Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Jetzt aber mal ohne Koalitionstreue!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben im Dezember 2007 das Budget des Parlaments verletzt. Mir persönlich fällt kein Zacken aus der Krone, dies einzuräumen. Ich finde es richtig, dass die Forderung aufgemacht wird, dass der damals handelnde Finanzminister und Ministerpräsident das auch einräumen sollte. Er hat weitaus bessere Gelegenheit, die damaligen Zwänge, Erläuterungen und Handlungsdrücke umfassend zu erklären, die zu dieser Bürgschaftsübernahme führten. Wir stimmen überein, dass es durchaus legitim ist, einen Nachtragshaushalt zu fordern – einerseits aus der Rolle heraus, dass wieder Rechtssicherheit geschaffen wird und ein Prozess des Rechtsverstoßes geheilt wird, andererseits aus Sachzwängen heraus, dass insbesondere im Bereich der mittelfristigen Finanzplanung Korrekturen gemacht werden können, dass geklärt wird, woraus die Bürgschaftsrücklage perspektivisch gespeist wird und welche Auswirkungen die Auflösung der SFG perspektivisch auf den Landeshaushalt hat.

Richtig ist, dass der CDU-Antrag in der Drucksache 5/226 ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist zu berichten – das hatte das Finanzministerium übrigens schon im September von sich aus getan – und natürlich weiter zu informieren, wie sich die Entwicklung dieser Gewährleistung darstellt, insbesondere in welcher Größenordnung Ausfälle zu erwarten sind.

Aber es ist auch richtig, wie die GRÜNEN herangehen, die fragen: Was hat es für Konsequenzen in der Verwendung der Mittel in der Haushaltsführung, wenn die Gewährleistung in Größenordnungen eintritt und ein Nachtragshaushalt gefordert wird?

Was hat das für Bedeutung in Richtung Haushaltssperren, die dann eben nicht mehr vom Parlament zu beeinflussen sind? Und ein ganz wesentlicher Aspekt, der ja auch vom Finanzministerium selbst vorgetragen wird: Wie gehen wir perspektivisch mit den durchaus bekannten Risiken in unserem weiteren Beteiligungsportfolio um? Von daher ist natürlich die Forderung nach einem Nachtragshaushalt durchaus legitim.

Herr Rohwer hat hier dargelegt, dass für ihn die wichtigste Äußerung im Bericht des Rechnungshofes war, dass diese Bürgschaft vom Verfahren her zwar verfassungsrechtlich nicht ganz in Ordnung war, aber wie das hergeleitet wurde, waren die Zwänge durchaus nachvollziehbar und letztendlich sind wir durch den Notverkauf mit einem blauen Auge davongekommen.

Für mich die wichtigste Feststellung – nicht nur des Rechnungshofes, sondern auch des Verfassungsgerichtes; schon allein, als wir in dem Bunker saßen und das Ernst&-Young-Gutachten durchgelesen haben – ist die Aussage, dass mit der Weichenstellung 1999 – man hat ja auch bei Herrn Rohwer gemerkt, er setzt immer erst 2005 an –

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Ihre Zustimmung im Kreditausschuss!)

und bei den Entscheidungen 2004 – und da gab es keinen Kreditausschuss, Herr Ministerpräsident, in dem ein SPDMitglied drin war – – Ganz abgesehen davon, dass ich zu den Entscheidungen, wie sie im Juni 2005 gefallen sind, aus dem Ernst-&-Young-Gutachten durchaus einmal zitieren könnte, wie die das vorgetragen haben. Denn da war von einer Gewährleistungsbürgschaft, die die vollständige Haftung des Freistaates Sachsen bedeutet, überhaupt nicht die Rede. Das hat das Verfassungsgericht festgestellt.

Diese Entscheidungen 1999, 2004 und im Juni 2005, nämlich nicht originäres Geschäftsfeld, waren letztendlich der Genickbruch dieser Bank; also die Entscheidung, den Freistaat zu verpfänden. Das ist eingetreten.

Richtig sind natürlich auch, was Frau Hermenau sagt, die Regressansprüche. Was mir fehlt – und darauf möchte ich hier eingehen – ist die Frage der strafrechtlichen Relevanz.

Stellen Sie sich vor, ein Bürgermeister in diesem Land verpfändet 20 % seines Jahresbudgets in einer Gewährleistung.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich kenne übrigens kaum noch Bürgermeister, die nicht von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen entweder bedroht sind oder diese direkt haben. Da können Sie ExOberbürgermeister Vettermann in Zwickau nehmen, da können Sie Ludwig in Rheinsdorf nehmen, da können Sie Lichtentanne nehmen, da können Sie Zipfel in Crimmitschau nehmen. Alle haben staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu den unterschiedlichsten Dingen am Hals.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Und keiner in diesem Land erwägt staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen diejenigen, die die Entscheidung getroffen haben, den Freistaat zu verpfänden: Milbradt, Metz und die Chefs der Sachsenfinanzgruppe, nämlich die Gesellschafter der Landesbank Sachsen. Sie haben diese Entscheidung getroffen und das Geschäftsfeld aufgemacht.

Aber die Staatsanwaltschaft macht natürlich sofort Ermittlungen, wenn ein Minister die Verkehrskelle hinaushält. Da wird sie aktiv.

Doch in den Fällen, wo es um Milliardenschäden geht, wird sie nicht aktiv. Das ist für mich der Punkt, an dem ich mich auch persönlich reibe. Insofern ist der Rechnungshofbericht zur Sachsen LB inkonsequent; natürlich inkonsequent. Wenn in kommunalen Bereichen Veruntreuung, Fördermittelmissbrauch oder ähnliche Dinge auftreten, dann wird an die Staatsanwaltschaft übergeben. Ich frage: Warum wird hier nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben?

Ich habe heute hier einen bemerkenswerten Satz des Ministerpräsidenten gehört: Man ist gegen Zocke auf Staatskosten.

(Karl Nolle, SPD: Heuchelei!)

Das war im sozialen Kontext gemeint. Ich frage mich: Was ist der Unterschied zwischen Verspekulieren und Untreue?

Ich stehe zu meiner Aussage, die ich hier in diesem Parlament getroffen habe: Es kann nicht sein in Sachsen, dass die Kleinen gehängt werden und die Großen laufen gelassen werden.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abg. Prof. Schmalfuß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Landesbank Sachsen hat uns in der vergangenen Wahlperiode des Sächsischen Landtages mehr als ausreichend beschäftigt.

Zu Fragen der Verantwortung für die vorhandenen Lasten aus den Landesbankgeschäften, insbesondere in Irland sowie in anderen Teilen des Erdballs, hat sich die FDPFraktion mehrfach und deutlich positioniert.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Das Gleiche gilt für die eindeutige Tatsache, dass es Ende 2007 keine – ich wiederhole: keine – Alternative zu einer Landesbankgarantie in Höhe von 2,5 Milliarden Euro gab. Insofern begrüßen wir als FDP-Fraktion das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes.

Vor dem Hintergrund des Urteils des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes wissen wir endgültig, dass es entgegen der Forderung der Fraktion DIE LINKE keines Nachtragshaushaltes bedarf. Wir wissen auch, dass die Garantie nach außen hin unverändert wirksam ist.

Meine Damen und Herren! Zu Letzterem sollte uns allen gemeinsam das Nachfolgende klar sein: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würden wir nie und nimmer solch eine Gelegenheit bekommen, das Risiko aus den Landesbankgeschäften zu begrenzen.

(Beifall bei der FDP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es gab nur Ende 2007 ein enges Zeitfenster, mit Schrammen und Beulen den finanziellen Notstand für den Freistaat Sachsen zu vermeiden. Diese Chance ist zum Glück für die Bürger des Freistaates Sachsen genutzt worden. Insofern sehe ich keinen Grund, dass die neue Staatsregierung aus dem Urteil irgendetwas „anzuerkennen“ oder sich „zu erklären“ hat.

(Lachen des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

So viel, meine Damen und Herren, zur Vergangenheit; jetzt zur Gegenwart und Zukunft.

Zunächst einmal möchte ich mich bei Herrn Staatsminister Prof. Unland für die neue Offenheit beim Thema Sachsen LB bedanken.

(Karl Nolle, SPD: Das ist doch scheinheilig!)

Ich denke, selbst die Opposition in diesem Haus muss anerkennen, dass der Finanzminister den Haushalts- und Finanzausschuss regelmäßig informiert, auch mit äußerst vertraulichen Informationen, die aber für das Verständnis der Zusammenhänge wichtig sind.

Solch eine Offenheit, das möchte ich persönlich anmerken, hätte ich mir in der vergangenen Legislaturperiode gewünscht. Ich glaube, Herr Nolle, das ist nicht scheinheilig, sondern das ist einfach der neue Stil der neuen Koalition.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass diese vertraulichen Informationen,

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

die im Haushalts- und Finanzausschuss gegeben worden sind, zu einer sachlichen Diskussion und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit hier im Hohen Hause führen.

Inhaltlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir zwei offene Punkte – und darum geht es eigentlich im Kern – aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes einer Lösung zuführen. Das ist zum einen die Frage der rechtlichen Verantwortung ehemaliger Vorstandsmitglieder und Verwaltungsratsmitglieder. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass der Verkauf der Landesbank Sachsen den Prozess erschwert hat. Der Freistaat Sachsen und die Sachsen

Finanzgruppe sind nicht mehr Anteilseigner der Landesbank Sachsen. Das heißt, dass wir uns bei Schadensersatzansprüchen mit dem neuen Eigentümer abstimmen müssen. Hierzu hat Staatsminister Prof. Unland bereits mehrfach den Haushalts- und Finanzausschuss informiert, erst am vergangenen Mittwoch wieder sehr ausführlich.

Der wesentlich kniffligere Teil des Urteils, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Frage, wie mit den verbliebenen Beteiligungen des Freistaates Sachsen in Zukunft umgegangen wird. Wie erkennen wir rechtzeitig und umfassend Risiken bei landeseigenen Unternehmen, die spätere Haushalte belasten können? Hier müssen wir gemeinsam eine rechtlich saubere, aber auch pragmatische Lösung finden, die den Betrieb bei den Unternehmen nicht lahmlegt. Herr Staatsminister Unland hat dazu ebenfalls im vorangegangenen Haushalts- und Finanzausschuss Ausführungen gemacht.

Darüber hinaus stellt sich die Herausforderung, wie es uns gelingt, weiteren externen Sachverstand in Kontrollgremien von landeseigenen Unternehmen zu verstärken. Gerade dieser Punkt ist der Koalition sehr wichtig. Wir haben ihn daher im Koalitionsvertrag festgehalten.

Angesichts des gemeinsamen Antrages von CDU und FDP, der im Haushalts- und Finanzausschuss – auch mit Zustimmung der Opposition – beschlossen wurde, bedarf es der beiden heute vorliegenden Anträge nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Staatsminister Unland hat in der Sitzung des HFA über die Auswirkungen und Konsequenzen des Urteils des Verfassungsgerichtshofes zum Verkauf der Sachsen LB berichtet. Die CDU/FDP-Koalition hat sichergestellt, dass die Abwicklung der Sachsen-LB-Garantie transparent dargestellt und das Parlament eng eingebunden und regelmäßig informiert wird. Damit sind die Maßgaben des Verfassungsgerichtsurteils umgesetzt und das Budgetrecht des Landtages ist gewahrt. Die FDP-Fraktion wird vor dem Hintergrund meiner Ausführungen beide Anträge ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)