Aber wenn ich mir einige konkrete Vorhaben im Wirtschaftsbereich ansehe, komme ich nicht umhin festzustellen, dass sie in die richtige Richtung gehen, wenn ich zum Beispiel an die Einführung revolvierender Fonds bei der Fördermittelvergabe, die Ausgabe von Innovationsgutscheinen oder die gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung denke. All das finden Sie im Wahlprogramm der Linken, beschlossen im April dieses Jahres. Wenn CDU und FDP das jetzt umsetzen, werden wir uns nicht beschweren. Wenn man jedoch ins Detail geht, werden gleichwohl auch hier Defizite sichtbar.
Weitgehend vage sind die Aussagen im Koalitionsvertrag zu den wichtigen Themen Umwelt und Landesentwicklung. Es ist bezeichnend, das der Begriff „Klimawandel“ in der Vereinbarung der Koalitionäre nicht ein einziges Mal auftaucht. Die Nachhaltigkeit wird zwar zu einem Leitbild erklärt, aber nicht wirklich umgesetzt. Die Umwelt wird zuerst als Wirtschaftsfaktor gesehen, kaum als Wert an sich. Energiemix heißt bei CDU und FDP: Die Braunkohleverstromung bleibt die Hauptsäule. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll sich nur auf 24 % erhöhen.
Bei den Koalitionsverhandlungen in Brandenburg haben wir uns als Linke im Umweltschutz zwar nicht in allen Punkten durchsetzen können,
aber eines haben wir doch erreicht: Dort wurde im Koalitionsvertrag ein klarer Vorrang für erneuerbare Energien festgeschrieben.
Abschließend noch einige Bemerkungen zu den Finanzen. Seit der Mai-Steuerschätzung wissen wir um die milliardenschweren Einnahmenverluste, die uns in den Jahren 2009 und 2010 belasten werden. Seit dieser Zeit bedarf es einer Korrektur des Doppelhaushaltes durch einen Nachtragshaushalt. Bis heute liegt dieser Nachtragshaushalt nicht vor, und die Staatsregierung ignoriert dabei selbst ein Urteil des Verfassungsgerichtes. Wir werden darüber heute noch zu sprechen haben.
Dennoch beabsichtigen die Koalitionäre offenbar, die sinkenden Einnahmen am Landtag vorbei den Ausgaben anzupassen. Damit hat sich die Staatsregierung geoutet, wie ihr Verständnis vom Umgang zwischen Regierung und Parlament aussieht. Dieser Umgang widerspricht eklatant dem, was Nobert Lammert als Bundestagspräsident bei dessen Konstituierung einforderte. Er sagte: „Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung.“
Dass die CDU seit 1990 weder gelernt noch begriffen hat, die jeweilige Regierung zu kontrollieren, ist bekannt. Dass die sogenannte Rechtsstaatspartei FDP, die sich gern als wahre Hüterin der Verfassung aufspielt, sich nun in der Koalition mit der CDU vom ersten Tag an auf das gleiche Niveau begibt, ist entlarvend. Allerdings will ich zugeben, einen positiven Effekt gab es doch bei der Regierungsbildung: Herr Zastrow hat am Ende selbst eingesehen, dass er nicht zum Minister taugt. – Somit ist uns wenigstens das erspart geblieben.
Kein Problem. – Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE wird in der vor uns liegenden Legislaturperiode eine harte Opposition sein. Wir werden das Regierungshandeln kontrollieren und zugleich alternative Politikangebote auf den Tisch legen. Wir sind zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit allen demokratischen Fraktionen bereit. Wir als DIE LINKE werden dafür sorgen, dass das Soziale in Sachsen nicht völlig unter die Räder kommt.
Die Wählerinnen und Wähler haben am 30. August 2009 entschieden. Das respektieren wir. Zugleich werden wir aber alles tun, dass Schwarz-Gelb nur eine kurze Episode in der Geschichte unseres schönen Landes bleibt.
Das war Herr Dr. Hahn. – Als Nächster folgt für die Fraktion der CDU Herr Kollege Flath; bitte schön.
Herr Landtagspräsident! Herr Ministerpräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Auf meinem Schreibtisch im Landtag liegt ein kleiner Kalender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Dort fand ich heute unter dem 11. November folgende Erinnerung: „Vor 20 Jahren gegen ein Uhr nachts beginnt unter dem Jubel der Menschen der Abriss der Berliner Mauer in der Bernauer Straße.“
Das war vor 20 Jahren. Mehr als 28 Jahre war die Berliner Mauer das Symbol für Teilung, Unterdrückung und Unfreiheit. Menschen sind aber zur Freiheit angelegt. Die Sachsen standen in dieser friedlichen Revolution vor 20 Jahren in der ersten Reihe. Sachsen darf stolz darauf sein.
Sachsen hat damit eine ganz besondere Verantwortung, auch und besonders in dieser 5. Legislaturperiode nach der Wiedererrichtung des Freistaates Sachsen. Seit 20 Jahren dürfen wir in Freiheit und in Frieden leben. Nicht allen geht es auf dieser Welt so gut. Vor 20 Jahren wurde die Verantwortung gelebt. Nach zwei durchlebten Diktaturen mit all ihren Schrecken und ihrem Elend für andere Völker und für andere Religionen will ich in dieser Woche besonders an die Schwestern und Brüder der Jüdischen Gemeinden denken und ihnen Unterstützung zusagen.
Wir wollen auch an die vielen großen und kleinen Verwundungen im Inneren unseres Landes denken: völlig veränderte Biografien, zerstörte Lebensläufe.
Lag es nicht nahe, beim Einreißen der Mauer vor 20 Jahren Steine in die Hand zu nehmen und Vergeltung zu üben? Es wäre menschlich verständlich gewesen. Verantwortung führte schließlich zu einer friedlichen Revolution. Kerzen fanden den Weg aus den Kirchen ins gesellschaftliche Leben unseres Landes. Das war Verantwortung vor 20 Jahren.
So wie Freiheit und Verantwortung zusammengehören, so gehört auch die Solidarität dazu. Vor 20 Jahren freuten sich nicht nur die Ostdeutschen, sondern ganz Deutschland. Viele Menschen weinten, sie lagen sich in den Armen, sie feierten Tag und Nacht. Die einstigen Siegermächte und die Nachbarn in Europa – sie gönnten uns die Einheit unseres Vaterlandes.
In freien und geheimen Wahlen am 18. März 1990 entschied eine Mehrheit, auch und besonders in Sachsen, dass unser Land der Bundesrepublik Deutschland beitritt und damit Mitglied der Europäischen Union werden sollte. Somit blicken auch wir zurück auf 20 Jahre gelebte Solidarität. Sachsen sähe heute ohne die Unterstützung der anderen Bundesländer und der Mitglieder der Europäischen Union, die schon früher in Freiheit und Demokratie leben konnten, nicht so aus.
Dazu gehört aber auch, dass fest vereinbart ist, dass der Solidarpakt stufenweise ausläuft. Die Unterstützung der Europäischen Union wird Stück für Stück zurückgehen. Im Jahre 2020 – mehr als 30 Jahre nach der friedlichen Revolution – werden wir circa 20 % weniger in der Staatskasse haben. Das sind mehr als 3 Milliarden Euro, und das Jahr für Jahr und nicht etwa nur einmalig. Im Jahre 2020 werden wir in der heutigen Realität eines
Bundeslandes Rheinland-Pfalz angekommen sein, und die müssen ja schließlich auch zurechtkommen. Deshalb muss Sachsen 2020 auf eigenen Beinen stehen können. Das ist unser Ziel.
Vor uns – machen wir uns heute nichts vor – liegt eine gigantische Aufgabe. CDU und FDP stellen sich in Verantwortung für unser Land dieser Aufgabe. Zu Beginn dieser Legislatur bitte ich auch die Opposition, gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen an der politischen Kultur in unserem Land zu arbeiten.
Den Sachsen traue ich zu, diese Herausforderung in den nächsten Jahren zu bestehen. Dieses Vertrauen stützt sich auf die Veränderungsbereitschaft der letzten 20 Jahre. Wir waren schneller, wir waren ideenreicher, wir waren manchmal vielleicht auch mutiger als andere. Sächsische Schüler gehören zu den besten in Deutschland. Sie bekommen die breiteste – auch naturwissenschaftliche – Allgemeinbildung.
Wir wollen, dass das honoriert wird – am besten durch einheitliche Abiturprüfungen. Die meisten Ingenieure verlassen in Sachsen die Hochschulen. Natürlich arbeiten wir daran, auch die Studienbedingungen weiter zu verbessern. Wir wollen Frauen Mut machen, nicht nur in die sozialen Berufe zu drängen. In technischen Berufen war und ist Sachsen führend, und dort wollen wir wieder anknüpfen. In Sachsen gibt es auch die besten Handwerksmeister und die besten Facharbeiter.
(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Martin Dulig, SPD: Danke CDU. Sie sind die Größten und die Besten!)
Das ist jetzt nicht spaßig. – Daraus ergibt sich eine zentrale Aufgabe für die Zukunft: Junge, gut ausgebildete Sachsen – unser kostbarstes Gut – dürfen nicht weiterhin abwandern.
Sie müssen eine Chance bekommen. Dabei zeige ich nicht zuerst auf die Wirtschaft. Natürlich ist damit auch die Wirtschaft gemeint. Ihre Zukunft wird in starkem Maße davon abhängen, wie es gelingt, junge, gut ausgebildete Leute zu binden. Zunächst denke ich an den Staat. Ist der Staat hierbei Vorbild? Über diese Frage müssen wir in dieser Legislatur diskutieren. Ich denke an Lehrer. Was würden junge Leute dafür geben, in Sachsens Schulsystem hineinzukommen?
Auf diesem Gebiet kenne ich mich recht gut aus, zum Beispiel die Tarifverträge betreffend. Natürlich – das sage ich den Lehrerinnen und Lehrern – habe ich viel Verständnis dafür, wieder in 100 % Arbeit und Verdienst zu kommen. Diese Forderung ist berechtigt. Aber ist nicht auch berechtigt, bei allem, was wir tun, darauf zu achten, dass junge Leute, die jetzt noch studieren und vielleicht auf eine Referendarstelle warten oder diese bereits abgeschlossen haben, in den nächsten fünf Jahren eine Chance bekommen, in dieses System hineinzukommen?
(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Johannes Lichdi, GRÜNE: Da macht es doch! Ihr könnt es doch machen!)