtland – auf sich warten. Demgegenüber arbeiten weitgehend Netzvereine, die es sich zur Aufgabe gemacht haben,

(Beginnende Unruhe – Gespräche zwischen Abgeordneten)

mit einem weitaus geringeren Aufwand diese Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Es ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, warum auf diese Bereitschaft und Kompetenz nicht stärker zugegriffen wird.

(Fortgesetzte Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie einmal um Aufmerksamkeit, insbesondere meine Kollegen von der FDPFraktion, dass Sie vielleicht der Rednerin lauschen würden – –

Richtig, Sie wollen sich ja noch – –